Leguan hat geschrieben:
Aber wer entscheidet, was der Schrift widerspricht? Jeder für sich?
Nicht jeder für sich, nein.
Wie wurden Lehrfragen in der frühen Kirche behandelt? Durch Disputation und theologischen "Streit". Streit vorwiegend unter Theologen, Bischöfen oder Priestern. Wobei - wie schon im NT bezeugt aber auch in frühchristlichen Schriften - zur Argumentationsunterstützung immer wieder auf die heilige Schrift selber verwiesen wurde. Zu Behaupten, dass das Prinzip von der Schrift als Richtschnur erst im 16. Jahrhundert entstanden ist, ist einfach Unsinn. Die Reformation selber war zuerst einmal ein Protest universitärer Theologen gegen Praktiken innerhalb der Kirche. Die ihr Recht zum Protest in ihrem Amt als Doktor der Kirche gegeben sahen. Dr. Luthers 95 Thesen waren ja zuerst einmal nur eine Aufforderung zur theologischen Sachdisputation. Was ihm in seiner politischen Naivität wohl überhaupt nicht bewusst war, war in was für ein Wespennest aus Geld- und Geschäftsinteressen er mit seinem Angriff gegen das Ablassunwesen stach.
Behandelt und dann geklärt wurden Lehrfragen in der frühen Kirche also durch "Streit" und Konzilsentscheide. Nicht durch einen Papst. Und klassische Protestanten (Lutheraner, Anglikaner, Reformierte) haben ja auch keine Probleme die Entschlüsse der oekumenischen Konzile des 1. Jahrtausends der Kirchengeschichte zu akzeptieren. Wobei auch diese Konzilsentschlüsse kritisiert werden können.
Leguan hat geschrieben:
Und wieso hat der, der das heute entscheidet, eine größere Entscheidungskompetenz, als die Konzilsväter?
Hat er nicht. Aber die Aussagen der Konzilsväters sind eben auch nicht einfach deswegen autoritativ weil sie von Konzilsvätern getan wurden. Schon gar nicht die Ausagen der späteren, rein westlichen Konzile. Und vor allem sind viele Lehraussagen der westlichen Kirches des 2. Jahrtausends einfach in einem spekulativen Vakuum getroffen worden ohne irgendeine, erkennbare Rückbeziehung auf die Schrift.
Das Konzept er Schrift als Leitschnur ist wichtig, um die Lehre der Kirche vor spekulativem Wildwuchs zu bewahren aber letztendlich muss man wohl feststellen, dass es nicht wenige Fragen der christlichen Lehre gibt, die nicht "mit Sicherheit" geklärt werden können. Die Idee des unfehlbaren Lehramtes scheint hier einen Ausweg zu bieten, aber es ist kein wirklicher.
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