Evagrios Pontikos hat geschrieben:Mein letztes Posting zu den Wolferinus-Briefen ist nicht ganz korrekt: Es geht dort auch um die Dauer der Realpräsenz, aber in einem sehr konkreten Sinne. Zunächst die Passage bei Luther im zweiten Brief an Wolferinus (zitiert nach der Walchschen Ausgabe, XX, 1608f):
"Wir werden demnach die Zeit oder die sacramentliche Handlung in solcher Weise erklären, daß sie ihren Anfang nehme mit dem Beginn des heiligen Vaterunsers, und daß sie daure, bis alle communicirt, den Kelch ausgetrunken, die Hostien gegessen haben, das Volk entlassen worden ist, und man vom Altar weggegangen ist."
Luther setzt hier also voraus, dass der Kelch leergetrunken und die Hostien alle aufgegessen sind. Das ist entscheidend! Im Normalfall (und von diesem redet Luther in den Wolferinusbriefen) endet also die sakramentale Handlung mit dem Schlusssegen, wenn "man vom Altar weggegangen ist". Wenn aber konsekrierte Elemente (Wein und Hostien) zum Zwecke der Krankenkommunion zurückbehalten worden sind, was Luther selbst praktizierte und für gutgeheißen hat und was auch Usus war in den lutherischen Kirchen (und selbstverständlich in den katholischen und orthodoxen Kirchen seit Nicäa I!), dann dauert die sakramentale Handlung eben bis dahin, wenn die konsekrierten Gaben aufgegessen sind, z.B. bei einer Krankenkommunion am Samstagmorgen, also beinahe eine Woche nach dem eigentlichen "Gottesdienst". So die Meinung Luthers und der ihm folgenden Theologen, die die Konkordienformel abfassten. Denn konsekriert bedeutet konsekriert.
Nun kommen wir der Frage näher. Der Konflikt in Eisleben war ja entstanden, weil der dortige Pastor der Meinung war, außerhalb der
actio sacramentalis könne er mit den Gaben tun und lassen, was er wolle, sie seien dann nicht mehr Leib und Blut des Herrn. Zudem schränkte er die
actio sacramentalis auf nur einen Teil der Liturgie ein.
Dem widerspricht Luther, indem er klarmacht, daß die Dauer der
actio sacramentalis länger währt - bis zum Verzehr der Gaben. Mir scheint es so, als wolle er mit seiner Formulierung hier sicherstellen, daß man die Gaben am Ende der Messe verzehre, denn damit gehe man auch der lästigen Frage nach der andauernden Realpräsenz aus dem Wege...
Nun aber bleiben zwei Fragen offen:
Wenn Luthers Haltung in dieser Frage so klar ist, wie Du, Clemens und Lioba das annehmt, warum kommt dann hier von Luther keine deutlichere Antwort? Warum diese zeitliche Dimension und nicht eine viel einfacherer, qualitative? Euren Darlegungen zufolge dürfte Luther überhaupt kein Problem darin gesehen haben, hier deutlich zu machen: Die Gaben sind Leib und Blut des Herrn vom Moment der Konsekration an und sie bleiben dies auch bis zum Verzehr, ganz gleich wann dieser erfolgt. Es bleibt aber die Feststellung, daß Luther dies hier nicht sagt.
Warum diese Berufung auf Melanchthon und die Zustimmung zu Melanchthon? Warum der Verweis auf die "Aufbewahrung", die lt. Melanchthon außerhalb der
actio sacramentalis liegt? Du wirst mir darin zustimmen, daß man diesen Teil des Briefes so lesen kann, als lehne Luther eine Aufbewahrung des Sakramentes ab?
Hat Luther die Auffassung Melanchthons falsch verstanden und legt ihm hier Worte in den Mund - oder nutzt Luther Melanchthons Position, um dem Pastor Wolferinus eine argumentative Brücke zu bauen? Selbst wenn dieser Melanchthons Auffassung folge, müsse er eine Realpräsenz bis zum Verzehr der Gaben am Ende der Messe annehmen?
Ich bin ab morgen in Berlin und werde versuchen, mir dort das Buch von Hardt anzusehen.