Nach meiner Einschätzung wird es ein Hickhack um dieses Amt geben. Die Liberale Fraktion in der Kirchensynode konnte seit mehr als 25 Jahren nie mehr den Kirchenratspräsidenten stellen und erhebt einen entsprechenden Anspruch. Sie wird ziemlich sicher den bisherigen Kirchenrat und Gemeindepfarrer in Küsnacht Andrea Marco Bianca aufstellen. Ob diese Nomination unumstritten sein wird, gilt es abzuwarten. Ruedi Reich gehörte der religiös-sozialen Fraktion an. Es ist eher unwahrscheinlich, dass diese Fraktion jemanden für das Präsidium aufstellen wird. Interessant wird sein, ob der Synodalverein (welcher seine Wurzeln in der positiven Bewegung des 19. Jahrhundert hat und knapp die grösste Fraktion stellt) seinen Kirchenrat Thomas Plaz, Pfarrer an der Altstadtkirche von Winterthur aufstellen wird, ob Thomas Plaz überhaupt am Amt interessiert ist. Die drei genannten Fraktionen sind ungefähr gleich gross. Die vierte Fraktion, die zu evangelikalen Stadtpunkten neigende Evangelisch-kirchliche Fraktion, ist nur halb so gross wie die drei anderen Fraktionen. Es wäre eine grosse Überraschung, wenn diese bei der Präsidentenwahl zum Zug käme, ja überhaupt jemanden aufstellen würde. Dass jemand zum Präsidenten des Kirchenrats gewählt wird, der nicht dem "Kuchen" der vier Fraktionen angehört, ist aus meiner Sicht kaum zu erwarten.Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich
Ruedi Reich tritt von seinem Amt als Kirchenratspräsident zurück
kid. Ruedi Reich tritt nach 17 Jahren per Ende Jahr von seinem Amt als Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich zurück. Ursprünglich hatte er seinen Rücktritt auf das Ende der Amtsdauer, auf September 2011, angekündigt. Eine bereits früher aufgetretene Tumor-Erkrankung führte aber im vergangenen Sommer erneut zu Beschwerden. Diese machten anfangs September und anfangs Oktober zwei chirurgische Eingriffe im oberen Rückenmarks-Bereich notwendig.
In seinem Rücktrittsschreiben an den Präsidenten der Kirchensynode weist Ruedi Reich auf starke, körperliche Beeinträchtigungen und Lähmungen hin, die es ihm nicht mehr erlauben würden, in sein Amt zurückzukehren. Er wird sich in den nächsten Wochen und Monaten ganz der Rehabilitation seiner gesundheitlichen Situation stellen.
Ruedi Reich bedauert es, seinen Auftrag als Kirchenratspräsident nicht bis zum Ende der Amtsdauer im kommenden Jahr wahrnehmen zu können. Ruedi Reich hat dieses Amt stets mit grosser Hingabe und ganzer Kraft ausgeübt. Gerade deshalb kann er auch in dieser für ihn schwierigen Situation die Dankbarkeit betonen: «Der Schritt fällt mir nicht leicht. Ich habe meinen Dienst für die Landeskirche ausserordentlich gerne wahrgenommen, und ich bin dankbar dafür, dass ich dies so lange tun durfte.»
Ruedi Reich wurde 1945 geboren und wuchs in Regensdorf und Zürich auf. Nach seiner Ausbildung am Lehrerseminar Küsnacht absolvierte er ein Theologiestudium und wirkte von 1972 bis 1993 als Gemeindepfarrer in Marthalen. 1973 erfolgte die Wahl in die Kirchensynode, 1983 in den Kirchenrat. Am 1. Oktober 1993 wurde er ins Amt des Kirchenratspräsidenten der reformierten Landeskirche gewählt. 2005 bekam Ruedi Reich die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Zürich verliehen, 2008 die silberne Ehrenmedaille des Zürcher Regierungsrates.
Der Dank für die grosse Leistung von Ruedi Reich und eine öffentliche Würdigung seines Wirkens werden folgen. Für die Wahl der Nachfolge ist die Kirchensynode zuständig. Den Zeitpunkt der Wahl bestimmt der Präsident der Kirchensynode. Die Führung der Amtsgeschäfte des Kirchenratspräsidenten ist in der Zwischenzeit durch den Kirchenrat sichergestellt.
(Ich bin Mitglied der Zürcher Kichensynode und werde somit einer der 180 sein, welche den neuen Kirchratspräsidenten wählen können. Ich freue mich auf dieses Wahlgeschäft, dessen Ausgang wohl auch Weichen stellend für die nähere bis mittlere Zukunft der reformierten Landeskirche in Zürich sein dürfte.)