Re: Fragen zum Thema Orthodoxie
Verfasst: Samstag 7. Juni 2014, 11:12
Hat das Johannes-Evangelium die orthodoxe Theologie stärker beeinflusst als die westliche?
Grundsätzlich gilt es natürlich mit der Schöpfung verantwortungsvoll umzugehen. Es gibt in der Orthodoxie aber keine spezielle Grüne-Bewegung, falls das gemeint war. Das liegt auch einfach daran, dass die Kirche sich hauptsächlich mit dem jeweiligen Individuum beschäftigt und weniger gesellschafts-politische Bewegungen ins Leben ruft, meistens jedenfalls. Dementsprechend liegt der Fokus auf dem jeweiligen Sünder und seinem Weg zum Heil und nicht so sehr auf "Rettet die Bäume im Amazonasgebiet", auch wenn das ohne Zweifel ein berechtigtes und wichtiges Thema ist, aber eben nicht primär für die Kirche.Pilgerer hat geschrieben:Patriarch Bartholomäus I setzt sich als "grüner Patriarch" auch für Umweltschutz ein. Steht er damit allein oder wird sein Anliegen von den orthodoxen Christen und der orthodoxen Tradition geteilt?
Das hast Du sehr schön auf den Begriff gebracht! Danke!Stephanie hat geschrieben:Grundsätzlich gilt es natürlich mit der Schöpfung verantwortungsvoll umzugehen. Es gibt in der Orthodoxie aber keine spezielle Grüne-Bewegung, falls das gemeint war. Das liegt auch einfach daran, dass die Kirche sich hauptsächlich mit dem jeweiligen Individuum beschäftigt und weniger gesellschafts-politische Bewegungen ins Leben ruft, meistens jedenfalls. Dementsprechend liegt der Fokus auf dem jeweiligen Sünder und seinem Weg zum Heil und nicht so sehr auf "Rettet die Bäume im Amazonasgebiet", auch wenn das ohne Zweifel ein berechtigtes und wichtiges Thema ist, aber eben nicht primär für die Kirche.Pilgerer hat geschrieben:Patriarch Bartholomäus I setzt sich als "grüner Patriarch" auch für Umweltschutz ein. Steht er damit allein oder wird sein Anliegen von den orthodoxen Christen und der orthodoxen Tradition geteilt?
Im 1. Brief des Johannes heißt es, dass alle Ungerechtigkeit Sünde ist (5,17). Dann wäre auch ein ungerechtes Verhalten gegenüber der Natur (Schöpfung) Sünde. Doch wo beginnt diese Sünde oder Ungerechtigkeit?Stephanie hat geschrieben:Das liegt auch einfach daran, dass die Kirche sich hauptsächlich mit dem jeweiligen Individuum beschäftigt und weniger gesellschafts-politische Bewegungen ins Leben ruft, meistens jedenfalls.
Im Individuum, denn nur das kann sündigen. Das sieht die Orthodoxie genauso wie die Katholische Kirche. "Institutionalisierte Sünden" gibt es nur als Summe des Fehlverhaltens Einzelner. Siehe Mutter Teresas berühmten Satz auf die Frage, was sich in der Welt ändern müsse: "Sie und ich".Pilgerer hat geschrieben:Im 1. Brief des Johannes heißt es, dass alle Ungerechtigkeit Sünde ist (5,17). Dann wäre auch ein ungerechtes Verhalten gegenüber der Natur (Schöpfung) Sünde. Doch wo beginnt diese Sünde oder Ungerechtigkeit?Stephanie hat geschrieben:Das liegt auch einfach daran, dass die Kirche sich hauptsächlich mit dem jeweiligen Individuum beschäftigt und weniger gesellschafts-politische Bewegungen ins Leben ruft, meistens jedenfalls.
Welche Sünde des Individuums führt denn genau zu den ökologischen Problemen? Sollten die kirchlichen Prediger da klarer auf die Zusammenhänge hinweisen, auch wenn sie damit reiche Geldspender möglicherweise verärgern?taddeo hat geschrieben:Im Individuum, denn nur das kann sündigen. Das sieht die Orthodoxie genauso wie die Katholische Kirche. "Institutionalisierte Sünden" gibt es nur als Summe des Fehlverhaltens Einzelner. Siehe Mutter Teresas berühmten Satz auf die Frage, was sich in der Welt ändern müsse: "Sie und ich".Pilgerer hat geschrieben:Im 1. Brief des Johannes heißt es, dass alle Ungerechtigkeit Sünde ist (5,17). Dann wäre auch ein ungerechtes Verhalten gegenüber der Natur (Schöpfung) Sünde. Doch wo beginnt diese Sünde oder Ungerechtigkeit?Stephanie hat geschrieben:Das liegt auch einfach daran, dass die Kirche sich hauptsächlich mit dem jeweiligen Individuum beschäftigt und weniger gesellschafts-politische Bewegungen ins Leben ruft, meistens jedenfalls.
Nicht die Strukturen sind andere, sondern die (technischen) Möglichkeiten, im guten wie im schlechten.Fragesteller hat geschrieben:Naja, es ist aber doch eher nicht so, dass Menschen heute gieriger, unachtsamer, egoistischer wären als von 1000 Jahren, und dennoch sind die ökologischen Folgen dieser Verhaltenswesen deutlich gravierender als damals - weil eben die Strukturen andere sind. Dass Sünden immer individuell sind, ist schon klar. Aber es hängen anscheinend nicht alle Probleme an diesen individuellen Sünden, und es wäre zu übelegen, wie die Kirche damit umgehen kann. Vielleicht ist das aber in der Tat nicht ihrer Aufgabe.
Jesus Christus "ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. 16 Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. 17 Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. 18 Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem der Erste sei. 19 Denn es hat Gott wohlgefallen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte 20 und er durch ihn alles mit sich versöhnte, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz."
"in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig 10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist. ...
12 Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. 13 Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden."
N(!) biß(!)chen(!) viel(!) von (!)Pit hat geschrieben:Genau aus dem Grund gibt es seitens der kath. und (!) orthod. Lehre auch keine A
allgemeine (!) Absolution - ausser in wenigen Ausnahmen - weil es immer um das persönliche,individuelle Vergehen geht,deswegen kann (!) eine Bußandacht auch nicht die persönliche Beichte ersetzen.
Könnte ein derartiges biblisches Bekenntnis auch als kirchliches Glaubensbekenntnis verwendet werden?taddeo hat geschrieben:Was Du da zitierst, ist der sogenannte "Kolosser-Hymnus", der nach exegetischer Lehrmeinung selbst schon ein Zitat ist, das der Verfasser des Briefes aus der kirchlichen "Tradition" bzw. Liturgie entnommen hat. Insofern ist es naheliegend, daß solch uralte Glaubenssätze über die Liturgie auch Eingang in die Formulierung des Symbola gefunden haben.
In Stein gehauenes Zeugnis des oben gesagten ist dies hier:Pilgerer hat geschrieben:ieser Schritt vom Tod ins Leben, die Auferstehung durch den Glauben, scheint mir in der westlichen Theologie etwas unter zu gehen. Vor allem die teils von reformierten Christen vertretene Annahme, dass die gestorbenen Christen bis zur zukünftigen Apokalpyse mausetot seien, berücksichtigt diese und ähnliche Bibelstellen zu wenig.
Wann liegt so eine Ausnahme vor? Wie ist das in den orthodoxen Kirchen geregelt?Pit hat geschrieben:Genau aus dem Grund gibt es seitens der kath. und (!) orthod. Lehre auch keine A
allgemeine (!) Absolution - ausser in wenigen Ausnahmen - weil es immer um das persönliche,individuelle Vergehen geht,deswegen kann (!) eine Bußandacht auch nicht die persönliche Beichte ersetzen.
Kathpedia legt die Regeln in der katholischen Kirche dar. Zulässig ist die gleichzeitige Spendung der Lossprechung an mehrere Pönitenten ohne Sündernbekenntnis der einzelnen Empfänger nur in Todesgefahr oder wenn in einer Notlage bei einer großen Zahl von Pönitenten die Zahl der Beichtväter nicht ausreicht. Die englische Wikipedia behauptet, daß eine Notlage nach allgemeiner Ansicht gegeben ist, wenn innerhalb eines Monats nicht alle Beichtkinder zur Beichte gehen können. Der Diözesanbischof hat dazu seine Erlaubnis zu geben. Wer die Generalabsolution empfängt, ist verpflichtet zu gegebener Zeit das Sündenbekenntnis in einer Einzelbeichte nachzuholen.ad-fontes hat geschrieben:Wann liegt so eine Ausnahme vor? Wie ist das in den orthodoxen Kirchen geregelt?Pit hat geschrieben:Genau aus dem Grund gibt es seitens der kath. und (!) orthod. Lehre auch keine A
allgemeine (!) Absolution - ausser in wenigen Ausnahmen - weil es immer um das persönliche,individuelle Vergehen geht,deswegen kann (!) eine Bußandacht auch nicht die persönliche Beichte ersetzen.
Ich meinte selbstverständlich einen Prominenten, dessen Homosexualität bekannt ist.Stephanie hat geschrieben:Die Frage ist ein wenig merkwürdig.
Theoretisch erkennt man einem Menschen seine sexuellen Vorlieben nicht an, es sei denn, er verwendet sie, um sie in die Welt hinauszuposaunen und irgendwelche politischen oder gesellschaftlichen Ziele umzusetzen. Und hierfür ist die Antwort ziemlich klar: Ausgelebte homosexuelle Neigung ist Sünde (genauso wie viele andere Dinge). Du wirst also von kirchlicher Seite keine Zustimmung zur Segnung von homosexuellen Verbindungen finden. Und die Mehrheit der Gläubigen dürfte das ähnlich sehen. Es ist aber grundsätzlich nie möglich eine Aussage über die Meinung eines jeden einzelnen Gläubigen zu treffen. (Allerdings ist mir noch niemand begegnet, der dergleichen propagiert hätte, andererseits ist das jetzt auch nicht unbedingt ein Thema, das groß diskutiert wird.) Was es nicht gibt (jedenfalls ist mir nichts dergleichen bekannt), sind irgendwelche Strömungen in der Kirche, die für eine Segnung einer solchen Verbindung eintreten.
Für mich gesprochen: Ich bekomme selbstverständlich keinen Herzinfarkt, wenn ich auf homosexuelle Menschen treffe. Ein Arbeitskollege von mir ist bekennender Homosexueller und ich bin weder schreiend davon gelaufen noch weigere ich mich mit ihm essen zu gehen, zu lachen oder auch zu streiten.
Meine Zustimmung hat er dennoch nicht, hätte aber der bekennende ehebrechende Kollege auch nicht.
Sorry, dazu weiß ich leider nichts. Mir ist keiner bekannt, vielleicht kann dir jemand von meinen Geschwistern diesbezüglich etwas sagen. Homosexuelle Prominente, die in orthodoxen Ländern leben, gibt es ohne Zweifel genügend, aber ich wüsste keinen, der sich explizit dann mit der Kirche in Verbindung bringen würde. Vermutlich hätte er es dann auch sehr schwer.Alt-Katholik hat geschrieben:Ich meinte selbstverständlich einen Prominenten, dessen Homosexualität bekannt ist.
Laienströmungen sind nicht so das Ding der Orthodoxie, um das jetzt mal umgangssprachlich zu formulieren. Diese Neigung 1 Vereine zu gründen, ist dort eher fremd. Das hat vermutlich einerseits kulturelle Hintergründe - d.h. die Herkunftsländer haben ein andere Vorstellung/Tradition von Gesellschaft als bei uns - zum anderen liegt es auch sicherlich in der Orthodoxie und dem Glaubensleben begründet. Bei uns ist die Gemeinde zentral, für den Gottesdienst, für die Beichte, für gemeinsame Feiern, für unseren gemeinsamen Weg zu Gott. Für uns ist der Priester in der Regel auch der geistliche Vater, mit ihm wird das Leben, die Probleme, wasauchimmer besprochen. Alleingänge sind in der Orthodoxie nicht üblich und ohne den Segen des Priesters unternimmt man ohnehin nichts. Die Vorstellung, wir haben eine andere Meinung als die Kirche und die werden wir jetzt durchsetzen, gibt es so tatsächlich nicht. Frauenordination ist eigentlich auch kein großes Thema. Ich habe bislang noch keine orthodoxe Frau getroffen, die diesbezügliche Interessen vertrat und selbst in den orthodoxen Gemeinden der USA scheint dies kein Thema zu sein.Alt-Katholik hat geschrieben:Also gibt es weder liberale (Laien)strömungen innerhalb der Orthodoxie (wie z.B. "Wir sind Kirche" bei den Römern) noch irgendein Geistlicher, egal ob Bischof, Priester, Diakon, der sich positiv darüber geäußert hat? Die gleiche Frage stelle ich auch in Bezug zur Frauenordination.
Natürlich gibt es auch bei uns Streitereien. Es gibt z.B. die sogenannten Altkalendarier. Oft sind die Unterschiede auch durch die Herkunftsländer bedingt. D.h. dass die Serben vielleicht zu bestimmten Dingen eine andere Haltung haben als die Russen, oder so. Das betrifft in der Regel aber nicht solche grundlegenden Themen wie Sexualität, sondern Fragen zum Brauchtum oder wie häufig gebeichtet werden muss vor der Kommunion usw.Alt-Katholik hat geschrieben:Ist die Orthodoxie ein geschlossener Block was das Ganze angeht oder gibt es auch Ortskirchen die liberaler, moderater, konservativer sind als andere?
Die Orthodoxie erklärt überhaupt nix dem Rest der Welt. Warum auch? Du denkst entschieden zu römisch! Wer sollte denn da sprechen? Wir haben kein Oberhaupt, dass für DIE Orthodoxie sprechen könnte! Das betrifft die jeweiligen orthodoxen Christen, ihre jeweiligen Gemeinden und Priester, bzw. bei den Geistlichen die Bischöfe. Ich kann als einzelner Gläubiger dazu eine Meinung haben, mein Bischof kann dazu als Christ eine Meinung haben, oder, wenn es einen Priester seines Bistums betrifft, dann kann und wird er ggf. ihn zum Gespräch einladen. Das wird aber nicht gesellschaftlich thematisiert, sondern dann wohl eher intern. Es gibt kein übergeordnetes Lehramt.Alt-Katholik hat geschrieben:Wie erklärt sich die Orthodoxie gegenüber dem Rest der Welt, wenn es darum geht, dass einige orthodoxe Christen (darunter auch Geistliche) Seite an Seite mit Rechtsextremen "gegen" Homosexuelle demonstrieren? Fallen da die Schranken nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund"?
Martin Luther spielt für die Orthodoxie keine Rolle, er ist quasi ein römisches Problem. Warum sollten wir uns mit den Anliegen der Reformation befassen? Sie betreffen uns nicht.Alt-Katholik hat geschrieben:Was denken Orthodoxe über Martin Luther? Ist er dort überhaupt großartig bekannt bzw. inwiefern befasst sich die Orthodoxie im Allgemeinen mit der Reformation (und deren Anliegen)? Kann man einen Konsens ausmachen, der im orthodoxen Klerus vorherrscht?
Danke im Voraus für die Antworten!
Der orthodoxe Theologe Thomas Hopko fasste es einmal so zusammen:Alt-Katholik hat geschrieben:Was denken Orthodoxe über Martin Luther? Ist er dort überhaupt großartig bekannt bzw. inwiefern befasst sich die Orthodoxie im Allgemeinen mit der Reformation (und deren Anliegen)? Kann man einen Konsens ausmachen, der im orthodoxen Klerus vorherrscht?
Danke im Voraus für die Antworten!
Ich bin altkatholisch, aber ich vermute mal, dass du "römisch" auch als synonym für "westlich" nützt, dann stimmt's.Stephanie hat geschrieben:Die Orthodoxie erklärt überhaupt nix dem Rest der Welt. Warum auch? Du denkst entschieden zu römisch! Wer sollte denn da sprechen? Wir haben kein Oberhaupt, dass für DIE Orthodoxie sprechen könnte! Das betrifft die jeweiligen orthodoxen Christen, ihre jeweiligen Gemeinden und Priester, bzw. bei den Geistlichen die Bischöfe. Ich kann als einzelner Gläubiger dazu eine Meinung haben, mein Bischof kann dazu als Christ eine Meinung haben, oder, wenn es einen Priester seines Bistums betrifft, dann kann und wird er ggf. ihn zum Gespräch einladen. Das wird aber nicht gesellschaftlich thematisiert, sondern dann wohl eher intern. Es gibt kein übergeordnetes Lehramt.
Anselmus hat geschrieben:Zur Sache mit Martin Luther:
Wenn es Dich interessiert und Du gut genug der englischen Sprache mächtig bist: Am Sonntag Nacht kommt auf Ancientfaith-Radio eine Sendung zum Thema des Kontaktes der Reformer mit der Orthodoxie. Diese Sendung ist dann Montags als Podcast zum Download vorhanden.
http://www.ancientfaith.com/podcasts/aftoday
Das verstehe ich nicht ganz.Mary hat geschrieben:
Obwohl Luther wichtige Impulse in der Westkirche gab - bsp sein Einsatz gegen Ablassmissbrauch - ging seine Reformation nach orthodoxer Sicht nicht weit genug... bsp Erlösung als Satisfaktion gesehen.