Freikirche und Arbeitgeber

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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Maria Walburga
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Freikirche und Arbeitgeber

Beitrag von Maria Walburga »

Hallo Kreuzgänger!

Lt. Antidiskriminierungsgesetz von 2006 darf ja u.a. kein Bewerber aufgrund seiner Religion benachteiligt werden. Ausnahme bei Anstellungen in kirchlicher Trägerschaft, wo vom Bewerber als Einstellungskriterium die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche gefordert werden darf. Habt ihr Erfahrungen darüber, wie das mit Angehörigen von sogenannten Freikirchen oder Sondergemeinschaften aussieht? Also z.B. SELK, Baptisten, Altkatholiken, Brüdergemeinde etc.

Die Tochter einer guten Bekannten möchte, wenn sie nächstes Jahr ihr Abitur gemacht hat, gerne Kinderkrankenschwester oder Erzieherin werden. Da sie aber einer Freikirche angehört, habe ich ihrer Mutter zu Denken gegeben, dass gerade im medizinisch-sozialen Bereich zumeist kirchliche Träger die Arbeitgeber sein werden und es Probleme geben könnte... Oder wird das heutzutage lockerer gesehen? Es im Vorstellungsgespräch unerwähnt zu lassen, bringt ja nix (Eintrag auf Lohnsteuerkarte: Freikirchen ziehen i.d. R. ja keine Kirchensteuer ein).

Bin gespannt auf eure Erfahrungen!

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Also die Altkatholiken ziehen Steuer ein, da steht dann "ak" auf der Lohnsteuerkarte.
Bei den Freikirchen kann man sich vielleicht von der Ortsgemeinde eine Bescheinigung geben, daß man dazugehört.
Bei solchen "independent Baptists", die keine Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Gemeinde kennen, ist das dann schon problematisch.
???

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Marcus
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Re: Freikirche und Arbeitgeber

Beitrag von Marcus »

Maria Walburga hat geschrieben:Hallo Kreuzgänger!

Lt. Antidiskriminierungsgesetz von 2006 darf ja u.a. kein Bewerber aufgrund seiner Religion benachteiligt werden. Ausnahme bei Anstellungen in kirchlicher Trägerschaft, wo vom Bewerber als Einstellungskriterium die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche gefordert werden darf. Habt ihr Erfahrungen darüber, wie das mit Angehörigen von sogenannten Freikirchen oder Sondergemeinschaften aussieht? Also z.B. SELK, Baptisten, Altkatholiken, Brüdergemeinde etc.

Die Tochter einer guten Bekannten möchte, wenn sie nächstes Jahr ihr Abitur gemacht hat, gerne Kinderkrankenschwester oder Erzieherin werden. Da sie aber einer Freikirche angehört, habe ich ihrer Mutter zu Denken gegeben, dass gerade im medizinisch-sozialen Bereich zumeist kirchliche Träger die Arbeitgeber sein werden und es Probleme geben könnte... Oder wird das heutzutage lockerer gesehen? Es im Vorstellungsgespräch unerwähnt zu lassen, bringt ja nix (Eintrag auf Lohnsteuerkarte: Freikirchen ziehen i.d. R. ja keine Kirchensteuer ein).

Bin gespannt auf eure Erfahrungen!
Grundsätzlich ist es so, dass man Angehöriger einer bestimmten Kirche sein muss, wenn man dieser als Kirchenbeamter dienen will. Das ist genauso wie auch bei den Bundes-, Landes- und Kommunalbeamten. Diese müssen auch grundsätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines EU-Staates besitzen, wobei EU-Ausländer natürlich der Zugang zu bestimmten Laufbahnen verwehrt werden kann. Als ich es mal in Erwägung zog, Dipl.-Verwaltungswirt zu werden und mich bei der Ausbildungsvermittlung nach entsprechenden Stellen erkundigte, wurde ich daher auch gefragt, ob ich Glied der Evangelischen Landeskirche sei, da diese auch geh. Verwaltungsbeamte ausbilde. Da hätte ich mich allerdings ohnehin nicht beworben.

Krankenschwestern nehmen keine hoheitlichen Aufgaben wahr, so dass bei ihnen auch kein Kirchenbeamtenverhältnis begründet wird. Bei kirchlichen Angestellten und Arbeitern reicht es im Regelfall aus, dass sie Glied einer Glaubensgemeinschaft sind, die den ACK angehört. Im Arbeitskreis Christlicher Kirchen sind auch viele Freikirchen vertreten ( z. B. die SELK). Die SELK stellt trotz ihrer konservativen und konfessionellen Prägung z. B auch Christen aus anderen Denominationen als Angestellte oder Arbeiter ein, verlangt aber natürlich, dass sie sich stets wohlwollend gegenüber der SELK verhalten. In einem beamtenähnlichen Dienstverhältnis auf Widerruf, auf Zeit oder auf Lebenszeit werden hingegen nur Selkies berufen.

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Maria Walburga
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Re: Freikirche und Arbeitgeber

Beitrag von Maria Walburga »

Danke schonmal für die beiden Antworten!
Marcus hat geschrieben:Bei kirchlichen Angestellten und Arbeitern reicht es im Regelfall aus, dass sie Glied einer Glaubensgemeinschaft sind, die den ACK angehört.
Oben geschriebenes gilt dann für die Gemeinschaften, die Vollmitglieder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen sind, oder auch für die dortigen Gastmitglieder, bzw. ständigen Beobachter? :?:

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ifugao
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Beitrag von ifugao »

:mrgreen:
Selbst habe ich bei Caritas gearbeitet.

Aus langjähriger Erfahrung habe ich beobachten können das Angestellte der Caritas Jugendlichen sogar abgeraten haben die Messe zu besuchen obwohl sie danach gefragt haben.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

:shock: Na so etwas…ich habe ja schon viel Verrücktes erlebt, aber so etwas noch nicht.
Wie war daß denn bei Dir, ifugao, mußtest Du denn eine Bescheinigung von Deiner Ortsgemeinde vorlegen, oder wie ging das?
???

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Maria Walburga
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Beitrag von Maria Walburga »

Ja, das ist das Schizophrene daran. Die innere Einstellung interessiert meist nicht- Hauptsache, die Kirchensteuer wird brav bezahlt. Ich kenne auch Leute (Sozialarbeiter), die nur wegen ihres Jobs (Anstellungen fast nur in kirchliche Trägerschaft zu bekommen) in die Kirche eingetreten sind, bzw. dort als Karteileiche bis zur Rente verbleiben. :/

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ifugao
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Beitrag von ifugao »

anneke6 hat geschrieben::shock: Na so etwas…ich habe ja schon viel Verrücktes erlebt, aber so etwas noch nicht.
Wie war daß denn bei Dir, ifugao, mußtest Du denn eine Bescheinigung von Deiner Ortsgemeinde vorlegen, oder wie ging das?
Nichts. Lediglich eine normale Bewerbung mit ordnungsgemäßen Angaben. Mein Chef hat jahrelang Theologie studiert.
Die Jungs und Mädels sind aber zu mir gekommen wenn sie Glaubensthemen besprechen wollten. In diesem Fall war das nicht immer einfach. Unser Chef hat solche Gespräche mit ihnen immer abgeblockt. Schade

Katholikin war seit 400 Jahren keiner aus unserer Familie.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Vielleicht kann ich ja in eure Familie einheiraten…
???

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ifugao
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Beitrag von ifugao »

anneke6 hat geschrieben:Vielleicht kann ich ja in eure Familie einheiraten…
Scherzmodusan
Vor ungefähr 150 Jahren ist ein solches Mißgeschick durch die Einheirat einer Katholikin einmal passiert.
Diese Schauergeschichte grassiert noch heute durch alle Familienzweige. :D
Aber eine Katholikin großziehen, das muß ich!

HeGe
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Beitrag von HeGe »

ifugao hat geschrieben:Aus langjähriger Erfahrung habe ich beobachten können das Angestellte der Caritas Jugendlichen sogar abgeraten haben die Messe zu besuchen obwohl sie danach gefragt haben.
Das waren bestimmt sehr liberale Messen und die konservativen Caritas-Mitarbeiter waren nur um das Seelenheil der Jugendlichen besorgt. :ja:
- Nutzer nicht regelmäßig aktiv. -

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holzi
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Beitrag von holzi »

Maria Walburga hat geschrieben:Ich kenne auch Leute (Sozialarbeiter), die nur wegen ihres Jobs (Anstellungen fast nur in kirchliche Trägerschaft zu bekommen) in die Kirche eingetreten sind, bzw. dort als Karteileiche bis zur Rente verbleiben. :/
ich auch, allerdings auch einen, der sich selten dämlich angestellt hat: ein Kunsthysteriker ;) , der im Diözesanmuseum München-Freising eine Stelle antreten wollte, ihm wurde gesagt, dass er lediglich wieder in die Kirche eintreten sollte, um die Stelle zu bekommen. Er tat das - die Stelle hat er aber trotzdem nicht bekommen, er trat nämlich in die evangelische Landeskirche ein :ikb_wallbash: leider verloren!

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

HeGe hat geschrieben:
ifugao hat geschrieben:Aus langjähriger Erfahrung habe ich beobachten können das Angestellte der Caritas Jugendlichen sogar abgeraten haben die Messe zu besuchen obwohl sie danach gefragt haben.
Das waren bestimmt sehr liberale Messen und die konservativen Caritas-Mitarbeiter waren nur um das Seelenheil der Jugendlichen besorgt. :ja:
Genau, das war es! :freude:
???

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

holzi hat geschrieben:
Maria Walburga hat geschrieben:Ich kenne auch Leute (Sozialarbeiter), die nur wegen ihres Jobs (Anstellungen fast nur in kirchliche Trägerschaft zu bekommen) in die Kirche eingetreten sind, bzw. dort als Karteileiche bis zur Rente verbleiben. :/
ich auch, allerdings auch einen, der sich selten dämlich angestellt hat: ein Kunsthysteriker ;) , der im Diözesanmuseum München-Freising eine Stelle antreten wollte, ihm wurde gesagt, dass er lediglich wieder in die Kirche eintreten sollte, um die Stelle zu bekommen. Er tat das - die Stelle hat er aber trotzdem nicht bekommen, er trat nämlich in die evangelische Landeskirche ein :ikb_wallbash: leider verloren!
Dumm gelaufen!
???

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holzi
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Beitrag von holzi »

anneke6 hat geschrieben:Dumm gelaufen!
Absolut - seitdem mag er keine Kirchen mehr. Aber hier gilt der Satz aus der Werbung für die Gelben Seiten: “Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt”

Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Es gibt auch Arbeitsplätze, bei denen schon von Praktikanten verlangt wird der Kirche anzugehören, selbst dann, wenn sie nur vier Wochen da sind, um z. B. den Beruf kennenzulernen oder ein Ferienpraktikum zu machen.

Gretchen
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Re: Freikirche und Arbeitgeber

Beitrag von Gretchen »

Maria Walburga hat geschrieben: (...) Die Tochter einer guten Bekannten möchte, wenn sie nächstes Jahr ihr Abitur gemacht hat, gerne Kinderkrankenschwester oder Erzieherin werden. Da sie aber einer Freikirche angehört, habe ich ihrer Mutter zu Denken gegeben, dass gerade im medizinisch-sozialen Bereich zumeist kirchliche Träger die Arbeitgeber sein werden und es Probleme geben könnte... Oder wird das heutzutage lockerer gesehen? Es im Vorstellungsgespräch unerwähnt zu lassen, bringt ja nix (Eintrag auf Lohnsteuerkarte: Freikirchen ziehen i.d. R. ja keine Kirchensteuer ein).

Bin gespannt auf eure Erfahrungen!
Im medizinischen Bereich ziehen sich die Kirchen sowieso immer mehr aus den Trägerschaften der Krankenhäuser zurück. Wenn deine Nichte also Kinderkrankenschwester werden will, sollte sie es einfach an einem größeren Haus (z.B. an einer Uniklinik) versuchen. Da dürfte es auf keinen Fall Probleme geben.
Es kommt zwar immer gut an, wenn man katholisch ( ;D ) ist, aber es ist nicht zwingend notwendig.
Ein positives Beispiel von einem kleinen Krankenhaus:
Eine Bekannte von mir - sie ist evangelisch freikirchlich - ist Kinderkrankenschwester in einem Haus, das früher, als sie eingestellt wurde, in katholischer Trägerschaft war. Es hat den Vinzentinerinnen wohl mehr imponiert, dass sie zu ihrer Konfessionszugehörigkeit stehen konnte...

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

holzi hat geschrieben:
anneke6 hat geschrieben:Dumm gelaufen!
Absolut - seitdem mag er keine Kirchen mehr. Aber hier gilt der Satz aus der Werbung für die Gelben Seiten: “Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt”
Na, man sollte doch denken, dass sich in einem Diözesanmuseum jemand damit auskennt.

Eine Freundin von mir ist von der katholischen zur evangelischen Kirche konvertiert, um einen Studienplatz an einer evang. Hochschule zu bekommen. Das hat so auch geklappt. Als ihr Vater das spitz bekam, musste sie wieder zurückkonvertieren. Was sie wirklich glaubte, wollte niemand von ihr wissen. Mittlerweile ist sie wahrscheinlich längst aus der Kirche ausgetreten.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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