Stephen Dedalus hat geschrieben:Linus hat geschrieben:
Lieber Stephen, kannst du mir mal "irgendwie ein bißchen" erklären, was die Unterschiede (en gros nicht en detail) zwischen high, low, und anglokatholizismus ist? und was ist allen "anglikanischen (frei-)stilrichtungen gemeinsam? Irgenswo hast du ja durchblicken lassen, dass manche high church gruppen ja liturgisch "römischer al der Papst" sind aber theologisch auch ziemlich liberal.
Wie hat man sich das Anglikanische Koordinatensystem vorzustellen?
Hi Linus,
das ist alles nicht so einfach.
Zunächst mal muß man sich historisch vor Augen halten, daß die Anglikanische Kirche niemals eine Konfessionskirche gewesen ist. Sie hat sich immer als der autonome Teil der katholischen Kirche in England verstanden, der einfach seit 1534 von der Jurisdiktionsgewalt des Bischofs von Rom unabhängig war. Weil aber die C of E somit einfach nur "Die Kirche" war, mußte man sich auch nicht konfessionell gegen andere theologische Positionen im Inland im gleichen Maße abgrenzen, wie das in anderen europäischen Nationen und besonders in Deutschland der Fall war. Das hat zur Folge gehabt, daß sich im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Strömungen innerhalb der Kirche herausbilden konnten, die aber durch einige gemeinsame oder verbindende Merkmale zusammengehalten wurden.
Die gemeinsamem Merkmale waren:
1. Das Bischofsamt
2. Die Liturgie des 'Book of Common Prayer'
Natürlich kam es in der Folge der liturgischen Reform zu Konflikten, in denen sich die Mittelposition der
via media zwischen der evangelisch-puritanischen Versuchung und dem "Papismus" andererseits immer wieder behauptete. Beide Parteien wurden konsequent aus der Kirche von England ausgeschlossen, wobei die ersteren sog. "Dissenterkirchen" bildeten, die ab 1660 eine gewissen Freiheit genossen, die röm. Katholiken erst im 19. Jhdt. eine gewisse Gleichstellung erreichten.
Innerhalb der äußeren Grenzen, die durch das 'Prayer Book' und die Unterordnung durch den Bischof vorgegeben waren, war eine recht große Bandbreite möglich. Es entwickelten sich liturgisch unterschiedliche Stile, die man als "high" und "low" bezeichnet.
Generell muß man aber im Koordinatensystem zwischen der Achse der liturgischen Stile entscheiden (high und low) und der Achse der theologischen Ausrichtung (evangelical-catholic). Die beiden gehen zwar häufig zusammen, aber nicht in jedem Fall.
Low Church: Wenig elaborierte Liturgie, Priester tragen eher
Cassock, Surplice, Scarf and Hood statt eucharistischer Gewänder, Meßdiener eher unüblich, starke Betonung von Bibel und Predigt, aber auch der traditionellen Prayer Book Liturgie.
High Church: Priester mit eucharistischen Gewändern, Weihrauch, Wandlungsglocken, Tabernakel, eucharistische Anbetung, Wallfahrten, Weihwasser, Prozessionen etc. Diese Gemeinden benutzen eher Common Worship (das neue Meßbuch von 2000), manche auch die alte English Use Liturgie, die auf den ma. Sarum Rite zurückgeht. Einige benutzen auch das römische Meßbuch oder die tridentinische Messe.
Die Daily Offices of Morning Prayer und Evening Prayer (Evensong) werden aber fast generell nach dem Book of Common Prayer gehalten.
Die Grenzen sind aber fließend. Natürlich wird auch eine Low Church Gemeinde auf jeden Fall eine Palmsonntagsprozession machen und Allerheiligen feiern. Oder es kann sein, daß auch dort der Priester mittlerweile Albe und Stola trägt.
Daneben gibt es noch die theologische Skala, die sich von eher evangelisch orientierten Theologen bis hin zu Anglokatholiken erstreckt. Die Anglokatholiken sind nochmal in die Gruppe der Konservativen unterteilt (geht hin bis zu angl. "Papalismus") und der eher liberalen Anglokatholiken, die auch die Frauenpriesterweihe befürworten, aber generell ein sehr katholisches Verständnis von Amt, Sakramenten und Liturgie haben.
Soweit ein kleiner Überblick. Fragen?
SD