Die Fülle der Orthodoxie

Ostkirchliche Themen.
Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Warum müssen die orthodoxen Liturgien derart voll sein, daß es sehr schwer ist,
an ihnen teilzunehmen, ja mit Kindern nahezu unmöglich (bei geschätzten zwölf
Personen je Quadratmeter stehend, an wichtigen Festen gut und gern zwei Dutzend
auf selber Fläche)?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Sebastian
Beiträge: 1537
Registriert: Sonntag 20. August 2006, 11:23
Wohnort: Frag den Igel
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Sebastian »

Die Menschen lieben halt Gott und wollen alle an Ihm teilhaben :holy:
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Nietenolaf »

Das müssen wohl die ganzen Gerufenen sein. Wo hast Du das denn erlebt? Das gibt's hierzulande eigentlich nur in der Osternacht.
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Benutzeravatar
Sebastian
Beiträge: 1537
Registriert: Sonntag 20. August 2006, 11:23
Wohnort: Frag den Igel
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Sebastian »

Wir haben das fast jeden Sonntag, da Kirchenraum schon wieder zu klein.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Nietenolaf »

Stimmt, ich kenne das z.B. auch aus Weimar. In einer großen Kirche vergißt man solche Probleme schnell.
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Benutzeravatar
Sebastian
Beiträge: 1537
Registriert: Sonntag 20. August 2006, 11:23
Wohnort: Frag den Igel
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Sebastian »

Nietenolaf hat geschrieben:Stimmt, ich kenne das z.B. auch aus Weimar. In einer großen Kirche vergißt man solche Probleme schnell.
OK, Weimar ist aber auch ein echt extremes Beispiel ! Als ich das letzte Mal dort war (2007), war dieses kleine (aber feine) Kapellchen, die einzige orthodoxe Gemeinde in ganz Thüringen ([Punkt]). Weisst Du, ob das immer noch so ist? Bei einem solchen Einzugsgebiet wunderts mich nicht, wenn man die Liturgie auch mal unter freiem Himmel feiern täte (!?). ;)
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ss. Konstantin & Helena in Tegel ist auch extrem. (Viel
besser ist’s in der Kathedrale aber meist auch nicht.)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Sebastian
Beiträge: 1537
Registriert: Sonntag 20. August 2006, 11:23
Wohnort: Frag den Igel
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Sebastian »

Robert, evtl. liegt es ja auch an der unterschiedlich ausgeprägten Fülle der Orthodoxen, wenn man macherorts keinen Platz mehr bekommt. :P :mrgreen:
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Benutzeravatar
taddeo
Moderator
Beiträge: 19226
Registriert: Donnerstag 18. Januar 2007, 09:07

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von taddeo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Warum müssen die orthodoxen Liturgien derart voll sein, daß es sehr schwer ist,
an ihnen teilzunehmen, ja mit Kindern nahezu unmöglich (bei geschätzten zwölf
Personen je Quadratmeter stehend, an wichtigen Festen gut und gern zwei Dutzend
auf selber Fläche)?
Da brauchen die Orthodoxen bloß ne Liturgiereform nach vatikanischem Vorbild machen, dann ändert sich das gaaanz schnell von selber...

Benutzeravatar
FranzSales
Beiträge: 976
Registriert: Dienstag 14. Oktober 2003, 08:46

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von FranzSales »

Da brauchen die Orthodoxen bloß ne Liturgiereform nach vatikanischem Vorbild machen, dann ändert sich das gaaanz schnell von selber...
Oder man besucht die Orthodoxen in ihren Stammländern, wo sie genau die selben Probleme haben wie wir (Glaubenslosigkeit, Säkularisation etc.) ....
Auch bauen m.W. die Orthodoxen eher zu kleine, als zu große Gotteshäuser. Gerade aus dem Grunde, da leere Kirchen wenig erbaulich sind.
Unterhaltet euch mal mit offenen Orthodoxen (nicht mit den Propagandisten hier im Forum), dann fällt vielleicht dem einen oder anderen die rosarote Brille runter.
Unabhängig davon ist natürlich die Göttliche Liturgie unstreitig schöner und stimmiger als unser derzeitiger Ritus.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Robert Ketelhohn »

FranzSales hat geschrieben:Oder man besucht die Orthodoxen in ihren Stammländern, wo sie genau die selben Probleme haben wie wir (Glaubenslosigkeit, Säkularisation etc.) ....
Sie haben Verfolgung und Säkularisation jahrzehntelang durchgemacht und kranken noch daran. Aber die Tendenz geht derzeit insgesamt doch wieder in eine positive Richtung, wenn auch langsam und nicht ohne Rückschläge und Irrwege. Wir freilich rauschen noch ungebremst abwärts. Insofern unterscheiden sich die Situationen – trotz vieler vergleichbarer Einzelphänomene – doch erheblich.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Sebastian
Beiträge: 1537
Registriert: Sonntag 20. August 2006, 11:23
Wohnort: Frag den Igel
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Sebastian »

Ahhhh ein Ostkirchenexperte!
FranzSales hat geschrieben:
Da brauchen die Orthodoxen bloß ne Liturgiereform nach vatikanischem Vorbild machen, dann ändert sich das gaaanz schnell von selber...
Oder man besucht die Orthodoxen in ihren Stammländern, wo sie genau die selben Probleme haben wie wir (Glaubenslosigkeit, Säkularisation etc.) ....
Auch bauen m.W. die Orthodoxen eher zu kleine, als zu große Gotteshäuser. Gerade aus dem Grunde, da leere Kirchen wenig erbaulich sind.
Das stimmt. Hier mal zwei orthodoxe Kapellen jüngerer Zeit:

Im Dorf Belgrad

Bild

und hier in irgendeinem georischen Kaff

Bild
Franzl der OKI Experte hat geschrieben:Unterhaltet euch mal mit offenen Orthodoxen (nicht mit den Propagandisten hier im Forum), dann fällt vielleicht dem einen oder anderen die rosarote Brille runter.
Vielleicht besuchst Du erstmal ein orthodoxes Stammland bevor Du so ein Quark von Dir gibst.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Benutzeravatar
cantus planus
Beiträge: 24273
Registriert: Donnerstag 20. Juli 2006, 16:35
Wohnort: Frankreich: Département Haut-Rhin; Erzbistum Straßburg

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von cantus planus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Sie haben Verfolgung und Säkularisation jahrzehntelang durchgemacht und kranken noch daran. Aber die Tendenz geht derzeit insgesamt doch wieder in eine positive Richtung, wenn auch langsam und nicht ohne Rückschläge und Irrwege. Wir freilich rauschen noch ungebremst abwärts. Insofern unterscheiden sich die Situationen – trotz vieler vergleichbarer Einzelphänomene – doch erheblich.
:jump: :jump: :jump: Robert, wenn wir uns mal persönlich treffen, erinnere mich daran, dir einen dicken Kuss zu geben!
Nutzer seit dem 13. September 2015 nicht mehr im Forum aktiv.

‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Linus »

cantus planus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Sie haben Verfolgung und Säkularisation jahrzehntelang durchgemacht und kranken noch daran. Aber die Tendenz geht derzeit insgesamt doch wieder in eine positive Richtung, wenn auch langsam und nicht ohne Rückschläge und Irrwege. Wir freilich rauschen noch ungebremst abwärts. Insofern unterscheiden sich die Situationen – trotz vieler vergleichbarer Einzelphänomene – doch erheblich.
:jump: :jump: :jump: Robert, wenn wir uns mal persönlich treffen, erinnere mich daran, dir einen dicken Kuss zu geben!
unter die kommunisten gegangen?Bild
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Nietenolaf »

FranzSales hat geschrieben:Oder man besucht die Orthodoxen in ihren Stammländern, wo sie genau die selben Probleme haben wie wir (Glaubenslosigkeit, Säkularisation etc.)
Erkläre doch bitte, wie das mit der "Säkularisierung" in den "Stammländern" funktionieren soll. Du meinst damit, die Gesellschaft sei christlich gewesen und tendiert momentan dazu, sich abseits von Kirche und Glauben zu positionieren? Ich würde sagen, diese Bemerkung entspringt in ihrem Ansatz einer gewissen Ahnungslosigkeit.

Mit den kleinen Gotteshäusern hast Du recht, wobei das nichts damit zu tun hat, daß leere Kirchen angeblich weniger erbaulich seien. Nach dem Fall des Romäischen Reiches baute man tatsächlich in eher bescheiden Maßstäben. Vor 1883, dem Jahr der Einweihung der Christus-Erlöser-Kathedrale in Moskau, war die Entschlafungs-Kathedrale im Kreml die "Hauptkirche" der Russisch-Orthodoxen Kirche. Zum Größenvergleich: die Dresdener katholische Dreifaltigkeits-Kathedrale ("Hofkirche") ist so groß, daß die moskauer Entschlafungskathderale drei Mal reinpaßte.
Der neuerliche Bombasmus, den Sebastian* hier auch dokumentiert, kam später, nach dem 17. Jahrhundert, mit vielen anderen Dingen durch das "Fenster nach Europa" aus ebendieser Richtung.

* Übrigens gratuliere ich Sebastian, und mir auch, zum Titel "Propagandist". Die Orthodoxen haben eben auch ihre "Jesuiten".
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Ralf

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Ralf »

Wenn man die Kirchlichkeit einer Bevölkerung am Besuch der Liturgie festmacht, sieht es in den orthodox geprägten Ländern eindeutig besser aus als bei uns. Ich habe aber so meine Zweifel angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen in einem Land wie bspw. Rumänien (in das ich kulturell bald einheirate), ob das der einzig wichtige oderüberhaupt wichtigste Parameter ist.

Wird aber zugegebenermaßen auch hierzulande schon so gesehen: ein praktizierender Laien-Katholik ist der, der zur Kirche geht. Als ob ein aktives Auto das wäre, was an der Tankstelle steht.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ralf hat geschrieben:Wird aber zugegebenermaßen auch hierzulande schon so gesehen: ein praktizierender Laien-Katholik ist der, der zur Kirche geht. Als ob ein aktives Auto das wäre, was an der Tankstelle steht.
Wenn’s nicht tankt, fährt’s allerdings auch nicht weit …
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Sebastian
Beiträge: 1537
Registriert: Sonntag 20. August 2006, 11:23
Wohnort: Frag den Igel
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Sebastian »

Ich für meinen Teil fühle mich in kleineren Gemeinden, mit eher kleinen Kirchengebäuden aufgehoben, da gerade der familiäre Zusammenhalt dort erbaulich ist. In riesigen Kirchen fühle ich mich mehr oder weniger verloren. Sicherlich, auch die neuzeitigen Bombasten haben ihre Schönheit und Glanz und sind bestimmt auch für das wiedererstarkene, religiöse Bewusstsein wichtig, aber zum Beten habe ich's dann lieber gemütlich und überschaulich ;) und wenn es mal etwas eng wird, und wir uns darüber wieder die Platze ärgern, dann sind wir wohl alle doch nicht geistlich so weit, sondern sollten erstmal unsere Herzen weiten für all die, die kommen, um anzubeten ...
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Ralf

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Ralf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:Wird aber zugegebenermaßen auch hierzulande schon so gesehen: ein praktizierender Laien-Katholik ist der, der zur Kirche geht. Als ob ein aktives Auto das wäre, was an der Tankstelle steht.
Wenn’s nicht tankt, fährt’s allerdings auch nicht weit …
Korrekt, und in der Liturgie ist ja die Oktanzahl gar nicht mehr zu beziffern ;) .

Aber dennoch: für Laien zeigt sich doch gerade in der Welt die Kirchlichkeit - auch wenn das bedeutend schwieriger ist.

Schaue ich mir bspw. an (selbst erlebt), wie in Bukarest nicht wenige Alte, aus ihrer Wohnung herausgeschmissen durch miese Tricks, auf der Straße in klirrender Kälte geröstete Sonnenblumenkerne verkaufen, um ihre lächerlich kleine Rente aufzubessern und eine Notunterkunft zu finanzieren, das korrupte Staatswesen sich ebensowenig wie viele Nachbarn darum kümmert bei größtenteils inexistentem Sozialsystem - dann beindrucken mich volle Kirchen nicht.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Nietenolaf »

Ralf hat geschrieben:Aber dennoch: für Laien zeigt sich doch gerade in der Welt die Kirchlichkeit - auch wenn das bedeutend schwieriger ist.

Schaue ich mir bspw. an (selbst erlebt), wie in Bukarest nicht wenige Alte, aus ihrer Wohnung herausgeschmissen durch miese Tricks, auf der Straße in klirrender Kälte geröstete Sonnenblumenkerne verkaufen, um ihre lächerlich kleine Rente aufzubessern und eine Notunterkunft zu finanzieren, das korrupte Staatswesen sich ebensowenig wie viele Nachbarn darum kümmert bei größtenteils inexistentem Sozialsystem - dann beindrucken mich volle Kirchen nicht.
Ich verstehe nicht so recht, wie Du zu dieser Aussage kommst. Sie klingt nach der protestantischen Ethik, die ich Dir eigentlich nicht unterstellen will. Meinst Du, daß die Menschen, die in Rumänien die Kirchen füllen, andernorts ihre Nächsten mit miesen Tricks aus den Wohnungen schmeißen? Oder daß sie korrupte Beamte des korrupten Staatswesens sind? Oder daß eine echte Kirchlichkeit einhergen muß mit Rechtsstaatlichkeit und dem allgemeinem Wohlstand der Gesellschaft, in der diese Christen leben? Was auch immer Du meinst, es scheint das ein sehr humanistisches Diesseits zu sein.
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Ralf

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Ralf »

Ich weiß nicht, was protestantische Ethik ist, habe mich damit zu wenig beschäftigt. Ich meine Mt 25,35-46, u.a. daran zeigt sich echte Kirchlichkeit, insbesondere die des weltlich agierenden Laien, also durchaus diesseitig agierenden Laien.
Es ist m.W. nach sehr katholische Ethik, daß es um die Rettung des einen mystischen Leibes geht, aller Glieder daran, und daß wir aufgefordert sind, alle Glieder zu lieben.
Was ich in Rumänien feststelle, ist, daß auch zum Teil die, die in der Osterzeit anstelle von "Guten Tag - Auch Guten Tag" durchgehend "Christus ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden" sagen und antworten (das tun alle Rumänen, egal wie gläubig), diesen Hl. Namen durch ihr Leben nicht ehren.
Ein Präsident, der (ebenso wie die gesamte korrupte politische Klasse) seinen eigenen Taschen gut gefüllt hat (er hat bspw. als ExGeneral einfach mal die Marine verscherbelt), lädt gleichzeitig zu jedem Empfang den hohen Klerus ein, um sein Christsein zu demonstrieren - überzeugen tut das niemanden.

Ich habe auch Heilige in Rumänien kennengelernt, besonders eine alte Frau, die exakt das Bild der Prophetin Hannah widerspiegelt. Auch diese Menschen gibt es zahlreich, sie füllen die Kirchen. Aber eben nicht nur.

Versteh mich nicht falsch, Nietenolaf, je mehr ich dieses orthodox geprägte Volk kennenlerne, desto mehr liebe ich es. Doch der Kirchenbesuch ist für mich nicht der Maßstab dafür, wie sehr ein Mensch den Herrn angezogen hat. Die Teilnahme an der Liturgie ist die Basis, aber nicht das Resultat.

Eine Kirchlichkeit muß nicht einhergehen mit Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit, aber streben danach muß sie, im eigenen Leben wie im allgemeinen gesellschaftlichen.

Und da man bspw. in Rumänien eben auch viele findet, für die Kirche mehr zur national-kulturellen denn zur persönlich-geistigen Identität gehört (ist einfach so), ist der Kirchenbesuch für mich weder da noch hierzulande der entscheidende Parameter.

Benutzeravatar
Sebastian
Beiträge: 1537
Registriert: Sonntag 20. August 2006, 11:23
Wohnort: Frag den Igel
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Sebastian »

Ich weis ehrlich gesagt gar nicht, was Dein Problem ist, lieber Ralf. Du kannst nicht in die Köpfe sehen, darum rate ich Dir von Beurteilungen über Beweggründe einiger Leute ab. Vielleicht haben viele noch nicht das "Wissen" über Kirche, kommen schlecht gekleidet und dann auch noch zu spät, aber sie kommen! Natürlich hat der Kirchenbesuch eine Aussagekraft. In kommunistischen Zeiten waren vielen eben nicht in der Kirche. Bestenfalls stand man draussen im Kirchenhof, Zigarette paffend, um auch die eisernen Kirchgänger mit dem roten Parteiheften auszustatten. Rote Socken, die drinne waren, waren widerrum meist Spione, das hat sich aber geändert.
Ralf hat geschrieben:Die Teilnahme an der Liturgie ist die Basis, aber nicht das Resultat.
Das finde ich nicht. Die Teilnahme an der Göttl. Liturgie ist Ausdruck und Konsequenz unserer Sehnsucht nach Gott, da die Liturgie selbst Erfüllung unseres Glaubens in dieser Welt ist (= Vereinigung / Kommunion mit Christus). Darauf werden auch die "Neulinge" vorbereitet und das sie kommen und (wenn auch unterschiedlich schnell) Lernen ist ein gutes Zeichen!
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Ralf

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Ralf »

Ich habe kein Problem, lieber Sebastian. :)

Nur sehe ich das Faktums eines Kirchenbesuches nicht als Parameter für den Glauben eines Menschen an, that's all.

ieromonach
cum angelis psallat Domino
Beiträge: 542
Registriert: Montag 27. August 2007, 20:26
Kontaktdaten:

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von ieromonach »

Lieber Ralf,
die Beobachtungen mögen ja nicht falsch sein, doch eine Bevölkerung die Jahrzehnte von atheistischen Regimes regiert wurde sucht nach Gott und den richtigen Weg. Verurteile die Menschen nicht sondern überlege was uns das 40tägige Fasten des HErrn uns sagen will. Der HErr wurde vom Teufel versucht, "... mach aus den Steinen Brot". Natürlich hätte Christus aus Steinen Brot machen können und alle sozialen Probleme der Welt sind dann hinfällig. Doch der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Jetzt suchen die Menschen in den ehem. komm. Ländern nach dem Brot des Glaubens,
und später werden auch die guten Werke folgen. Der erneuerte Glauben bei den Menschen in Rum. wird auch den richtigen Weg zeigen.

+P.Theodoros

Benutzeravatar
Lutheraner
Beiträge: 3914
Registriert: Donnerstag 9. November 2006, 10:50

Re: Die Fülle der Orthodoxie

Beitrag von Lutheraner »

Ralf hat geschrieben:Schaue ich mir bspw. an (selbst erlebt), wie in Bukarest nicht wenige Alte, aus ihrer Wohnung herausgeschmissen durch miese Tricks, auf der Straße in klirrender Kälte geröstete Sonnenblumenkerne verkaufen, um ihre lächerlich kleine Rente aufzubessern und eine Notunterkunft zu finanzieren, das korrupte Staatswesen sich ebensowenig wie viele Nachbarn darum kümmert bei größtenteils inexistentem Sozialsystem - dann beindrucken mich volle Kirchen nicht.
Das kann man aber nicht nur den Orthodoxen vorwerfen. In Brasilien sieht's genauso oder noch schlimmer aus und von den USA habe ich (von außen) auch kaum einen besseren Eindruck. Damit haben wir also schon je ein Beispiel von angeblich frommen Orthodoxen, Römern und Protestanten.
Ich bin der Meinung, dass man den christlichen Glauben an den Früchten dieses Glaubens erkennt und nicht nur am Befolgen von Regeln oder Ritualen. Da wird mir aber auch kaum ein Christ widersprechen. Die Orthodoxen sind halt wohl gerade speziell in der Situation, dass es bei ihnen was Kirchenbesucherzahlen, Taufen, etc. angeht aufwärts geht und sie neigen dann vermutlich auch dazu alles ein bisschen zu verklären. Das kann man ihnen doch kaum verübeln.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema