500 Jahre Calvin

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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Lutheraner
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500 Jahre Calvin

Beitrag von Lutheraner »

Die EKD und der Reformierte Bund feiern dieses Jahr Calvins 5. Geburtstag. Informationen gibt es auf einer eigens dafür eingerichteten und - wie ich finde - recht informativen Seite:

http://www.calvin.de
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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overkott
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von overkott »

Bis heute fällt es im Allgemeinen Christen nicht leicht, Calvin zu feiern. Wir wollen sicher das gute Wollen in ihm sehen. Aber seiner Strenge und Härte fehlte offenbar die geistige Weite und Nächstenliebe, weshalb viele unter ihm gelitten haben und der heftige Widerstand gegen ihn nicht unverständlich ist. Bis heute scheinen seine Anhänger sich nicht die Einheit mit dem Papst in der Verschiedenheit der Ortskirchen zu wünschen, sondern die Eigenständigkeit etwas zu stark zu betonen. Gleichwohl sehen nicht wenige in ihm den fremden Wunderprediger.

Allons
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Allons »

Hatten nicht Stephen oder Asder mal in seinen Schriften gestöbert und seine Ansichten zum Abendmahl zitiert ? :hae?: :hmm: Ich entsinne mich noch, dass es da überaschende Übereinstimmungen gab. Hmm.

Grüße, Allons!

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julius echter
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von julius echter »

Calvin? dass war doch der radikale Reformator aus der Schweiz?
Die Calvinisten haben doch äußerst nüchterne Kirchen?
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Allons
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Allons »

Lutheraner hat geschrieben: Die EKD und der Reformierte Bund feiern dieses Jahr Calvins 500. Geburtstag. Informationen gibt es auf einer eigens dafür eingerichteten und - wie ich finde - recht informativen Seite:
julius echter hat geschrieben: Calvin? dass war doch der radikale Reformator aus der Schweiz?
Die Calvinisten haben doch äußerst nüchterne Kirchen?
Es wirkt..

sofaklecks
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Nicht nur

Beitrag von sofaklecks »

Nicht nur nüchterne Kirchen.

Sie haben viele Psalmen übersetzt und mit neuen Melodien versehen, die strengen Regeln folgen. Ähnlich dem Aufbau der klassischen Verse gibt es nur lange und kurze Noten. Es waren gerade diese Psalmvertonungen, die die Reformation populär machten; die Leute sangen sie nicht nur in der Kirche,sondern auch bei der Arbeit.

Wir haben jede Menge davon in unserem Gotteslob. Wenn man da auf eine Psalmvertonung stösst, die mit langen und kurzen Noten auskommt, liest man meist beim Autor (Genf 15..). Von "Herr, deine Güt ist unbegrenzt" bis "Wer unterm Schutz den Höchsten steht", alles calvinistische Choräle. Calvin wollte aus Gründen, die höcht aktuell sind, keine neumodischen Texte im Gottesdienst verwendet wissen.

Wen es interessiert:

http://www.calvinianum.de/Psalmen/index.html

Dort findet man auch einiges über die fünf Punkte des Calvinismus.

sofaklecks

Allons
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Re: Nicht nur

Beitrag von Allons »

So mancher, den sonst Luther stört, beseelt vom Herren Calvin röhrt :kugel:

Herzlichen Dank Sofa, die Seite hatte ich völlig vergessen.
sofaklecks hat geschrieben: Wir haben jede Menge davon in unserem Gotteslob. Wenn man da auf eine Psalmvertonung stösst, die mit langen und kurzen Noten auskommt, liest man meist beim Autor (Genf 15..). Von "Herr, deine Güt ist unbegrenzt" bis "Wer unterm Schutz den Höchsten steht", alles calvinistische Choräle. Calvin wollte aus Gründen, die höcht aktuell sind, keine neumodischen Texte im Gottesdienst verwendet wissen. Dort findet man auch einiges über die fünf Punkte des Calvinismus. sofaklecks

Raimund J.
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Raimund J. »

Im Radio bei BR 2 gabs neulich mal eine Sendung. Hier zum nachhören als Podcast:

http://www.br-online.de/imperia/md/audi ... iven_a.mp3
Fleiß, Bescheidenheit und Disziplin - Calvins Tugenden - 1.1.29
Am 1. Juli 29 jährt sich der Geburtstag Johannes Calvins zum 5. Mal. In der evangelischen Kirche wird der Reformator deshalb in diesem Jahr groß gefeiert. Vielleicht widerfährt ihm auch ein Stück Gerechtigkeit. Denn was wir von Calvin heute wissen, ist oft Klischee. Anders als der sinnenfrohe Luther gilt Calvin als der gestrenge, asketische Reformator. Und den Calvinisten werden bestimmte Tugenden zugeordnet: sie sind fleißig, bescheiden und diszipliniert. Zum Auftakt des Calvin-Jahres wagt Elke Endraß einen Blick hinter die Abziehbilder.
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Lutheraner
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Lutheraner »

Man kann sich bei der EKD für zwei Euro ein Calvin-Magazin bestellen. (siehe hier). Ich habe mein Exemplar bekommen. Es ist ganz nett zu lesen und informativ. Den Preis ist es auf jeden Fall wert. Dahinter steckt vermutlich die "Chrismon"-Redaktion.
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julius echter
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von julius echter »

julius echter hat geschrieben:Calvin? dass war doch der radikale Reformator aus der Schweiz?
Die Calvinisten haben doch äußerst nüchterne Kirchen?

Jedenfalls hat die Evangelisch-reformierte Gemeinde mit der Wallonerkirche in Magdeburg den schönsten spätgotischen Schnitzaltar in Magdeburg - ist eigentlich widersprüchlich; wenn man bedenkt dass Calvin die Bilder in den Kirchen ablehnte.
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cantus planus
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von cantus planus »

Franziskus hätte es auch einfach gewollt - aber die Franziskanerkirche in Wien ist eine der pompösesten Kirche in der Innenstadt. Da mußte ich auch jedes Mal grinsen.
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holzi
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von holzi »

cantus planus hat geschrieben:Franziskus hätte es auch einfach gewollt - aber die Franziskanerkirche in Wien ist eine der pompösesten Kirche in der Innenstadt. Da mußte ich auch jedes Mal grinsen.
Auch in Salvador de Bahia ist die Franziskanerkirche die mit weitem Abstand prunkvollste:
Bild
Und in Brasilien ist das Gold massiv - nicht nur dünnes Blattgold wie bei uns "armen" Europäern!

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Lutheraner
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Lutheraner »

julius echter hat geschrieben:
julius echter hat geschrieben:Calvin? dass war doch der radikale Reformator aus der Schweiz?
Die Calvinisten haben doch äußerst nüchterne Kirchen?

Jedenfalls hat die Evangelisch-reformierte Gemeinde mit der Wallonerkirche in Magdeburg den schönsten spätgotischen Schnitzaltar in Magdeburg - ist eigentlich widersprüchlich; wenn man bedenkt dass Calvin die Bilder in den Kirchen ablehnte.
Der Berliner Dom war ursprünglich reformiert. Heute steht vor dem Eingang zwar noch die Statue Calvins (neben Luther), aber innen sieht es ganz und gar nicht calvinistisch aus und das kirchliche Leben ist auch eher lutherisch, mit festen wöchentlichen Terminen für die Ohrenbeichte und der sonntäglichen Feier des Hl. Abendmahls.
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Marcus
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Marcus »

julius echter hat geschrieben:
julius echter hat geschrieben:Calvin? dass war doch der radikale Reformator aus der Schweiz?
Die Calvinisten haben doch äußerst nüchterne Kirchen?

Jedenfalls hat die Evangelisch-reformierte Gemeinde mit der Wallonerkirche in Magdeburg den schönsten spätgotischen Schnitzaltar in Magdeburg - ist eigentlich widersprüchlich; wenn man bedenkt dass Calvin die Bilder in den Kirchen ablehnte.
Nicht nur die Bilder. In einer richtigen reformierten Gemeinde gibt es auch keinen Altar.

siehe:
reformiert?
Ein unbeugsames gallisches Dorf
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

Johaennschen
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Johaennschen »

Interessant, daß auch die Reformierten ihre Lehre verwässert sehen. Es gibt eben mehr als nur die Realpräsenzfrage. Das sollte man als konservativer Lutheraner nicht vergessen.
Vielen Dank für die Links, Marcus...
Es gibt keine Dummheit, an die der moderne Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur dem Glauben an Christus ausweicht.
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Cordoba
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Cordoba »

Eine kleine Anekdote (als Ex-Reformierter :)):

In unserer Kirche hier vor Ort (EKiR-Gemeinde, Reformiert), zu der ich anlässlich des Volkstrauertags wieder mal war, hat sich der Pfarrer veranlasst gesehen, Erklärungen an die Wand zu hängen, warum keine Bilder dort hängen. Die Menschen scheinen (Katecheseproblem?) die Fundamente ihrer eigenen Konfession nicht mehr zu kennen.

Das finde ich, auch wenn ich selbst katholisch geworden bin, etwas traurig. Immerhin sollte man sich selbst einordnen können und es zeigt leider auch, dass eine "Verwässerung" (vielleicht nicht der richtige Begriff, er trifft es aber ansatzweise) stattfindet, der dann auch im Endeffekt der logischen Konsequenz schadet.
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Lutheraner
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Lutheraner »

Johaennschen hat geschrieben:Interessant, daß auch die Reformierten ihre Lehre verwässert sehen.
Es wird oft beklagt, dass in Teilen des Rheinlands, wo die Evangelischen früher klar reformiert waren, die Gemeinden mittlerweile "glatt gebügelt" wären. Vielleicht kommt dir das bekannt vor :-)
Die Reformierten erkennen die schleichende "Lutheranisierung" neben der Nichteinhaltung des Bilderverbots meist auch an anderen Äußerlichkeiten wie der Zählweise der 10 Gebote, oder ob "Unser Vater" oder "Vater unser" gebetet wird.
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holzi
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von holzi »

Lutheraner hat geschrieben:
Johaennschen hat geschrieben:Interessant, daß auch die Reformierten ihre Lehre verwässert sehen.
Es wird oft beklagt, dass in Teilen des Rheinlands, wo die Evangelischen früher klar reformiert waren, die Gemeinden mittlerweile "glatt gebügelt" wären. Vielleicht kommt dir das bekannt vor :-)
Mich erinnert das an den Western Branch of American Reform Presbylutheranism 8)

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Lutheraner
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Lutheraner »

;D

Meine Frau meinte gestern auch, dass die Simpsons Protestanten wären. Das hat mich gewundert, da der röm.-kath. Himmel dort doch eigentlich ansprechender dargestellt wird.
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SpaceRat
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von SpaceRat »

Marcus hat geschrieben:Nicht nur die Bilder. In einer richtigen reformierten Gemeinde gibt es auch keinen Altar.
Wobei das oft auch einfach nur Definitionssache ist.
In der als reformierte Kirche gebauten Kirche von Flamersheim steht auch der Originalaltar. Da war dann halt festgelegt, daß der korrekte Terminus "Abendmahlstisch" ist und fertig.
Das ist übrigens nicht wirklich unüblich. Die Gemeinde Kornelimüster-Zweifall hat zwar das lutherische Bekenntnis, die Kirche in Zweifall wurde aber ursprünglich als reformierte Kirche gebaut, was man auch heute noch am Geusendaniel auf dem Dach sieht, und auch dort steht etwas, das ich als Altar und als sehr alt deuten würde.

Warum sollten die Reformierten blöder sein als die Mönche, die Kaninchen zur fleischlosen Kost erklärt haben?

BTW: Pfui, sowas schnuffiges ißt man nicht!
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Lutheraner
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Lutheraner »

Das hier sieht aus wie die reformierte Version eines lutherischen Kanzelaltars.
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von SpaceRat »

Lutheraner hat geschrieben:Das hier sieht aus wie die reformierte Version eines lutherischen Kanzelaltars.
Das Foto der Zweifaller Kirche, von mir selber geknipst :)

Sehenswert sind [...], sowie die evangelische Kirche aus dem Jahre 1683, wegen eines Kanzelaltar aus weißem Marmor und dunkelblau gestrichenem Holz und eines Posaunenengels auf dem Turm.
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Lutheraner »

Für eine ältere evangelisch-lutherische Kirche ist ungewöhnlich, dass der Altar nicht direkt an der Wand unter der Kanzel, sondern frei steht. Daran erkennt man wohl noch die reformierten Wurzeln. Ansonsten könnten die Kirche irgendwo in Württemberg stehen...
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von SpaceRat »

Lutheraner hat geschrieben:Für eine ältere evangelisch-lutherische Kirche ist ungewöhnlich, dass der Altar nicht direkt an der Wand unter der Kanzel, sondern frei steht. Daran erkennt man wohl noch die reformierten Wurzeln.
Die lutherische Kirche von Stolberg:
Bild
Bild
Bild

Die Position des Altars erklärt sich hier aber durch die Geschichte der Kirche, z.B. wurde die Kanzel erst später nachgerüstet und erst vor relativ kurzer Zeit der Orgeltisch auf die Empore verlegt, so daß überhaupt erst der Platz entstand, den Altar vorzurücken.

Die Vogelsangkirche ist eine aus dem Jahre 1647/1648 stammende lutherische Kirche in Stolberg. Die schlichte und unauffällige Bauweise des Gotteshauses ist ein Sinnbild der harten Vergangenheit der sie erbauenden Gläubigen in der damaligen Zeit. Die Kirche ist die älteste lutherische Kirche im Raum zwischen Stolberg und Köln.

Wikipedia-Artikel über die Vogelsangkirche

Dabei ist eine Unschärfe der Wikipedia zu korrigieren: Der Artikel bezeichnet die ungleich größere calvinistische Finkenbergkirche als Schwesterkirche. Das ist natürlich (sie ist calvinistisch) Blödsinn, bzw. stimmt erst seit der Union (In Stolberg seit 1860).
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von SpaceRat »

Noch etwa zu den Fotos:
Sie sind frei von Rechten Dritter (Ich habe sie selber gemacht) und liegen auf meinem eigenen Webspace.

Zur Qualität: Trotz voller Beleuchtung ist die Vogelsangkirche innen sehr düster. Es ist ohne richtiges Profiequipment (Zumindest zusätzliche Ausleuchtung) nahezu unmöglich, vernünftige Innenaufnahmen zu machen. Die Aufnahmen waren entsprechend dunkel und mussten durch Gamma-Korrektur erkennbar gemacht werden, daher die Artefakte.
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von SpaceRat »

Lutheraner hat geschrieben:Es wird oft beklagt, dass in Teilen des Rheinlands, wo die Evangelischen früher klar reformiert waren, die Gemeinden mittlerweile "glatt gebügelt" wären.
Das stimmt allerdings auch nicht.

Um es knallhart auf den Punkt zu bringen: Das Rheinland ist (großteils zwangsweise) römisch, mit einem Anteil der Evangelischen von 5-15% je nach Region:
Im Jahr 1550 ist Aachen mehrheitlich protestantisch. Auf 1548 wird der erste lutherische Gottesdienst in Zweifall datiert, 1559 trat der Graf von Schleiden mit seinen Untertanen geschlossen zum lutherischen Glauben über. 1564 gibt es erste Spuren der Reformation in Stolberg, ab 1572 eine reformierte Gemeinde in Lürken im Bereich der heutigen Kirchengemeinde Hoengen-Broichweiden. Zwei Wellen der Gegenreformation 1598 und 1614 zerschlugen die Gemeinden. Evangelische Gottesdienste finden heimlich oder in anderen Gebieten, etwa im niederländischen Vaals statt.

Für Köln gilt ähnliches: Der Erzbischof von Köln wollte die Reformation einführen:
Wied [Erzbischof und Kurfürst) traf sich auf Schloss Buschhoven, das er als erzbischöfliche Residenz nutze, mit den bekannten Reformatoren Martin Bucer und Phillip Melanchthon, die auf Wieds Befürworten einen Reformationsentwurf für das Erzbistum Köln erarbeiteten.
Der Erzbischof entschied sich aber dafür, kein Blut zu vergiessen und seine Truppen von der Treuepflicht zu entbinden und floh ins Exil, als man ihn stürzen wollte.
Aber wenn man "Bucer" und "Melanchthon" liest, kann man erahnen, daß wir auch hier von der lutherischen Reformation reden.

Die Reformation, auch und gar nicht so knapp die lutherische, ist also durchaus bis ans westliche Ende des Rheinlandes gekommen, dann nur wieder rückgängig gemacht oder nie ganz durchgesetzt worden. Das führte dann zu dem Effekt, daß die, denen es mehr um Standes- und Zunftrechte ging, wieder römisch wurden und nur der kleinere, überzeugte, Teil evangelisch blieb.
Aber bis die französischen Befreier hier einmarschiert sind, waren wir immer noch Opfer von mindestens Standesnachteilen, wenn nicht gar Verfolgung oder Mord, usw.
Niederlassungsfreiheit von Evangelischen in katholischen Mehrheitsgebieten gibt es hier erst seit Gründung des Rheinbundes.

Desweiteren gab es im Rheinland eigentlich nur vereinzelt Exklaven von Evangelischen:
  • die Stadt Stolberg erlaubte den Calvinismus und duldete uns Lutheraner, weswegen auch William Prym sein Werk von Aachen (Wo er als Calvinist alle Zunftrechte verloren hatte) nach Stolberg verlegte, wo es auch heute noch ist und was Prym übrigens auch bis heute auf seiner Homepage angibt).
  • die ursprünglich reformierte, aber schon 1841 unierte Gemeinde in Roetgen ist aus der Stolberger Gemeinde hervorgegangen
  • in Monschau in der Eifel gründeten Tuchmacher eine evangelische Gemeinde, lutherisch.
  • auch die in der Trinitatisgemeinde Schleidener Tal aufgegangene Gemeinde Hellenthal war lutherisch.
Daneben gab es noch in den Herzogtümern Berg und Jülich annähernd sowas wie Religionsfreiheit, bzw. einen gewissen Grad von Toleranz.

Die "Überzeugungsevangelischen", die teilweise von den Niederlanden aus unterstützt wurden, wurden natürlich mehr und mehr reformiert geprägt, selbst wenn sie ursprünglich auch lutherisch waren. Einen lutherischen Prediger in eine solch gastliche Diaspora zu kriegen war halt schwer.
Wer jetzt wo in der Überzahl war, hängt also durchaus auch von der Nähe zu den Niederlanden oder aber eben anderen Gebieten sowie der Herkunft der Gläubigen ab und ob sich diese den Pfarrer von dort gleich mitgebracht haben.

Aber um die Mengen mal gerade zu rücken:
Herzogenrath (Heute ca. 50.000 Einwohner) hatte vor dem Bergbau unter 100 Evangelische, etwa 1/3 lutherisch und 2/3 reformiert. Rheinbach (Heute 26.000 Einwohner) zählte 1900 25 Evangelische, bei der damaligen Familiengröße kann man von maximal 5 Familien ausgehen.

Man kann sich ausrechnen, daß die Urevangelischen entweder irgendwann an den Folgen von Inzucht zugrunde gegangen sein müssen, oder zwischen den evangelischen Konfessionen, wenn nicht gar römisch, geheiratet haben müssen.

Den eigentlichen Zuwachs der Gemeinden im Gebiet um Aachen bestimmen zuerst nahezu ausschließlich Arbeiter im Bergbau, diese sind aber hauptsächlich lutherisch. Im gesamten Rheinland kommt es zu einem Anwachsen der Gemeinden durch den Zuzug preußischer Beamter, nachdem die Rheinlande preußisch wurden. Nach dem Krieg kommen noch die Folgen der Vertreibung aus den dt. Ostgebieten dazu.

Man kann jetzt mal ganz grob überschlagen, welche Bedeutung die Nachfahren der paar ursprünglich schon vorhandenen Evangelischen im Rheinland haben. Rheinbach hat inzwischen 5200 Gemeinemitglieder und die stammen eben zu 99% von Ostpreußen und Pommern ab und vielleicht zu 1% von den 25 Evangelischen von 1900.
Für Herzogenrath gilt ähnliches: Mehrere Tausend Gemeindemitglieder dürften wohl eher den zugezogenen lutherischen Bergbauarbeitern als den 60 Reformierten von Achtzehnhundertpiependeckel zu verdanken sein.
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Sebastian
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Sebastian »

Hallo SpaceRat,

Danke für die Fotos.

Verstehe nicht, wie Menschen sowas konstruieren konnten...Dem Altarraum wird jegliche sakrale Haltung entzogen, statt dessen wird er mit einer klobigen Kanzel und einer Orgel on top zugeballert. Der Altartisch verschwindet fast darunter. Mag ja mal so in Mode gewesen sein, die berühmte Frauenkirche hat ja einen ähnlichen Aufbau des Altarraums. Für mich (also nicht böse sein), als Betrachter, ist der Anblick verstörend ...
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Allons
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Allons »

Sebastian hat geschrieben:Hallo SpaceRat,

Danke für die Fotos.

Verstehe nicht, wie Menschen sowas konstruieren konnten...Dem Altarraum wird jegliche sakrale Haltung entzogen, statt dessen wird er mit einer klobigen Kanzel und einer Orgel on top zugeballert. Der Altartisch verschwindet fast darunter. Mag ja mal so in Mode gewesen sein, die berühmte Frauenkirche hat ja einen ähnlichen Aufbau des Altarraums. Für mich (also nicht böse sein), als Betrachter, ist der Anblick verstörend ...
@ SpaceRat - dito Danke

@ Sebastian, geht mir auch so, so einen Aufbau habe ich neulich auch in der Lüneburger Heide gesehen. Die Kanzel würkte natürlich bei weitem nicht so klobig, hätte man sie irgentwie besser farblich integriert.

Herzliche Grüße, Allons!

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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von SpaceRat »

Sebastian hat geschrieben:Hallo SpaceRat,
Danke für die Fotos.
Bitte, bitte.
Sind ein Abfallprodukt unserer Suche nach einer Kirche für die Hochzeit.
Sebastian hat geschrieben:Verstehe nicht, wie Menschen sowas konstruieren konnten...Dem Altarraum wird jegliche sakrale Haltung entzogen, statt dessen wird er mit einer klobigen Kanzel und einer Orgel on top zugeballert. Der Altartisch verschwindet fast darunter. Mag ja mal so in Mode gewesen sein, die berühmte Frauenkirche hat ja einen ähnlichen Aufbau des Altarraums. Für mich (also nicht böse sein), als Betrachter, ist der Anblick verstörend ...
Also mir gefällt's.
Du darfst dabei ja nicht vergessen, daß es eine
- eher arme
und
- eine nur geduldete (Daher weder Turm, nicht einmal ein Ansatz davon, und auch keine Glocke)
Gemeinde war.
Berücksichtigt man dazu, daß in einer evangelischen Kirche auch gepredigt werden soll und Kirchenmusik eine große Rolle spielt, ist der Aufbau einer Art Hochaltar aus Altar, Kanzel und Orgel in einer Art Einheit und im Mittelpunkt der Betrachtung schon optimal.
Die o.g. widrigen Faktoren spielen dann eine Rolle in Bezug auf
  • Größe der Kirchenfenster (Lichteinfall)
  • Größe des Kirchenraumes (Räumliche Enge im Altarbereich)
  • Farbe und Gestaltung der Elemente Altar, Kanzel und Orgel. In weißem Marmor und mit Gold verziert würde das schon ganz anders wirken.
Die Anordnung entspricht ja auch dem Wiesbadener Programm, auch wenn es das damals noch gar nicht gab.

Ich habe hier ein, leider nur sehr kleines, Foto von der Kirche in Oberdollendorf. Diese hat einen ähnlichen Aufbau, ist aber größer, heller, usw.
Bild

Die Kirche, in der wir unsere Hochzeit gefeiert haben, hatte auch einen ähnlichen Aufbau, nur war halt Calvins Rache (Die Orgel) hinter uns auf der Empore, aber Altar und Kanzel waren an der Stirnseite übereinander angeordnet.
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von SpaceRat »

Hier noch mal die Vogelsangkirche, diesmal von außen.

Man sieht, daß das Ding kaum als Kirche auffällt. Lediglich die etwas höheren, aber enorm schmalen Fenster im rechten Teil (Der linke Teil ist Wohnbereich) deuten darauf hin. Auch die Pforte wirkt extrem klein (Und ist es auch).

Was das Gebäude von außen als lutherische Kirche ausweist sind primär die beiden in das Tor zum Grundstück (Dem ehemaligen Friedhof!) eingearbeiteten Schwäne.

Für mich hat diese Kirche von daher bei aller Beschränkung und Schlichtheit einen ganz besonderen Reiz:
  1. Sie ist genuin lutherisch, was hier im Rheinland Seltenheitswert hat, sind doch die meisten Kirchen hier Nachkriegsbauten oder stammen zumindest aus der Zeit der Union mit reformierter Unterdrückung (Diese Minderheit zwingt uns karge, schmuck- und kruzifixlose Turnhallen auf). Es fehlt halt der passende Pfarrer. Stolberg ist inzwischen so unter reformierter Fuchtel, daß der Pfarrer, der mich in Rheinbach konfirmiert hat, seine erste Berufung (Die war nämlich nach Stolberg) abgelehnt hat.
  2. Sie entstand unter widrigsten Umständen. Es hatte damals in dieser Gegend noch erhebliche Nachteile, evangelisch, geschweige denn lutherisch zu sein. Die ganze Kirche ist zusammengesammelt, man könnte sogar sagen zusammengebettelt, und an den dann noch verbleibenden Schulden hat die Gemeinde 70 Jahre zu knabbern gehabt. Aber sie haben sie gebaut. Und das gibt einer Kirche auch einen gewissen Reiz.
Die Reformierten in Stolberg haben doch ihre Kirche ständig um- und neugebaut, die hatten auch reiche Kupfermeister im Nacken, die mal eben "das Scheckbuch zücken" konnten.
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von SpaceRat »

Mal ein Anblick zum Gruseln, die ev. "Kirche" in Boscheln:

Bild

Bild

Schon schlimm, wie hier durch ein popliges Kreuz ohne Corpus reformierte Lehre verwässert wird...
Aber wenn mit Küchenmeßbechern getauft wird, sollte auch für einen Calvinisten die Grenze des guten Geschmacks überschritten sein.

An den Puttig könnte man genausogut "VfL Boscheln" dranschreiben und es zur Turnhalle umfunktionieren.
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Re: 500 Jahre Calvin

Beitrag von Lutheraner »

Der Innenraum einer noch relativ neuen calvinistischen Kirche bei Regensburg:

Bild

Hier in größerer Auflösung.
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