Luther und das Fasten

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Sebastian
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Luther und das Fasten

Beitrag von Sebastian »

Martin Luther hat geschrieben:Kein Christ ist zu den Werken, die Gott nicht geboten hat, verpflichtet. Er darf also zu jeder Zeit jegliche Speise essen.
Wie stand Luther zum Fasten? Hier wurde ja schon aufgegriffen inwiefern sich Luthers Ur – Ideen mit der Orthodoxie decken. Wie kommt er bei der Fastenfrage zu der erstaunlichen Aussage, dass Gott das Fasten nicht geboten hätte? Ich beziehe mich jetzt weniger auf die Fastengebote des „Alten Bundes“, sondern auf die in Göttlicher Vorsehung getroffene Aussage Christi, die wir zum Beispiel in Markus 2,18 – 21 finden.

Wie heutige protestantische Gemeinschaften das Fasten sehen, oder gar halten - darüber kann man sich im späteren gerne Unterhalten. Hatten wir bestimmt schon mal, ist aber dennoch interessant.
Zuerst aber geht es um Luther:

Hatte Luther ein Problem mit den damaligen, westlichen Fastenweisen? Irgendwo fand ich mal ein Statement von ihm, in dem er ein „heuchlerisches Fasten“ jener Zeit anklagte, in etwa, dass zwar einige sich an strikte Essensvorschriften halten, gleichzeitig sich aber „die Köpfe vollsaufen“ (so in der Art). Warum aber mahnte er nicht eine „Konsequenz des Fasten“ an, anstelle das Fasten de facto zu verwerfen? So jedenfalls klingt obige Aussage.

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie es in latainischen Klöstern jener Zeit wirklich aussah. Einige sollen das Fasten arg aufgeweicht haben. So sollen zum Beispiel einige Klöster dazu übergegangen sein, in Fastenzeiten Biberfleisch zu essen. Begründet wurde es angeblich damit, dass Biber ja hauptsächlich in, oder am Wasser leben und damit eher zu den Fischen zählen. :| Gut, ich denke, dies ist zum Teil ein Märchen, denn es wäre in der Tat ja eine ziemlich schräge Selbstveräppelung. Aber seine Ankreidung in Richtung Glaubwürdigkeit muss ja einen Grund gehabt haben, war er doch schließlich Mönch.

Ich habe einige Werke Luthers im Bücherregal (ja, lese daraus sogar ab und zu). Was ich nicht verstehe: War er nun generell gegen das Fasten, oder sah er es mehr als auf‘s Individuum gemünzte Übung an, die man machen kann, oder es auch lassen kann?

Im Kampf gegen die Leidenschaften lehrt die Orthodoxe Kirche ihre Gläubigen gemäß dem Gebot Christi: „nur durch Fasten und Gebet“ (Vgl Matthaeus 17,21). War Luther in diesem Punkt, sogar aus heutiger protestantischer Sicht, gegen die Schrift ?

Vielleicht lassen wir zuerst die hier schreibenden Lutheraner bzw. "Protis" zu Wort kommen :ja:
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

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Clemens
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Re: Luther und das Fasten

Beitrag von Clemens »

Luther wandte sich gegen das Fasten als Mittel, sich das Heil sozusagen zu erkaufen.

Nach seiner Beobachtung drehte sich die damalige Frömmigkeit (seine eigene ebenso!) darum, gute Werke anzuhäufen, um Sünden auszugleichen und Gott im Gericht zur Gnade zu bewegen.

Seine sogenannte "reformatorische Entdeckung" war, dass Gott ALLEIN aus souveräner Gnade den Sünder gerecht spricht, nicht aufgrund irgendwelcher guter Taten oder Frömmigkeitswerke des Sünders, der weiterhin trotz allen guten Willens Sünder bleibt, obwohl er von Gott um Christi willen als Gerechter angesehen wird.
In der Folge kam Luther zu teilweise ziemlich scharfer Polemik gegen viele bisherige Frömmigkeitspraktiken, insofern sie als "Werke" und Ergänzung zur Gnade verstanden wurden. Insbesondere wandte er sich deshalb gegen Fasten, Klosterleben, Askese, Wallfahrten, Ablass(zahlung), Messstipendien.

Beantwortet das deine Frage?
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

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Lioba
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Re: Luther und das Fasten

Beitrag von Lioba »

Frag die Biber- ich habe es auch schon gehört.
Wiki:
Ernährung: Biberfleisch gebraten oder gedämpft, insbesondere Biberschwanz als Fastenspeise, weil nicht als Fleisch sondern als der „fischige“ Teil des Bibers angesehen (Fortbewegung im Wasser). Im Konstanzer Konzil von 1414/18 wurde beschlossen „Biber, Dachs, Otter - alles genug“ und schließlich erklärte 1754 der Jesuitenpater Charlevoix: „Bezüglich des Schwanzes ist er ganz Fisch, und er ist als solcher gerichtlich erklärt durch die Medizinische Fakultät in Paris, und im Verfolg dieser Erklärung hat die Theologische Fakultät entschieden, dass das Fleisch während der Fastenzeit gegessen werden darf.“
Luther sagte z.b. zum Fasten, dass es Verzicht sein soll. Wenn einer gerne Fisch isst und Fleisch nicht mag, wäre es im Grunde richtig er würde in der Fastenzeit auf Fisch verzichten und Fleisch essen.
wichtig war für Luther, dass Fasten kein Verdienst im Sinne von Werkgerechtigkeit sein soll.
Luther selbst hat durchaus gefastet und es wird auch bei uns gefastet- verbindlich ist das Karfreitagsfasten, Fasten im Zusammenhang mit Gebet und Besinnung. Das längste Fasten ohne fetse Nahrung an dem ich persönlich teilgenommen habe, ging allerdings knapp eine Woche.
Die letzte grössere offizielle Fastenaktion ausser zu den normalen Fastenzeiten von der ich auf ev. Seite weiss, war die Fastenaktion der Mennoniten vor dem Irakkrieg. Zentrum war kanada, da wird Josef vielleicht mehr wissen.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

NurNochKatholisch
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Re: Luther und das Fasten

Beitrag von NurNochKatholisch »

Als kleine Ergänzung zu dem, was Clemens schon geschrieben hat:

Luther schätzte das Fasten als eine leibliche Übung sehr hoch ein, aber eben nicht als Notwendigkeit, sich dadurch das Heil zu "erarbeiten".

Ein Zitat aus dem Kleinen Katechismus (von Luther):
"Fasten und leiblich sich bereiten ist wohl eine feine (d.h. gute und nützliche) äußerliche Zucht; aber der ist recht würdig und wohl geschickt, wer den Glauben hat an diese Worte..."
Ehemals "KatholischAB" ist nun "NurNochKatholisch" und glücklich in die vollen Gemeinschaft der Kirche aufgenommen zu werden

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Sebastian
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Re: Luther und das Fasten

Beitrag von Sebastian »

Herzlichen Dank für die raschen und "richtigstellenden" Antworten ! Das hat meine Sichtweise auf Luther zum Thema Fasten zurecht gerückt. Danke.
KatholischAB hat geschrieben:Luther schätzte das Fasten als eine leibliche Übung sehr hoch ein, aber eben nicht als Notwendigkeit, sich dadurch das Heil zu "erarbeiten".
Vom "erarbeiten" war und ist ja beim Fasten auch keine Rede. Dennoch: Jesus Christus macht in Hinblick auf die Leidenschaften, die bekämpft werden müssen, um die Gnade Gottes zu empfangen eine deutliche Aussage. Beten und Fasten (Vgl. siehe oben). Auch erstreckt sich das Fasten nicht nur auf die Speisen, im Sinne einer leiblichen Übung, oder einer "äußeren Zucht". In einem Gebet des Heiligen Nikolaj Velimirovic, welches Alexander vor über drei Jahren postete wird deutlich, welche Bereiche des Lebens vom (wahren) Fasten ergriffen werden. Die Bedeutung, die Jesus Christus dem Fasten (gekoppelt am Gebet) in Matthaeus 17,21, als Mittel beimisst ist doch recht groß. Es erscheint mehr als nur eine "feine Sache" zu sein.
Lioba hat geschrieben:Frag die Biber- ich habe es auch schon gehört.
Biber sprechen leider nicht mit Igeln :irritiert:
Lioba hat geschrieben:Wiki:
Ernährung: Biberfleisch gebraten oder gedämpft, insbesondere Biberschwanz als Fastenspeise, weil nicht als Fleisch sondern als der „fischige“ Teil des Bibers angesehen (Fortbewegung im Wasser). Im Konstanzer Konzil von 1414/18 wurde beschlossen „Biber, Dachs, Otter - alles genug“ und schließlich erklärte 1754 der Jesuitenpater Charlevoix: „Bezüglich des Schwanzes ist er ganz Fisch, und er ist als solcher gerichtlich erklärt durch die Medizinische Fakultät in Paris, und im Verfolg dieser Erklärung hat die Theologische Fakultät entschieden, dass das Fleisch während der Fastenzeit gegessen werden darf.“
Bild
"Hat Ihnen niemand gesagt, dass ich EIN FISCH bin!"

:D
Lioba hat geschrieben:Luther sagte z.b. zum Fasten, dass es Verzicht sein soll. Wenn einer gerne Fisch isst und Fleisch nicht mag, wäre es im Grunde richtig er würde in der Fastenzeit auf Fisch verzichten und Fleisch essen.
wichtig war für Luther, dass Fasten kein Verdienst im Sinne von Werkgerechtigkeit sein soll.
Luther selbst hat durchaus gefastet und es wird auch bei uns gefastet- verbindlich ist das Karfreitagsfasten, Fasten im Zusammenhang mit Gebet und Besinnung. Das längste Fasten ohne fetse Nahrung an dem ich persönlich teilgenommen habe, ging allerdings knapp eine Woche.
Die letzte grössere offizielle Fastenaktion ausser zu den normalen Fastenzeiten von der ich auf ev. Seite weiss, war die Fastenaktion der Mennoniten vor dem Irakkrieg. Zentrum war kanada, da wird Josef vielleicht mehr wissen.
Danke für die Info. Ich weiß, dass die SELK zur letzten Fastenzeit vor Ostern ein "Fastenprogramm" ins Leben rief, welches mit abendlichen Andachten / Vespern verbunden wurde. Ob es dies wohl nächstes Jahr wieder gibt? "KatholischAB" wird es sicher wissen. Ich werde dann auch mal an einer dieser Andachten teilnehmen, denn mir wurde gesagt, dass diese "Fastandachten" in einem sehr würdevollen Rahmen stattfanden. Vielleicht wird ja auch die Adventszeit wieder als Fastenzeit entdeckt. Als Orthodoxer bewunderte ich diese Initiative der SELK, zumal sie ein krasses und mahnendes Gegenteil zu dem war, was die EKD parallel anbot. Bei letzteren fehlte nicht nur der Bezug zu Christus und dem Gebet, sondern es machte auch einen konfusen und ziellosen Eindruck auf mich (jedenfalls bei dem, was man so in Ankündigungen lesen konnte).
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Lioba
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Re: Luther und das Fasten

Beitrag von Lioba »

Der fischige Teil des Bibers- normalerweise weckt das Konzil von Konstanz in Protestanten eher düstere Assoziationen, aber das ist echt ein Highlight.

Dazu noch die wissenschaftliche Bestätigung ein paar Jahrhunderte später. Bild

Bin mal gespannt, wie spätere Generationen so manche unserer Erkenntnisse beurteilen.
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M. v. Ebner- Eschenbach

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