Unionen grundsätzlich schlecht?

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pneumatikos
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Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von pneumatikos »

Sind Unionen grundsätzlich schlecht, ist "Unionismus" eine Gefahr?

Ich meine, natürlich waren die Unionen zw. CA-Christen und Christen reformierten Glaubens, so wie sie im 19.Jh. durchgestzt wurden, also mit polit. Gewalt von oben, und aus polit. bzw. aufklerärischen Gründen nicht unbedingt richtig.

Aber heißt das, dass eine Union zwischen CA-Christen und reformierten grundsätzlich unmöglich ist?

Man muss sich ja nicht liberale unierte Landeskirchen zum Vorbild nehmen.

Wenn ich mir z.B. den Heidelberger Katechismus durchlese, so scheint dieser dem evangelisch-augsburgischen Glauben nicht zu widersprechen.( Bei den späteren Bekenntnisschriften der Reformierten, die stark von der Lehre d. doppelten prädestination geprägt sind, sähe eine einigung wahrssch. schon schwieriger aus- zumal für konkordienlutherische Kirchen.)
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tanatos
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von tanatos »

pneumatikos hat geschrieben: Wenn ich mir z.B. den Heidelberger Katechismus durchlese, so scheint dieser dem evangelisch-augsburgischen Glauben nicht zu widersprechen.
Heidelberger Katechismus, Frage 80:
Die Messe aber lehrt,(...) dass Christus leiblich
unter der Gestalt des Brotes und Weines sei
und deshalb darin soll angebetet werden.
Und ist also die Messe im Grunde nichts anderes
als eine Verleugnung des einzigen Opfers
und Leidens Jesu Christi
und eine vermaledeite Abgötterei.

Wie willst Du diesen Satz mit dem lutherischen Glauben an die Realpräsenz zusammenbringen?
Ein lutherischer Christ glaubt, daß Christus (in res!) wirklich in, mit und unter Brot und Wein gegenwärtig ist. Im Rahmen der lutherischen Messe (die nach der CA ja beizubehalten ist!) wird der in, mit und unter der Gestalt des Brotes und Weines leiblich gegenwärtige Christus angebetet (u.a. "Christe Du Lamm Gottes...").
Die zentrale lutherische Lehre wird im Heidelberger Katechismus als Abgötterrei verworfen.
Wenn allein das kein Widerspruch ist!

Fragesteller
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von Fragesteller »

Man muss sich grundsätzlich einig sein, was man da tut, und das ist das, woran die Unionen des 19. Jahrhunderts, die in solchen Fragen gerade keinen Kompromiss gesucht haben, sondern sie ausgeblendet haben, kranken. Aber wenn man sagt: Christus ist wirklich und in exklusiver Weise anwesend und diese Anwesenheit kann von der Materie Brot und Wein nicht getrennt werden, dann ist diese grundsätzliche Einigkeit m. E. gegeben und man kann über die Uneinigkeit, wie diese Koppelung an Brot und Wein zu verstehen ist (Trans- oder Konsubstantation oder geistige Parallelpräsenz oder unerklärbare Präsenz) hinwegsehen. Das ist ja die Basis, auf der die verschiedenen anglikanischen Strömungen dennoch (glaube ich) ehrlichweise eine Kirche bilden können.

pneumatikos
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von pneumatikos »

Fragesteller hat geschrieben:Aber wenn man sagt: Christus ist wirklich und in exklusiver Weise anwesend und diese Anwesenheit kann von der Materie Brot und Wein nicht getrennt werden, dann ist diese grundsätzliche Einigkeit m. E. gegeben
ich danke dir für die Antwort,

Man muss sich eben auch mal unvoreingenommen mit dem Reformiertentum beschäftigen - das gilt auch für hochkirchliche Lutheraner, von denen ich schon Aufsätze gelesen habe, in denen quasi die Mythen über Reformierte reproduziert werden und Reformiertentum gleichgesetzt wurde mit Rationalismus, Unionismus, liberaler Theologie etc.
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pneumatikos
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von pneumatikos »

tanatos hat geschrieben:Die zentrale lutherische Lehre wird im Heidelberger Katechismus als Abgötterrei verworfen.
DIE zentrale lutherische Lehre ?

ich dachte die zentrale Lehre sei die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben, aber man lernt nie aus......
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tanatos
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von tanatos »

pneumatikos hat geschrieben:
tanatos hat geschrieben:Die zentrale lutherische Lehre wird im Heidelberger Katechismus als Abgötterrei verworfen.
DIE zentrale lutherische Lehre ?

ich dachte die zentrale Lehre sei die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben, aber man lernt nie aus......
Aus dem Zusammenhang sollte klar werden, daß es sich hier um die zentrale lutherische Lehre im Bereich des HeiligenAbendmahls handelt. Und das ist die Lehre von der Realpräsenz.

San Marco
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von San Marco »

tanatos hat geschrieben:
pneumatikos hat geschrieben:
tanatos hat geschrieben:Die zentrale lutherische Lehre wird im Heidelberger Katechismus als Abgötterrei verworfen.
DIE zentrale lutherische Lehre ?

ich dachte die zentrale Lehre sei die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben, aber man lernt nie aus......
Aus dem Zusammenhang sollte klar werden, daß es sich hier um die zentrale lutherische Lehre im Bereich des HeiligenAbendmahls handelt. Und das ist die Lehre von der Realpräsenz.

Seit der Leuenberger Konkordie hat sich das Thema in den Kirchen der EKD so restlos erledigt. Es spielt keine Rolle mehr. Ich denke, dass es fast 100 Prozent der evangelischen Christen TOTAL egal ist, was sich beim Abendmahl abspielen SOLL.
Und die elenden Knüppeleien der Jahre 1525, 1529 bis 1545 interessieren diese Gläubigen nun schon gar nicht.

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tanatos
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von tanatos »

San Marco hat geschrieben:
tanatos hat geschrieben:
pneumatikos hat geschrieben:
tanatos hat geschrieben:Die zentrale lutherische Lehre wird im Heidelberger Katechismus als Abgötterrei verworfen.
DIE zentrale lutherische Lehre ?

ich dachte die zentrale Lehre sei die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben, aber man lernt nie aus......
Aus dem Zusammenhang sollte klar werden, daß es sich hier um die zentrale lutherische Lehre im Bereich des HeiligenAbendmahls handelt. Und das ist die Lehre von der Realpräsenz.

Seit der Leuenberger Konkordie hat sich das Thema in den Kirchen der EKD so restlos erledigt. Es spielt keine Rolle mehr. Ich denke, dass es fast 100 Prozent der evangelischen Christen TOTAL egal ist, was sich beim Abendmahl abspielen SOLL.
Und die elenden Knüppeleien der Jahre 1525, 1529 bis 1545 interessieren diese Gläubigen nun schon gar nicht.
Ich denke auch, daß den Großteil der EKD-Angehörigen ohnehin TOTAL egal ist, was im Gottesdienst geschieht. Man ist oft in der Kirche aus Traditionsgründen. Aber was hat das mit der offiziellen Lehre der Kirche zu tun, mit dem "Sollgehalt der kirchlichen Verkündigung" (Werner Elert)?

Auch die (um einmal Deine Formulierung aufzugreifen) "elenden Knüppeleien der Jahre" 325 (Nicaenum) bzw, 381 (Nicäno-Konstantinopolitanum) "interessieren diese Gläubigen nun schon gar nicht"
Sind die dort gemachten theologischen Aussagen deshalb falsch?

Wenn eine Gemeinschaft sich derart nach den Ansichten des Volkes richtet, daß ihre Bekenntnisse aufgelöst werden (was San Marco ja fordert), ist diese Gemeinschaft manches, aber sicherlich keine Kirche.
Und eine Gemeinschaft, die sich nicht an die lutherischen Bekenntnisse hält, ist keine lutherische Kirche.
Wenn die Landeskirchen wirklich entsprechendes vertreten würden, sollten sie auch offen dazu stehen. Und wenn das Bekenntnis verlassen wird, dann sollte sie sich auch entsprechend bezeichnen, denn dann ist die Bezeichnung "Kirche" oder "ev.-luth. Kirche" ein reiner Etikettenschwindel. Mein Namensvorschlag: Kirchensteuerzahlergemeinschaft. Denn das ist es ja, was diese Kirchen dann nur noch zusammenhält.

Für eine lutherische Kirche hingegen ist das Thema der Realpräsenz nicht beendet und kann es auch nicht beendet sein, denn eine solche wird bekannt, das Bekenntnis zur Realpräsenz findet sich schließlich in den Bekenntnisschriften dieser Kirche. Die Pfarrerschaft hat in der Ordination gelobt, entsprechend des lutherischen Bekenntnisses zu verkündigen. Und dazu gehört auch die Lehre von der Realpräsenz. Ein sich lutherisch nennender Pfarrer, der seinem Ordinationsgelübte zuwiderhandelt und nicht die Realpräsenz Christi im Heiligen Altarsakrament verkündigt, ist vor allem eines: Ein Heuchler und Lügner, dem ich auch sonst keinen Deut Glauben schenken würde.
Zuletzt geändert von tanatos am Montag 1. Oktober 2012, 08:44, insgesamt 1-mal geändert.

Dieter
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von Dieter »

Wenn ich mir die Gesichter der Menschen während und nach dem Abendmahl ansehe, so bin ich davon überzeugt, dass sich das zwinglianische Erinnerungsmahl durchgesetzt hat.

Würden die Leute tatsächlich glauben, dass Christus -und damit Gott, der Schöpfer des Weltalls- leiblich anwesend ist und sich gerade in ihrem Mund befindet, so müssten sie sich ja wohl wie die Moslems zu Boden werfen und ihn ganz anders anbeten!

Bei den meisten Katholiken ist es übrigens auch nicht anders, eher noch schlimmer. Bei den Reformierten wird das Abendmahl wenigstens nur viermal im Jahr gefeiert, so dass es sich nicht so abnutzt wie in anderen Konfessionen.

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tanatos
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von tanatos »

Dieter hat geschrieben:Wenn ich mir die Gesichter der Menschen während und nach dem Abendmahl ansehe, so bin ich davon überzeugt, dass sich das zwinglianische Erinnerungsmahl durchgesetzt hat.

Würden die Leute tatsächlich glauben, dass Christus -und damit Gott, der Schöpfer des Weltalls- leiblich anwesend ist und sich gerade in ihrem Mund befindet, so müssten sie sich ja wohl wie die Moslems zu Boden werfen und ihn ganz anders anbeten!
Was man in bewußt lutherischen Gemeinden auch tut: Man kniet beim Empfang des Leibes und Blutes Christi, oft schon bei den Einsetzungsworten bzw. dem Agnus Dei. Je größer der EInfluß des Kalvinismus, desto mehr fällt das Knien weg.

Die Ausgangsfrage war ja
pneumatikos hat geschrieben:Sind Unionen grundsätzlich schlecht, ist "Unionismus" eine Gefahr?
...
Wenn ich mir z.B. den Heidelberger Katechismus durchlese, so scheint dieser dem evangelisch-augsburgischen Glauben nicht zu widersprechen.
Und das von Dir angesprochene Beispiel des liturgischen Verhaltens macht deutlich, daß der Unionismus an dieser Stelle eine deutliche Gefahr ist, da er zu einem Verlust des Realpräsenzglaubens in weiten Teilen des Kirchenvolkes geführt hat. Der Unionismus führt zu einer Schwächung und mittelfristig zu einer Auflösung des Luthertums, indem zentrale lutherische Aussagen keine Relevanz mehr haben. Und als überzeugter Lutheraner halte ich diese Abwendung von der rechten (=aus meiner Sicht lutherischen) Lehre für eine große Gefahr, da dies ja auch zu einer Gefahr für das Seelenheil der der Kirche anvertrauten Gläubigen führt.

San Marco
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von San Marco »

tanatos hat geschrieben: Wenn eine Gemeinschaft sich derart nach den Ansichten des Volkes richtet, daß ihre Bekenntnisse aufgelöst werden (was San Marco ja fordert), ist diese Gemeinschaft manches, aber sicherlich keine Kirche.
Das ist ein Missverständnis. ICH fordere das nicht. Ich finde die Zustände in den Kirchen der EKD im Gegenteil erbärmlich.

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tanatos
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Re: Unionen grundsätzlich schlecht?

Beitrag von tanatos »

Dieter hat geschrieben: Bei den Reformierten wird das Abendmahl wenigstens nur viermal im Jahr gefeiert, so dass es sich nicht so abnutzt wie in anderen Konfessionen.
Eine beeindruckende Argumentation! :klatsch:

Ich kenne auch Leute, die kommen am nur am Heiligen Abend zur Kirche, und bei denen kann man nun, wie wie Du es im Beszug aufs Altarsakrament tust, ähnlich argumentieren. Und wenn man das tut, muß es hier heißen: Ein solch seltener Gottesdienstbesuch ist auch gut, da sich der Gottesdienstbesuch und das Hören auf die Predigt dann nicht so abnutzt wie bei den regelmäßigen Gottesdienstbesuchern. Weiter gedacht heißt das, daß bei einem grundsätzlichen Fernbleiben von der Kirche es gar nicht erst zu irgendwelchen Abnutzungserscheinungen kommen kann und man deshalb doch besser zuhause bleiben sollte.

(Das ist das erste Mal, daß ich von einem Abnutzen vom Sakrament bzw. von einem Abnutzen der Begegnung mit Christus höre. Fürwahr, ein origineller Gedanke)

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