Latinisierungen

Ostkirchliche Themen.
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Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

Da der Uniatenstrang gesperrt ist, hier als eigenes Thema:
Worin genau bestanden die Latinisierungen, die im Ritus und im kirchlichen Leben der unierten Kirchen vorgenommen wurden?

Germanus
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Germanus »

Weil ich gerade über diese Frage stolpere und es konkret wird: Es gibt eine dt. Ausgabe des Großen Bußkanon des hl. Andreas von Kreta der österreichischen unierten Griechisch-Katholischen, wo im Vorwort geschrieben steht, dass man diesen Kanon am Aschermittwoch und den darauffolgenden zwei Tagen singt. Das ist z.B. eine Latinisierung, denn die Große Fastenzeit beginnt am Montag vor dem ersten Fastensonntag, an welchem auch der Bußkanon begonnen wird. Einen Aschermittwoch gibt es orthodox-byzantinischerseits nicht.
Gruß G.
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

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Protasius
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Protasius »

Ich habe mal gelesen, daß zu diesen Latinisierungen auch Segensandachten vor ausgesetztem Allerheiligsten gehörten. Die eucharistische Frömmigkeit der Ostkirchen kennt ja eigentlich keine Monstranz, wenn ich da recht informiert bin. Und ich meine gehört zu haben, daß die Stephanoi der Bischöfe und Erzpriester teilweise durch Mitren ersetzt wurden.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Re: Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?

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Florianklaus
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Florianklaus »

Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Wieso sollte das ein Knackpunkt sein? Die Gültigkeit der orthodoxen Eucharistie wird doch von niemandem bestritten.

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Re: Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

Florianklaus hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Wieso sollte das ein Knackpunkt sein? Die Gültigkeit der orthodoxen Eucharistie wird doch von niemandem bestritten.
Weil es möglicherweise nicht ganz konsistent ist oder jedenfalls u. U. als nicht ganz konsistent verstanden werden kann, einerseits eine Konsekration kraft und im Moment der Einsetzungsworte anzunehmen, andererseits erst nach den Einsetzungsworten um die Heiligung und Wandlung durch den Heiligen Geist zu bitten. Das ist keine Frage der Gültigkeit. (Vielleicht lässt sich das theologisch irgendwie harmonisieren, aber wenn man schon beim Latinisieren ist, verzichtet man vielleicht auf die Suche nach einer solchen Harmonisierung und passt gleich den Text an.)

Mary
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Mary »

Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Gibt es denn irgendwo den Wortlaut des Hochgebets in den unierten Kirchen? Damit könnte man den Abgleich machen.... kennst Du was?
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

Mary hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Gibt es denn irgendwo den Wortlaut des Hochgebets in den unierten Kirchen? Damit könnte man den Abgleich machen.... kennst Du was?
Die Latinisierungen wurden im 20. Jh. rückgängig gemacht. Die gegenwärtige Fassung gibt es im Internet,* und da scheint es außer der Kommemoration des Papstes keinen Unterschied zu geben, aber das sagt eben über die latinisierte Zeit nichts aus.

*http://www.ukrainische-kirche.at/eunet_ ... rgieDE.pdf, Hochgebet ab S. 38

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Florianklaus
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Florianklaus »

Es gibt es ein uniertes Pendant der Piusbruderschaft für die Unierten, ihr Patron ist der hl. Josaphat: http://www.saintjosaphat.org. Diese sollen die liturgischen Latinisierungen weiter gebrauchen. Vielleicht läßt sich darüber etwas herausfinden.
Zuletzt geändert von Florianklaus am Montag 3. März 2014, 18:23, insgesamt 1-mal geändert.

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taddeo
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Re: Latinisierungen

Beitrag von taddeo »

Was man in gewissem Sinne als "Latinisierung" bezeichnen könnte, wäre zB auch der CCEO (Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium), das kirchliche Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen. Da steht etliches drin, was den Ostkirchen bisher ihrer Geschichte nach fremd war (zB der größte Teil des Eherechts, das jetzt weitgehend mit dem römischen identisch ist). Liegt aber natürlich auch daran, daß manches dadurch überhaupt erstmals kodifiziert wurde, was bisher in allen möglichen einzelnen Rechtsordnungen zerfieselt und daher kaum überschaubar war. Nicht jede Anleihe von der lateinischen Kirche muß von vornherein schlecht sein, wenn dadurch tatsächlich vorhandene Defizite ausgeglichen werden; man kann da auch nicht immer gleich von "Latinisierung" sprechen, denke ich.
Wo solche Defizite NICHT vorhanden sind wie etwa in den liturgischen Riten, schaut das natürlich ganz anders aus, da wäre jegliche "Latinisierung" völlig fehl am Platz.

Kilianus
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Kilianus »

Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Daß es eine Gabenepiklese vor den Einsetzungsworten geben müsse, muß im Bereich des römischen Ritus eine recht junge Vorstellung sein. Ich weiß nicht, wann sie aufgekommen ist. Aber wirklich manifestiert hat sie sich ja erst in den neuen Hochgebeten der Liturgiereform - und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem man die Latinisierungen als Irrweg erkannt hatte. Von daher wäre ich überrascht, wenn sie sich auf die Riten der Unierten ausgewirkt hätte.

Als eine neuere Form der Latinisierung würde ich allerdings die Verbreitung der Zelebration versus populum (wie mir scheint, vor allem bei den unierten Altorientalen) einstufen.

Ralf

Re: Latinisierungen

Beitrag von Ralf »

Kilianus hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Daß es eine Gabenepiklese vor den Einsetzungsworten geben müsse, muß im Bereich des römischen Ritus eine recht junge Vorstellung sein. Ich weiß nicht, wann sie aufgekommen ist.
Ich glaube in Rom seit dem 5. Jahrhundert (hat Robert irgendwann mal ausgegraben wann genau).

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Re: Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

Florianklaus hat geschrieben:Es gibt es ein uniertes Pendant der Piusbruderschaft für die Unierten, ihr Patron ist der hl. Josaphat: http://www.saintjosaphat.org. Diese sollen die liturgischen Latinisierungen weiter gebrauchen. Vielleicht läßt sich darüber etwas herausfinden.
Gute Idee! Ich geh dem mal nach.
taddeo hat geschrieben:Was man in gewissem Sinne als "Latinisierung" bezeichnen könnte, wäre zB auch der CCEO (Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium), das kirchliche Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen.
Was galt in den katholischen Ostkirchen vor 199? Das römische CIC? Oder gab es da eine solche Sammlung gar nicht?
taddeo hat geschrieben: Wo solche Defizite NICHT vorhanden sind wie etwa in den liturgischen Riten, schaut das natürlich ganz anders aus, da wäre jegliche "Latinisierung" völlig fehl am Platz.
Genau da gab es sie aber zeitweise, und darauf zielte meine Frage ab.
Ralf hat geschrieben:
Kilianus hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Daß es eine Gabenepiklese vor den Einsetzungsworten geben müsse, muß im Bereich des römischen Ritus eine recht junge Vorstellung sein. Ich weiß nicht, wann sie aufgekommen ist.
Ich glaube in Rom seit dem 5. Jahrhundert (hat Robert irgendwann mal ausgegraben wann genau).
Das ist belegt bei Ambrosius, De Sacramentis oder De Mysteriis oder beides (gut, Ambrosius ist nicht eigentlich römisch, aber vom Wortlaut des Hochgebets her schon ziemlich).

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ad-fontes
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Re: Latinisierungen

Beitrag von ad-fontes »

Ralf hat geschrieben:
Kilianus hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Daß es eine Gabenepiklese vor den Einsetzungsworten geben müsse, muß im Bereich des römischen Ritus eine recht junge Vorstellung sein. Ich weiß nicht, wann sie aufgekommen ist.
Ich glaube in Rom seit dem 5. Jahrhundert (hat Robert irgendwann mal ausgegraben wann genau).
Es gibt keine Gabenepiklese vor dem EB. Antiochenische und römisch-alexandrinische Tradition unterscheiden sich darin, daß der EB jeweils unterschiedlich plaziert ist: bei jenem im anamnetischen, bei diesem im epikletischen Teil des Darbringungsgebetes.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Re: Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

ad-fontes hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:
Kilianus hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:"Knackpunkt" müsste ja eigentlich das eucharistische Hochgebet (Epiklese nach den Einsetzungsworten) sein. Gab es da Änderungen?
Daß es eine Gabenepiklese vor den Einsetzungsworten geben müsse, muß im Bereich des römischen Ritus eine recht junge Vorstellung sein. Ich weiß nicht, wann sie aufgekommen ist.
Ich glaube in Rom seit dem 5. Jahrhundert (hat Robert irgendwann mal ausgegraben wann genau).
Es gibt keine Gabenepiklese vor dem EB. Antiochenische und römisch-alexandrinische Tradition unterscheiden sich darin, daß der EB jeweils unterschiedlich plaziert ist: bei jenem im anamnetischen, bei diesem im epikletischen Teil des Darbringungsgebetes.
Und wo verortest Du den epikletischen Teil im römischen Kanon (die Deutung " EB nach Epiklese" scheint ihn im "Quam oblationem" zu verorten)?

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ad-fontes
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Re: Latinisierungen

Beitrag von ad-fontes »

Fragesteller hat geschrieben:Und wo verortest Du den epikletischen Teil im römischen Kanon (die Deutung " EB nach Epiklese" scheint ihn im "Quam oblationem" zu verorten)?
Zwischen Te igitur und Per ipsum.

Also, der "Canon" (als sekundäre, aber weithin übliche Bezeichnung für den Teil, der dem Sanctus folgt) ist der epikletische Teil der canonica prex, des canon [*gratiarum] actionis, in den der Einsetzungsbericht integriert ist, während er in den antiochenisch-orientalischen Hochgebeten (ebenso in der Anaphora der TA, "Hippolyt") in den anamnetischen Teil integriert ist oder anders formuliert: die Anamnese dort in den EB mündet.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Siard
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Siard »

Eine verbreitete Form der Latinisierung, die inzwischen (fast?) nicht mehr existiert, war die Einführung des Zölibats.

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Re: Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

ad-fontes hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Und wo verortest Du den epikletischen Teil im römischen Kanon (die Deutung " EB nach Epiklese" scheint ihn im "Quam oblationem" zu verorten)?
Zwischen Te igitur und Per ipsum.

Also, der "Canon" (als sekundäre, aber weithin übliche Bezeichnung für den Teil, der dem Sanctus folgt) ist der epikletische Teil der canonica prex, des canon [*gratiarum] actionis, in den der Einsetzungsbericht integriert ist, während er in den antiochenisch-orientalischen Hochgebeten (ebenso in der Anaphora der TA, "Hippolyt") in den anamnetischen Teil integriert ist oder anders formuliert: die Anamnese dort in den EB mündet.
D. h. Du würdest die östliche Parallele zum anamnetischen "Unde et memores" der Römer in dem heilsgeschichtlichen Bericht vor den Einsetzungsworten verorten? Was spricht dafür? Wenn man das Hochgebet der Chrysostomusliturgie und den römischen Kanon gegenüberstellt, käme mir es plausibler vor, die östliche Parallele zu diesem Stück in der Aufzählung einzelner heilsgeschichtlicher Ereignisse nach dem Einsetzungsbericht zu verorten, die ebenfalls in der Wir-Form von dem Gedenkhandeln der Kirche spricht, um dann auf ihr Opferhandeln zu kommen. Dann hätten beide Hochgebete eine ähnliche Struktur, und die unterschiedliche Stellung der Epiklese fällt noch mehr auf.

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Florianklaus
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Re: Latinisierungen

Beitrag von Florianklaus »

Siard hat geschrieben:Eine verbreitete Form der Latinisierung, die inzwischen (fast?) nicht mehr existiert, war die Einführung des Zölibats.
Das hat übrigens dazu geführt, daß die unierten Ruthenen in Nordamerika zu großen Teilen 1936 orthodox geworden sind und sich dem Patriarchen von Konstantinopel unterstellt haben.

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ad-fontes
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Re: Latinisierungen

Beitrag von ad-fontes »

Fragesteller hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Und wo verortest Du den epikletischen Teil im römischen Kanon (die Deutung " EB nach Epiklese" scheint ihn im "Quam oblationem" zu verorten)?
Zwischen Te igitur und Per ipsum.

Also, der "Canon" (als sekundäre, aber weithin übliche Bezeichnung für den Teil, der dem Sanctus folgt) ist der epikletische Teil der canonica prex, des canon [*gratiarum] actionis, in den der Einsetzungsbericht integriert ist, während er in den antiochenisch-orientalischen Hochgebeten (ebenso in der Anaphora der TA, "Hippolyt") in den anamnetischen Teil integriert ist oder anders formuliert: die Anamnese dort in den EB mündet.
D. h. Du würdest die östliche Parallele zum anamnetischen "Unde et memores" der Römer in dem heilsgeschichtlichen Bericht vor den Einsetzungsworten verorten? Was spricht dafür? Wenn man das Hochgebet der Chrysostomusliturgie und den römischen Kanon gegenüberstellt, käme mir es plausibler vor, die östliche Parallele zu diesem Stück in der Aufzählung einzelner heilsgeschichtlicher Ereignisse nach dem Einsetzungsbericht zu verorten, die ebenfalls in der Wir-Form von dem Gedenkhandeln der Kirche spricht, um dann auf ihr Opferhandeln zu kommen. Dann hätten beide Hochgebete eine ähnliche Struktur, und die unterschiedliche Stellung der Epiklese fällt noch mehr auf.
Ich hatte mich mißverständlich ausgedrückt.

Die spezielle Anamnese folgt in der Tat in ALLEN Liturgien dem Einsetzungsbericht und ist i.d.R. (sieht man von einigen gallikanischen und mozarabischen Formularen ab) mit der oblatio (offerimus) grammatikalisch verknüpft.

Darauf folgt in allen Liturgien die - ich möchte jetzt sagen - 'spezielle' (explizite) Epiklese, sei sie anabatisch, wie die römische (Supplices), sei sie katabatisch, wie die meisten orientalischen Anaphoren sie bieten.

Dennoch gibt es einen gewichtigen Unterschied in der Struktur dahingegend, dass in der ägyptischen und römischen Tradition, bereits vor dem EB um Annahme der Gaben gebetet wird (ebenso Interzessionen), während die antiochenischen Eucharistiegebete nach dem Sanctus mit der Danksagung/dem Lobpreis fortfahren. Dieser ist anamnetisch (im allgemeinen Sinn).

Dieser scheinbare Gegensatz im Aufbau der Anaphoren relativiert sich nach meinen bescheidenen Erkenntnissen dadurch, wenn man sieht, daß der EB in den beiden Traditionen jeweils einen anderen Platz einnimmt. In der antiochenischen Tradition am Ende des anamnetischen Teils, in der röm. und ägyptischen Tradition im epikletischen Teil, also der Teil, in dem um die Annahme der Gaben gebeten wird (und der beginnt im Canon Romanus mit Te igitur). Man könnte es auch anders formulieren: der epikletische Teil des Eucharistiegebetes ist im Canon Romanus verdoppelt/gespiegelt: vor und nach dem EB. Entscheidend sind aber nach meinem Dafürhalten (in der Überzeugung, die altkirchlich-orthodoxe Sichtweise zu vertreten), daß auf den Dank die Bitte folgt und erst nach dem Aussprechen dieser Bitte (nach dem EB) die Wandlung als abgeschlossen betrachtet werden kann.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Re: Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

Danke, jetzt verstehe ich (vielleicht) etwas besser. Aber:
ad-fontes hat geschrieben:nach dem Aussprechen dieser Bitte (nach dem EB)
Sind diese beiden Formulierungen gleichbedeutend gemeint oder soll der Klammerzusatz die Bitte lokalisieren?

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Re: Latinisierungen

Beitrag von Fragesteller »

Fragesteller hat geschrieben:
Florianklaus hat geschrieben:Es gibt es ein uniertes Pendant der Piusbruderschaft für die Unierten, ihr Patron ist der hl. Josaphat: http://www.saintjosaphat.org. Diese sollen die liturgischen Latinisierungen weiter gebrauchen. Vielleicht läßt sich darüber etwas herausfinden.
Gute Idee! Ich geh dem mal nach.
Die Josaphatbrüder beantworten die Email nicht. Werdne wohl auch andere Sorgen haben ...

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ad-fontes
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Re: Latinisierungen

Beitrag von ad-fontes »

Fragesteller hat geschrieben:Danke, jetzt verstehe ich (vielleicht) etwas besser. Aber:
ad-fontes hat geschrieben:nach dem Aussprechen dieser Bitte (nach dem EB)
Sind diese beiden Formulierungen gleichbedeutend gemeint oder soll der Klammerzusatz die Bitte lokalisieren?
Letzteres.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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