Sukzession des Sauerteigs

Ostkirchliche Themen.
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Clemens
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Sukzession des Sauerteigs

Beitrag von Clemens »

Guten Tag!

In seinem herrlichen Buch "Glaubensspaltung ist Gottesverrat" schreibt Klaus Berger (S.193) über die "Sukzession des Sauerteigs" "zumindest in einer der Ostkirchen". Dahinter stehe die Vorstellung, dass der Sauerteig vom Abendmahlsbrot Jesu lebendig sei im noch heute verwendeten eucharistischen Brot.
Abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit dieser These (Jesus dürfte wohl ungesäuertes Brot verwendet haben) würde mich doch interessieren:

Weiß jemand, in welcher Ostkirche das so ist?

Im voraus dankend grüßt,
Clemens

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Walter
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Beitrag von Walter »

Gesäuertes Brot wird in der orthodoxen und m.W. in fast allen altorientalischen Kirchen (bis auf die armenische) verwendet.

Die Sukzession des Sauerteigs wird z.B. von den Nestorianern weitergeführt.
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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Dankeschön, Walter!
Aber was heißt "z.B."?
Weißt Du, wer die Sauerteig-Sukzession noch praktiziert?

Germanus
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Beitrag von Germanus »

Clemens hat geschrieben:Dankeschön, Walter!
Aber was heißt "z.B."?
Weißt Du, wer die Sauerteig-Sukzession noch praktiziert?
Grüß Gott, Verehrte!
Die "Sukzession des Sauerteigs" kenne ich als Zufügung eines jeweils beim letzten Prosphoren-Backen zurückgelegten Teigstücks zum neuen Teig für die Opferbrote (hier im Bereich der griechisch-orthodoxen Jurisdiktion). Dass damit in irgendeiner Form eine Sukzession verbunden ist, war mir zwar klar, aber das Weitere nicht so recht. Die westkirchlich Praxis der ungesäuerten Brote geht nicht auf die frühesten Zeiten zurück. Es scheint vielmehr so, dass nichtrömische Riten diese Praxis zuerst (um 800????) eingeführt haben.
Mit herzlichen Grüßen, German

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Ich gehe halt davon aus, dass das original-Abendmahl als Passahmahl gefeiert und dementsprechend ungesäuertes Brot verwendet wurde.

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Walter
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Beitrag von Walter »

Zu der Tradition an sich habe ich folgendes gefunden:
Der Überlieferung nach behielt der Apostel Johannes einen kleinen Teil vom Teig des Brotes des allerersten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern zurück. Er fügte es beim nachfolgenden Mahl in den Teig des eucharistischen Brotes ein. Seitdem wird dieser Brauch befolgt und weitergeführt. Das Selbstverständnis, die älteste christliche Kirche zu sein und festzuhalten an der ununterbrochenen Kette der Weitergabe des Glaubens, dazubleiben selbst unter schwierigsten Bedingungen, findet seinen Ausdruck in diesem winzigen Detail der Zubereitung des eucharistischen Brotes. Es vermittelt die Hoffnung, daß die Botschaft des Glaubens und das Zeichen des Friedens weiter leben und in der apostolischen Tradition gewahrt bleibt.
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Dass diese Tradition bis heute gewahrt wird, ist mir wie gesagt zumindest von der nestorianischen assyrischen Kirche bekannt; ob es bei den mit Rom unierten Assyrern oder anderen Altorientalen noch Brauch ist, weiß ich leider auch nicht.
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Robert Ketelhohn
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Re: Sukzession des Sauerteigs

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Clemens hat geschrieben:(Jesus dürfte wohl ungesäuertes Brot verwendet haben)
(Das möchte ich stark bezweifeln.)
Clemens hat geschrieben:Ich gehe halt davon aus, dass das original-Abendmahl als Passahmahl gefeiert und dementsprechend ungesäuertes Brot verwendet wurde.
Sollten wir nicht lieber von der Überlieferung ausgehen? :)
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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Welche Überlieferung meinst Du, Robert?

Soweit man mich im Studium belehrt und überzeugt hat, beschreiben die biblischen Berichte ein (terminlich vorgezogenes) Passahmahl (Details sind mir gerade nicht erinnerlich).
Zumindest Klaus Berger sieht das wohl ebenso (a.a.O., S.193).

Gruß, Clemens

ieromonach
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Sukzesion des Sauerteigs

Beitrag von ieromonach »

Hallo Clemens, immer wenn es um das eucharistische Brot geht ist im NT die Rede von a r t o s . Dieses ist normalerweise Weizenbrot.
Hier benutzte man dann dazu Sauerteig. Das ungesäuerte Brot wird in der griech,Sprache als a z y m o s bezeichnet. Da aber die heiligen Apostel schon von den Anfängen an die Eucharistie während des ganzen Jahres feierten, also jede Woche, benutzten sie gesäuertes Brot. Ungesäuertes Brot wurde zum "normalen" Essen nicht genommen. Den Heidenchristen war dieses auch völlig unbekannt.Das Brot für die Feier der Eucharistie wurde vom normalen Volk als Gabe angenommen und dann für die Feier verwendet, also ganz normales tägliches Brot. Die Menge die nicht für die Eucharistie bestimmt war ist dann bei der Agape verwendet worden. Erst ca. um 800/900 nach Chr. wurde im lateinischen Patriarchat das Azymen (Hostie) eingeführt. Kriterium für gesäuertes Brot ist die hl. Tradition der Kirche und nicht zeitbedingte "Erkenntnis" von Herrn Berger oder anderer "Exegeten". IC+XC NIKA +P. Theodoro

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Aber in Mk.14,12-14 steht doch ganz eindeutig, dass es sich beim ersten eucharistischen Mahl um ein ungesäuertes Passahmahl handelte. Und dabei durfte ja (laut Ex.12,16ff.) gar nichts "gesäuertes" im Haus sein!
Dass die Apostel das Jahr über normales Brot verwendeten, mag ich gerne glauben. Aber Jesus am Gründonnerstag??

Schönen Tag wünscht
Clemens

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Sebastian
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Re: Sukzesion des Sauerteigs

Beitrag von Sebastian »

ieromonach hat geschrieben:Den Heidenchristen war dieses auch völlig unbekannt.
Guten morgen, wer waren (oder sind ?) bzw. was sind Heidenchristen ? Kurze Frage zwischendurch zu einem Beitrag, den ich ansonsten sehr gut finde...
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

ieromonach
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Sukzession des Sauerteigs

Beitrag von ieromonach »

Hallo Sebastian, der Begriff "Heidenchristen" ist ein terminus technicus für Christen die in den Anfängen der Kirche nicht aus dem Judentum sondern aus den Gois (Heiden) kamen. OK? +pth

ieromonach
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Die Sakristei

Beitrag von ieromonach »

Hallo Clemens, im NT sind unterschiedliche Zeitangeben. Die Synoptiker reden vom 14. Nisan (mt 26,17-20;Mk 14,12-18;Lk 22,7-14). Johannes aber vorher 13. Nisan (joh 13,1f; 13,27-29, 18,28 Hierbei müssen wir aber folgendes berücksichtigen: Die Tradition der Kirche (Orthopraxie) ist älter als das kanonisierte NT. + P.Theodoros

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Clemens hat geschrieben:Aber in Mk.14,12-14 steht doch ganz eindeutig, dass es sich beim ersten eucharistischen Mahl um ein ungesäuertes Passahmahl handelte.
Nein, das steht dort nicht. Dort steht, wie bei den andern Synoptikern auch, eine Datumsangabe – welche aber mit der Angabe des Johannes nicht übereinzustimmen scheint. Es gibt diverse Lösungsansätze, jedoch keinen, der nicht etwas offen ließe oder neue Fragen aufwürfe.

Abgesehen von der Datumsproblematik findet sich in keinem der Berichte vom Letzten Abendmahl etwas eindeutig Pascha-Spezifisches. Die apostolisches Tradition ist ganz eindeutig, für die Eucharistie gesäuertes Brot zu verwenden. Daß man daraus auf das von Jesus verwendete Brot rückschließen könne, darf man zwar vermuten, kann man jedoch nicht mit Gewißheit behaupten. Hieromonach hat oben eine alternative Erklärung geliefert, die durchaus plausibel ist.

Die Vermutung, Jesus habe wegen des Paschas Azymen verwendet, hat wohl im sechsten Jahrhundert die Armenier und noch einmal deutlich später die Lateiner veranlaßt, für die Eucharistie ebenfalls Ungesäuertes zu nehmen. Da dieser Brauch aber nicht in altkirchlicher Kontinuität steht, beweist er gar nichts. Im Gegenteil, er präjudiziert bei vielen, bei denen er liturgisch in Übung ist, die Ansicht über Jesu Letztes Abendmahl mit den Aposteln.
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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Die Frage nach den Zeitangaben ist aber doch zweitrangig gegenüber dem bei den Synoptikern eindeutig bezeugten Feiern eines Passahmahls!
(Auch wenn es nur "zeitbedingte Erkenntnis" ist: aber es spricht doch vieles dafür, dass sich Jesus an den Kalender der Essener hielt, der es ermöglichte, das Passahmahl gegenüber der offiziellen jüdischen Zeitrechnung einen Tag vorzuziehen - somit wäre die Differenz zw. Synoptikern und Johannes erklärbar, ohne das eine als richtig und das andere als falsch einschätzen zu müssen.)

Die Orthopraxie mag plausibel machen, dass die Apostel die Eucharistie mit gesäuertem Brot (daher die Bezeichnung als "artos" in den Evangelien) für korrekt hielten.
Aber die Annahme, dass schon Jesus das so gehalten habe, scheint mir doch zu gewagt!

Wenn wir schon dabei sind, über das Original-Abendmahl zu disputieren: ich werde gleich einen Thread eröffnen über die Saft-Frage, den ich Euch hiermit demütigst anempfehlen möchte.


Liebe Grüße,
Clemens

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Hallo Robert!
Wieso steht das da nicht?
Es ist doch deutlich im Text zu lesen, dass Jesus das "Passahmahl" mit seinen Jüngern feiern will. Und das geht nun mal nicht mit gesäuertem Brot!

LG
Clemens

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Clemens hat geschrieben:Die Frage nach den Zeitangaben ist aber doch zweitrangig gegenüber dem bei den Synoptikern eindeutig bezeugten Feiern eines Passahmahls!
Wo liest du denn das? – Von der Vorbereitung lesen wir, ja … aber beim Mahle selbst: nichts, was über die Diagnose irgendeines jüdischen halbrituellen Mahls hinausginge.
(Auch wenn es nur "zeitbedingte Erkenntnis" ist: aber es spricht doch vieles dafür, dass sich Jesus an den Kalender der Essener hielt, der es ermöglichte, das Passahmahl gegenüber der offiziellen jüdischen Zeitrechnung einen Tag vorzuziehen - somit wäre die Differenz zw. Synoptikern und Johannes erklärbar, ohne das eine als richtig und das andere als falsch einschätzen zu müssen.)
Dies war ja etwa die These der Französin Annie Jaubert. P. Bargil Pixner OSB hat das in den neunziger Jahren wiederaufgegriffen. Habe ihn damals in Berlin gehört, als er am Priesterseminar einen Kurs hielt. (Ich war aber kein Seminarist – nicht, daß da Gerüchte aufkommen …) Leider krankt diese These – die auf Schemarjahu Talmons Forschungen zum jüdischen Festkalender aufbaut – daran, daß das Letzte Abendmahl danach bereits am Mittwoch stattgefunden haben müßte, was wiederum mit Johannes nicht vereinbar ist.
Aber die Annahme, daß schon Jesus das so gehalten habe, scheint mir doch zu gewagt!
Zustimmung. Als sicher annehmen kann man das nicht. Das Gegenteil aber – darauf möchte ich hinaus – ebensowenig. Darum spielt das aber auch keine Rolle – sollte es jedenfalls nicht – für die Frage, welches Brot die Kirche in der Eucharistie verwendet. Das sollte sich an der Tradition entscheiden. (Wobei die Traditionen der Armenier und Lateiner mittlerweile so alt sind und auch von den andern Riten, die weiterhin Sauerteig nehmen, grundsätzlich anerkannt, daß ich mich nun natürlich keineswegs hinstelle und hier und heute die Rückkehr zum Sauerteig verlange.)
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Clemens hat geschrieben:Es ist doch deutlich im Text zu lesen, dass Jesus das "Passahmahl" mit seinen Jüngern feiern will.
Nein. Er schickt sie, es vorzubereiten. Sie organisieren einen Saal. Am Abend gibt es irgendein Mahl.

Natürlich legt der synoptische Kontext nahe, daß es sich hier um das Pascha handelt. Wenn ich dazu jedoch Johannes lese, kommen mir notwendig erhebliche Zweifel daran. Dann lese ich die Synoptiker erneut und finde bei genauer Betrachtung eben nichts Pascha-Spezifisches mehr beim Mahle selbst. Allein die Datumsangabe ein paar Verse vorher bleibt problematisch.
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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Soweit ich mich dunkel erinnere, lassen sich aber doch auch das Brot und der Kelch "nach dem Mahl" recht gut aus der Peschachliturgie erklären!?



P.S.:
Was Pixner betrifft: ich wurde im Studium tatsächlich von ihm (literarisch) und seinen "Anhängern" (persönlich) beeinflusst - mir ist zwar bekannt, dass man manches auch anders sehen kann, aber mich faszinieren seine Thesen und praktischen Erklärungen immer noch!

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Sebastian
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Re: Sukzession des Sauerteigs

Beitrag von Sebastian »

ieromonach hat geschrieben:Hallo Sebastian, der Begriff "Heidenchristen" ist ein terminus technicus für Christen die in den Anfängen der Kirche nicht aus dem Judentum sondern aus den Gois (Heiden) kamen. OK? +pth
Danke.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Hallo Clemens,

ich möchte Roberts Darstellung hier nachdrücklich unterstützen. Die Annahme, die Eucharistie sei aufs engste mit dem Passahmahl verbunden, galt lange als ein Axiom der Liturgiewissenschaft. Sie steht ja auch hinter einer ganzen Reihe von (zum Teil verheerenden!) liturgischen Reformen im letzten Jahrhundert. Meiner Ansicht nach ist dies aber nicht so eindeutig, wie gerne angenommen wird. Natürlich gibt es Verbindungen - etwa die Rolle Christi als Lamm Gottes und die Schlachtung der Passahlämmer am Nachmittag des Karfreitages. Die zeitliche Nähe zwischen Passah und Einsetzung der Eucharistie ist auch gegeben, ohne Zweifel. Gleichwohl gibt es auch Dinge, die gegen eine zu große inhaltliche Nähe von Passah und Eucharistie sprechen. Eines der schlagendsten Argumente ist die fast völlige Abwesenheit von Passahmotiven in den eucharistischen Liturgien der ersten Jahrhunderte, soweit wir sie kennen. Die Bildersprache und die Themen, die hier auftauchen, sind alle nicht mit dem Passahfest verknüpft. Wäre das letzte Abendmahl ein Passahmahl gewesen, wäre dieser Befund eigentlich undenkbar. Ein ebenso schwerwiegender Punkt ist, daß es sich beim Passahmahl um ein priesterloses Familienritual handelt. Der eucharistische Kontext legt jedoch priesterliches Handeln nahe - besonders eindeutig auch im Hebräerbrief.

Die von mir hochgeschätzte Wissenschaftlerin Margaret Barker schlägt daher vor, den inhaltlichen Kontext der Eucharistiefeier nicht im Passahgeschehen zu suchen, sondern im jüdischen Versöhnungsfest. Dies läßt auch interessante Schlüsse auf die Gestalt des Brotes zu, das beim letzten Abendmahl und davon ausgehend bei den Eucharistiefeiern der frühen Kirche verwendet wurde (wie es sich in der Orthodoxie bis heute erhalten hat).

Margaret Barker geht dabei von einer ungemein breiten Quellenbasis aus und liefert (in meinen Augen) erdrückende Beweise:
Which Bread?

The Last Supper has usually been understood as a Passover meal, where Jesus took the bread and wine on the table and gave them a new meaning for his disciples. This could explain ‘the remembrance’, since Passover was a memorial, zkrwn, (Exod 12.14; 13.9), a word used elsewhere for e.g. the bronze covering of the altar to ‘remind’ Israel that only Aaron’s family could be priests (Num.16.40), or the standing stones to remind Israel how they crossed the Jordan (Josh 4.7). Each man was obliged to consume the Passover lamb, the unleavened bread and the bitter herbs, and to consider that he himself had come out of Egypt (Mishnah Pesahim 10.5). If the Last Supper was a Passover, the words of institution could have developed from the special blessings for that meal. The sacrifice of Isaac, remembered at Passover was another ‘memorial’, when the Lord was asked to remember the binding of Isaac. The broken ‘ body’ could have been an allusion to Isaac.

Another possibility is that the bread after the meal was the afikomen. The Passover was the night when the Messiah was expected to appear, and the custom after the meal was to eat the afikomen, a word that first appears in the Mishnah (m. Pesahim 10.8 ), but whose meaning is much disputed. Clearly Greek in form, it is thought to represent aphikomenos, ‘the one who comes’, and so to represent the expected Messiah. This suggestion was set out by Daube, an Orthodox Jewish scholar, but he assumed that such a custom must have existed in Jesus’ time, in order to make sense of the Eucharist that was developed from the Passover meal. ‘The institution of the Eucharist as recorded in the New Testament pre-supposes a ritual essentially… like that of ‘The Coming One’… ‘Had not ritual of the kind preserved in the Jewish Passover Eve service existed, and had Jesus suddenly produced a cake of unleavened bread and said of it, ‘This is my body’, his disciples - to put it mildly - would have been perplexed.’ Such an interpretation of the bread would explain Paul’s words: ‘For as often as you eat this bread and drink this cup, you proclaim the LORD’s death until he comes’ (1 Cor. 11.26), and it could explain ‘my body’

Since, however, John’s account of holy week makes it unlikely that the Last Supper was a Passover, or even that the Eucharist was instituted at the Last Supper, other bread imagery may be relevant to the origin of the Eucharist. The bread eaten at the Last Supper was described in the synoptic gospels as ‘bread’ artos, not unleavened bread, azumos, but this does not necessarily indicate that the Last Supper was not a Passover. Most cereal offerings in the temple were unleavened, except certain types of peace offering and the wheat loaves offered at Pentecost (Lev. 7.13; 23.17),and so artos could imply unleavened Passover bread even if ‘unleavened’ is not mentioned in the immediate context. The bread at an ordination, for example, was unleavened, but was described simply as ‘bread’, artos (Lev.8.31). More significant is John’s calendar for holy week; if the crucifixion was on the eve of Passover (John 19.14), the Last Supper could not have been a Passover. Further there any no reference to eating the Passover lamb, nor the bitter herbs which were obligatory. It has been suggested that Luke 22.15-16 expresses an unfulfilled wish: ‘I have earnestly desired to eat this Passover [but this is not to be], for I tell you I shall not eat it until it is fulfilled in the Kingdom of God.’ In other words, the next Passover Jesus would eat with his friends would be the feast in the Kingdom .
There were other communal meals which may explain the symbolism of the bread. The Therapeuts assembled to hear their president expound the Scriptures, and then they sang hymns before sharing a frugal meal of leavened bread and herb seasoned salt. This was to distinguish their food from the shewbread, which was unleavened bread set out with pure salt and was reserved for the highest rank of priests. Philo’s account implies that the Therapeuts were a priestly group, but not high-priestly (Contemplative Life 81-2). This community of men and women wore white robes, ate no meat and consumed only water; the Therapeuts lived in the state required of priests when they offered sacrifices (73-4). Most of the women were unmarried, having chosen rather to be impregnated by spiritual rays in order to behold the truths of Wisdom (68 ). The Essenes were a similar group, whose new members were not allowed to share the common meal until they had served three years probation and sworn ‘tremendous oaths’ (Josephus, War 2.139). The Messianic Rule from Qumran describes a ritual meal with the Messiah, when bread and wine are blessed, but the rods of the blessing have not survived (1QSa II). Another suggestion is that the Last Supper was friends meeting in a private house for religious discussion and a meal on the eve of Sabbath or a festival, as had become the custom in Jesus’ time. John describes a meeting of friends (John 15.14: ‘I have called you friends’), and so Jesus’ farewell discourse could have been his teaching at a such a gathering immediately before Passover. In these kiddush ceremonies, the cup was offered first, then the bread, the order in the original Luke and the Didache. The words of institution would then have developed from the blessings of the kiddush.

Perhaps the ‘bread as body’ represented the flesh of the sin offering, the body of the goat that was consumed by the priests on the day of Atonement. The distinction between body and blood in the Eucharist implies the two elements of a temple sacrifice, where the blood and the carcase were treated separately. Having bread to represent the sacrifice would accord with the vegetarian lifestyle of the Therapeusts, who, in the fourth century CE were remembered as the forerunners of Christian monks (Eusebius Church History 2.17). The Letter of Barnabas was emphatic that this custom of eating the flesh of the sin offering was the reason for Jesus drinking sour wine before he died (Matt.27.48; Mark 15.36; John 19.29-30) - to prepare himself as the holiest portion of the sacrifice which had to be eaten raw with sour wine (Barn. 7).

Had the Last Supper been a ‘temple’ rite, albeit in a private house, this could also explain the foot washing. Any priest serving in the temple area had to immerse himself as purification each day, before beginning his duties (Mishnah Tamid.1.1-2), but a further sanctification was needed before he entered the temple itself; he had to wash his hands and feet. The temple complex became increasing holy as one approached the centre, and so the great hall was second only to the holy of holies: ‘the holy place [i.e. the great hall] is still more holy, for none may enter therein with hands and feet unwashed (Mishnah Kelim 1.9). Holiest of all was the holy of holies, which only the high priest could enter. Jesus’ words to Peter resemble the temple regulation: ‘He who has bathed does not need to wash except for his feet...’ (John 13.10). This suggests a temple context for the bread of the Last Supper, a food received by priests in the temple. The obvious allusion is to the Bread of the Presence: ‘every Sabbath day…Aaron and his sons shall eat it in a holy place, since it is for him a most holy portion…’ The Bread of the Presence was also a ‘memorial’ (Lev.24.5-9).

The Fourth Gospel encoded Jesus’ teaching about the bread in the feeding miracle, which was one of the signs that Jesus was the Messiah, the son of God. The crowds declared Jesus to be the promised prophet and tried to make him king (John 6.14-15; 20.30-31). Jesus then taught about the food that ‘endures to eternal life’ (John 6.27) and about ‘the Bread of God which comes down from heaven and gives life to the world’ (John 6.33), finally declaring himself to be the bread of life [or the living bread] (John 6.35). Jesus contrasted himself with the manna, which came from heaven but did not give eternal life (John 6.48-50). The Jews did not understand, and asked how Jesus could give his flesh to be eaten, and the eucharistic teaching that followed used the terms flesh and blood not body and blood. John may have been reflecting accurately the Hebrew usage, where ‘flesh’, baśar, was the usual word for the human body. Thus the holy oil was not to be put on the bodies of [ordinary] men (Exod.30.32); the high priest had linen garments on his body (Lev.6.10; 16.4); the leper washed his body as part of the ritual to recognise that he was cured (Lev. 14.9). Discussing the precise equivalent in Hebrew for the Greek soma, body, Barr observed: ‘It is notorious that classical Hebrew has no such word, except marginally. Only later Hebrew, the usage of the Hellenistic period, develops one.’ It seems that the Synoptic Gospels and Paul transposed into Greek ideas the original eucharistic words of Jesus, which were preserved by John as flesh and blood. Centuries earlier, and so the usage could have changed, Job used ‘flesh’ in the sense of his physical body: ‘without my flesh I shall see God’ (Job 19.26), meaning ‘after I have left my human body’. The bread of the Eucharist, then, represented the LORD in the flesh - the familiar term ‘incarnate’. This is another possible explanation of ‘my body’.

The Didache was very different, prescribing: ‘Over the particles of bread say: “We give thanks to thee our Father for the life and knowledge thou hast made known to us through thy servant Jesus… As this broken bread, once dispersed over the hills, was brought together and became one loaf, so may thy Church be brought together from the ends of the earth into thy Kingdom.”’ (Didache 9). This seems to be an entirely different tradition: life and knowledge made known through Jesus and associated with the bread; and the joining together of what had been scattered. The bread scattered on the hills alludes to the feeding miracle, and the prayer to become one loaf is reminiscent of Paul’s words: ‘We who are many are one body because we all partake of one bread.’ (1 Cor.10.17). Ignatius wrote of ‘the one common breaking of bread, the medicine of immortality and the sovereign remedy by which we escape death and live in Christ Jesus for evermore.’ (Ephesians 20). The motifs here are not sacrifice and atonement, as they were with the cup of wine, nor Passover, not body and memorial, but life, knowledge and unity, which are Wisdom motifs.

In the wordplay characteristic of temple tradition, the life and knowledge of the Didache prayer could have implied a living body, since the antitype would have been a corpse associated with death and foolishness. This pairing does work as Hebrew wordplay. The root nbl has several distinct meanings: foolishness, lewdness, withering, drooping, or being a corpse. What seem to us distinct meanings may not have been so to the ancient speakers of Hebrew: folly, nebalah, and dead body, nebelah, both describe the state without Wisdom. Isaiah had used similar imagery when he described the whole creation collapsed and withered - the same root - because the eternal covenant had been broken (Isa.24. 4-6). When the Didache linked life, knowledge and becoming one loaf, this looks like covenant renewal expressed in terms of Wisdom and bread: Jesus the living bread who gave life, knowledge and unity. The feeding miracle was the breaking and giving of the bread, but the Eucharist - ‘We who are many are one body because we all partake of the one bread’ (1 Cor. 10.17) - showed that the pieces remained One. This is another Wisdom motif: ‘Although being One she is able to do all things, and remaining in herself she renews all things, and in every generation, passing into holy souls, she makes them friends of God and prophets…’ (Wisdom of Solomon 7.27).

The Gospel of Philip has preserved some important allusions to the sacraments. ‘The LORD did everything in a mystery: a baptism and a chrism and a Eucharist and a redemption and a bridal chamber.’ (CG II.3.67). The washing and the anointing were two parts of the initiation; perhaps the Eucharist and redemption were also two parts of the one celebration: the redemption being the wine/blood, and the bread the Eucharist. Philip linked the mysteries to three stages of entering the temple: the holy place [the temple courtyard], the holy of the holy one [the great hall], and the holy of holies ‘the place where the high priest entered alone’ (CG II.3.69). The text is broken, but the correspondence seems to be: ‘Baptism is the holy place’ and ‘baptism has the resurrection’ suggesting that baptism was the priestly washing in the temple court; then, logically, the mystery of the great hall would have been the Eucharist; and then ‘the holy of the holy ones is the bridal chamber’. The Gospel of Philip, despite the broken text, seems to preserve a coherent temple scheme for the Christian sacraments, consistent with what we have deduced from other sources; the Christians were the new high priesthood, with a temple context for baptism, Eucharist and the final state of union implied by entering the holy of holies, the scene in Revelation 22.

In the LORD’s Prayer the Christian prayed for bread: ‘Give us this day our daily bread’ is the usual translation of Matthew 6.11 . The prayer was said three times a day, according to the Didache, and also by all the people immediately before receiving the bread and wine. Having prayed ‘thy Kingdom come’, they are unlikely to have been asking, at this point, for ordinary food. The ‘daily’ bread was the eucharistic bread. Now ‘daily’, epiousios, has always been a problem because the word is rare. Jerome (died 420CE), knew the Hebrew Gospel in which the word was mahar, tomorrow: ‘Give us today the bread of tomorrow’, and this is offered as an alternative translation by some English versions. Jerome rendered epiousios as supersubstantialis, a word he seems to have invented, which implies that it was supernatural bread. ‘Tomorrow’ had a special significance for the early Christians; it mean the great Sabbath rest, when the Son would return to establish the Kingdom and the true Sabbath begin. Barnabas explained that the six days of creation symbolised the eras of history, with the sixth day as the human era, and the seventh, the Sabbath, yet to come (Barnabas 15). The ‘bread of tomorrow’ was the Sabbath bread, the Bread of the Presence, or its Christian counterpart, the bread of the Kingdom. .

There were two temple practices exclusive to the high priests: entering the holy of holies to offer the blood on the Day of Atonement, and eating the Bread of the Presence each Sabbath. Now the community in the Damascus Document listed among ‘the hidden things in which all Israel had gone astray’ i.e. the malpractices of second temple Jerusalem, the Sabbath and the Day of Fasting, i.e. the Day of Atonement (CD III, VI). Jesus took the high priestly rituals of these days - the Bread of the Presence and covenant blood - and it is entirely possible that he made them his own, since he was remembered as the great High Priest. The ‘Damascus’ community also described themselves as ‘men of the new covenant’ (CD VIII) who nevertheless were restoring the ancient covenant with their ancestors (CD IV). Since the Eucharist was celebrated weekly, or even more frequently, one root of eucharistic practice is likely to lie in a weekly observance, and this indicates the Bread of the Presence. The high priest [by the time of Jesus it was all the priests] ate the Bread of the Presence each Sabbath, when fresh loaves were set out in the temple, and the loaves that had been there for a week were brought out and eaten. (Lev.24.8; Mishnah Menahoth 11.7) . It was described by the Targum of Onkelos as the most sacred of all the offerings (T.O Lev.24.5-9).

Quelle: Margaret Barker, Temple Themes in Christian Worship, T&T Clark, 2007)
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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Danke, Stephen - scheint interessant, wenngleich ich den langen Text noch nicht durchstudiert habe - gib mir ein bisschen Zeit!

Clemens

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Clemens hat geschrieben:Danke, Stephen - scheint interessant, wenngleich ich den langen Text noch nicht durchstudiert habe - gib mir ein bisschen Zeit!

Clemens
Aber gerne!

Von Margaret Barker ist soweit ich weiß fast nichts ins Deutsche übersetzt. Ein schwerer Fehler! Ihr Stil ist nicht immer leicht zu lesen, aber ihre Thesen sind es wert. Ihre Texte sind immer eine Tiefenbohrung in die Bilderwelt und Ideengeschichte des Judentums und der frühen Christen. Ihre Kenntnis des extrakanonischen Materials für beide ist beispiellos! Ihre Thesen verdienen daher wirklich, gehört und überdacht zu werden. Viele Elemente der christlichen Liturgie lassen sich viel besser verstehen und erklären, wenn man ihren Spuren folgt und nicht den Annahmen der Liturgiewissenschaftler des 20. Jahrhunderts.

LG
SD

Der Link zu Margaret Barkers Website: www.margaretbarker.com

Noch ein sehr schönes Zitat zu einem alten Gründonnerstagsbrauch in Rom. Offenbar wurde dort im Mittelalter am Gründonnerstag nicht etwa das Passahfest rituell vergegenwärtigt, sondern die Liturgie des Versöhnungstages! Die Päpste zelebrierten als Hohepriester mit dem Heiligen Blut auf einer Reliquie der Bundeslade:
Strangest of all must be the special ritual performed by the mediaeval popes in the Lateran basilica on Maundy Thursday. Anyone visiting Rome in the middle ages would have been told of the temple relics in the Lateran. The high altar was no more than a case for the ark of the covenant, and it also housed the seven temple candlesticks, the rod of Moses and the rod of Aaron, and the tablets of the ten commandments. During the Mass of Maundy Thursday, the cardinals removed the table, the mensa, of the altar, leaving the Pope to celebrate alone on the hollow altar which was said to be the ark. He used a relic of the blood of Christ. There is some evidence for this unusual celebration as early as the seventh century. This means that the Pope marked Maundy Thursday with the ritual of the Day of Atonement, blood upon the ark in the holy of holies. The difference was the Christian dispensation, when there was no longer a temple veil, and so the Pope performed his ritual in full view of all the congregation. A sermon of Pope Innocent III, about 1200CE made it quite clear what was happening: ‘In this manner he is commemorating that the high priest once a year went into the holy of holies with blood.’ The origin of the Eucharist in mediaeval Rome was remembered as the Day of Atonement.
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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Nein. Er schickt sie, es vorzubereiten. Sie organisieren einen Saal. Am Abend gibt es irgendein Mahl.

Natürlich legt der synoptische Kontext nahe, daß es sich hier um das Pascha handelt. Wenn ich dazu jedoch Johannes lese, kommen mir notwendig erhebliche Zweifel daran. Dann lese ich die Synoptiker erneut und finde bei genauer Betrachtung eben nichts Pascha-Spezifisches mehr beim Mahle selbst. Allein die Datumsangabe ein paar Verse vorher bleibt problematisch.
Christus ist Hohepriester nach der Order Melchisedeks. Dieser brachte Abraham, lest nach, gesaeuertes Brot, "artos". Es ist ein Relikt der redundanten Order Aarons, ungesaeuertes Brot zu verwenden.

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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nietenolaf hat geschrieben:… nach der Order Melchisedeks … Order Aarons …
Haste to much english intus? ;D
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

So, da bin ich wieder.
Wegen übergroßen Termindrucks (und zwischendrin auch Urlaubs) musste ich leider ein paar Wochen aussetzen.
Bitte betrachtet aber mein unentschuldigtes Fehlen nicht als Symptom für Unhöflichkeit!

Nun habe ich inzwischen den Text von Frau Barker gelesen.
Hm :hmm:
Ob ich alles richtig verstanden habe? :/
Ich werde jedenfalls weiter darüber nachdenken.

Sollte sie recht haben, wäre das für mich eine kleine Sensation.
Aber:
Wird das in der deutschen Fachwelt sonst gar nicht wahrgenommen?
Wird es diskutiert, widerlegt, totgeschwiegen??
Oder interessiert das hierzulande niemanden???

Auf die weitere Diskussion gespannt grüßt
Clemens

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Clemens hat geschrieben:So, da bin ich wieder.
Wegen übergroßen Termindrucks (und zwischendrin auch Urlaubs) musste ich leider ein paar Wochen aussetzen.
Bitte betrachtet aber mein unentschuldigtes Fehlen nicht als Symptom für Unhöflichkeit!

Nun habe ich inzwischen den Text von Frau Barker gelesen.
Hm :hmm:
Ob ich alles richtig verstanden habe? :/
Ich werde jedenfalls weiter darüber nachdenken.

Sollte sie recht haben, wäre das für mich eine kleine Sensation.
Aber:
Wird das in der deutschen Fachwelt sonst gar nicht wahrgenommen?
Wird es diskutiert, widerlegt, totgeschwiegen??
Oder interessiert das hierzulande niemanden???
Welcome back!

Margaret Barker ist bislang in Deutschland einfach noch nicht bekannt genug. Ich denke, das hat nicht nur mit der üblichen Zeitverzögerung bei Übersetzungen zu tun, sondern auch damit, daß ihre Thesen dem liturgiewissenschaftlichen "Zeitgeist" entgegenstehen. Sehr populär sind ihre Gedanken besonders bei orthodoxen Christen, aber ich denke, daß auch katholische Traditionalisten viel damit anfangen können, da letztlich der Opfergedanke der Eucharistie neu aufgewertet wird.

Übrigens ist auch der Erzbischof von Canterbury ein Freund ihrer Bücher:

Rowan Williams über Margaret Barker
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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Heute habe ich mir die Mühe gemacht, den oben zitierten Auszug aus M.Bakers Arbeit zu paraphrasieren, um mir selbst (und evtl. anderen) das Verstehen der Argumentation zu erleichtern.
Aber eine leichte Ratlosigkeit bleibt bei mir doch zurück.
Sind die Argumente ausreichend?
Habe ich einen wesentlichen Gedankengang übersehen oder falsch verstanden?
Wäre auch eine Mischform denkbar (warum ließ sich der Herr nicht am Yom Qippur kreuzigen?) ?

Auf fleißiges Mitdisputieren hofft,
Clemens




Margaret Barker, Temple Themes in Christian Worship, T&T Clark, 2007.


Üblicherweise wird im Letzte Abendmahl ein Passahmahl gesehen. Die Einsetzungsworte könnten daraus abgeleitet werden und der gebrochene Leib könnte eine Anspielung auf Issak sein, dessen Beinahe-Opferung dabei auch gedacht wird.

Das eucharistische Brot könnte, gemäß einer These des orthodoxen Juden Daube, auch das Afikomen („der Kommende“) gewesen sein, falls es dieses zur Zeit Jesu bereits gab.
Damit könnte das Pauluswort 1.Kor.11,26 (Sooft ihr dieses Brot esst...) erklären.

Da aber der johanneische Ablauf der Heiligen Woche es unwahrscheinlich macht, dass es sich um ein Passahmahl handelte, müssen wir auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen.
In den Evangelien wird das eucharistische Brot als artos, nicht als azymos (ungesäuert) bezeichnet, aber das muss nicht zwangsläufig heißen, dass es gesäuertes Brot war.
Ob Jesu Wort, er habe sich danach gesehnt, das Passahmahl mit seinen Jüngern zu essen, als unerfüllter Wunsch gemeint war?
Es gab auch andere Gemeinschaftsmähler, die das Brotsymbol erklären könnten (z.B. Therapeuten oder Qumran).
Auch ein privates Freundestreffen (Joh.15,14) mit Kiddush-Zeremonie kommt in Frage.

Vielleicht stellte das eucharistische Brot auch das Sündopfer beim Großen Versöhnungstag dar, wo Fleisch und Blut getrennt behandelt wurden und das Fleisch mit saurem Wein gegessen werden musste (vgl. Barnabasbrief!).

Für den Tempeldienst musste sich jeder Priester täglich übergießen, beim Eintritt in das Heiligtum aber nochmals Hände und Füße waschen. Dazu passt Jesu Wort an Petrus bei der „Fußwaschung“.
War das eucharistische Brot ein Symbol für das wöchentlich verzehrte und erneurte Schaubrot?

Ursprünglich sprach Jesus wohl von Fleisch und Blut, nicht von Leib und Blut, wodurch das Geheimnis der Inkarnation verdeutlicht wird.
In der Didache und bei Ignatius wird das Brot verknüpft nicht mit Opfer und Versöhnung, sondern mit den weisheitlichen Motiven Leben, Weisheit und Einheit. Damit sind im hebräischen Wortfeld das Bild von einem lebendigen Leib und das Motiv der Bundeserneuerung impliziert.
Auch das Philippus-Evangelium überliefert einige wichtige Anspielungen auf die Sakramente: Taufe, Salbung, Eucharistie, Erlösung und das Brautgemach (Offb.22) und setzt sie in Beziehung zum Tempelkult!
Es parallelisiert offenbar Taufe und Tempelvorhof, Eucharistie und Heiligtum, „Brautgemach“ und Allerheiligstes.

Im Vaterunser wird um das „tägliche“ Brot gebeten. Im Zusammenhang des kommenden Gottesreiches passt gewöhnliches Brot kaum, vielmehr dürfte die Eucharistie gemeint sein.
Laut Hieronymus, der hier noch auf hebräische Traditionen zurückgreifen konnte, ist das übernatürliche Brot des kommenden (Ruhe-)Tags des Herrn gemeint.

Zwei Tempelverrichtungen waren ursprünglich auf die Hohepriester beschränkt: das Darbringen des Blutes beim Yom Qippur und das Essen der Schaubrote jeden Sabbat (z.Zt. Jesu das Recht aller Priester – nach dem Targum Onkolos das heiligste aller Opfer!). Jesus könnte sich diese Rituale angeeignet haben, um den Neuen Bund zu stiften (dieser Begriff wird auch in der Damaskusschrift von Qumran verwendet!)


.....




Seltsam auch der mittelalterliche Gründonnerstagsritus (seit 7.Jhdt. bezeugt und von Innozenz III. um 1200 ausdrücklich bestätigt) im Lateran:
der nackte Hochaltar symbolisierte nach der Entfernung der Tischplatte die Bundeslade, der Papst zelebrierte darauf alleine, indem er eine Heiligblut-Reliquie verwendete. Somit wurde am Gründonnerstag der Große Versöhnungstag nachgeahmt! Jedoch fehlte der Vorhang und der ganze Ritus fand statt im Angesicht der ganzen Gemeinde.

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Großinquisitor
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Beitrag von Großinquisitor »

Clemens hat geschrieben: Da aber der johanneische Ablauf der Heiligen Woche es unwahrscheinlich macht, dass es sich um ein Passahmahl handelte, müssen wir auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen.
In den Evangelien wird das eucharistische Brot als artos, nicht als azymos (ungesäuert) bezeichnet, aber das muss nicht zwangsläufig heißen, dass es gesäuertes Brot war.
Ob Jesu Wort, er habe sich danach gesehnt, das Passahmahl mit seinen Jüngern zu essen, als unerfüllter Wunsch gemeint war?
Daß der Verlauf der johanneischen Woche ein Paschamahl auschließe, ist ein hier häufiger geäußerter Trugschluß; Joh. 19,14 impliziert tatsächlich, daß Jesus an einem 14. Nisan gekreuzigt wurde. Daraus kann man nicht folgern, daß das letzte Abendmahl kein Passahmahl war, denn der Wortlaut der Synoptiker ist da doch zu eindeutig. Das Problem löst sich jedoch auf, wenn man einen Blick ins Alte Testament wirft. Denn die dortigen Vorschriften schreiben den Abend des 14. Nisan keineswegs streng vor. Viel wichtiger war es, daß das Passahmahl überhaupt jährlich gefeiert wurde.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Clemens hat geschrieben:So, da bin ich wieder.
Wegen übergroßen Termindrucks (und zwischendrin auch Urlaubs) musste ich leider ein paar Wochen aussetzen.
Bitte betrachtet aber mein unentschuldigtes Fehlen nicht als Symptom für Unhöflichkeit!

Nun habe ich inzwischen den Text von Frau Barker gelesen.
Hm :hmm:
Ob ich alles richtig verstanden habe? :/
Ich werde jedenfalls weiter darüber nachdenken.

Sollte sie recht haben, wäre das für mich eine kleine Sensation.
Aber:
Wird das in der deutschen Fachwelt sonst gar nicht wahrgenommen?
Wird es diskutiert, widerlegt, totgeschwiegen??
Oder interessiert das hierzulande niemanden???

Margaret Barker wird derzeit auch beim NLM thematisiert mit einer zum Teil hochinteressanten Diskussion:



Response to Margaret Barker

Link between Temple and Christian Worhsip
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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Dankeschön, sehr interessant!

Vielleicht gönne ich mir tatsächlich einmal solch ein Buch!
Lust hätte ich, Zeit weniger... schaun mer mal.

LIebe Grüße, Clemens

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Ich habe mir jetzt ein paar Bücher von ihr bestellt, danke für den Tip. Ich bin gespannt.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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