Christozentrismus/Theozentrismus

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
Dieter
Beiträge: 2345
Registriert: Freitag 22. Juli 2011, 11:01
Wohnort: Berlin

Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Dieter »

Das Christentum ist überwiegend christozentrisch. Vor allem im Luthertum wird dies deutlich, wenn z.B. die Rechtfertigung allein vom Glauben an Christus abhängt.

In der Reformierten Kirche ist die Situation jedoch etwas anders. Schon Zwingli sprach mehr von "Gott" als von "Christus". Da das Reformiertentum dem Judentum sehr nahe steht (Bilderverbot, Kirchenräume ähnlich wie Synagogen, Betonung des Alten Testamentes) ist der Gott, den die Reformierten anbeten, in erster Linie der Gott, den auch Jesus angebetet hat - also der Gott der Juden. In den Predigten ist oft von "Jesus" die Rede, weniger von "Christus".
Zwar wird in den reformierten Bekenntnisschriften immer die Rettung durch Jesus Christus erwähnt, aber diese Bekenntnisschriften sind nicht in Stein gehauen wie etwa bei den Lutheranern. Sie könnten irgendwann auch geändert werden. Die Reformierte Kirche der Schweiz hat z.B. schon seit 150 Jahren keine Bekenntnisschrift mehr, was sich bewährt hat. Aber auch in der Schweiz haben vor allem der Dekalog, das UnserVater sowie das Apostolikum einen wichtigen Stellenwert, ohne jedoch Bekenntnisschriften zu sein.

heiliger_raphael
Beiträge: 775
Registriert: Dienstag 18. März 2014, 22:16
Wohnort: Urlaub

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von heiliger_raphael »

Dieter hat geschrieben:Das Christentum ist überwiegend christozentrisch.
Breaking News sind das nicht gerade.

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

Dieter hat geschrieben:Das Christentum ist überwiegend christozentrisch. Vor allem im Luthertum wird dies deutlich, wenn z.B. die Rechtfertigung allein vom Glauben an Christus abhängt.

In der Reformierten Kirche ist die Situation jedoch etwas anders. Schon Zwingli sprach mehr von "Gott" als von "Christus". Da das Reformiertentum dem Judentum sehr nahe steht (Bilderverbot, Kirchenräume ähnlich wie Synagogen, Betonung des Alten Testamentes) ist der Gott, den die Reformierten anbeten, in erster Linie der Gott, den auch Jesus angebetet hat - also der Gott der Juden. In den Predigten ist oft von "Jesus" die Rede, weniger von "Christus".
Zwar wird in den reformierten Bekenntnisschriften immer die Rettung durch Jesus Christus erwähnt, aber diese Bekenntnisschriften sind nicht in Stein gehauen wie etwa bei den Lutheranern. Sie könnten irgendwann auch geändert werden. Die Reformierte Kirche der Schweiz hat z.B. schon seit 150 Jahren keine Bekenntnisschrift mehr, was sich bewährt hat. Aber auch in der Schweiz haben vor allem der Dekalog, das UnserVater sowie das Apostolikum einen wichtigen Stellenwert, ohne jedoch Bekenntnisschriften zu sein.
Ich möchte als Reformierter auf einen wichtigen Aspekt hinweisen.
Die lutherische Fixierung auf Jesus Christus wurde schon häufig als eine Spielart des Markionismus angesehen (siehe hierzu z.B. die Artikel und ein Buch des katholischen Professors Menke).
Ende des 19.Jahrhunderts und dann im 20.Jahrhundert gab es bei den deutschen Lutheranern eine starke Tendenz zur Loslösung vom Alten Testament (Laut Luther "der Juden Sachsenspiegel") . Einflussreich war hier das permanente Auftreten des Adolph von Harnack.
Während bei den Lutheranern auch heute noch "klassisch" die Paulusbriefe und die Evangelien die Schriftlesung und die Predigt bestimmen, wird bei uns Reformierten sehr oft über Stellen des Alten Testaments gepredigt.

TillSchilling

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von TillSchilling »

Tinius hat geschrieben: Ich möchte als Reformierter auf einen wichtigen Aspekt hinweisen.
Die lutherische Fixierung auf Jesus Christus wurde schon häufig als eine Spielart des Markionismus angesehen (siehe hierzu z.B. die Artikel und ein Buch des katholischen Professors Menke).
Ende des 19.Jahrhunderts und dann im 20.Jahrhundert gab es bei den deutschen Lutheranern eine starke Tendenz zur Loslösung vom Alten Testament (Laut Luther "der Juden Sachsenspiegel") . Einflussreich war hier das permanente Auftreten des Adolph von Harnack.
Während bei den Lutheranern auch heute noch "klassisch" die Paulusbriefe und die Evangelien die Schriftlesung und die Predigt bestimmen, wird bei uns Reformierten sehr oft über Stellen des Alten Testaments gepredigt.
Adolph von Harnack!? Geh bitte! Muss man um zum markionischen Ketzter zu werden nicht erst einmal Christ gewesen sein?

Du selber hast doch C.F. Walther erwähnt. Dann weisst du was eine christliche Predigt ausmacht. Auch wenn der Predigttext dem AT entnommen ist. Und das wissen auch die konservativen Reformierten in Nordirland die Schilder mit der Aussage "We preach Christ! And him crucified!" an ihren Kirchengebäuden befestigen.

Es sind eben nicht alle Bücher der Bibel gleich. Die Evangelien sind das Zentrum der Schrift und nach ihnen haben die Lehrbriefe für den christlichen Glauben die grösste Bedeutung. Zuvorderst die, welche nicht zu den Antilegomena gehören. Soll das Markionismus sein? Sicher nicht.

Welche Gefahren drohen wenn man die Schrift nicht von den Evangelien und den Lehrbriefen her liest, zeigt sich nicht nur bei den Juden und den Römern sondern auch bei machen aus der reformierten Kirche hervorgegangenen Sekten. Ich denke vor allem an den leider Gottes so weit verbreiteteten Dispensationalismus mit seinem unseeligen christlichen Zionismus.

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

Ich hatte nur auf Tendenzen hinweisen wollen, die es im Luthertum gab/gibt.

Dass nicht alle Schriften gleich sind, beschreibt Siegfried Schulz in seinem Buch "Die Mitte der Schrift", Kreuzverlag 1976.
Antiquarisch günstig zu bekommen.
Untertitel: "Der Frühkatholizismus im Neuen Testament als Herausforderung an den Protestantismus"

Schulz (damals Professor in Zürich) belegt einen starken Einfluss des Frühkatholizismus als Religion der Werkgerechtigkeit und guten Taten auf die Schriften des Neuen Testaments (auch der Evangelien) im Gegensatz zur dem Paulus offenbarten Gnadenlehre ohne eigenes Tun.

TillSchilling

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von TillSchilling »

Tinius hat geschrieben: Schulz (damals Professor in Zürich) belegt einen starken Einfluss des Frühkatholizismus als Religion der Werkgerechtigkeit und guten Taten auf die Schriften des Neuen Testaments (auch der Evangelien) im Gegensatz zur dem Paulus offenbarten Gnadenlehre ohne eigenes Tun.
:hmm: :/

Das wird ja immer wieder angebracht. Diese Behauptung, dass das NT verschiedene, einander widersprechende Theologien enthält. Ob das so ist und tatsächlich von diesem Herrn Professor "belegt" werden konnte bezweifle ich.

Aber in jedem Fall ein interessanter Tip. Danke dafür.

Nachtrag:

Die "Executive Summary" zum Buch gibt es unter http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/48877/

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

Danke für den Link. :ja: :ja:

Benutzeravatar
overkott
Beiträge: 19634
Registriert: Donnerstag 8. Juni 2006, 11:25

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von overkott »

TillSchilling hat geschrieben:Diese Behauptung, dass das NT verschiedene, einander widersprechende Theologien enthält. Ob das so ist und tatsächlich von diesem Herrn Professor "belegt" werden konnte bezweifle ich.
Dass das so ist, dürfte am wenigsten umstritten sein bei allen, die beim Lesen der Bibel mit den zwei Schöpfungsgeschichten beginnen. Haben sie erst einmal die Unterschiede erkannt und als theologische Debatte akzeptiert, verstehen sie auch spätere tendenzielle Widersprüche.

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

overkott hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:Diese Behauptung, dass das NT verschiedene, einander widersprechende Theologien enthält. Ob das so ist und tatsächlich von diesem Herrn Professor "belegt" werden konnte bezweifle ich.
Dass das so ist, dürfte am wenigsten umstritten sein bei allen, die beim Lesen der Bibel mit den zwei Schöpfungsgeschichten beginnen. Haben sie erst einmal die Unterschiede erkannt und als theologische Debatte akzeptiert, verstehen sie auch spätere tendenzielle Widersprüche.
Die völlig unterschiedliche Theologie des Paulus, des Hebräerbriefes, des Matthäus- und des Johannesevangeliums lassen sich also aus Genesis 1 herleiten?

Buchtipp für dich:

http://www.mohr.de/de/theologie/studien ... ments.html

Benutzeravatar
Jarom1
Beiträge: 887
Registriert: Freitag 5. August 2011, 20:15

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Jarom1 »

Zurück zum Ausgangsthema: Ich habe mich in den letzten Monaten intensiv mit Reformierter Theologie beschäftigt und dabei ebenfalls den Eindruck gewonnen, dass die Reformierten Gottvater als 1. Person der Trinität stärker betonen als die Lutheraner. Liegt die Ursache hierfür in der ebenfalls stärker betonten Einheit von AT und NT?
Consciousness of sin, certainty of faith, and the testimony of the Holy Spirit

TillSchilling

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von TillSchilling »

Jarom1 hat geschrieben:Zurück zum Ausgangsthema: Ich habe mich in den letzten Monaten intensiv mit Reformierter Theologie beschäftigt und dabei ebenfalls den Eindruck gewonnen, dass die Reformierten Gottvater als 1. Person der Trinität stärker betonen als die Lutheraner. Liegt die Ursache hierfür in der ebenfalls stärker betonten Einheit von AT und NT?
Anders (und bewusst böse) formuliert: manche Reformierte missinterpretieren und in der Folge überbetonen die Gnadenwahl Gottes. Christus braucht es dann eigentlich gar nicht mehr so richtig. Gottvater entscheidet wer das Heil bekommt, Gott der heilige Geist eignet das Heil zu. Gott der Sohn hat dann halt noch vor etwa 200 Jahren auch noch seinen Beitrag geleistet und mal durch das Kreuzesopfer ein Prinzip erfüllt, dessen Erfüllung notwendig war um dieses Heilssystem eine Stufe weiter zu bringen. Nur ein Rädchen am System, mehr nicht.

Benutzeravatar
Jarom1
Beiträge: 887
Registriert: Freitag 5. August 2011, 20:15

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Jarom1 »

Könnte sein, auch wenn die Rolle Christi von Calvin schon größer gesehen wird (aber Du hast ja bewußt "böse" formuliert). Mich wundert auch die von manchen Reformierten vertretene Einschränkung der Lehre auf die Gnadenwahl. Wäre sie wirklich so zentral, würde sie in Calvins "Institutio" nicht erst im 3. Buch erörtert werden.
Consciousness of sin, certainty of faith, and the testimony of the Holy Spirit

Dieter
Beiträge: 2345
Registriert: Freitag 22. Juli 2011, 11:01
Wohnort: Berlin

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Dieter »

In Deutschland gibt es -außer der einen oder anderen Splittergruppe amerikanischen Ursprungs- praktisch keine Calvinisten. Die Protestanten, die Zwingli und Calvin folgen, sehen sich in Deutschland als Reformierte. Echte Calvinisten gibt es vor allem nach der Synode von Dordrecht in den Niederlanden und in angelsächsischen Ländern.

Auch ist die Doppelte Prädestination in Deutschland kein Thema. Der Heidelberger Katechismus, der durch den Melanchthonfreund und -schüler Zacharias Ursinus entworfen wurde, ist stark lutherisch geprägt (sh. Fragen 1, 21, 61) und erwähnt diesen Begriff überhaupt nicht.

Der Hauptunterschied zwischen deutschen Reformierten und Lutheranern liegt heute im Abendmahlsverständnis, und selbst dieses wurde durch Leuenberg angeglichen.

Die Landeskirchen der Pfalz, Badens und Anhalts sind bekenntnisuniert, ebenfalls der Berliner Dom und die Berliner Evangelische Kirche in der Friedrichstadt.

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

Dieter hat geschrieben: Der Heidelberger Katechismus, der durch den Melanchthonfreund und -schüler Zacharias Ursinus entworfen wurde, ist stark lutherisch geprägt (sh. Fragen 1, 21, 61) und erwähnt diesen Begriff überhaupt nicht.

Der Hauptunterschied zwischen deutschen Reformierten und Lutheranern liegt heute im Abendmahlsverständnis, und selbst dieses wurde durch Leuenberg angeglichen.

Die Landeskirchen der Pfalz, Badens und Anhalts sind bekenntnisuniert, ebenfalls der Berliner Dom und die Berliner Evangelische Kirche in der Friedrichstadt.

Das ist so nicht richtig.

Lies mal Frage 54 durch. Man muss nicht immer mit einem genauen Begriff arbeiten.

http://cms.reformiert-ronsdorf.de/attac ... nation.pdf

Du scheinst nichts über Reformierten in Deutschland zu wissen. Bei uns wird anders gepredigt. Die Schrift allumfassend. AT gleichwertig. Kein Schwergewicht auf die Evangelien und die Briefe Pauli. Die Gottesdienstordnung ist deutlich anders als bei den Lutheranern (mit Abstrichen gegenüber der oberdeutschen Form).

Von den 2 Gliedkirchen der EKD sind:

8 lutherisch (Bayern, Braunschweig, Hannover, Norddeutschland, Oldenburg, Sachsen, Schaumburg-Lippe, Württemberg)

1 uniert (Anhalt, Baden, Berlin-Brandenburg, Bremen, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, Mitteldeutschland, Pfalz, Rheinland, Westfalen)

2 reformiert (Lippische, Evangelisch-reformierte Landeskirche)

Benutzeravatar
Jarom1
Beiträge: 887
Registriert: Freitag 5. August 2011, 20:15

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Jarom1 »

Für mich ist die Gnadenwahl durchaus ein relevantes Thema, aber nicht DAS zentrale Thema. Ich kenne den Heidelberger Katechismus, folge aber eher der Westminster Confession of Faith.
Consciousness of sin, certainty of faith, and the testimony of the Holy Spirit

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

Jarom1 hat geschrieben:Für mich ist die Gnadenwahl durchaus ein relevantes Thema, aber nicht DAS zentrale Thema. Ich kenne den Heidelberger Katechismus, folge aber eher der Westminster Confession of Faith.
Naja...der grßöte Teil der Christenheit scheint bei Artikel 7.2. stehengeblieben zu sein bzw. nur das zu kennen/wollen/sollen..

Dieter
Beiträge: 2345
Registriert: Freitag 22. Juli 2011, 11:01
Wohnort: Berlin

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Dieter »

"Du scheinst nichts über Reformierten in Deutschland zu wissen. Bei uns wird anders gepredigt. Die Schrift allumfassend. AT gleichwertig. Kein Schwergewicht auf die Evangelien und die Briefe Pauli. Die Gottesdienstordnung ist deutlich anders als bei den Lutheranern (mit Abstrichen gegenüber der oberdeutschen Form).

Von den 20 Gliedkirchen der EKD sind:

8 lutherisch (Bayern, Braunschweig, Hannover, Norddeutschland, Oldenburg, Sachsen, Schaumburg-Lippe, Württemberg)

10 uniert (Anhalt, Baden, Berlin-Brandenburg, Bremen, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, Mitteldeutschland, Pfalz, Rheinland, Westfalen)

2 reformiert (Lippische, Evangelisch-reformierte Landeskirche)"


- Ich bin evangelisch-reformiert und besuche seit vielen Jahren fast jeden Sonntag einen reformierten Gottesdienst!

- Unierte Kirchen werden nach Verwaltungsunionen und Bekenntnisunionen unterschieden.

- Die Lippische Kirche ist überwiegend reformiert mit einer lutherischen Klasse.

- Die Gemeinde Wuppertal-Ronsdorf ist aufgrund ihrer Geschichte (Elias Eller) eine Art Sonderfall. Pfarrer Dr. Denker, den ich persönlich kenne und sehr schätze, ist manchmal etwas zu theoretisch-theologisch. Ronsdorf dürfte so ziemlich die einzige reformierte Gemeinde sein, wo das Thema Doppelte Prädestination stärker thematisiert wird. Ich jedenfalls haben in den vielen anderen reformierten Gemeinden, die ich kenne, diesen Begriff noch nie von der Kanzel gehört. In Deutschland kenne ich auch keinen Reformierten, der wegen der Prädestinationlehre nachts wach liegt.
Zuletzt geändert von Dieter am Dienstag 2. September 2014, 17:06, insgesamt 2-mal geändert.

Benutzeravatar
Jarom1
Beiträge: 887
Registriert: Freitag 5. August 2011, 20:15

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Jarom1 »

Tinius hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben:Für mich ist die Gnadenwahl durchaus ein relevantes Thema, aber nicht DAS zentrale Thema. Ich kenne den Heidelberger Katechismus, folge aber eher der Westminster Confession of Faith.
Naja...der grßöte Teil der Christenheit scheint bei Artikel 7.2. stehengeblieben zu sein bzw. nur das zu kennen/wollen/sollen..
Du meinst, dass die meisten Christen nur den sogenannten Bund der Werke sehen, der vor dem Fall im Paradies galt, aber den Bund der Gnade nicht kennen (wollen)?
Consciousness of sin, certainty of faith, and the testimony of the Holy Spirit

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

Jarom1 hat geschrieben:
Tinius hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben:Für mich ist die Gnadenwahl durchaus ein relevantes Thema, aber nicht DAS zentrale Thema. Ich kenne den Heidelberger Katechismus, folge aber eher der Westminster Confession of Faith.
Naja...der grßöte Teil der Christenheit scheint bei Artikel 7.2. stehengeblieben zu sein bzw. nur das zu kennen/wollen/sollen..
Du meinst, dass die meisten Christen nur den sogenannten Bund der Werke sehen, der vor dem Fall im Paradies galt, aber den Bund der Gnade nicht kennen (wollen)?
Natürlich. Das fängt schon mit den vielen Regeln in den synoptischen Evangelien an, die das Gegenteil von Paulus Lehre von der unverdient geschenkten Gnade für den Sünder manifestierten. Hier beginnt nämlich schon die Lehre vom Bußbekenntnis und der Änderung des Lebenswandels mit Gottes Wohlgefallen an den Werken der Frommen.

Benutzeravatar
taddeo
Moderator
Beiträge: 19226
Registriert: Donnerstag 18. Januar 2007, 09:07

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von taddeo »

Tinius hat geschrieben:Natürlich. Das fängt schon mit den vielen Regeln in den synoptischen Evangelien an, die das Gegenteil von Paulus Lehre von der unverdient geschenkten Gnade für den Sünder manifestierten. Hier beginnt nämlich schon die Lehre vom Bußbekenntnis und der Änderung des Lebenswandels mit Gottes Wohlgefallen an den Werken der Frommen.
Es entspricht also dem sola scriptura, daß man sich nach Belieben das raussucht, was einem in den Kram paßt, und den Apostel Paulus gegen die Evangelien selbst ausspielt?

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

taddeo hat geschrieben:
Tinius hat geschrieben:Natürlich. Das fängt schon mit den vielen Regeln in den synoptischen Evangelien an, die das Gegenteil von Paulus Lehre von der unverdient geschenkten Gnade für den Sünder manifestierten. Hier beginnt nämlich schon die Lehre vom Bußbekenntnis und der Änderung des Lebenswandels mit Gottes Wohlgefallen an den Werken der Frommen.
Es entspricht also dem sola scriptura, daß man sich nach Belieben das raussucht, was einem in den Kram paßt, und den Apostel Paulus gegen die Evangelien selbst ausspielt?
Es wird nicht der Apostel Paulus gegen die Evangelien selbst ausgespielt. Pauli Briefen waren, als es noch kein Evangelium gab. Und Matthäus wandelt den Markus bereits so offenkundig weichspülerisch und glättend ab, dass sämtliche unangenehmen Stellen sanft entschwinden.Das Matthäusevangelium spricht schließlich alle irgendwie an und .....keiner hielt /hält sich an die Anweisungen des dort quasi permanent Reden haltenden Jesus.
Nicht ohne Grund war das Matthäusevangelium lange das "Hauptevangelium". Um Juden und Heiden gleichermaßen zu überzeugen. Eine solche Regelungswut und dauerndes Einfordern von bravem, gesetzlichem Verhalten fordert kein anderes Evangelium.

Nicht ohne Grund hat Martin Luther das Johannesevangelium als das eigentlich wichtige und gut zu lesende Evangelium erkannt.

Benutzeravatar
taddeo
Moderator
Beiträge: 19226
Registriert: Donnerstag 18. Januar 2007, 09:07

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von taddeo »

Oh. Das ist eine ziemlich eigenwillige Textgeschichte, die Du da zugrundelegst. :hmm:
Es gibt genügend ernstzunehmende Exegeten, die das reichlich anders sehen.

Und daß es zur Zeit der Abfassung der Paulusbriefe "noch kein Evangelium" gegeben hätte, das ist schon arg an den Haaren herbeigezogen.
Selbst wenn man postuliert, daß noch keines der vier kanonischen Evangelien damals geschrieben war (was allein schon umstritten ist), dann ist es doch völlig absurd zu glauben, daß zwischen dem Tod Jesu und der ersten Schriftfassung eines Evangeliums keine verbindliche Verkündigung vorhanden gewesen wäre und womöglich Paulus allein gewußt hätte, was er zu sagen hat: "Viele haben es schon unternommen, Bericht zu geben von den Geschichten, die unter uns geschehen sind, wie uns das überliefert haben, die es von Anfang an selbst gesehen haben und Diener des Worts gewesen sind." (Lk 1)

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

Ja. Jetzt ist gut. Du hast deine Meinung, andere eben die ihre. Der Problemfall SOLA SCRIPTURA wird von beiden Seiten natürlich anders gesehen.
Dass der angeführte Bund der Werke aus der Westminster Confession of faith (Punkte 7.2 und dann 7.3) allerdings in der Praxis des Umgangs mit Werken und Sünde hier der Aufhänger war, bitte auch berücksichtigen.

Einfach gesagt: Das hier ist die Klausnerei.

TillSchilling

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von TillSchilling »

taddeo hat geschrieben:Oh. Das ist eine ziemlich eigenwillige Textgeschichte, die Du da zugrundelegst. :hmm:
Hier muss man Dir ausnahmsweise mal Recht geben. Sorry, Tinius, aber was Du da ausführst ist eine ungute Mischung aus solo sciptura (nein, das "o" ist kein Fehler. Ich habe das Latinum. Wenn auch wahrlich kein gutes.) und Bibelkritik. Zwei falsche Ansätze, die aber eigentlich sowieso zusammengehören. Wenn es nur die bibeltreu sein wollenden Evangelikalen begreifen würden.

Ich weiss Du liest auch auf Englisch und bevorzugst reformierte Autoren. Deswegen empfehle ich dir diesen Artikel, der eigentlich eine Zusammenfassung des Buchs The Shape of Sola Sciptura ist.

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

TillSchilling hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Oh. Das ist eine ziemlich eigenwillige Textgeschichte, die Du da zugrundelegst. :hmm:
Hier muss man Dir ausnahmsweise mal Recht geben. Sorry, Tinius, aber was Du da ausführst ist eine ungute Mischung aus solo sciptura (nein, das "o" ist kein Fehler. Ich habe das Latinum. Wenn auch wahrlich kein gutes.) und Bibelkritik. Ich weiss Du liest auch auf Englisch und bevorzugst reformierte Autoren. Deswegen empfehle ich dir diesen Artikel, der eigentlich eine Zusammenfassung des Buchs The Shape of Sola Sciptura ist.
Dankeschön für den interessanten Hinweis. :)

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

Tinius hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Oh. Das ist eine ziemlich eigenwillige Textgeschichte, die Du da zugrundelegst. :hmm:
Hier muss man Dir ausnahmsweise mal Recht geben. Sorry, Tinius, aber was Du da ausführst ist eine ungute Mischung aus solo sciptura (nein, das "o" ist kein Fehler. Ich habe das Latinum. Wenn auch wahrlich kein gutes.) und Bibelkritik. Ich weiss Du liest auch auf Englisch und bevorzugst reformierte Autoren. Deswegen empfehle ich dir diesen Artikel, der eigentlich eine Zusammenfassung des Buchs The Shape of Sola Sciptura ist.
Dankeschön für den interessanten Hinweis. :)
So wie ich dich mit diesem Artikel verstehe, meinst du, dass neben der römisch-katholischen Kirche auch die sola scriptura zurückzuweisen ist ?
Welche Meinungs hast du dazu? In den orthodoxen Kirchen scheint das Problem wohl nicht zu bestehen.

Und bei den konservativen Lutheranern gilt natürlich "sola sacra scriptura iudex, norma et regula".

Oder sagt die LMCS (von dir öfters erwähnt und zitiert) etwas anderes?

TillSchilling

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von TillSchilling »

Tinius hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben: Deswegen empfehle ich dir diesen Artikel, der eigentlich eine Zusammenfassung des Buchs The Shape of Sola Sciptura ist.
So wie ich dich mit diesem Artikel verstehe, meinst du, dass neben der römisch-katholischen Kirche auch die sola scriptura zurückzuweisen ist ?
Welche Meinungs hast du dazu? In den orthodoxen Kirchen scheint das Problem wohl nicht zu bestehen.

Und bei den konservativen Lutheranern gilt natürlich "sola sacra scriptura iudex, norma et regula".

Oder sagt die LMCS (von dir öfters erwähnt und zitiert) etwas anderes?
Huch, ne, da haben wir uns missverstanden.

Zuerst einmal ist die römisch-katholische Kirche ja nicht "zurückzuweisen" sondern zu reformieren. Sprich in Lehre und Praxis am Wort zu orientieren und zu reformieren. Sie ist eigentlich ja immer noch unsere Herkunft. Ausserdem finde ich sie - sogar im unreformierten Zustand und trotz ihrer Irrlehren und daraus resultierenden falschen Praxis - recht attraktiv.

Was der Artikel sagt zu Sola Scriptura ist,
- dass die Reformatoren darunter etwas anderes verstanden haben als viele Protestanten heute mit dem Slogan ausdrücken wollen.
- dass die Vorstellung der Reformatoren zur Beziehung zwischen Schrift und Tradition, der Tradition viel mehr Gewicht zuwies als das manche heutige Protestanten tun.

Die deutlichsten Beispiele dafür sieht man einerseits bei machen Evangelikalen, deren "Theologen" nicht mal einen Schimmer Wissen über Kirchen- und Theologiegeschichte haben. Andererseits in der Bibelkritik, die den Glauben der Kirche und die Rezeption der Schrift in der Tradition der Kirche ignoriert, und die Schrift zerfetzt.

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

TillSchilling hat geschrieben:
Zuerst einmal ist die römisch-katholische Kirche ja nicht "zurückzuweisen" sondern zu reformieren. Sprich in Lehre und Praxis am Wort zu orientieren und zu reformieren. Sie ist eigentlich ja immer noch unsere Herkunft. Ausserdem finde ich sie - sogar im unreformierten Zustand und trotz ihrer Irrlehren und daraus resultierenden falschen Praxis - recht attraktiv.
Na dann....setz dich doch einfach mal mit Clemens in Verbindung. Ich habe inzwischen sein Buch gelesen. Interessante Blickweise [Punkt] :ja:

Benutzeravatar
JosefBordat
Beiträge: 1074
Registriert: Freitag 21. Dezember 2012, 13:02
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von JosefBordat »

Am Samstag Nachmittag hatte ich einen Muslim zu Gast, mit dem ich mich über Glaubensfragen ausgetauscht habe. Es entstand ein Dialog in gegenseitigem Respekt, insbesondere über die Gottesvorstellung und das Jesusbild in Bibel und Koran: https://jobo72.wordpress.com/215/2/1 ... gesprache/

JoBo
Jobo72's Weblog - Christliche Existenzphilosophie. Gott, die Welt und alle Dinge überhaupt

Tinius
Beiträge: 1972
Registriert: Samstag 28. Juni 2014, 00:13

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Tinius »

JosefBordat hat geschrieben:Am Samstag Nachmittag hatte ich einen Muslim zu Gast, mit dem ich mich über Glaubensfragen ausgetauscht habe. Es entstand ein Dialog in gegenseitigem Respekt, insbesondere über die Gottesvorstellung und das Jesusbild in Bibel und Koran: https://jobo72.wordpress.com/215/2/1 ... gesprache/

JoBo

Schau dir mal dieses interessante Buch an:

http://buchvorstellungen.blogspot.de/2 ... koran.html

Der Islam transportiert bis heute offensichtlich eine im 7.Jahrhundert immer noch lebendige christliche Tradition des Judenchristentums syrischer Prägung in die Gegenwart. Und das ohne eine Form der Anbiederung. Jesus mag zwar offiziel eine besondere Wertschätzung haben....eine besondere, reale Bedeutung hat er nicht.
Muhammad hätte mit Jesus bei einem Treffen wenig anzufangen gewußt.
Wobei ich davon überzeugt bin, dass Muhammad inzwischen Jesus Christus getroffen hat.

Raphael

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von Raphael »

Tinius hat geschrieben:Wobei ich davon überzeugt bin, dass Muhammad inzwischen Jesus Christus getroffen hat.
Wann und wo denn? :hmm:

Benutzeravatar
JosefBordat
Beiträge: 1074
Registriert: Freitag 21. Dezember 2012, 13:02
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Christozentrismus/Theozentrismus

Beitrag von JosefBordat »

Danke für den Hinweis, Tinius!

JoBo
Jobo72's Weblog - Christliche Existenzphilosophie. Gott, die Welt und alle Dinge überhaupt

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema