Hier aus der Sozialdoktrin der russ. orth. Kirche zum Thema (hat offiziellen Charakter und ist nicht nur eine Empfehlung):
XII.3.
Eine religiös-sittliche Beurteilung muß auch die Frage der
Empfängnisverhütung erfahren. Einige kontrazeptive Mittel besitzen eine praktisch
abortive Wirkung, die bereits in den frühesten Stadien das Leben des Embryos
künstlich beendet, weshalb diese Mittel dem für die Abtreibung geltenden Urteil
unterliegen. Andere Mittel, die nicht mit dem Abbruch bereits beginnenden
Lebens verknüpft sind, dürfen keineswegs einer Abtreibung gleichgestellt werden.
Bei Begründung ihrer Haltung zu den nichtabortiven
Empfängnisverhütungsmitteln lassen sich die christlichen Ehegatten von der
Überzeugung leiten, daß die Weitergabe des menschlichen Lebens eines der
Hauptziele des durch Gott gestifteten Ehebundes ist (vgl. X.4). Der bewußte
Verzicht auf Kinder aus egoistischen Erwägungen entwertet die Ehe und ist eine
unbestreitbare Sünde.
Interessant ist auch der folgende Abschnitt:
74
Gleichzeitig sind die Eltern auch vor Gott für die vollwertige Erziehung der Kinder
verantwortlich. Ein verantwortungsbewußtes Verhältnis zur Geburt von Kindern
wird u.a. auch durch eine zeitweilige Enthaltung bezeugt. Allerdings sind ebenso
die Worte des Apostels Paulus an die christlichen Ehegatten im Gedächtnis zu
bewahren: „Entzieht euch einander nicht, außer im gegenseitigen Einverständnis
und nur eine Zeitlang, um für das Gebet frei zu sein. Dann kommt wieder
zusammen, damit euch der Satan nicht in Versuchung führt, wenn ihr euch nicht
enthalten könnt“ (1 Kor 7.5). Es ist selbstverständlich, daß die diesbezüglichen
Entscheidungen von den Ehegatten in gegenseitigem Einvernehmen und unter
Hinzuziehung des Rates eines Geistlichen getroffen werden müssen. Letzterer hat
in jedem Einzelfall mit pastoraler Wachsamkeit die Lebensbedingungen des
Ehepaars, ihr Alter, ihre Gesundheit, die Stufe ihrer geistigen Reife sowie eine
Anzahl weiterer zusätzlicher Umstände in Erwägung zu ziehen, wobei auch eine
Unterscheidung zwischen jenen, die die hohen Anforderungen der Enthaltsamkeit
zu „erfassen“ imstande sind und jenen, denen es nicht „gegeben ist“ (Mt 19.11), zu
treffen und gleichzeitig für die Erhaltung und Festigung der Familie Sorge zu
tragen ist.
Der Heilige Synod der Russisch-Orthodoxen Kirche verwies in seinem Beschlußpapier
vom 28.10.1998 die Priester, die einen geistlichen Dienst versehen, auf die
„Unzulässigkeit des Zwangs oder der Nötigung der Kinder der Kirche, gegen ihren
Willen (...) auf eine eheliche Beziehung innerhalb der Ehe zu verzichten“, und erinnerte
die Seelsorger nachdrücklich daran, „bei der Besprechung von Fragen, die Aspekte des
Ehe- und Familienlebens der Kinder der Kirche berühren, besondere Keuschheit wie
auch seelsorgliche Wachsamkeit zu zeigen“.
In diesem Kontext muss - leider Gottes - auch über die Abtreibung geredet werden, da in vielen Fällen sich beides überschneidet und auch darüber in diesem Strang diskutiert wurde:
XII.2.
Seit alters her bezeichnet die Kirche den vorsätzlichen
Schwangerschaftsabbruch (Abtreibung) als schwere Sünde. Die kanonischen
Regeln setzen die Abtreibung mit Mord gleich. Dieser Beurteilung liegt die
Überzeugung zugrunde, daß das keimende menschliche Leben ein Geschenk Gottes ist,
mithin stellt jeder Eingriff in das Leben der künftigen menschlichen Persönlichkeit eine
verbrecherische Tat dar.
Der Psalmist beschreibt die Entwicklung der Frucht im Mutterleib als einen
schöpferischen Akt Gottes: „Denn du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im
Schoß meiner Mutter. (...) Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den
Tiefen der Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen, Deine Augen sahen, wie ich
entstand“ (Ps 139.13, 15-16 / Original: 138.13, 15-16). Das gleiche bezeugt Ijob in
seinen an Gott gerichteten Worten: „Deine Hände haben mich gebildet. (...) Hast du
mich nicht ausgegossen wie Milch, wie Käse mich gerinnen lassen? Mit Haut und
Fleisch hast du mich umkleidet, mit Knochen und Sehnen mich durchflochten. Leben
und Huld hast du mir verliehen, deine Obhut schützte meinen Geist. (...) (Du) ließest
(...) mich aus dem Mutterschoß kommen“ (Ijob 10.8-12, 18). „Noch ehe ich dich im
Mutterleib formte (...), noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich
geheiligt“ (Jer 1.5-6), sprach der Herr zum Propheten Jeremia. „Töte das Kirid nicht,
verursache keine Fehlgeburt“ – dieses Gebot reiht sich unter den wichtigsten Geboten
Gottes in die „Lehre der zwölf Apostel“ ein, einer der ältesten christlichen Schriften.
„Die Frau, die eine Fehlgeburt verursacht, ist Mörderin und muß Rechenschaft ablegen
vor Gott. Weil (...) die Frucht im Leib ein lebendiges Wesen ist, ein Abbild Gottes“,
schrieb Athenagoras, der Apologet des 2. Jahrhunderts. „Wer ein Mensch werden wird,
ist bereits ein Mensch“, bekräftigte Tertullian an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert.
„Diejenige, die die Frucht im Leibe vorsätzlich tötet, unterliegt der Verurteilung wegen
Mordes (...). Diejenigen, die medizinische Mittel für die Vernichtung der Frucht im
Leibe reichen, sind wie Mörder zu bestrafen, desgleichen diejenigen, die kindstötendes
Gift einnehmen“, steht in der 2. und 8. Regel des hl. Basilius des Großen, die in das
Buch der Regeln der Orthodoxen Kirche aufgenommen und durch die 91. Regel des VI.
Ökumenischen Konzils bestätigt worden ist. In diesem Zusammenhang betont Basilius,
daß die Schwere der Schuld unabhängig von der Dauer der Schwangerschaft ist. „Wir
treffen keine Unterscheidung zwischen der ausgebildeten und der sich noch in
Ausbildung befindenden Frucht.“ Der hl. Johannes Chrysostomus bezeichnete jene, die
eine Abtreibung vornehmen, als die „Bösesten, wenn nicht Mörder“.
Nach Beurteilung der Kirche, ist in der weiten Verbreitung und Rechtfertigung der
Abtreibung in der modernen Gesellschaft eine Bedrohung für die Zukunft der
Menschheit und ein unbestreitbares Zeugnis des moralischen Verfalls zu sehen. Die
Treue zu der von der Bibel und den Heiligen Vätern überlieferten Lehre über die
Heiligkeit und Kostbarkeit des menschlichen Lebens ist mit einer Anerkennung der
„Freiheit der Wahl“ der Frau in der Verfügung über das Schicksal der Leibesfrucht
grundsätzlich unvereinbar. Darüber hinaus stellt die Abtreibung eine ernstzunehmende
Gefahr für die physische und seelische Gesundheit der Mutter dar. Die Kirche ist sich
stets ihrer Pflicht bewußt, sich für die Verteidigung der verletzlichsten und abhängigsten
menschlichen Wesen – der ungeborenen Kinder – einzusetzen. Unter keinen Umständen
kann die Orthodoxe Kirche der Durchführung einer Abtreibung den Segen erteilen.
73
Ohne die Frauen, die eine Abtreibung vorgenommen haben, zu verwerfen, ruft die
Kirche sie zu Reue und Überwindung der unseligen Folgen ihrer Sünde durch Gebet,
zur Kirchenbuße sowie der daran anschließenden Teilnahme an den erlösenden
Sakramenten auf.
In Fällen, in denen das Leben der Frau durch die Fortführung
der Schwangerschaft unmittelbar bedroht ist, im besonderen dann, wenn sie
bereits Kinder zur Welt gebracht hat, wird in der pastoralen Praxis zu Nachsicht
geraten. Der Frau, die angesichts derartiger Umstände die Schwangerschaft
abgebrochen hat, wird die eucharistische Gemeinschaft mit der Kirche nicht
versagt, diese Gemeinschaft wird jedoch nur unter der Bedingung gewährt, daß
die Frau der von ihrem Beichtvater bestimmten persönlichen Bußgebetsregel
Folge leistet. Der Kampf gegen die Abtreibung, zu der sich die Frauen unter dem Druck
äußerster materieller Not und Hilflosigkeit entschließen, fordert von der Kirche wie der
Gesellschaft die Ausarbeitung tatkräftiger Maßnahmen zum Schutz der Mutterschaft,
ebenso von Adoptionsbedingungen zugunsten der Kinder, deren Mütter sie aus
irgendeinem Grund nicht selbständig erziehen können.
Die Verantwortung für die Sünde der Tötung des ungeborenen Kindes trägt neben der
Frau auch der Vater, wenn die Abtreibung mit seiner Einwilligung durchgeführt worden
ist. Sollte die Abtreibung durch die Frau ohne das Einverständnis des Mannes
vorgenommen worden sein, kann dies als Scheidungsgrund geltend gemacht werden
(vgl. X.3). Der Arzt, der die Abtreibung durchgeführt hat, lädt im gleichen Maße Sünde
auf sich. Die Kirche fordert den Staat auf, das Recht der medizinisch Tätigen auf
Verweigerung einer Abtreibung aus Gewissensgründen zu respektieren. Eine
Rechtslage, die die rechtliche Verantwortung des Arztes für den Tod der Frau
unvergleichlich höher setzt als die Verantwortung für die Zerstörung des ungeborenen
Lebens – und die somit Ärzte wie Patienten zu einer Abtreibung nahezu herausfordert –,
darf nicht als selbstverständlich erachtet werden. Der Arzt soll bei der Diagnostizierung,
die unter Umständen eine Entscheidung zugunsten des Schwangerschaftsabbruchs nach
sich zieht, mit höchster Gewissenhaftigkeit vorgehen, wobei der gläubige Arzt
verpflichtet ist, den medizinischen Befund einerseits und die Gebote des christlichen
Gewissens andererseits prüfend gegeneinander abzuwägen.
Zum Schluss noch Verlautbarungen zur künstlichen Befruchtung (alle drei Themenbereiche ergänzen sich und werden oft von 1 Person auch in verschieden Stadien angewendet.):
XII.4.
Die Anwendung neuer biomedizinischer Methoden hilft in vielen Fällen, das
Leiden der Unfruchtbarkeit zu überwinden. Zugleich beeinträchtigt die Zunahme der
technologischen Eingriffe in den Prozeß des Aufkeimens des menschlichen Lebens die
geistige Integrität und physische Gesundheit der Person. Im gleichen Maße sind die –
von alters her grundlegenden – zwischenmenschlichen Beziehungen gefährdet.
Mit der Entwicklung der erwähnten Technologien geht die auf nationaler und internationaler Ebene betriebene Verbreitung der Ideologie sogenannter Reproduktionsrechte einher. Diese Weltanschauung behauptet eine Priorität der geschlechtlichen und
sozialen Selbstverwirklichung der Person gegenüber der Sorge um die Zukunft des
Kindes, um die geistige und physische Gesundheit der Gesellschaft und deren
moralischen Zustand. Allmählich bahnt sich eine weltweite Sichtweise des
menschlichen Lebens an, der zufolge es als ein Produkt gilt, das nach persönlichen
Präferenzen auswählbar ist und über das verfügt werden kann gleich sonstigen
materiellen Gegenständen.
In den Trauungsgottesdiensten bringt die Orthodoxe Kirche ihr Vertrauen darauf zum
Ausdruck, daß das Aufziehen von Kindern, wohl wünschenswerte Frucht der
gesetzlichen Ehe, nicht deren einziges Ziel ist. Neben der „Frucht des Leibes“ erbitten
die Eheleute die Gaben der unvergänglichen gegenseitigen Liebe, der Keuschheit sowie der „Einstimmigkeit von Seele und Körper“.
Deshalb kann die Kirche Wege zur
Elternschaft, die mit dem Ratschluß des Schöpfers allen Lebens unvereinbar sind,
nicht als moralisch gerechtfertigt akzeptieren. Falls der Mann oder die Frau
unfruchtbar ist und die therapeutischen und chirurgischen Methoden der Heilung
von Infertilität keine Abhilfe geschafft haben, so sollen sie ihre Kinderlosigkeit in
Demut als eine besondere Berufung für ihr Leben annehmen. Die seelsorgliche
Beratung soll in solchen Fällen anregen, eine Adoption in gegenseitigem
Einverständnis der Eltern in Betracht zu ziehen. Die künstliche Befruchtung mit
Samenzellen des Mannes, insofern sie ja die Einheit der Ehegemeinschaft nicht
beeinträchtigt, sich von der natürlichen Empfängnis nicht prinzipiell unterscheidet und
im Rahmen der ehelichen Beziehung vorgenommen wird, kann ebenfalls zu den
zulässigen Mitteln ärztlicher Hilfe gerechnet werden.
Eine Manipulation aber, die im Zusammenhang mit einer Samenspende entsteht,
verletzt die Integrität der Persönlichkeit sowie die Ausschließlichkeit der ehelichen
Beziehungen mittels des erlaubten Eingriffs durch einen Dritten. Darüber hinaus
fördert eine solche Praxis eine der Verantwortung enthobene Vaterschaft oder
Mutterschaft wie auch die bewußte Befreiung von allen Verbindlichkeiten gegenüber
denjenigen, die „Fleisch vom Fleische“ der anonymen Spender sind. Zudem höhlt der
Rückgriff auf Spenderzellen die Grundfesten der familiären Beziehungen auch insofern
aus, als die Kindschaft neben der „sozialen“ auch die sogenannte biologische
Elternschaft voraussetzt. Eine
„Leihmutterschaft“, d.h. die Einpflanzung einer
befruchteten Eizelle bei einer Frau, die nach der Geburt das Kind den „Auftraggebern“
zurückgibt,
ist widernatürlich und in moralischer Hinsicht inakzeptabel, auch in
Fällen, in denen dies auf nichtkommerzieller Basis erfolgt. Eine solche Vorgehensweise
bedeutet die Zerstörung der tiefen emotionalen und geistigen Nähe, die sich zwischen
der Mutter und dem Kind in der Zeit der Schwangerschaft entwickelt. Die
„Leihmutterschaft“ hat traumatische Auswirkungen sowohl auf die austragende Frau,
deren mütterliche Gefühle verletzt werden, als auch auf das Kind, das nachfolgend eine
Identitätskrise wird durchleiden müssen.
Unstatthaft aus orthodoxer Sicht sind des
weiteren alle Varianten extrakorporaler (außerhalb des Mutterleibs erfolgend)
Befruchtung, die die Erzeugung, Konservierung sowie absichtliche Vernichtung
„überschüssiger“ Embryonen einschließt. Namentlich auf der Anerkennung der
menschlichen Würde auch des Embryos stützt sich ja die moralische Verurteilung
der Abtreibung seitens der Kirche (vgl. XII.2).
Die Befruchtung alleinstehender Frauen mit Hilfe von Spendersamen bzw. eine
Verwirklichung des „Rechts auf Reproduktion“ alleinstehender Männer und Personen
von sogenannter abweichender sexueller Orientierung beraubt das werdende Kind
seines Rechts auf Mutter und Vater. Die Anwendung reproduktiver Methoden außerhalb
der von Gott gesegneten Familie wird zu einer Form von Gottlosigkeit, die sich unter
dem Deckmantel der Autonomie des Menschen wie auch der falsch verstandenen
Freiheit der Person Bahn bricht.
Quelle:
LG Songul