Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Ostkirchliche Themen.
TillSchilling

Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von TillSchilling »

The effects of sins of our hearts

My daughter just had a child. Holding him, I thought, “It is so difficult to believe that an infant’s heart is sinful.” Many teach this, but not Orthodoxy. We do not believe that we are totally depraved, as many protestants do. Nor do we believe we are born with the guilt of sin, as the Romans teach. Instead, we are born in innocence and our heart is pure. To be sure, we all sin. Yet some, as did our Lady the Theotokos, continue in purity of heart the rest of their lives, as blameless. Since our teaching is different than the Roman view, we did not need to invent a doctrine of Immaculate Conception. Mary, the Theotokos, was as human as we are, yet morally pure throughout her life. We are all born in the same condition and we have the choice to keep our hearts pure and directed towards God, or to sin and rebel against the purity of a loving heart. Our lives become a continual struggle to conform our hearts to purity and holiness. Recognize this, and we are on our way to becoming Orthodox. Saint John Chrysostom puts it this way: “When Christ says to follow the narrow path, he addresses every man. The monk as well as the lay person can attain the same spiritual heights.”

Some, however, in spite of the effects of sin on humanity, are born in this blameless state and may continue for their lifetime. To be clear, Jesus Christ is the only Sinless One. Yet, these that I am thinking of, the mentally or physically incapable, will never be responsible for what they think in their hearts or turn into actions. God’s mercy is given to them in a very special way. For the rest of us, we must consider these things to the best of our abilities. We are all held accountable to the light we are given. For most of us, certainly those reading this essay, are able to mature and develop and make progress this center of our being, the heart. Just as Adam and Eve, we are given the choice about what we put into our hearts and can determine what our hearts are like. Simply put, this is the first step to becoming an Orthodox Christian. Often with baby steps, our initial decision continues increasingly throughout our lives. This is the process of becoming Orthodox: Becoming God-like by restoring the likeness of God in our hearts and our daily lives.
Source: http://www.antiochian.org/node/17685



Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position? Es scheint mir Pelagianismus zu sein.

Miserere Nobis Domine
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

TillSchilling hat geschrieben: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position? Es scheint mir Pelagianismus zu sein.
Pelagianismus wäre ja die Behauptung, man könne aus eigener Kraft sündenfrei handeln. In diesem Text wird aber genau das nicht behauptet, denn im weiteren Verlauf heisst es:
God has given his people the many ways to become ,ore like Him and to restore the likeness of God’s ways in our hearts. Yes, this process is difficult. We all need help with it. But we are given the power of God, His grace and mercy, as well as His community, the Church to help us to mold our hearts anew in this process.

TillSchilling

Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von TillSchilling »

Nun, der Häresien des Pelagius waren derer viele. Aber eine der wichtigsten war die Ablehnung eines negativen Einflusses Adams Sünde auf die Natur des Menschen.

In obigem Zitat heisst es:
Instead, we are born in innocence and our heart is pure.
Ob die Position des Artikels pelagianisch ist oder nicht, ist aber eigentlich nicht meine primäre Frage - die kommt erst später - sondern ob die Aussagen des Artikels typisch orthodox sind.

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Joseph
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[Punkt]

Beitrag von Joseph »

TillSchilling hat geschrieben:[
Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?
Yes....! No buts, ifs or whats....
......Orthodox Christianity teaches us that we must be concerned about our own hearts. Help me to see my own sins and not to judge my brother. The disciplines of prayer and our services become important to continually maintain our hearts toward God. The mysteries of the church give to us to help us in this journey. Even in the mundane times of everyday life, our hearts can be directed to, and made, more like God intended them to be. For “Blessed are the pure in heart, for they shall see God” (Matthew 5:8)

Nice try....! What's next?
Gruß
Joseph
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TillSchilling

Re: [Punkt]

Beitrag von TillSchilling »

Joseph hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:[
Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?
Yes....! No buts, ifs or whats....
Gruß
Joseph
Cheers Joseph,

Ist mein Eindruck dann richtig, dass die orthodoxe Lehre von der Erbsünde sich deutlich von der römisch-katholischen Position bzw. allgemeiner der westlichen Kirchen unterscheidet?

Was ist mit der Debatte zwischen Pelagius und Augustinus? Spielt diese für euch eine Rolle? Ich weiss sie fand auf Latein statt, aber die Gedanken, um die es ging, wurden doch auch im Osten verbreitet.

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Joseph
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Re: [Punkt]

Beitrag von Joseph »

TillSchilling hat geschrieben:Ist mein Eindruck dann richtig, dass die orthodoxe Lehre von der Erbsünde sich deutlich von der römisch-katholischen Position bzw. allgemeiner der westlichen Kirchen unterscheidet?
Absolut, vollkommen und richtig verstanden... :) Dein Eindruck täuscht Dich nicht...ha, ha. Leider habe ich im Moment keine Zeit dies tiefer zu beantworten, aber mit diesem Thema gräbst Du so dicht am "Schatz" (der Trennung) das er Dich fast beißt. Wir haben hier den Grund der Ablehnung durch die Ok der westlichen (augustinischen) Lehre des Erbsünde, des Fegefeuers, des Ablasses, der Unbefleckten Empfängnis und anderem. In kurz dieses Thema ist ein gefundenes Fressen für einen endlosen Streit hier im Forum... na ja ich hoffe jemand hat die Zeit sich da hinein zu knien.

Hier ist eine gute Diskussion über das Thema in English: http://www.monachos.net/forum/showthread.php?t=3492
.....this is fully consistent with Orthodox teaching about mankind in general. We are all conceived without the "stain" of original sin (that is the guilt of Adam's sin) but not without the consequences of the fall (our fallen nature). We each receive Divine Grace according to our calling to aid us in our spiritual lives.
Fr David Moser

Gruß
Joseph
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Lutheraner
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Lutheraner »

Nach dem, was "Monergist" hier über das Orthodoxe Verständnis von "Himmel und Hölle" und dem Opfer Christi geschrieben hatte, ahnte ich schon, dass es bei Taufe und Erbsünde auch erhebliche Unterschiede geben müsste. Der Text, den Till hier gepostet hat, passt ja auch bestens zu diesem Verständnis von "Himmel und Hölle".

Ich würde mich freuen, wenn ein Orthodoxer dies weiter ausführen könnte und damit einige Wissenslücken (nicht nur bei mir) schließen könnte. Der Eindruck scheint hier im Forum weitgehend zu sein, dass die Orthodoxen römische Katholiken ohne Papst sind. Das kommt davon, wenn man Kirche auf Strukturen und Eucharistie reduziert.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Joseph
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Joseph »

Lutheraner hat geschrieben: Der Eindruck scheint hier im Forum weitgehend zu sein, dass die Orthodoxen römische Katholiken ohne Papst sind. Das kommt davon, wenn man Kirche auf Strukturen und Eucharistie reduziert.
Weise Worte...! Du hast es genau erkannt....!
Danke Lutheraner!
Warum gibt es nicht mehr von Deiner Sorte hier?
Gruß
Joseph
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Lutheraner
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Lutheraner »

Es gibt dazu ja eine ganz einfach römische Gleichung:

Katholische Kirche = Apost. Sukzession + Papst

daraus ergibt sich:

Orthodoxie = Katholische Kirche - Papst

die Lösung wäre also:

Orthodoxie + Papst = Katholische Kirche

Die katholischen Schäfchen können nichts dafür, dass sie diese Auffassung vertreten. Das wird ihnen ja von oben mehr oder weniger vorgegaukelt (siehe "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" und "Dominus Jesus"). Es geht in Diskussionen über Unterscheide zwischen den einzelnen Kirchentümern hauptsächlich nur um das Sukzessionsverständnis und das Eucharistieverständnis. Wie man das Heil erlangen kann, scheint kaum eine Rolle zu spielen.
Das hat schon der lutherische Kirchenvater Wilhelm Löhe vor 150 Jahren kritisert, als er der RKK im Hinblick auf den Anschluß (Teile) ehemals Orthodoxer Kirchen als Katholisch-Unierte Kirchen vorwarf, Unterschiede unter dem Primat des Papsttums beliebig glattbügeln zu wollen.
Altkatholiken und Anglikaner sehen das ähnlich, nur dass für sie dabei das historische Bischofsamt an die Stelle des Papstes tritt
(Der heutige Mainstream-Protestantismus befindet sich allerdings auf einem ähnlichen Irrweg, auch ohne Kirche über Strukturen zu definieren).
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Robert Ketelhohn
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Es ist schon erstaunlich, wie manche Protestanten eifrigst versuchen,
Keile zwischen „Orthodoxie“ und „Katholizismus“ zu treiben. Und sei es,
daß man „Orthodoxen“ was unterjubelt, was man auch selber für häre-
tisch hält. Hauptsache: spalten.

Euch treibt ganz anderes als die Suche nach Wahrheit, Freunde.

Übrigens gibt es, das will ich gar nicht verschweigen, auch „orthodoxer“-
seits immer wieder vordergründige Abgrenzungsversuche. Man kann
eine (echte oder vermeintliche) Differenz zur „katholischen“ Lehre fest-
stellen – und lehnt sich befriedigt zurück. In Wahrheit müßte man besorgt
sein. (Manchem „Katholiken“ muß man das natürlich ganz genauso unter
die Nase reiben.)

Nun gut. Was obige Frage betrifft: Der zitierte Text greift meiner Erachtens
auch aus „orthodoxer“ Sicht um Längen zu kurz und birgt tatsächlich die
Gefahr, ein pelagianisches Verständnis zu provozieren.

Entscheidend ist die Frage nach der Einschätzung der Ursünde unsrer aller-
ersten Vorältern und nach deren Folgen für uns. Darauf versäumt der Autor
einzugehen.

Daß es in Ost und West unterschiedliche Begrifflichkeiten zur Interpretation
der Ursünde und ihrer Folgen gibt, liegt auf der Hand. Ich kann aber nicht er-
kennen, daß die abweichenden Begriffe einen Unterschied im Glauben bedeu-
teten. Man muß schon mit Willen und Vorbedacht in die Begriffe des Gegen-
über Heterodoxie hineinlesen. Solche Absicht entspricht jedoch nicht unserm
Glauben, sondern ist vielmehr als eine Folge der Ursünde zu verstehen – mit-
hin als vortreffliches Objekt vertieften Selbststudiums.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

TillSchilling

Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von TillSchilling »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Es ist schon erstaunlich, wie manche Protestanten eifrigst versuchen,
Keile zwischen „Orthodoxie“ und „Katholizismus“ zu treiben. Und sei es,
daß man „Orthodoxen“ was unterjubelt, was man auch selber für häre-
tisch hält. Hauptsache: spalten.


So ein Schwachsinn.

Ich habe die Frage an die Orthodoxen gestellt, weil sie mich interessiert. Welche Position die RKK in dem ganzen einnimmt, ist mir völlig gleichgültig. Und was soll das Wort von ihnen "etwas unterjubeln"? Du hast doch gelesen was Joseph geschrieben hat. Wenn dir das nciht gefällt weil es deine Illusionen nicht bestätigt, ist es doch dein Problem.

Miserere Nobis Domine
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Das OrthodoxWiki scheint davon auszugehen, dass Rom sich stillschweigend an die orthodoxe Position angepasst hat.
Orthodox Christians have usually understood Roman Catholicism as professing St. Augustine's teaching that everyone bears not only the consequence, but also the guilt, of Adam's sin. This teaching appears to have been confirmed by multiple councils, the first of them being the Council of Orange in 529. This difference between the two Churches in their understanding of the original sin was one of the doctrinal reasons underlying the Catholic Church's declaration of its dogma of the Immaculate Conception in the 19th century, a dogma that is rejected by the Orthodox Church. However, contemporary Roman Catholic teaching is best explicated in the Catechism of the Catholic Church, which includes this sentence: ""original sin does not have the character of a personal fault in any of Adam's descendants. It is a deprivation of original holiness and justice, but human nature has not been totally corrupted" (§45).
http://orthodoxwiki.org/Original_sin


Interessant auch, wie dort allgemein die Ursünde aus orthodoxer Sicht dargestellt wird:
The term Original Sin (or first sin) is used among all Christian churches to define the doctrine surrounding Romans 5:12-21 and 1 Corinthians 15:22, in which Adam is identified as the man whom through death came into the world. How this is interpreted is believed by many to be a fundamental difference between the Eastern Orthodox Church and the Western Churches. In the Orthodox Church the term ancestral sin (Gr. προπατορικό αμάρτημα) is preferred and is used to define the doctrine of man's "inclination towards sin, a heritage from the sin of our progenitors" and that this is removed through baptism. St. Gregory Palamas taught that man's image was tarnished, disfigured, as a consequence of Adam's disobedience.

In the Book of Genesis, Chapter 3, Adam and Eve committed a sin, the original sin. The Eastern Orthodox Church teaches that no one is guilty for the actual sin they committed but rather everyone inherits the consequences of this act; the foremost of this is physical death in this world. This is the reason why the original fathers of the Church over the centuries have preferred the term ancestral sin. The consequences and penalties of this ancestral act are transferred by means of natural heredity to the entire human race. Since every human is a descendant of Adam then 'no one is free from the implications of this sin' (which is human death) and that the only way to be freed from this is through baptism.

In contrast to Jewish exegesis of Genesis, Christianity has a Christological reading. We understand the depth of the Fall in the light of redemption. It is in the contrast of the old and new Adams that we understand what the significance of original sin has been.

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Joseph
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Joseph »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Interessant auch, wie dort allgemein die Ursünde aus orthodoxer Sicht dargestellt wird:
Es ist die ORTHODOX Wiki...! Aus welcher Sicht sollte sie es denn sonst tun?
gruß
Joseph
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Johaennschen
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Johaennschen »

Das war doch nicht anklagend gemeint.
Versteh den Satz so:
Dort wird allgemein die Ursünde aus orthodoxer Sicht dargestellt. Wie interessant!
:blinker:
Es gibt keine Dummheit, an die der moderne Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur dem Glauben an Christus ausweicht.
Nicolás Gómez Dávila

Miserere Nobis Domine
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Joseph hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Interessant auch, wie dort allgemein die Ursünde aus orthodoxer Sicht dargestellt wird:
Es ist die ORTHODOX Wiki...! Aus welcher Sicht sollte sie es denn sonst tun?
gruß
Joseph
Natürlich aus orthodoxer. Ich habe diese Präzisierung nur eingefügt, weil das erste Zitat ja über die Wahrnehmung der römisch-katholischen Lehre zum Thema sprach.

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Joseph
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Joseph »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben: Natürlich aus orthodoxer. Ich habe diese Präzisierung nur eingefügt, weil das erste Zitat ja über die Wahrnehmung der römisch-katholischen Lehre zum Thema sprach.
Okay, manchmal kommt das nach dem "weiten Weg" nach hier vergurgelt an....
Verstehe, verstanden, no problemo

Gruß
Joseph
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Nietenolaf
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Re: [Punkt]

Beitrag von Nietenolaf »

TillSchilling hat geschrieben:Was ist mit der Debatte zwischen Pelagius und Augustinus? Spielt diese für euch eine Rolle? Ich weiss sie fand auf Latein statt, aber die Gedanken, um die es ging, wurden doch auch im Osten verbreitet.
Natürlich spielt sie eine Rolle. Allerdings handelt es sich aus "orthodoxer Sicht" dabei um zwei Extrempositionen. Oder sagen wir besser (denn eine solche Darstellung wäre eine Versündigung am Erbe des Bischofs von Hippo): Augustinus ist in der Widerlegung des Pelagius ein klein wenig zu weit gegangen. Der Mensch ist nach dem Sündenfall von selbst nicht komplett unfähig, das Gute anzustreben. Die "vorauseilende Gnade" als Hinleitung zum Glauben und zur Taufe kennen wir auch, aber auch sie braucht immer noch eine selbständige und freie Antwort des Menschen, dem sie gegeben wird. Ich schätze, ein möglicher Endpunkt in der Weiterentwicklung des rein augustinischen Standpunktes wäre das "sola gratia" der Protestanten.
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

TillSchilling

Re: [Punkt]

Beitrag von TillSchilling »

Nietenolaf hat geschrieben: Ich schätze, ein möglicher Endpunkt in der Weiterentwicklung des rein augustinischen Standpunktes wäre das "sola gratia" der Protestanten.
:erschrocken:

Das wäre aber schlimm. :pfeif:

Im Ernst: Ich finde die Verwendeung von Schlagwörten wie Sola Gratia, unter denen jeder etwas andere versteht wenig hilfreich. Ausserdem ist, zu überlegen "Was wäre der Endpunkt der Weiterentwicklung des augustinischen Standpunktes" um dann gleich zu sagen "Da wollen wir aber niemals hin" doch kein redlicher Standpunkt. Die einzig interessante Frage ist: Stimmen Autustinus Gedanken mit der Schrift und andernen Kirchenvätern überein oder nicht. Nur weil die bösen, bösen Luthers und Calvins mit Augustinus übereinstimmen werdet ich doch seine Lehren nicht abweisen wollen, oder?

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Robert Ketelhohn
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nietenolaf hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:Was ist mit der Debatte zwischen Pelagius und Augustinus? Spielt diese für euch eine Rolle? Ich weiss sie fand auf Latein statt, aber die Gedanken, um die es ging, wurden doch auch im Osten verbreitet.
Natürlich spielt sie eine Rolle. Allerdings handelt es sich aus "orthodoxer Sicht" dabei um zwei Extrempositionen. Oder sagen wir besser (denn eine solche Darstellung wäre eine Versündigung am Erbe des Bischofs von Hippo): Augustinus ist in der Widerlegung des Pelagius ein klein wenig zu weit gegangen. Der Mensch ist nach dem Sündenfall von selbst nicht komplett unfähig, das Gute anzustreben. Die "vorauseilende Gnade" als Hinleitung zum Glauben und zur Taufe kennen wir auch, aber auch sie braucht immer noch eine selbständige und freie Antwort des Menschen, dem sie gegeben wird. Ich schätze, ein möglicher Endpunkt in der Weiterentwicklung des rein augustinischen Standpunktes wäre das "sola gratia" der Protestanten.
Ob Augustinus »ein klein wenig zu weit gegangen« sei, müßte man im Detail untersuchen. Grundsätzlich ist die dem Pelagianismus entgegengesetzte „Extremposition“ aber gerade nicht diejenige Augustins, sondern derer, welche sich teilsweise zwar auf ihn beriefen, aber zu Unrecht. De servo arbitrio schrieb nicht Augustin, sondern Luther. Die doppelte Prädestination lehrte nicht Augustin, sondern Calvin.

Augustin hielt auch in der schärfsten Bestreitung der Lehren des Pelagius und Julians von Æclanum am freien Willen des Menschen fest. Was spätestens seit dem 19. Jht. hinsichtlich der Gnadenlehre als „extremer Augustinismus“ oder manchmal auch einfach als „Augustinismus“ verkauft wird, kann sich in Wahrheit nicht auf den Bischof von Hippo berufen.

Damit ist nicht ausgeschlossen, daß man einzelne Formulierungen finden mag, welche, besonders nach Lösung aus dem Zusammenhang, jene Extremposition stützen zu können scheinen. Wenn man aber den Gesamtkontext betrachtet – auch bloß innerhalb des Spätwerks, welchem man ja die Zuspitzung der Positionen Augustins in der von Harnack & Co. ausgehenden Traditionslinie der Patristik gewöhnlich zuschreibt –, dann läßt sich der Vorwurf an Augustins Adresse (oder die Berufung auf ihn, je nach eigenem Standort) nicht halten.

Was die ostkirchlichen Ansichten über Augustin betrifft, so fürchte ich manchmal, daß man sich da mitunter allzusehr an jener protestantischen Patristik im Gefolge Harnacks aus dem 19. Jahrhundert orientiert hat und zu wenig Augustin selbst sprechen läßt.

Man lese zum Thema: http://www.newadvent.org/cathen/291a.htm#II
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Nietenolaf
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Re: Ist dies eine wahrhaft orthodoxe Position?

Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Was die ostkirchlichen Ansichten über Augustin betrifft, so fürchte ich manchmal, daß man sich da mitunter allzusehr an jener protestantischen Patristik im Gefolge Harnacks aus dem 19. Jahrhundert orientiert hat und zu wenig Augustin selbst sprechen läßt.
Das kann schon sein. Davon spricht vielleicht allein schon der Fakt, daß das von Joseph anderswo verlinkte Werk des Priestermönchs Seraphim (Rose) über den hl. Augustinus tatsächlich teilweise den Charakter einer Verteidigungsschrift hat, in welcher Augustin als ein "Opfer extremer Ausprägungen der patristischen Wiedergeburt" (sprich: des Antilatinismus) des späten 19. und 20. Jahrhunderts dargestellt wird.

Möglicherweise fehlt es an einer guten Aufarbeitung seines Werks. Das einzige, was mir jetzt außer dem erwähnten Werk des Seraphim (Rose) zu Augustinus noch einfällt, ist ein riesiger Band des (inzwischen heiliggesprochenen Neumärtyrers) Ioann Popov (1867-1938) mit dem Namen "Die Persönlichkeit und die Lehre des heiligen Augustinus", entstanden schätzungsweise noch lange vor der Revolution, aber erst 2003 herausgegeben. Dieses Werk ist dermaßen unscholastisch, daß man wirkliche Mühe hat, es zu bewältigen. Für mich stellt es einen riesigen, kaum gegliederten Block an Text dar, in dem die Gedanken des Autors hin und her schweifen. M.a.W.: es ist nicht wirklich tauglich, den Gläubigen oder auch den zeitgenössischen Theologen ein zugängliches Bild des Bischofs von Hippo zu zeichnen.
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