Vita activa bezeichnet ein Leben in tätiger Nächstenliebe, was auch erfordert, dass man die eigenen Bedürfnisse zurückstellt und sich dem Anderen zuwendet.
Vita contemplativa bezeichnet ein zurückgezogenes Leben, verlangt die Abkehr von den weltlichen Dingen und die radikale Hinwendung zu Gott.
Welches der beiden Begriffe ist nun der wertvollere? Gibt es eine "goldene Mitte" für Christen? Oder gilt es zwischen den beiden Polen hin und her zu schwingen?
Was meint ihr?
Lutherbeck
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".
Beide sind wichtig und richtig. Es gibt bei den Orden meines Wissens eigene Zweige oder Laiengemeinschaften, die sich dem Gebet für die aktiven Glaubensbrüder einsetzen. Ich war von dieser Art von Berufung schon immer fasziniert, da sie mit den üblichen weltlichen Maßstäben des Tuns und seines materiellen Werts nicht zu fassen sind.
Ich halte ebenfalls beide vitae für wichtig. Sie haben meiner Meinung nach beide ihre Berechtigung. Ich selbst bin eher ein Anhänger der Vita activa, weshalb ich die Kontemplativen besonders bewundere.
"Irgendwie wichtig sind beide Lebensentwürfe!" wird hier gesagt.
Wenn man sich beispielsweise die Geschichte des Mönchswesens, aber auch der Diakonissenbewegung oder die Mission ansieht, muss man denke ich radikaler formulieren: Das eine kann ohne das andere auf Dauer nicht existieren bzw. es wird pervertiert.
Beispielsweise eine radikale vita contemplativa: Wie wichtig und hilfreich das Gebet ist, das springt uns in der Heiligen Schrift an allen Ecken und Enden entgegen. Grundlegend ist das Gebet für das Leben der Mönche und davon abgeleitet der Priester. Auch Luthers berühmter Ausspruch: "Ich habe heute viel zu tun, also muss ich viel beten!" zeigt uns die Bedeutung des Gebetes. Und dennoch wird ora ohne labora sehr schnell zur Frömmelei. Davor warnt uns ja auch der Herr Christus, wenn er zur tätigen Nächstenliebe ermahnt und sagt: an ihren Früchten werdet ihr meine Jünger erkennen.
Andersherum ist aber eine radikale vita activa ohne das Fundament des Gebetes gleichfalls schwierig. Ich sagte es schon: tätige Nächstenliebe ist geradezu ein Kennzeichen der Kirche (Friedrich Wilhelm Hopf: Mission und Diakonie sind Lebensäußerungen der Kirche!). Wo aber das aktive Leben hinführt, wenn das Gebet vernachlässigt wird, das können wir im diakonischen Lebensbereich der Kirchen heute beinahe perfekt ablesen. Ich habe eine kurze Zeit als Seelsorger in einem Altenheim der Diakonie gearbeitet. Am Sonntag wurden die Alten dort noch in der Kapelle zusammengebracht, um am Gottesdienst teilnehmen zu können. Im Essenssaal habe ich außerdem noch jeden Mittag eine kurze Andacht gehalten. Obwohl dies dort (noch?) gelang, war eindeutig spürbar: Du bist mit deiner Beterei ein Fremdkörper im ansonsten durchorganisierten Alltag. Von den Angestellten waren höchstens ein Viertel aktive Christen. Immerhin könnte man sagen, aber diese Tendenz zur "Professionalisierung" und damit zur Säkularisierung ist m.E. besonders in der institutionalisierten Diakonie spürbar. labora ohne ora führt zur reinen Versorgung, hat aber genuin nichts mit christlicher Nächstenliebe zu tun. Das kann dann die Arbeiterwohlfahrt oder andere Wohltätigkeitsorganisationen genau so gut oder schlecht machen. Ganz im Gegenteil ist ja dann zu fragen, warum die Diakonie immer noch "Sonderbehandlung" im Arbeitsrecht für sich beansprucht. (wie gesagt, wenn es immer weiter so käme, gilt dies; und sicherlich sind da bei weitem nicht alle Einrichtungen gleich; was ich beschreibe ist eine von mir beobachtete Tendenz)
Ich denke, dass die Definitionen für beide Begriffe im Eingangsbeitrag jeweils zu einseitig gefasst sind. Ja, für die vita contemplativa braucht es ein gewisses Maß an Zurückgezogenheit und Ruhe, dies aber als "Abkehr von den weltlichen Dingen" zu beschreiben, ist m.E. zu scharf. Für was soll ich denn beten, wenn mich die Welt nichts mehr angeht?
Das Klosterwesen ist da doch ein ganz schönes Beispiel: Die Klostermauer garantiert die ausreichende Kontemplation, bietet aber dem Bedürftigen auch Schutz. Das Gebet und die Gastfreundschaft sind in der Regel des hl. Benedikt beispielsweise Grundlagen des mönchischen Lebens.
Wenn vita activa als tätige Nächstenliebe beschrieben wird, kann sie die Kontemplation nicht ausschließen ohne zu pervertieren.
Von da her: Hier wird ein Gegensatz konstruiert, der in die falsche Richtung weist. Nicht vita activa VS vita contemplativa, sondern vita contemplativa ET activa. Eben: ora et labora!
Ehemals "KatholischAB" ist nun "NurNochKatholisch" und glücklich in die vollen Gemeinschaft der Kirche aufgenommen zu werden
KatholischAB hat geschrieben:"Eben: ora et labora!
Hab mal von einem Benediktiner , auf die Frage angesprochen, was das wichtigste bei ora et labora sei, gehört: "Das et"
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein
Evtl. könnte auch das moderne Sabbatical dazu beitragen; allerdings darf man es nicht als bloße Auszeit zur anschließenden Steigerung der Leistung anschauen - das wäre dem Begriff nicht angemessen!
Arbeit ist nicht gleich vita activa. Es gibt sehr kontemplative Arbeiten, im weiteren Sinn alles, was innerhalb der geschlossenen Klausur verrichtet wird: entscheidend ist das Wie. Auch diese in kontemplativer Geisteshaltung verrichtete Arbeit dient der "Erdung", verhindert Frömmelei, um KatholischAB aufzugreifen. Theresa von Avila: "Werke, meine Töchter, Werke!"
Daß Arbeit und Gebet zusammengehören und daß das Gebet in seiner Grundausrichtung immer auch apostolisch ist, daß weiters die Arbeit ohne Gebet zum Aktivismus verkommt, sollte von vorneherein klar sein; erst vor diesem (quasi selbstverständlichen) Hintergrund ist Lutherbecks Frage zu stellen.
So gibt es tatsächlich verschiedene Berufungen: apostolische und kontemplative und solche, die beides in jeweils verschiedener Weise vereinen.
Teresa von Avila soll "Herr der Töpfe und Pfannen" geschrieben haben? Ich habe mal gehört, es könne von Therése von Lisieux stammen- das scheint mir realistischer. Und wieso Laiin- beide Teresen gehören zum Karmel?
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach
Laiin war wahrscheinlich im Sinne "Laie=Nichtkleriker" gemeint. Ich bin allerdings auch der Ansicht, daß man Religiosen nicht einfach als Laien bezeichnen kann.