Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

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Granuaile
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Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Granuaile »

Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich

Ruedi Reich tritt von seinem Amt als Kirchenratspräsident zurück
kid. Ruedi Reich tritt nach 17 Jahren per Ende Jahr von seinem Amt als Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich zurück. Ursprünglich hatte er seinen Rücktritt auf das Ende der Amtsdauer, auf September 2011, angekündigt. Eine bereits früher aufgetretene Tumor-Erkrankung führte aber im vergangenen Sommer erneut zu Beschwerden. Diese machten anfangs September und anfangs Oktober zwei chirurgische Eingriffe im oberen Rückenmarks-Bereich notwendig.

In seinem Rücktrittsschreiben an den Präsidenten der Kirchensynode weist Ruedi Reich auf starke, körperliche Beeinträchtigungen und Lähmungen hin, die es ihm nicht mehr erlauben würden, in sein Amt zurückzukehren. Er wird sich in den nächsten Wochen und Monaten ganz der Rehabilitation seiner gesundheitlichen Situation stellen.

Ruedi Reich bedauert es, seinen Auftrag als Kirchenratspräsident nicht bis zum Ende der Amtsdauer im kommenden Jahr wahrnehmen zu können. Ruedi Reich hat dieses Amt stets mit grosser Hingabe und ganzer Kraft ausgeübt. Gerade deshalb kann er auch in dieser für ihn schwierigen Situation die Dankbarkeit betonen: «Der Schritt fällt mir nicht leicht. Ich habe meinen Dienst für die Landeskirche ausserordentlich gerne wahrgenommen, und ich bin dankbar dafür, dass ich dies so lange tun durfte.»

Ruedi Reich wurde 1945 geboren und wuchs in Regensdorf und Zürich auf. Nach seiner Ausbildung am Lehrerseminar Küsnacht absolvierte er ein Theologiestudium und wirkte von 1972 bis 1993 als Gemeindepfarrer in Marthalen. 1973 erfolgte die Wahl in die Kirchensynode, 1983 in den Kirchenrat. Am 1. Oktober 1993 wurde er ins Amt des Kirchenratspräsidenten der reformierten Landeskirche gewählt. 2005 bekam Ruedi Reich die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Zürich verliehen, 2008 die silberne Ehrenmedaille des Zürcher Regierungsrates.

Der Dank für die grosse Leistung von Ruedi Reich und eine öffentliche Würdigung seines Wirkens werden folgen. Für die Wahl der Nachfolge ist die Kirchensynode zuständig. Den Zeitpunkt der Wahl bestimmt der Präsident der Kirchensynode. Die Führung der Amtsgeschäfte des Kirchenratspräsidenten ist in der Zwischenzeit durch den Kirchenrat sichergestellt.
Nach meiner Einschätzung wird es ein Hickhack um dieses Amt geben. Die Liberale Fraktion in der Kirchensynode konnte seit mehr als 25 Jahren nie mehr den Kirchenratspräsidenten stellen und erhebt einen entsprechenden Anspruch. Sie wird ziemlich sicher den bisherigen Kirchenrat und Gemeindepfarrer in Küsnacht Andrea Marco Bianca aufstellen. Ob diese Nomination unumstritten sein wird, gilt es abzuwarten. Ruedi Reich gehörte der religiös-sozialen Fraktion an. Es ist eher unwahrscheinlich, dass diese Fraktion jemanden für das Präsidium aufstellen wird. Interessant wird sein, ob der Synodalverein (welcher seine Wurzeln in der positiven Bewegung des 19. Jahrhundert hat und knapp die grösste Fraktion stellt) seinen Kirchenrat Thomas Plaz, Pfarrer an der Altstadtkirche von Winterthur aufstellen wird, ob Thomas Plaz überhaupt am Amt interessiert ist. Die drei genannten Fraktionen sind ungefähr gleich gross. Die vierte Fraktion, die zu evangelikalen Stadtpunkten neigende Evangelisch-kirchliche Fraktion, ist nur halb so gross wie die drei anderen Fraktionen. Es wäre eine grosse Überraschung, wenn diese bei der Präsidentenwahl zum Zug käme, ja überhaupt jemanden aufstellen würde. Dass jemand zum Präsidenten des Kirchenrats gewählt wird, der nicht dem "Kuchen" der vier Fraktionen angehört, ist aus meiner Sicht kaum zu erwarten.

(Ich bin Mitglied der Zürcher Kichensynode und werde somit einer der 180 sein, welche den neuen Kirchratspräsidenten wählen können. Ich freue mich auf dieses Wahlgeschäft, dessen Ausgang wohl auch Weichen stellend für die nähere bis mittlere Zukunft der reformierten Landeskirche in Zürich sein dürfte.)

Amandus2
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Amandus2 »

Der Rücktritt von Ruedi Reich ist ein großer Verlust für die Zürcher Reformierte Kirche! Er ist ein Mann mit Spiritualität und großer Ausstrahlung und gleichzeitig mit einer Offenheit für die Ökumene. Ein kleines Beispiel: Ich erinnere mich an eine Predigt über die Marienverehrung, in der er die Reformierten daran erinnerte, dass Zwingli und Bullinger bis zu ihrem Lebensende im Zürcher Großmünster das Ave Maria beteten.

Wenn ich die Entwicklung in Zürich (von außen) verfolge, so habe ich aber nicht den Eindruck, dass der nächste Präsident wieder aus der religiösen Fraktion kommen wird, sondern eher aus der politischen.

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Christ86
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Christ86 »

Schade, ich habe es soeben gelesen. Er wirkte massgeblich beschwichtigend gegen die rein linkspolitischen, vom christlichen Glauben losgelösten Tendenzen, die sich in der Zürcher Kirche immer mehr breit machen. Er ist übrigens ein Freund eines meiner (reformierten) Onkel, der ihn sehr schätzt.

Granuaile, kannst du vielleicht die Ausrichtung der Fraktionen etwas genauer erläutern? Das würde mich interessieren :ja:
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Granuaile
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Granuaile »

Christ86 hat geschrieben: Granuaile, kannst du vielleicht die Ausrichtung der Fraktionen etwas genauer erläutern? Das würde mich interessieren :ja:
Die Ausrichtung der Fraktionen in der Zürcher Synode, das ist gar nicht so einfach zu umschreiben. Ich versuche es aus historischer Sicht.

Im 19. Jahrhundert gab es in der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich zwei ungefähr gleich grosse Lager: die „Positiven“ und die „Liberalen“. Die „Positiven“ waren eher konservativ und in ihren Ansichten auf den Wortlaut der Bibel fixiert. Einige soziale Institutionen im heutigen kirchlichen Leben von Zürich gehen auf diese Bewegung zurück bzw. sind Gründungen von „Positiven“: so die Stadtmission (ein kirchliches Sozialwerk für die Stadt Zürich) und das evangelische Gymnasium und Lehrerseminar Unterstrass. Die „Liberalen“ waren mehr von der Aufklärung beeinflusst und befürworteten eine mehr freiheitliche Bibelauslegung. Ihr grosser Erfolg war Mitte des 19. Jahrhunderts, dass die Verbindlichkeit des II. Helvetischen Bekenntnisses in der reformierten Kirche Zürichs dahinfiel (bis dahin mussten sich die Pfarrer bei der Ordination auf das II. Helvetische Bekenntnis verpflichten, seither nur noch zum Dienst an Gottes Wort „aufgrund der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments in theologischer Verantwortung und im Geiste der Reformation“, was natürlich Raum für verschiedene Auslegungen zulässt.) An dieser "Bekenntnisfreiheit", welche die meisten anderen schweizerischen reformierten Landeskirchen übernommen haben, kauen wir heute herum und es gibt Tendenzen, in irgend einer Art wieder einen halben Schritt zurück zu tun ... Lange Zeit war es so, dass an der Theologischen Fakultät der Uni Zürich darauf geschaut wurde, dass die Lehrstühle gleichmässig auf „Positive“ und auf „Liberale“ aufgeteilt wurde. Ebenfalls lange Zeit konnte man im Gottesdienst in der Regel an der Kleidung erkennen, welcher Richtung der Pfarrer angehört: „Positive“ hielten den Gottesdienst im Talar, „Liberale“ in ziviler Kleidung (es gab aber immer Ausnahmen: zivil gekleidete „Positive“, „Liberale“ im Talar und natürlich auch Pfarrer, die sich nicht streng in dieses Schema „positiv“ – „liberal“ pressen liessen.

Diese Teilung der Lager gab es auch in der Synode. Die beiden Fraktionen des 19. Jahrhundert bestehen noch immer: der „Synodalverein“, der aus der „positiven“ Bewegung hervorging, und eben die Liberale Fraktion.

In den 1910er-Jahren kam in der Schweiz (und auch in anderen Ländern) der religiöse Sozialismus auf. Wortführer in Zürich war der Theologieprofessor Leonard Ragaz. Die religiösen Sozialisten kämpften für eine sozial gerechte Gesellschaft auf biblischer Grundlage. Wenn man die Kampfschriften dieser Bewegung liest, glaubt man eine religiöse Fassung eines sozialistischen Parteiprogramms oder gar des kommunistischen Manifests vor sich zu haben. Anfangs der 1920er-Jahren bildeten die religiösen Sozialisten in der Synode erstmals eine eigene Fraktion, die auch heute noch besteht: eben die Religiös-soziale Fraktion.
So bestanden während rund 60 Jahren drei Fraktionen in der Synode. In den 1980er-Jahren spaltete sich eine Gruppe von Mitgliedern des Synodalvereins und der Religiös-sozialen Fraktion von diesen ab, weil sie der Meinung waren, diese Fraktionen (und natürlich auch die dritte, die Liberalen) stützten sich in ihrer Arbeit zu wenig auf die Bibel und auf die Glaubenssätze des Christentums. So entstand die vierte Fraktion: die Evangelisch-kirchliche Fraktion, welcher evangelikale / fundamentalistische Züge nachgesagt wird.

Heute setzt sich der Kirchenrat (Exekutive), welcher von der Synode gewählt wird, aus je zwei Mitgliedern des Synodalverein, der Liberalen und der Religiös-sozialen sowie einem Vertreter der Evangelisch-kirchlichen zusammen, was ungefähr den Stärken in der Synode entspricht. Dort haben die drei grossen Fraktionen je ca. 50 Sitze und die Evangelisch-kirchliche Fraktion ungefähr 30 Sitze.

Wenn ich sage, die Ausrichtungen seien nicht leicht zu umschreiben, so hängt das damit zusammen, dass fast bei jeder kontroversen Frage in der Synode der Graben zwischen Ja-Sagern und Nein-Sagern quer durch die Fraktionen geht. Von der Tendenz her bestehen aber nach wie vor Unterschiede in den Ausrichtungen. Der Synodalverein bemüht sich, seine Politik nach einer (eher modernen) Auslegung der Bibel auszurichten, die Religiös-sozialen (die längst keine Sozialisten mehr sind) stellen das soziale Element des kirchlichen Auftrags in den Vordergrund und die Liberalen haben ein besonderes Augenmerk darauf, dass die Kasse der Landeskirche im Lot bleibt. Am ehesten argumentieren die Evangelisch-kirchlichen mit Geboten, die sie direkt aus der Heiligen Schrift entnehmen. Aber eben, das sind immer nur Tendenzen. Alles ist relativ!

Ich weiss, das tönt alles sehr vage, chaotisch. Ich kann es nicht ändern.
Zuletzt geändert von Granuaile am Donnerstag 28. Oktober 2010, 23:00, insgesamt 1-mal geändert.

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Clemens
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Clemens »

Und wie wird man Mitglied dieser Synode?

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Granuaile
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Granuaile »

Clemens hat geschrieben:Und wie wird man Mitglied dieser Synode?
Wahl durch das reformierte Volk an der Urne.

Konkret: die Wahlen werden ausgeschrieben. Innert einer gewissen Frist müssen Wahlvorschläge eingereicht werden. Das Prozedere, wie es zu den Wahlvorschlägen kommt, ist etwas von Wahlkreis zu Wahlkreis verschieden. Oft werden "Wählerversammlungen" organisiert, an welchen Interessierte teilnehmen können (mit "Interessierte" sind sowohl mögliche Kandidaten wie auch Bürger gemeint, welche gerne beim Erstellen eines Wahlvorschlags mitreden). Oft ist es gar nicht so einfach, überhaupt genügend Personen zu finden, welche am Amt interessiert sind. Meist sind die Kandidierenden Personen, welche sich in ihren Kirchgemeinden engagieren und auf diese Weise darauf aufmerksam werden, dass es dieses Amt gibt und dass das vielleicht etwas für sie sein könnte. Ich bin auch auf solche Weise "hineingerutscht". Kampfwahlen sind eher selten, kommen aber vor.

(Leider ist es in der reformierten Kirche des Kantons Zürich so, dass es immer wieder einmal die gleichen wenigen Personen sind, welche sich für Aufgaben in der Kirche zur Verfügung stellen.)

new
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von new »

Ähm ... dachte wir sind hier in einem katholischen Forum? Was interessiert der Rücktritt eines sogenannten "Kirchenratspräsidenten"?

Amandus2
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Amandus2 »

new hat geschrieben:Ähm ... dachte wir sind hier in einem katholischen Forum? Was interessiert der Rücktritt eines sogenannten "Kirchenratspräsidenten"?


Die Klausnerei ist ein evangelisches Unterforum!

Nach deinen 140 Beiträgen solltest du dies langsam erkannt haben.....

new
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von new »

Uups ... sowas gibt hier? Sorry, aber interne Infos über "kirchliche Gemeinschaften" übersehe ich immer gerne ;-)

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asderrix
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von asderrix »

new hat geschrieben:Uups ... sowas gibt hier? Sorry, aber interne Infos über "kirchliche Gemeinschaften" übersehe ich immer gerne ;-)
Wenn du da Hilfe brauchst, sag's, da kann dir geholfen werden. :dudu:
Jedes Gedächtnismahl sagt: Das Beste kommt noch!

Allons
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Allons »

new hat geschrieben:Uups ... sowas gibt hier? Sorry, aber interne Infos über "kirchliche Gemeinschaften" übersehe ich immer gerne ;-)
Geht mir auch so mit dem Rest des Forums inkl. Brauhaus etc., kann ich also nachvollziehen. Grüße, Allons!

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Granuaile
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Granuaile »

In der neuesten Ausgabe des „reformiert.“ (Mitgliederzeitung verschiedener evangelisch-reformierter Kantonalkirchen in der Schweiz, so auch der Landeskirche im Kanton Zürich) vom 12. November 2010 findet sich unter der Überschrift „Reich-Nachfolge: Turnusmodell umstritten“ am Ende folgendes:
reformiert. hat geschrieben: Ein anonymer Blogger, der sich im katholischen Internetforum „Kreuzgang“ als Synodaler des reformierten Kirchenparlaments ausgibt, nennt aber zu Bianca bereits eine Alternative: „Interessant wird sein, ob der Synodalverein seinen Kirchenrat Thomas Plaz, Pfarrer an der Stadtkirche von Winterthur, aufstellen wird.“
Es mag für mich schön sein, als kleiner anonym bleibender Zürcher Synodaler, der gelegentlich in einem katholischen Internetforum in Deutschland einige schlaue oder weniger schlaue Gedanken äussert, auch in der reformierten Schweiz bemerkt zu werden und dann einen solchen Gedanken auch gar noch tausendfach in Druckerschwärze multipliziert zu sehen. Doch was ich hier im Kreuzgang geäussert habe, ist schlicht nicht originell. Dass Pfarrer Thomas Plaz als möglicher Kirchenratspräsident anstelle des (wahrscheinlichen) liberalen Kandidaten Pfarrer Andrea Bianca gehandelt werden könnte, darauf hätte der kirchliche Journalist und Verfasser des betreffenden Zeitungsartikels ja auch selbst kommen können. Dazu hätte es kaum des Griffs nach einem anonymen Beitrag in einem fernen Internetforum bedurft. Aber offenbar besteht in kirchlichen Kreisen etwas Aufregung, und keiner – auch nicht ein Journalist – möchte sich zur Zeit persönlich, also in eigenem Namen zu weit aus dem Fenster lehnen.
Ich werde mich hier im Kreuzgang einstweilen nicht mehr zu Namen von möglichen Kirchenratspräsidenten äussern, jedenfalls solange nicht das definitive Kandidatenfeld feststeht. Dies wird nicht vor Anfang 2011 sein, da die Wahl des neuen Kirchenratspräsidenten frühestens im Frühling erfolgen wird.

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Christ86
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Christ86 »

Granuaile hat geschrieben:In der neuesten Ausgabe des „reformiert.“ (Mitgliederzeitung verschiedener evangelisch-reformierter Kantonalkirchen in der Schweiz, so auch der Landeskirche im Kanton Zürich) vom 12. November 2010 findet sich unter der Überschrift „Reich-Nachfolge: Turnusmodell umstritten“ am Ende folgendes:
reformiert. hat geschrieben: Ein anonymer Blogger, der sich im katholischen Internetforum „Kreuzgang“ als Synodaler des reformierten Kirchenparlaments ausgibt, nennt aber zu Bianca bereits eine Alternative: „Interessant wird sein, ob der Synodalverein seinen Kirchenrat Thomas Plaz, Pfarrer an der Stadtkirche von Winterthur, aufstellen wird.“
Tatsächlich, auf Seite 3 der Druckversion (musste natürlich das reformiert sofort aus dem Briefkasten holen, um das nachzuprüfen :breitgrins:

Der Kreuzgang wird in der Zeitschrift der reformierten Zürcher Kirche erwähnt :kugel: :D :freude:
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Granuaile
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Kampfwahl für das Amt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Granuaile »

Jetzt ist es offiziell: Für die Nachfolge des zurückgetretenen Kirchenratspräsidenten liegen (mindestens) zwei Kandidaturen vor, so dass es zu einer Kampfwahl kommt. Hier die Mitteilung auf der Website der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich:
Andrea Marco Bianca und Michel Müller kandidieren für das Amt des Kirchenratspräsidenten.
Die Neuwahl ins Präsidium des Kirchenrates erfolgt am 15. März 2011 anlässlich der ordentlichen Versammlung der Kirchensynode, die auch das Wahlgremium ist. Die Liberale Fraktion der Kirchensynode, die das Präsidium des Kirchenrates turnusgemäss für sich beansprucht, hat den 49jährigen Pfr. Andrea Marco Bianca für die Nachfolge für den auf Ende 2010 zurückgetretenen Ruedi Reich nominiert und dazu nachstehendes Communiqué verbreitet:

"Für die Nachfolge von Kirchenratspräsident Dr. h.c. Ruedi Reich hat die Liberale Synodefraktion an ihrer Sitzung vom 11. November Kirchenrat Andrea Marco Bianca zu ihrem Kandidaten bestimmt.

Bianca ist seit 2007 Mitglied des Kirchenrats. Er verantwortet das Ressort Gemeindedienste mit den Bereichen Gemeindeaufbau, Behördenschulung, Gottesdienst und Musik, Diakonie und Ökumene, Mission und Entwicklung. Zusätzlich betreut er die ökumenischen Stellen Bahnhofkirche, Flughafenpfarramt und Paarberatung.

Bianca ist seit 14 Jahren Pfarrer in Küsnacht. Zuvor war er fünf Jahre als wissenschaftlicher Assistent an der Theologischen Fakultät der Universität Bern im Bereich Praktische Theologie tätig. Sein Studium absolvierte er in Zürich, Basel und Bern sowie an der Pacific School of Religion in Berkeley, Kalifornien (USA).

Die Liberale Fraktion ist überzeugt, mit Pfarrer Andrea Marco Bianca eine theologisch fundierte und mit dem liberalen Kirchenverständnis bestens vertraute Persönlichkeit vorzuschlagen. Er verfügt über das notwendige Rüstzeug, um präsidiale Führungsverantwortung in der Exekutive der Zürcher Landeskirche zu übernehmen."

Am 13. Januar 2011 hat der Synodalverein per Communiqué bekanntgegeben, dass er Pfr. Michel Müller für das Amt des Kirchenratspräsidenten vorschlägt:

"Der Synodalverein als grösste Fraktion der Zürcherischen Kirchensynode schlägt Pfr. Michel Müller (Thalwil) für das Amt des Kirchenratspräsidenten und damit als Nachfolger von Pfr. Dr. h.c. Ruedi Reich vor.

Der Synodalverein ist überzeugt, in Pfr. Michel Müller eine für dieses Amt geeignete Person zu portieren, die mit ihrer glaubhaft vertretenen, profilierten Theologie auf biblisch-reformatorischer Basis der Weiterentwicklung der Zürcher Landeskirche wichtige Impulse geben kann. M. Müller verfügt über langjährige Erfahrung als Gemeindepfarrer und weist spezifische Leistungsausweise in Gemeindeaufbau, Jugendarbeit und Katechetik auf. Zudem wirkt er seit zehn Jahren in der Aus- und Weiterbildung von Pfarrpersonen im Konkordat der deutschschweizer Kirchen.

Der Nominierte hat sich in kirchlichen Gremien als Synodaler, Kommissions­präsident, Fraktionspräsident und Abgeordneter im Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund in weiten Kreisen Anerkennung verschafft und ist kantonal und schweizerisch gut vernetzt. Er verfügt über Ausdauer und ist fähig, verschiedene Kräfte für ein gemeinsames Ziel zu gewinnen.

Seine Kandidatur wird von Pfarrkolleginnen und -kollegen, kirchlichen Mitarbeitenden und breiten kirchlichen Kreisen unterstützt.

Michel Müller kandidiert mit Freuden und aus Überzeugung für das Amt des Kirchenratspräsidenten: «Wenn sich Mitarbeitende, Kirchgemeinden und Kirchen vom Geist Jesu Christi immer wieder neu für eine glaubwürdige Verkündigung in Wort und Tat motivieren lassen, kann die reformierte Kirche hoffnungsvoll in die Zukunft blicken und neue Mitglieder und Mitarbeitende gewinnen.»

Der Synodalverein ist überzeugt, mit Pfarrer Müller der Synode am 15. März einen ausgewiesenen und fähigen Kandidaten vorzuschlagen, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen."

Neu besetzt wird am 15. März nur das Präsidium des Kirchenrates. Wird ein amtierender Kirchenrat oder eine amtierende Kirchenrätin ins Präsidium gewählt, bleibt der dadurch freiwerdende Kirchenratssitz bis zu den Gesamerneuerungswahlen am 20. September 2011 vakant.
Es wird einen interessanten Wahlgang mit offenem Ausgang geben. Pfarrer Andrea Marco Bianca hat den Vorteil, dass er bereits Mitglied des Kirchenrats ist. Weiter haben die Liberalen seit rund 30 Jahren nie mehr den Kirchenratspräsidenten stellen können, während der Synodalverein mit Ernst Meili den Vorgänger von Ruedi Reich stellte (was auch schon wieder 17 Jahre her ist). Vermutlich werden nicht wenige Synodale den "Anspruch" der Liberalen, nach so vielen Jahren wieder einen Kirchenratspräsidenten in ihren eigenen Reihen zu haben, respektieren. Andererseits ist Pfarrer Michel Müller seit 12 Jahren ein engagierter Synodaler, welcher die Internas der Landeskirche sehr gut kennt und insbesondere einen wesentlich profilierteren Eindruck macht als der in den letzten Jahren sehr fleissige, aber eher blass agierende Kirchenrat Andrea Marco Bianca.
Die Liberale Fraktion und der Synodalverein werden wohl ihre Kandidaten recht geschlossen wählen (von "Ausreissern" abgesehen). Beide Fraktionen sind ähnlich gross. Es wird nun darauf ankommen, wem die beiden anderen Fraktionen (Religös-soziale Fraktion und Evangelisch-kirchliche Fraktion) ihre Stimmen geben werden. (Nach meinem gegenwärtigen Wissensstand beabsichtigen diese beide Fraktionen nicht, mit eigenen Kandidaten anzutreten. Aber Überraschungen sind nie ausgeschlossen.)

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Granuaile
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Granuaile »

Der "Landbote" (Winterthurer Regionalzeitung) meldet (auf http://www.landbote.ch) die Nomination des Pfarrers des Zürcher Grossmünsters als Kirchenratspräsident. Auf der Website der Zürcher Landeskirche wird diese Nomination (sowie diejenige des chancenlosen Aussenseiterkandidaten Hans-Peter Geiser) ebenfalls gemeldet.
Dritter Kandidat für Kirchenrats-Präsidentschaft nominiert
Eine interfraktionelle Wählervereinigung der evangelischen Synode schlägt Christoph Sigrist als Zürcher Kirchenratspräsidenten vor. Er ist der dritte Kandidat für die Wahl am 15. März um die Nachfolge des krankheitshalber zurück getretenen Rudi Reich. Die Wahlbehörde ist die Kirchensynode.

Christoph Sigrist (48). (zvg) Die Liberale Fraktion in der Kirchensynode hatte bereits im November den 49-jährigen Kirchenrat und Küsnachter Pfarrer Andrea Marco Bianca nominiert. Im Januar folgte die grösste Fraktion, der Synodalverein, mit der Kandidatur des 46-jährigen Thalwiler Pfarrer Michel Müller.
Mit Christoph Sigrist nominierte heute eine interfraktionelle Wählervereinigung einen Kandidaten, welcher das Format für den künftigen Präsidenten des Kirchenrates mitbringe: persönlich, fachlich sowie als gereifte Führungspersönlichkeit, teilt die Vereinigung in einem Comuniqué mit. Mit einem gradlinig evangelischen Profil realisiere er immer wieder sowohl als Gemeindepfarrer als auch kantonal und national wegweisende Projekte,
Als Mitglied und Präsident verschiedener diakonischer Gremien sowie als Initiator und Inhaber der Dozentur für Diakonie an der Universität Bern vermittelt Sigrist der Pfarrschaft, den Schweizer Kirchen und der Öffentlichkeit diakonische Anliegen des Evangeliums auf eine den heutigen Herausforderungen entsprechende Art.
Der hohe Praxisbezug zeigt sich in vielen Publikationen seit seiner Dissertation «Diakonie, Ethik und diakonische Basisgruppen in Kirchen». Christoph Sigrist repräsentiere die Evangelisch-Reformierte Landeskirche souverän und glaubwürdig.
Der Aufbau des Citykirchenprojekts «Offene Kirche St. Leonhard» in St. Gallen, die Gründung und Leitung des Zürcher Spendenparlaments oder Ideen zu kirchlichen Begleitprojekten zur letzten Fussball-Europameisterschaft mit seither nachhaltigen Kontakten zur FIFA zeigen als drei Beispiele, dass Christoph Sigrist eine Persönlichkeit ist, die auf Menschen zuzugehen, diese zu begeistern und mit ihnen zusammen nachhaltige Projekte zu realisieren vermag.
Christoph Sigrist ist Pfarrer am Zürcher Grossmünster, Doktor der Theologie mit Lehrauftrag Diakoniewissenschaft an der Universität Bern, Armeeseelsorger, Publizist, und Gestalter und Realisator verschiedener kirchlicher Projekte. Er ist 48 Jahre altverheiratet und hat zwei Söhne. (ldb)

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Granuaile
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Re: Rücktritt des Zürcher Kirchenratspräsidenten

Beitrag von Granuaile »

Nur der Vollständigkeit halber - zum Abschluss dieses Treads: neuer Zürcher Kirchenratspräsident ist Pfarrer Michel Müller aus Thalwil.
Für Details, siehe Litfasssäule.

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