Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

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Lord Mouton
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Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Lord Mouton »

Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, glaubt die anglikanische Kirche ja ähnlich wie die Katholiken an die Realpräsenz (wobei es da natürlich hochtheologische Unterschiede gibt, die den Kern der Sache aber wohl eher weniger betreffen).

Gibt es in Anglikanischen Kirchen dann auch so etwas wie bei uns der Tabernakel? Gesehen hab ich sowas definitiv noch nicht, wenn ich mal bei den Anglikanern war. Aber ich kann mir eigentlich auch nicht vorstellen, dass bei denen die gewandelten Gaben nach der Messe ihre alte Substanz wieder annehmen, oder doch?

EDIT: Merke gerade, dass ich mich etwas sehr kompliziert ausgedrückt habe. Vereinfacht: Bleibt bei den Anglikaner die Wandlung auch nach Ende des Gottesdienstes noch bestehen oder verwahren die da wie die Protestanten?
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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Petur
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Petur »

Bei den Anglokatholiken gibt es Tabernakel. Bei den Evangelikalen (Low Church) keine.
Die überwiegende Mehrheit der Anglikaner glaubt an irgendeine Form der Realpräsenz, aber nicht unbedingt an eine dauerhafte. Die die Lehre der dauerhaften Realpräsenz vertreten, haben Tabernakel.

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Protasius
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Protasius »

Soweit ich gehört habe, werden die gewandelten Materien in Gänze verzehrt, so daß nichts übrig bleibt, um in den Tabernakel gesteckt zu werden.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Fragesteller »

Traditionell-anglikanisch ist das so, ja. Aber in anglo-katholischen Kirchen hat man in der Tat Tabernakel eingerichtet, wie Petur schrieb. Wie häufig das ist, weiß ich nicht.
@Petur: Gibts da Belege für den Zusammenhang mit der dauerhaften Präsenz? Wenn man nämlich von einer mit dem Ende des Gottesdienstes endenden Realpräsenz ausgeht, ist auch die Konsumption am Ende überflüssig, und genau die ist die traditionelle Alternative zum Tabernakel. Die Frage scheint daher eher darin zu bestehen, ob man eucharistische Anbetung akzeptiert/favorisiert.

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Protasius
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Protasius »

Wie ist das eigentlich mit der Krankenkommunion bei den Anglikanern? Dafür müßten ja Materien aufbewahrt werden, falls man nicht wie die Kopten für diese Gelegenheit eine Messe feiert (in Ägypten etwas aufzubewahren war früher angeblich sehr schwierig, weil ruckzuck irgendwelche Schlangen in den Vorräten sind).
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Fragesteller »

Das Book of Common Prayer von 1662 (heute noch in Geltung offiziell) ordnet die Feier einer Messe bei dem Kranken mit eigenem Proprium, unter "würdigen" Umständen und mit weiteren Kommunikanten an.
then he must give timely notice to the Curate, signifying also how many there are to communicate with him, (which shall be three, or two at the least,) and having a convenient place in the sick man's house, with all things necessary so prepared, that the Curate may reverently minister, he shall there celebrate the holy Communion, beginning with the Collect, Epistle, and Gospel, here following.
(http://www.eskimo.com/~lhowell/bcp1662/ ... union.html)
Wie die äußeren Rahmenbedingungen genau aussehen sollen, wird nicht erwähnt.
Das "katholischere" Book of Common Prayer von 1928 (halboffiziell verwendet) erklärt eine Aufbewahrung mit Zustimmung des Bischofs für zulässig, ordnet aber an, dass sie nur für die Krankenkommunion, ohne besondere Zeremonien, in beiderlei Gestalt und nicht direkt am Altar zu geschehen habe. Es gibt auch den Kompromiss, die MAterien direkt nach der Messe in der Kirche zum Kranken zu bringen. (http://justus.anglican.org/resources/bc ... lternative)
Dies ist aber nur eine Alternative, kein Ersatz für die alte, strengere Ordnung. Ebenso kennt das gegenwärtig halboffiziell verwendete Buch "Common Worship" ( 2) sowohl die Messfeier beim Kranken, als auch die isolierte Krankenkommunion, diesmal ohne die strengen Einschränkungen, lediglich mit dem Hinweis, dass die Kommunion unter beiderlei Gestalt ausgeteilt werden solle. (http://www.churchofengland.org/prayer-w ... x#ministry)
Soweit die gegenwärtig relevanten liturgischen Bücher. Wie die Praxis aussieht, weiß ich nicht; die englische Wikipedia gibt unter "Reserved Sacrament" einige dürftige Hinweise. Ich denke aber, dass alle Möglichkeiten irgendwo praktiziert werden. St. Bartholomew the Great in London hat z. B. ein Tabernakel direkt am Altar und auch ansonsten einen sehr unprotestantischen Umgang mit dem Sakrament (eucharistischer Segen, Entfernung des Sakraments aus dem Tabernakel an Karfreitag). Falls Stephen irgendwo noch wäre, könnte er sicher mehr sagen.
Zuletzt geändert von Fragesteller am Montag 18. März 2013, 10:16, insgesamt 1-mal geändert.

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Florianklaus
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Florianklaus »

Bilder von der Fronleichnamsprozession einer anglikanischen Pfarrei in London: http://www.allsaintsmargaretstreet.org. ... sti%227 (auf dem ersten Bild kann man hinter dem Vortragekreuz den silbernen Tabernakel erkennen, dieser wird im Bedarfsfalle mittels eines Seilzuges auf "Bedienhöhe" abgesenkt)
Zuletzt geändert von Florianklaus am Montag 18. März 2013, 12:19, insgesamt 1-mal geändert.

Fragesteller
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Fragesteller »

Nochmal ein Quellenbeleg zum Verzehr (BCP von 1662):
And if any of the Bread and Wine remain unconsecrated, the Curate shall have it to his own use: but if any remain of that which was consecrated, it shall not be carried out of the Church, but the Priest, and such other of the Communicants as he shall then call unto him, shall, immediately after the Blessing, reverently eat and drink the same.
(http://www.eskimo.com/~lhowell/bcp1662/ ... index.html)
Die Unterscheidung zwischen konsekriert und nichtkonsekriert und die geforderte Ehrfurcht beim Verzehr spricht nicht dafür, dass man hier ein Ende der Gegenwart annimmt.

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Petur
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Petur »

Fragesteller hat geschrieben:@Petur: Gibts da Belege für den Zusammenhang mit der dauerhaften Präsenz? Wenn man nämlich von einer mit dem Ende des Gottesdienstes endenden Realpräsenz ausgeht, ist auch die Konsumption am Ende überflüssig, und genau die ist die traditionelle Alternative zum Tabernakel. Die Frage scheint daher eher darin zu bestehen, ob man eucharistische Anbetung akzeptiert/favorisiert.
Die eucharistische Anbetung wird in anglokath. Kreisen sicher praktiziert (ob das auch im Fall der liberalen Anglokatholiken so ist, weiß ich nicht). Bei den Evangelikalen wird sie sicher nicht favorisiert. In sehr extremen Fällen werden die nicht verzehrten konsekrierten Elemente sogar sehr fragwürdig behandelt, es geht dabei jedoch um sehr evangelikale, "erzprotestantische" Gemeinden.

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Florianklaus
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Florianklaus »

Petur hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:@Petur: Gibts da Belege für den Zusammenhang mit der dauerhaften Präsenz? Wenn man nämlich von einer mit dem Ende des Gottesdienstes endenden Realpräsenz ausgeht, ist auch die Konsumption am Ende überflüssig, und genau die ist die traditionelle Alternative zum Tabernakel. Die Frage scheint daher eher darin zu bestehen, ob man eucharistische Anbetung akzeptiert/favorisiert.
Die eucharistische Anbetung wird in anglokath. Kreisen sicher praktiziert (ob das auch im Fall der liberalen Anglokatholiken so ist, weiß ich nicht). Bei den Evangelikalen wird sie sicher nicht favorisiert. In sehr extremen Fällen werden die nicht verzehrten konsekrierten Elemente sogar sehr fragwürdig behandelt, es geht dabei jedoch um sehr evangelikale, "erzprotestantische" Gemeinden.
Die von mir verlinkte Pfarrei gehört zu "Affirmative Catholicism" und damit zum liberalen Flügel der Anglokatholiken (auch wenn man ihnen das wirklich nicht ansieht).
Zuletzt geändert von Florianklaus am Montag 18. März 2013, 12:31, insgesamt 1-mal geändert.

Fragesteller
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Fragesteller »

Petur hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:@Petur: Gibts da Belege für den Zusammenhang mit der dauerhaften Präsenz? Wenn man nämlich von einer mit dem Ende des Gottesdienstes endenden Realpräsenz ausgeht, ist auch die Konsumption am Ende überflüssig, und genau die ist die traditionelle Alternative zum Tabernakel. Die Frage scheint daher eher darin zu bestehen, ob man eucharistische Anbetung akzeptiert/favorisiert.
Die eucharistische Anbetung wird in anglokath. Kreisen sicher praktiziert (ob das auch im Fall der liberalen Anglokatholiken so ist, weiß ich nicht). Bei den Evangelikalen wird sie sicher nicht favorisiert. In sehr extremen Fällen werden die nicht verzehrten konsekrierten Elemente sogar sehr fragwürdig behandelt, es geht dabei jedoch um sehr evangelikale, "erzprotestantische" Gemeinden.
Ja, ist klar, dass die eucharistische Anbetung bei Evangelikalen nicht praktiziert wird. Meine Annahme war, dass eben deshalb auch das Tabernakel nicht akzeptiert wird/wurde, und nicht deshalb, weil man nicht an Realpräsenz glaubt. Dass sich, wie du schreibst, der "fragwürdige" Umgang auf "erzprotestantische" Kreise beschränkt, und dass das traditionelle Verbot der Aufbewahrung mit der Verpflichtung zum ehrfürchtigen Verzehr und zur Unterscheidung zwischen konsekriertem und nciht konsekriertem Brot und Wein einhergeht, scheint auch dafür zu sprechen.
Zuletzt geändert von Fragesteller am Montag 18. März 2013, 14:38, insgesamt 1-mal geändert.

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Petur
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Petur »

Florianklaus hat geschrieben:
Petur hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:@Petur: Gibts da Belege für den Zusammenhang mit der dauerhaften Präsenz? Wenn man nämlich von einer mit dem Ende des Gottesdienstes endenden Realpräsenz ausgeht, ist auch die Konsumption am Ende überflüssig, und genau die ist die traditionelle Alternative zum Tabernakel. Die Frage scheint daher eher darin zu bestehen, ob man eucharistische Anbetung akzeptiert/favorisiert.
Die eucharistische Anbetung wird in anglokath. Kreisen sicher praktiziert (ob das auch im Fall der liberalen Anglokatholiken so ist, weiß ich nicht). Bei den Evangelikalen wird sie sicher nicht favorisiert. In sehr extremen Fällen werden die nicht verzehrten konsekrierten Elemente sogar sehr fragwürdig behandelt, es geht dabei jedoch um sehr evangelikale, "erzprotestantische" Gemeinden.
Die von mir verlinkte Pfarrei gehört zu "Affirmative Catholicsm" und damit zum liberalen Flügel der Anglokatholiken (auch wenn man ihnen das wirklich nicht ansieht).
Danke für die Information.

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Petur
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Petur »

Ich habe einen anglikanischen Freund von mir über das Thema gefragt. Seine Antwort:
Nach meiner Erfahrung finden sich in ca. 40 % aller Kirchen in England Tabernakel. Oft in Seitenkapellen, daher nicht immer sofort sichtbar. Man wollte auch sicherstellen, dass es in jeder Region genug Tabernakel gibt, sodass im Notfall immer genügend geweihte Hostien erreichbar sind, denn eine Konsekration außerhalb einer Messfeier findet nicht statt. Nicht in jedem Fall ist es ja möglich, eine Krankenkommunion mit einer Meßfeier im Krankenzimmer zu verbinden.

Die Aufbewahrung geweihter Hostien ist eine ganz übliche Praxis in der anglikanischen Kirche, unabhängig vom Anglokatholizismus. Sie ist auch üblich in Gemeinden, die sich gar nicht als besonders high definieren. Die Sakramentsaufbewahrung ist also weiter verbreitet als die eucharistische Anbetung. Aber natürlich praktizieren auch die liberaleren Anglokatholiken eucharistische Anbetung.
Zuletzt geändert von Petur am Montag 18. März 2013, 19:02, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Fragesteller »

Das ist interessant, dankeschön. Kannst Du auch fragen, wie es mit der Aufbewahrung unter beiderlei Gestalt aussieht? Das BCP von 1928 legt da ja sehr viel Wert drauf, aber nach Stephens Antwort scheint das ja gar keine Rolle zu spielen. Überhaupt scheinen die inneranglikanischen Fronten wesentlich weicher geworden zu sein seit damals, habe ich den Eindruck ...

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Petur
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Petur »

Mein anglikanischer Freund schreibt:
Das BCP von 1928 wurde ja nicht angenommen, es ist heute eigentlich gar nicht in Gebrauch, lediglich einzelne Liturgien werden daraus gelegentlich gefeiert, die Rubriken jedoch spielen m. W. gar keine Rolle mehr.

Konsekrierter Wein wird m. W. nie irgendwo aufbewahrt. Wenn die Kommunion vom aufbewahrten Sakrament gespendet wird (Krankenkommunion, Karfreitagsliturgie oder wenn kein Priester da ist), wird nur die Hostie kommuniziert.

Das mit den Fronten ist richtig. Viele katholische Gebräuche und Zeremonien, die das BCP 1928 noch sehr vorsichtig wieder einführen wollte (ein Grund, warum es damals abgelehnt wurde), sind heute in der C of E allgemeiner Brauch und werden auch von normalen Gemeinden praktiziert, die gar nicht besonders anglokatholisch sind.
Zuletzt geändert von Petur am Montag 18. März 2013, 19:03, insgesamt 1-mal geändert.

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Petur
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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Petur »

Er sagt übrigens, Common Worship sei nicht halboffiziell, sondern offiziell.

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Re: Tabernakel / Aufbewahrung des Allerheiligsten

Beitrag von Fragesteller »

Danke, schön, dass der Kanal noch besteht!

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