Anamnese - Epiklese - Doxologie

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conscientia
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Anamnese - Epiklese - Doxologie

Beitrag von conscientia »

Hallo, zusammen, es ist mir gelungen ein paar Belege und Zitate zum o. g. Thema herauszusuchen.
conscientia hat geschrieben: Verfasst 9/6/08, 20:18 (Thread über die Gewänder p. 31)

Did. 9, 4 ist die Epiklese im Eucharistiegebet der Didache, das damals wohl noch nicht zu einem zusammengefügt war, sondern nach der Tradition jüdischer Mahlfeier getrennt über Brot und Becher gesprochen wurde [cf. Hans Bernhard Meyer: Eucharistie. Regensburg 1984 (= Gottesdienst der Kirche Teil IV), p. 92sq.].

Die Anamnese der Stiftung des Herrenmahls sagt: Der Herr nahm das Brot - den Kelch -, sagte Dank (dankte wiederum).. für Letzteres steht: eucharistésas: nachdem er Dank gesagt hatte; wenn ich mich recht entsinne, ist die eucharistía = eulogía die hellenistisch-jüdische Adaption der zwischentestamentlichen und nachjesuanischen beraka (zu hebr. brk: segnen, lobpreisen, benedicere) = eucharistischen benedictio [cf. Meyer, pp. 92-95; Berger, Neues Pastoralliturgisches Handlexikon, Freiburg 1999, p. 22sq.].

Also, Christus der Herr spricht vor dem Austeilen von Brot und Kelch je eine benedictio anamnetisch-epikletischen Inhalts, und aus dieser ist die anamnetische benedictio (oder beraka oder eulogía) der christlichen Herrenmahlsfeier entstanden.
Deren in der jeweiligen Kultur adaptierte Form ist dann die Anafora antiochenischen, alexandrinischen, römischen Typs, von Letzterem abgeleitet auch die Anaforen der verschiedenen reformatorischen Kirchen [...].
Zu Letzterem:
Berger, Handlexikon, p.121, hat geschrieben: Epiklese [...], allgemein das Anrufen Gottes über einer Sache oder Person, die dadurch geheiligt wird (1 Tim 4, 3-5), das feierliche Beten über etwas, das dadurch in die Bewegung des Gebetes mit hineingenommen wird, vollzogen vor allem durch das feierliche Ausrufen der Namen Gottes. [...] ganz besonders aber ist das ganze Hochgebet der Messfeier eine solche Epiklese über Brot und Wein, ein preisendes Anrufen Gottes und wirkendes Verkünden der Urhandlung, das Brot und Wein heiligt und konsekriert. Diese Funktion des Hochgebetes wird seit dem 4. Jh. zunehmend in einem eigenen Bittsatz formuliert, der dann Epiklese im technischen Sinn genannt wird, eine Bitte um (den Logos oder) den Heiligen Geist, anfänglich als Bitte für die Kommunikanten (Kommunionepiklese, wie sie einem Mahlgebet primär entspricht); im römischen Kanon enthalten in der Bitte: wenn wir den heiligen Leib und das Blut deines Sohnes empfangen, erfülle uns mit alle Gnade; dann aber immer mehr umgeformt zur Bitte um die Verwandlung der Gaben.
In Alexandrien wird die Epiklese mit der Bitte "Plíroson" ("Erfülle auch dieses Opfer durch die Heimsuchung des allheiligen Geistes") an das "Erfüllt sind Himmel und Erde" des Sanctus angeschlossen und ihre Wirkmächtigkeit durch den als Kausalsatz angefügten Einsetzungsbericht begründet;
in Antiochien wird umgekehrt die Epiklesebitte an Einsetzungsbericht und Anamnese angefügt als formulierte Konsequenz aus dem Christusauftrag.
Die mittelalterliche kanonistische und theologische Reflexion über den genauen Wandlungsmoment hat diesen im Westen auf das Aussprechen des Einsetzungsberichtes ("Wandlungsworte") fixiert, im Osten dagegen auf das Aussprechen der Wandlungsbitte (Epiklese).
[Die kursive Hervorhebung: Berger; die Hervorhebung in Fett sowie die Absatzeinteilung von mir, c.]
Der Unterschied zwischen Wandlungs- und Kommunionepiklese wird erläutert bei Meyer, Eucharistie, GdK IV, pp. 346-348.
Ich bitte mir nachzusehen, dass ich die evangelischen Handbücher mangels Besitz nicht nachgesehen habe.

Also, Ihr lieben Lutheraner und Kalviner: Jedes liturgische Gebet, auch ein simples Kollektengebet, enthält einen epikletischen Bestandteil (auch das Paternoster: [...] Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld [...] und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel).

Eigentlich sollten alle eucharistischen berakot anamnetisch-epikletisch aufgebaut sein und neben der Anamnese der Einsetzung des Herrenmahles auch eine ausführliche Anamnese der Heilstat Gottes in Christus sowie mindestens eine ausführliche Epiklese über Mahlgaben und Kommunikanten enthalten.
Sollte das nicht vor dem Hintergrund der Lehrer der Väter konfessionsübergreifend Konsens sein und einen wesentlichen Teil der Apostolizität wie Katholizität einer jeden Kirche sein, die das Nizänum betet?