Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Ostkirchliche Themen.
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Sempre
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Sempre »

Nietenolaf hat geschrieben:
Aleksandar hat geschrieben:Eine Frage interessiert mich noch: Für was wurde früher bei den Juden die Tieropfer gebracht ? Etwa als "Bezahlung" für die Schuld gegenüber Gott, aufgrund derer Sünden ? Oder wurde man hier dadurch gereinigt von den Sünden ?
Weder, noch. Es war eher ein pädagogisches Gebot.
Dazu Robert Spaemann:
Robert Spaemann hat geschrieben: Die Geste des Opfers reicht in die älteste Menschheitsgeschichte. Sie verdankt sich nicht einer bestimmten zweckrationalen Überlegung. Der Begriff des Opfers geht nicht dem Opfer voraus, und auch die erklärenden Begründungen des Opfers sind nachträglich.
[...]
Wie gesagt: keine theoretische Erwägung geht diesen Opferriten voraus. Die Erklärungen sind nachträgliche Versuche, bis hin zu der heute wohl wichtigsten, wenn auch keineswegs befriedigenden Theorie von René Girard. Zumal hat diese Theorie den Vorzug, ihre eigene Nachträglichkeit zu erklären. Denn nach René Girard beruhen alle Opfer auf der Verdrängung des Mechanismus, der hinter ihnen steht: der Notwendigkeit, sozial destruktive Gewalt zu domestizieren. Diese Funktion ist nur so lange wirksam, wie sie latent bleibt. Die religiöse Interpretation verkennt das Wesen der violence fondatrice, aber eben dadurch sichert sie diese Funktion. Die modernen rationalistischen Theorien, die die Opferideologie der Lächerlichkeit preisgeben, sind für Girard dagegen Verdrängungen, die sich keine Rechenschaft geben über die Fortdauer der "Gründungsgewalt" und eben dadurch Wiederholungszwänge unvermeidlich machen. Einzig die widerstandslose Übernahme der Sündenbockrolle durch Christus hat die Kette der Gewalt durchbrochen und zur Aufklärung über ihr Wesen geführt. Erst hier offenbart sich der wahre Gott, der mit dem Fürsten dieser Welt, der Opfer fordert, nichts zu tun hat.
Gruß
Sempre
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Ralf

Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Ralf »

René Girard wollte ich auch schon mal längst gelesen haben.

benli
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Registriert: Mittwoch 22. Juli 2009, 17:07

Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von benli »

Danke Sempre,

mir greift die Bemerkung Romans, Opfer sei pädagogisch zu sehen, zu kurz.
Opfern ist ein eben so zentraler Bestandteil des Umgehens des Menschen mit 'den höheren Mächten' wie Beten. Jeder halbwegs unvoreingenommene Leser des AT muss erkennen, dass Opfer das Zentrum der AT sind. Und Opfer sind ja kein jüdisch/christliches Phänomen allein. Das beginnt im 4. Kapitel von Genesis. Da bringen Kain uind Abel 'in völliger Selbstverständlichkeit' ein Opfer (es werden keine Begründungen für das Opfern gegeben). Da heisst es nur: Und es begab sich nach etlicher Zeit, dass Kain dem Herrn Opfer brachte von den Früchten des Feldes... Keine Befolgung eines vorher erwähnten Gebotes, schlicht existenzieller Vollzug, eben, wie Beten. Umgang mit Gott. Dank von den Gaben des Feldes (und bei Kain der Erstling) stellvertretend für die Ernte/Herde.

Und die fundamentale Idee des Opfers ist die der 'Stellvertretung'. Lev 17, 11: "Denn des Leibes Leben ist im Blut, und ich habe es euch für den Altar gegeben, dass IHR entsühnt werdet. Denn das Blut ist die Entsühnung, weil das Leben in ihm ist". Das komplette Buch Leviticus handelt von einer genauen Ordnung von verschiedenen Opfertypen, die als 'Ersatz' dagebracht werden (nicht nur, aber zu grossen Teilen). Opfer sind ja nicht nur als Erfüllung äusserlicher Riten gedacht, dann wären sie reine Zeremonie; sie sind auch nicht nur als Symbole gedacht (sie haben ja einen spirituellen Gehalt und könnten demnach als Symbole dienen), nein, sie sind, da sie darüberhinaus auch noch auf etwas Zukünftiges hinweisen und, durch ihren Vollzug gleichzeitig an dem zukünftigen Geschehen teilhaben lassen, ein Typus. Das lehrt der Hebräerbrief (unter anderen).

Dass die Opfer nicht ausreichten war ja dadurch klar, dass sie immer und wieder wiederholt werden mussten (nur das Opfer anlässlich des Bundesschlusses Gottes mit dem Volk Israel (Ex 24) nicht, das hat Bestand, siehe Ps 50, 5 "Versammelt mir meine Heiligen, die den Bund mit mir schlossen beim Opfer). Hebr 10, (3)-4: "Denn es ist unmöglich durch das Blut von Stieren und Böcken Sünden wegzunehmen". Das heisst also: Die Opfer des AT sind der Typen "des" Opfers Jesu. Und das übersteigt alle Pädagogik.

Uns ist vielleicht das 'Opfern' suspekt geworden in unserer Denk- und Sichtweise und wir gehen anders damit um, unaktuell ist es dadurch nicht.

Jeden Tag beginnen wir damit, Leben zu uns zu nehmen, sei es als Brötchen oder Kaffee oder was auch immer, um selber leben zu können. Das Prinzip heisst also Leben für Leben. Und das nicht als 'Bezahlung' sondern als die einzige Möglichkeit.
Uns so sehe ich das Opfer Christi nicht als 'Bezahlung' sondern als die einzige Möglichkeit, Sein Leben, das Er uns geben will zu erhalten. Alle vorhergehenden Opfer sind ein Typus eben dieses Opfers, das nicht Forderung der Rache des gekränkten Gottes ist sondern freie Liebesgabe um Gottes Leben in uns zu ermöglichen. Und Er macht es immer wieder klar, da Er uns nicht Brot und Wein sondern Leib und Blut zu trinken gibt.

Benedikt

Miserere Nobis Domine
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Alexander Kalomiros hat geschrieben:Alle römischen Katholiken und die meisten Protestanten halten den Tod für eine Bestrafung durch Gott. Gott erachtete alle Menschen schuldig von Adams Sünde und strafte sie mit dem Tod, nämlich dadurch, dass er sie von sich fort stoß, sie von seiner lebensspendenden Energie abschnitt, so dass sie zuerst geistig und später auch körperlich getötet wurden, verursacht durch eine Art spirituelles Verhungern. Augustinus interpretiert die Stelle in Genesis „wenn ihr von der Frucht dieses Baumes esst, werdet ihr sterben“, als „ wenn ihr von der Frucht dieses Baumes esst, werde ich euch töten“.

Manche Protestanten wiederum halten den Tod nicht für eine Bestrafung, sondern für etwas Natürliches. Aber ist nicht Gott der Schöpfer aller natürlichen Dinge? Folglich ist in beiden Fällen Gott – ihrer Ansicht nach – der wahre Grund des Todes.

Und dies gilt nicht nur für den Tod des Körpers. Es ist gleichzeitig auch wahr für den Tod der Seele. Erachten westliche Theologen nicht die Hölle, den ewigen geistigen Tod der Menschen für eine Bestrafung durch Gott? Und halten sie den Teufel nicht so zusagen für einen Beauf-tragten Gottes bei der Ausführung der ewigen Qualen der Menschen in der Hölle?

Der – so genannte muss man sagen – Gott des Westens ist ein verletzter und wütender Gott, voll des Zornes für den Ungehorsam der Menschen, der in einem Ausfluss zerstörerischer Leidenschaften die Menschheit bis in die Ewigkeit für ihre Sünden quälen möchte, wenn er nicht eine unbegrenzte Satisfaktion für seinen verletzten Stolz erfährt.


Was ist nun das westliche Dogma der Erlösung? Hat Gott nicht demnach Gott umgebracht, um seinen Stolz zu befriedigen, den westliche Theologen allerdings euphemistisch Gerechtigkeit nennen? Und ist es nicht diese unbegrenzte Satisfaktion, die er sich ausgemalt hat, um die Rettung von einigen von uns zu akzeptieren?

Was bedeutet Rettung für die westliche Theologie? Ist es nicht Errettung von dem Zorn Gottes?

Sehen Sie, dass die westliche Theologie lehrt, dass unsere wirkliche Gefahr und unser wirklicher Feind unser Schöpfer und Gott ist? Errettung ist für den westlichen Menschen, vor den Händen Gottes errettet zu werden!

Wer aber kann einen solchen Gott lieben? Wie können wir Vertrauen in jemanden haben, den wir ablehnen? Glauben in seiner tiefen Essenz ist ein Produkt der Liebe, weswegen es unser Wunsch ist, dass derjenige, der uns bedroht, überhaupt nicht existiert, insbesondere dann, wenn diese Gefahr ewig ist.
Quelle: http://www.stnectariospress.com/parish/ ... f_fire.htm
Übersetzung: Monergist

Der kursiv gedruckte Absatz wurde von Robert Ketelhohn als "abwegig" bezeichnet. Was meint ihr dazu? Verwendet Kalomiros harte Rhetorik, um theologische Fehlentwicklungen im Western offenzulegen, oder hat er die westlicher Theologie falsch verstanden?

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Monergist
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Monergist »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Der kursiv gedruckte Absatz wurde von Robert Ketelhohn als "abwegig" bezeichnet. Was meint ihr dazu? Verwendet Kalomiros harte Rhetorik, um theologische Fehlentwicklungen im Western offenzulegen, oder hat er die westlicher Theologie falsch verstanden?
Weder noch. Dr. Kalomiros analysiert zutreffend die strukturellen Probleme dieser Denkweisen. In der jeweils "klassischen Prägung" der westlichen Religionsgemeinschaften gibt es daran nichts zu deuteln. Natürlich gibt es heutzutage in allen Lagern Bestrebungen, diese Botschaft erheblich abzumildern; das Ergebnis siind aber in der Regel viele warme Worte, die man nicht greifen kann.

I) Für die lutherische Seite: In einem Synodalreferat http://www.elfk.de/frmsets/publik/frmpublikRef.htm der nach dem mitteldeutschen Religionsstifter benannten ELFK finden wir beispielweise Folgendes (Fettdruck stets von mir):

Wieso aber hat nun Gott Jesus Christus als Vermittler zwischen sich und uns gewählt? Der heilige und gerechte Gott wollte und konnte sich nicht untreu werden. Das Unrecht seiner Geschöpfe musste gesühnt, sein Zorn über die Sünde besänftigt werden.

...

Wenn aber in der Rechtfertigung des Sünders jede menschliche Leistung ausgeschlossen ist, wie kommt sie dann überhaupt zustande? Wie wird aus einem Sünder, der unter dem Zorn Gottes steht, ein Gotteskind. Wie kann das geschehen, wenn die Basis für diesen Wechsel auch nicht zum Teil im menschlichen Verhalten zu suchen ist?

...

Im Neuen Testament wird immer wieder das Wort dikaio,w [dikaio,o] – gebraucht. In der Lutherbibel wird dafür „rechtfertigen“ oder „gerecht machen“ verwendet. Es ist wichtig zu verstehen, was das griechische Wort bedeutet. Es entstammt der Gerichtssprache. Indem ein Richter den Angeklagten freispricht, rechtfertigt er ihn. Es hat also nichts damit zu tun, dass ein böser Mensch in einen guten umgewandelt wird. Gott spricht in der Rechtfertigung vielmehr ein Urteil über den Sünder – und zwar dieses: ‚Du bist heilig und gerecht, du bist mein liebes Kind!‘ Die Rechtfertigung des Sünders ist ein richterliches Geschehen.

Worauf bezieht sich aber Gottes Urteil? Wo findet Gott die Gerechtigkeit, die ihn veranlasst, Sünder frei zu sprechen? Dieser Freispruch kommt nicht auf die normale Art und Weise zustande, wie auch unter Menschen Recht gesprochen wird. In dem Falle schaut der Richter den Angeklagten an und prüft ob er schuldig oder unschuldig ist. Ist er gerecht, wird er freigesprochen. Auf diese Weise könnte Gott aber keinen einzigen Menschen lossprechen. Das Rechtfertigungsurteil kommt nicht zustande, indem Gott die Beschaffenheit von Herz und Leben eines Menschen analysiert (kein analytisches Urteil).

Bei den Menschen, die Gott rechtfertigt, achtet Gott nur auf eins. Sie stehen im Glauben an Jesus Christus. Stellt er das fest, prüft er deren Werk und Leben nicht. Zwar findet sich auch bei ihnen viel Sünde und Unrecht. Doch Gott lässt Gnade vor Recht ergehen. Paulus verdeutlicht diese Handlungsweise an Abraham: „Was sagt die Schrift? Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden. Dem aber, der mit Werken umgeht, wird der Lohn nicht aus Gnade zugerechnet, sondern aus Pflicht. Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht“ – wörtlich: rechtfertigt – „dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“ (Röm 4,3-5). Es sind nicht unser Tun, unsere frommen Gedanken, unsere Herzenshaltung, die Gott veranlassen müsste, freundlich mit uns Sündern zu sein. Der Glaube wird uns zur Gerechtigkeit angerechnet.

Aber wie kann das sein? Gott ist doch ein gerechter Richter. Der muss aber doch Sünde auch bestrafen! Wie kann es sein, dass Gott Sünder für gerecht erklärt, ohne ungerecht zu handeln? Das geschieht um Jesu willen. Im zweiten Korintherbrief schreibt Paulus: „Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt“ (2Kor 5,21). Weil Gott seinem Sohn unsere Schuld auflud und ihn die Strafe tragen ließ, sieht er uns als solche an, die keine offene Schuld mehr haben. Denn durch die Strafe, die Jesus verbüßt hat, ist dem Gesetz Genüge getan. So ist es übrigens auch unter Menschen. Hat ein Verbrecher die Strafe abgesessen, gilt er vor dem Gesetz als unschuldig. Weil nun unsere Strafe durch Christus verbüßt worden ist, gelten wir Sünder vor dem gerechten Gott als gerecht. Weil Jesus für uns gestorben ist, lässt Gott Gnade vor Recht ergehen, ohne dadurch ungerecht zu handeln.


Genau wie Dr. Kalomiros es beschreibt, lernen wir hier einen den Leidenschaften unterworfenen Gott kennen, der von einem übergeordneten Prinzip der so genannten Gerechtigkeit gegängelt wird, wobei ihm allerdings ein Weg eingefallen ist, dieses ihn beherrschende System und sich selbst zu überwinden, indem er den Menschen eine fremde Gerechtigkeit überstülpt, die betrachtet wird als sei es deren eigene. Eine gespaltene Persönlichkeit, in der schließlich doch das Gute siegt. Obwohl eindeutig in der Heiligen Schrift steht, dass Gott nicht im menschlichen Sinn "gerecht" handelt, nimmt man an, dass Gott insoweit gebunden ist.

II) Auch nicht entscheidend anders im römischen Bereich: Allerdings geht es hier weniger um die Schaffung einer forensischen Gerechtigkeit, sondern darum, dass die Sünde Gott eine unendliche Beledigung zugefügt hat, die nicht veziehen werden konnte. Da Gott den Menschen irgendwie trotzdem lieb hat, aber auf Sühne nicht verzichten konnte, hat er sich selbst quasi ein unendliches Opfer zur Tilgung der Beleidigung dargebracht.

Aus der Predigt hier zur Primiz des vom Regen in die Traufe gekommen ehemaligen Lutheraners Sandmark, der dann bei der FSSPX gelandet ist:

Fragen wir aber etwas weiter: Mittler zwischen Gott und Menschen, das ist ja schön. Aber brauchen ihn die Menschen, diesen Mittler zwischen ihnen und Gott? Oh ja, oh ja, und wie sie ihn brauchten! Denn die Menschen hatten mit Gott gebrochen. Sie hatten ihn zurückgewiesen, obwohl er ihr Ursprung und Ziel ist. So entstanden gewissermaßen zwei befeindete Parteien. Einerseits Gott, der unendlich beleidigt wurde, und dann die Menschheit, auf welcher eine grenzenlose Schuld lastet. Diese Sündenlast schafft einen unüberwindbaren, tiefklaffenden Abgrund, der uns von Gott trennt. Wir sind Kinder des Zornes geworden. Und wir hatten keine Möglichkeit, diesen Abgrund zu überwinden. Er war zu tief, er war zu weit. Gott wollte aber nicht, dass dieser Abgrund ewig bestehen bleibt. Er wollte nicht, dass jene, die er geschaffen hat für die ewige Herrlichkeit, definitiv von ihm getrennt seien. Und darum hat sich der Sohn Gottes anerboten, Mittler zu sein. Gesandt von seinem himmlischen Vater und selbst getrieben von seiner eigenen, unendlichen Liebe, ist er Mensch geworden, Hoherpriester: mit dem Auftrag der Vermittlung, der Versöhnung der Menschen mit Gott. Und wir wissen alle, wie er dieses Versöhnungswerk vollbrachte, diesen Abgrund überwand, nämlich durch sein hochheiliges Erlösungsopfer am Kreuz. Sein Kreuz ist gewissermaßen die Brücke, über welche wir über diesen Abgrund zurückgelangen zum himmlischen Vater. Christus ist Pontifex. Pontifex, das heißt Brückenbauer. Und dieser Brückenbau, das war die größte Heldentat der Menschheitsgeschichte. Ohne diese Brücke des hochheiligen Kreuzes wären wir auf ewig verloren gewesen. Und darum müssen alle Menschen zu Jesus Christus kommen, weil es außerhalb von ihm kein Heil geben kann, ohne ihn keine Chance, gerettet zu werden....

Auch hier sehen wir, dass Gott das Opfer angeblich für sich selbst benötigt. Und zwar um sein gekränktes Gemüt zu befrieden. Dr. Kalomiros nennt das die Projektion menschlicher Leidenschaften - weil wir selbst so handeln würden - auf Gott.

Jeder orthodoxer Christ möge prüfen, ob es sich hierbei nur um andere Akzentuierungen handelt oder um Auffassungen, die mit dem Konzept der Theosis auch rein gar nichts zu tun haben.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Darf man davon ausgehen, dass das Satisfaktionsverständnis der FSSPX und der RKK das selbe ist?

("gewissermaßen zwei befeindete Parteien" :| )

Ich denke gerade an den Film "Zeitgeist":

"...der im Himmel lebt und alles beobachtet, was du tust. Jede Minute, jeden Tag. Und der unsichtbare Mann hat eine spezielle Liste mit 10 Dingen, die er dir verbietet zu tun. Und wenn du von diesen Dingen irgend etwas machst, dann hat er einen speziellen Platz voll Feuer, Rauch, Folter und Qualen, wohin er dich verdammen wird, um dort zu leiden, zu brennen, zu schreien und zu weinen, für immer und ewig, bis an das Ende aller Zeit.
Aber er liebt dich...
"

Zwar ist dieser Film gottverneinend, aber nur dieser Punkt für sich herausgegriffen stellt den Sachverhalt und den Widerspruch sehr gut dar. Wie lassen sich Satisfaktion und Liebe unter einen Hut bringen?

Gruß,
Nassos
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Sempre
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Sempre »

@Nassos

Meine Antwort ist schon wieder entsorgt. Der bloßen Darstellung meiner von Nietenolaf unerwünschten Meinung fielen auch Beiträge von Anselmus und Songul zum Opfer. Dies nur zur Info, dass Deine Frage gelesen und beantwortet wurde.

Gruß
Sempre
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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Hallo Sempre,

vielen Dank für den Hinweis.

Gruß,
Nassos
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Johannes22101988
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Johannes22101988 »

Nassos hat geschrieben:Darf man davon ausgehen, dass das Satisfaktionsverständnis der FSSPX und der RKK das selbe ist?

("gewissermaßen zwei befeindete Parteien" :| )

Ich denke gerade an den Film "Zeitgeist":

"...der im Himmel lebt und alles beobachtet, was du tust. Jede Minute, jeden Tag. Und der unsichtbare Mann hat eine spezielle Liste mit 10 Dingen, die er dir verbietet zu tun. Und wenn du von diesen Dingen irgend etwas machst, dann hat er einen speziellen Platz voll Feuer, Rauch, Folter und Qualen, wohin er dich verdammen wird, um dort zu leiden, zu brennen, zu schreien und zu weinen, für immer und ewig, bis an das Ende aller Zeit.
Aber er liebt dich...
"

Zwar ist dieser Film gottverneinend, aber nur dieser Punkt für sich herausgegriffen stellt den Sachverhalt und den Widerspruch sehr gut dar. Wie lassen sich Satisfaktion und Liebe unter einen Hut bringen?

Gruß,
Nassos
ich denke gar [Punkt] Auch wenn es sich jetzt hart anhört oder ich jetzt wahrscheinlich diverse buh-rufe zu hören bekomme. Ist das nach wie vor meine Meinung. Ich weiss es nicht Statification hat denke ich mit der theosis nichts gemeinsamt - wer mir das gegenteil belegen kann, der möge es tun.

Also ich denke nach diversen beiträgen kannn ich echt nicht sagen das er boshaft ist. Denn der "Zorn" ist einfach nur ein väterliche strafe die mehr zur erziehung dient als zur selbstverherrlichung.

Ich denke auch dass die Passion des HERRN mehr auszusagen hat, als einfach nur vergeltung - so gesehn dürfte es auch keine märtyrer geben. :nein:

ich persönlich denke einfach das, dass mit der statifikationslehre einfach eine abart irrlehre ist. Es ist mehr dahinter als vergeltung usw. - es ist einfach zu kalt.

Hoffe es gibt jetzt kein radau. :irritiert:

Gruß

Johann
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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Nein Radau wird es keinen geben.

Nur einen kleinen Hinweis: wenn man zur Linken des Herrn befohlen werden wird - Satisfaktionslehre hin oder her - dann wird das recht wenig mit erzieherischen Maßnahmen zu tun haben. Da wird der Zug schon abgefahren sein.

Gruß,
Nassos
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Johannes22101988
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Johannes22101988 »

Nassos hat geschrieben:Nein Radau wird es keinen geben.

Nur einen kleinen Hinweis: wenn man zur Linken des Herrn befohlen werden wird - Satisfaktionslehre hin oder her - dann wird das recht wenig mit erzieherischen Maßnahmen zu tun haben. Da wird der Zug schon abgefahren sein.

Gruß,
Nassos
naja, dass meine ich ja auch nicht mit "zorn". Solche haben es sich nämlich selbst ausgesucht :roll:
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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Heute las ich zur Feindesliebe etwas, was mir hier sehr gut zu passen scheint. Das soll kein copy and paste sein, sondern es ist wie eine kleine in-sich-Bestätigung, denn Liebe und Gerechtigkeit können bei verschiedenen Fragestellungen im Leben des Menschen (Rechtfertigung, Feindesliebe,...) keine jeweils unterschiedliche Beziehung zueinander haben.

Das geht auf die Worte "was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen" zurück. Es geht hierbei nicht nur darum nett zu sein. Sicherlich wird hier Gerechtigkeit aufgewiesen, aber nicht nur diese. Hier stellt sich nun die Frage, wie in den Worten Jesu die Liebe mit der Gerechtigkeit wirkt, die in ihrer Extremform zur Feindesliebe wird

Dazu steht nun: "Ohne Gerechtigkeit werden menschliche Beziehungen hart, kalt und lieblos, sie werden erstickend und barbarisch. Die Liebe setzt die Gerechtigkeit nicht außer Kraft und ersetzt sie auch nicht, sondern sie korrigiert sie und weist ihr die richtige Richtung auf. Liebe ist die unverwüstliche Kraft, die in Gott selber wurzelt.
Wenn wir also von jemandem Güte, Verständnis und Liebe erbitten, dann bedeutet das, dass wir in die Tiefe seiner Existenz schauen. Genau hier zeigt sich, dass wir lebendige Ebenbilder Gottes sind, die trotz aller Verunreinigung einen höchsten Wert haben. So werden wir natürlich und unweigerlich zur Liebe geführt."

Wieso soll nun das Verhalten Gottes gegenüber den erbsündlichen Menschen anders sein, als Er von uns selber erwartet und uns auf Erden ein Vorbild war?

Lieben Gruß,
Nassos
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Johannes22101988
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Johannes22101988 »

Nassos hat geschrieben:Heute las ich zur Feindesliebe etwas, was mir hier sehr gut zu passen scheint. Das soll kein copy and paste sein, sondern es ist wie eine kleine in-sich-Bestätigung, denn Liebe und Gerechtigkeit können bei verschiedenen Fragestellungen im Leben des Menschen (Rechtfertigung, Feindesliebe,...) keine jeweils unterschiedliche Beziehung zueinander haben.

Das geht auf die Worte "was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen" zurück. Es geht hierbei nicht nur darum nett zu sein. Sicherlich wird hier Gerechtigkeit aufgewiesen, aber nicht nur diese. Hier stellt sich nun die Frage, wie in den Worten Jesu die Liebe mit der Gerechtigkeit wirkt, die in ihrer Extremform zur Feindesliebe wird

Dazu steht nun: "Ohne Gerechtigkeit werden menschliche Beziehungen hart, kalt und lieblos, sie werden erstickend und barbarisch. Die Liebe setzt die Gerechtigkeit nicht außer Kraft und ersetzt sie auch nicht, sondern sie korrigiert sie und weist ihr die richtige Richtung auf. Liebe ist die unverwüstliche Kraft, die in Gott selber wurzelt.
Wenn wir also von jemandem Güte, Verständnis und Liebe erbitten, dann bedeutet das, dass wir in die Tiefe seiner Existenz schauen. Genau hier zeigt sich, dass wir lebendige Ebenbilder Gottes sind, die trotz aller Verunreinigung einen höchsten Wert haben. So werden wir natürlich und unweigerlich zur Liebe geführt."

Wieso soll nun das Verhalten Gottes gegenüber den erbsündlichen Menschen anders sein, als Er von uns selber erwartet und uns auf Erden ein Vorbild war?

Lieben Gruß,
Nassos

Mein lieber Onkel,

nun wie kann man GOTT erfassen - es geht nicht unmöglich. Auch wenn einige von der DREIHEIT philosophieren und meinen, dass womit sie nicht recht haben.

ER muss den ersten schritt wagen - ansonsten gäbe es kein entkommen vor dem verderben, was uns heimsuchen würde.

Nun das mit der liebe und gerechtigkeit. Das passt schon zusammen - nur denkt der mensch sich eine andere Gerechtigkeit als GOTT. Das ist ja das was uns zu "forschern" bewegen soll. Die Göttlichen Gebote sind tiefgehend und bringen licht und sind auf die wahrhaftige Liebe - eine energie Gottes, ausgerichtet.

Das ist ja auch das mit der Statificationslehre. Manche müssten meinen durch philosophie zur wahrheit zu kommen wir aber dur orthopraxie. 8)

Deswegen ist der ZORN gottes nicht im menschlichen sinne. Sondern im Göttlichen sinne. Das kann man so niemals verstehen, da kann man herumdiskutieren wie man will. GOTT erkennt man nicht - so wie es manche meinen. ;D

Gruß

Elvis
Wer die kirche nicht als mutter sieht, kann GOTT nicht als VATER sehen.

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Diese Woche habe ich mir antiquarisch ein Buch gekauft, das erstaunlicherweise genau jenes Rechtfertigungsverständnis vertritt, das ich in diesem Thread vor längerer Zeit vorgestellt habe und das von manchen als westkirchlich, anselmisch etc. zurückgewiesen worden ist mit dem Hinweis, Gott "brauche" kein Opfer, um den Menschen mit sich zu versöhnen. Und wie ich sehe, wird diese Frage hier ja immer noch bearbeitet.

Nun zum Buch: Es heißt "Orthodoxe Glaubenslehre für Erwachsene", herausgegeben vom Verein zur Förderung von orthodoxem Schrifttum in deutscher Sprache. Veröffentlichung mit Segen und Empfehlung von S. E. Lavrentije, Bischof der Serbischen Orthdoxen Diözese für Westeuropa. Jahr der Veröffentlichung: 1983.

Wenn dieses Buch nicht die offizielle orthodoxe Lehre darlegt, welches dann? (Zu Sergej Bulgakovs Buch "Die Orthodoxie" und seiner Darstellung des Sühnegedankens wurde mir ja vorgeworfen, dass Bulgakov in der Orthodoxie umstritten sei. Und wenn ich andere Bücher zitierte, dann hieß es sogar, dass jene Autoren ja nicht einmal gültig getauft seien etc.)

In jenem Buch (S. 89-95) wird nun ausführlich dargelegt, dass Christus für uns stellvertretend gelitten hat und für uns gestorben ist. Warum? Weil alle Menschen Sünder sind und deshalb unter Gottes gerechter Strafe stehen. Weil Gott gerecht ist, muss sein Gesetz, das den Tod des Sünders festschreibt, erfüllt werden: „Da aber Gottes Gesetz erfüllt werden muß – denn Gottes Gesetze sind unabänderlich, so bedeutet das, daß die Menschheit ewig unter der Macht von Sünde, Tod und Teufel zu bleiben hat, weil ihr Sündigen auch ewig ist.“ (91)

Für die menschliche Logik ergibt sich ein unlösbares Problem, weil Gott auch Liebe und Barmherzigkeit ist. „Eine ewige Strafe der ewig Sündigenden würde nur die Gerechtigkeit, nicht aber die Liebe und die Güte Gottes befriedigen." (92)

Aber auch, dass Gott einfach vergibt, ist ausgeschlossen. „Dann wäre nur die Barmherzigkeit befriedigt, nicht aber die Gerechtigkeit. Die Menschen kraft der göttlichen Macht und Autorität schuldlos erklären? Das würde nicht nur gegen die Gerechtigkeit verstoßen, sondern auch noch gegen die Wahrheit; Gott ist aber Wahrheit.“ (92) Die Erlösung, die zu vollbringen ist, muss also einerseits der Gerechtigkeit Gottes Genüge tun und andererseits der Liebe Gottes entsprechen. Für die Menschliche Logik bleibt dieses Problem unlösbar, nicht aber für Gottes Weisheit und Erkenntnis (vgl. Röm 11,35).

Die einzige Lösung dieses Problems benennen die Autoren mit „Bereinigung“. Durch Bereinigung wird gleichzeitig „Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit“ befriedigt, „und zwar sowohl nach außen, im rechtlichen als auch nach innen, also im moralischen Sinne.“ (92) Im rechtlichen Sinne muss der Schuldige einen Ausgleich leisten, im moralischen Sinne muss sich am Schuldigen eine innere Läuterung vollziehen.

Nun wiegt die Schuld der Menschen jedoch unendlich schwer. „Somit hatte die Menschheit nach Rechtsbegriffen, auf sich eine Schuld geladen, die sie auszugleichen nicht imstande war… Deswegen konnte weder ein Engel noch ein Mensch die ganze Menschheit erlösen, sondern nur der Gottmensch.“ (93) Die Verfasser der orthodoxen Glaubenslehre schreiben dann mit Hinweis auf Mk 10,45), dass Jesus Christus derjenige ist, der die grenzenlose Schuld bezahlt, die die Menschen Gott gegenüber haben (93).

Die Darstellung, die in der "Orthodoxen Glaubenslehre" gegeben wird, macht einem Lutheraner keine Probleme. Er kann sie voll mittragen. Wie dort Gottes Gerechtigkeit und seine Liebe bzw. Barmherzigkeit unterschieden werden, meint genau das, was Luther mit der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium meint. Ein lesenswertes Buch!

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Johannes22101988
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Johannes22101988 »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Diese Woche habe ich mir antiquarisch ein Buch gekauft, das erstaunlicherweise genau jenes Rechtfertigungsverständnis vertritt, das ich in diesem Thread vor längerer Zeit vorgestellt habe und das von manchen als westkirchlich, anselmisch etc. zurückgewiesen worden ist mit dem Hinweis, Gott "brauche" kein Opfer, um den Menschen mit sich zu versöhnen. Und wie ich sehe, wird diese Frage hier ja immer noch bearbeitet.

Nun zum Buch: Es heißt "Orthodoxe Glaubenslehre für Erwachsene", herausgegeben vom Verein zur Förderung von orthodoxem Schrifttum in deutscher Sprache. Veröffentlichung mit Segen und Empfehlung von S. E. Lavrentije, Bischof der Serbischen Orthdoxen Diözese für Westeuropa. Jahr der Veröffentlichung: 1983.

Wenn dieses Buch nicht die offizielle orthodoxe Lehre darlegt, welches dann? (Zu Sergej Bulgakovs Buch "Die Orthodoxie" und seiner Darstellung des Sühnegedankens wurde mir ja vorgeworfen, dass Bulgakov in der Orthodoxie umstritten sei. Und wenn ich andere Bücher zitierte, dann hieß es sogar, dass jene Autoren ja nicht einmal gültig getauft seien etc.)

In jenem Buch (S. 89-95) wird nun ausführlich dargelegt, dass Christus für uns stellvertretend gelitten hat und für uns gestorben ist. Warum? Weil alle Menschen Sünder sind und deshalb unter Gottes gerechter Strafe stehen. Weil Gott gerecht ist, muss sein Gesetz, das den Tod des Sünders festschreibt, erfüllt werden: „Da aber Gottes Gesetz erfüllt werden muß – denn Gottes Gesetze sind unabänderlich, so bedeutet das, daß die Menschheit ewig unter der Macht von Sünde, Tod und Teufel zu bleiben hat, weil ihr Sündigen auch ewig ist.“ (91)

Für die menschliche Logik ergibt sich ein unlösbares Problem, weil Gott auch Liebe und Barmherzigkeit ist. „Eine ewige Strafe der ewig Sündigenden würde nur die Gerechtigkeit, nicht aber die Liebe und die Güte Gottes befriedigen." (92)

Aber auch, dass Gott einfach vergibt, ist ausgeschlossen. „Dann wäre nur die Barmherzigkeit befriedigt, nicht aber die Gerechtigkeit. Die Menschen kraft der göttlichen Macht und Autorität schuldlos erklären? Das würde nicht nur gegen die Gerechtigkeit verstoßen, sondern auch noch gegen die Wahrheit; Gott ist aber Wahrheit.“ (92) Die Erlösung, die zu vollbringen ist, muss also einerseits der Gerechtigkeit Gottes Genüge tun und andererseits der Liebe Gottes entsprechen. Für die Menschliche Logik bleibt dieses Problem unlösbar, nicht aber für Gottes Weisheit und Erkenntnis (vgl. Röm 11,35).

Die einzige Lösung dieses Problems benennen die Autoren mit „Bereinigung“. Durch Bereinigung wird gleichzeitig „Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit“ befriedigt, „und zwar sowohl nach außen, im rechtlichen als auch nach innen, also im moralischen Sinne.“ (92) Im rechtlichen Sinne muss der Schuldige einen Ausgleich leisten, im moralischen Sinne muss sich am Schuldigen eine innere Läuterung vollziehen.

Nun wiegt die Schuld der Menschen jedoch unendlich schwer. „Somit hatte die Menschheit nach Rechtsbegriffen, auf sich eine Schuld geladen, die sie auszugleichen nicht imstande war… Deswegen konnte weder ein Engel noch ein Mensch die ganze Menschheit erlösen, sondern nur der Gottmensch.“ (93) Die Verfasser der orthodoxen Glaubenslehre schreiben dann mit Hinweis auf Mk 10,45), dass Jesus Christus derjenige ist, der die grenzenlose Schuld bezahlt, die die Menschen Gott gegenüber haben (93).

Die Darstellung, die in der "Orthodoxen Glaubenslehre" gegeben wird, macht einem Lutheraner keine Probleme. Er kann sie voll mittragen. Wie dort Gottes Gerechtigkeit und seine Liebe bzw. Barmherzigkeit unterschieden werden, meint genau das, was Luther mit der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium meint. Ein lesenswertes Buch!
verständlich. Aber eines wäre noch zu fragen. Weshalb können dann auch getaufte in die hölle kommen?????
Wer die kirche nicht als mutter sieht, kann GOTT nicht als VATER sehen.

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songul
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von songul »

Johannes22101988 hat geschrieben:verständlich. Aber eines wäre noch zu fragen. Weshalb können dann auch getaufte in die hölle kommen?????
Ach du meinst, Getaufte bauen keinen Mist????

Miserere Nobis Domine
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Evagrios,

Das Buch kenne ich nicht, aber das Zitat, das du gebracht hast, wirkt für mich so, als wäre es aus einem nichtorthodoxen Werk übernommen...

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Johannes22101988 hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:... „Bereinigung“. Durch Bereinigung wird gleichzeitig „Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit“ befriedigt, „und zwar sowohl nach außen, im rechtlichen als auch nach innen, also im moralischen Sinne.“ (92) Im rechtlichen Sinne muss der Schuldige einen Ausgleich leisten, im moralischen Sinne muss sich am Schuldigen eine innere Läuterung vollziehen...
verständlich. Aber eines wäre noch zu fragen. Weshalb können dann auch getaufte in die hölle kommen?????
Weil eben Getaufte der Bereinigung im moralischen Sinne bedürfen, der inneren Läuterung, d.h. durch Buße und Glaube, der in der Liebe tätig ist, müssen die Getauften in ihrem Wesen verwandelt werden, Theiosis. Getaufte, die sich dem Weg der Vergottung verweigern, werden deshalb verloren gehen: "Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt wird verdammt werden." (Mk 16,16, ein Vers, den die Verfasser des Glaubensbuches im von mir zusammengefassten Zusammenhang zitieren)

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Evagrios,

Das Buch kenne ich nicht, aber das Zitat, das du gebracht hast, wirkt für mich so, als wäre es aus einem nichtorthodoxen Werk übernommen...
Wie gesagt: Orthodoxes Glaubensbuch für Erwachsene, mit dem Segen und der Empfehlung des Orthodoxen serbischen Bischofs für Westeuropa, veröffentlicht im Jahr 1983 vom Verein zur Förderung von orthodoxem Schrifttum in deutscher Sprache.

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Florianklaus
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Florianklaus »

Langsam habe ich den Eindruck, als ob es in dieser Frage keinen klaren Konsens in der Orthodoxie gibt.

Miserere Nobis Domine
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Es gibt schon einen Konsens, wenn auch einzelne Texte unter westlichem Einfluss davon abweichen. In den letzten Jahrhunderten gab es einige orthodoxe Theologen, deren Werke von westlicher Scholastik beeinflusst waren. Inzwischen ist der Kon sens sehr klar, dass es sich dabei um eine Fehlentwicklung handelt.

Warum das 1983 ein serbischer Bischof noch durchgehen liess, kann ich nicht beurteilen. Evtl. konnte der Mann aber einfach kein Deutsch; sein Sitz war schliesslich in London.

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Im Vorwort des Orthodoxen Glaubensbuches heißt es:

"Dieses Buch ist weder das Werk eines einzelnen Theologen noch vertritt es eine bestimmte Richtung innerhalb der Orthodoxen Kirche; es stellt vielmehr deren klassische Lehre so dar, wie sie in der orthodoxen Katechese aufgrund der Heiligen Schrift zu lesen und zu hören ist. Die Besonderheit dieses Werkes besteht darin, daß die Dogmen der Kirche nicht in auswendig zu lernenden Lehrsätzen dargeboten, sondern dem fragenden und überlegenden Menschen erläuternd aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck haben wir Übersetzungen aus Aufsätzen von hochgelehrten, namhaften Apologeten gebracht." (8) Im Blick auf die Christologie heißt es dann, dass die dortigen Texte vom Erzpriester Prof. Dr. Lazar Milin von der Theologischen Fakultät Belgrad stammen.

Nun verlasse ich mich einfach mal darauf, dass der Verein zur Förderung von orthodoxem Schrifttum in deutscher Sprache und der Bischof der Diözese für Westeuropa S.E. Lavrentije beurteilen können, ob Prof. Lazar Milin den orthodoxen Konsens darstellen kann oder ob er ein Exot innerhalb der orthodoxen Schola theologorum ist. Deshalb gehe ich zunächst einmal einfach davon aus, dass die von mir zitierte und zusammengefasste Passage den orthodoxen Glauben authentisch darstellt, vielleicht sogar authentischer als heutige orthodoxe Theologen, denn das Buch stammt aus dem Jahr 1983. Demgegenüber ist es der Trend der heutigen Zeit, die Anstößigkeit des Kreuzes Christi harmonisieren und abmildern zu wollen. Warum sollte das bei orthodoxen Theologen anders sein?

Miserere Nobis Domine
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Es gibt eine Sache, die ich wirklich nicht verstehe: Kein einziger der hier oder im orthodoxen Forum sich äusserenden orthodoxen Gläubigen vertritt eine solche Lehre. Kann man das nicht als Konsens akzeptieren? Muss man dann immer irgendwelche Bücher suchen, um unbedingt die Orthodoxen von dieser Lehre zu überzeugen?

Auch wenn ews in der Vergangenheit gelegentlich orthodoxe Theologen gab, die diese Lehre übernommen haben, bin ich doch froh, dass es inzwischen einen sehr starken Konsens gibt, eine solche Lehre nicht zu vertreten. Ich persönlich nehme dann auch lieber Rückschritte im ökumenischen Dialog in Kauf, als an Gott als einen rachsüchtigen Tyrannen zu glauben.

Über Lazar Milin habe ich leider keine weiteren Informationen gefunden. Ist in dem Buch auch eine Kurzbiographie mit abgedruckt?

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Florianklaus
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Florianklaus »

Erwartest Du etwa, daß wir die Ansichten der wenigen hier mitpostenden orthodoxen Laien, und seien sie auch noch so theologisch gebildet, eher als Maßstab für das nehmen, was als orthodox zu gelten hat, als die Ausführungen eines Erzpriesters und Theologieprofessors, die mit dem Einverständnis eines Bischofs in einem Buch erschienen sind, welches ausdrücklich der Information über die Orthodoxie dienen soll?
Zuletzt geändert von Florianklaus am Donnerstag 14. Oktober 2010, 13:47, insgesamt 1-mal geändert.

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Nietenolaf
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nietenolaf »

"Consensus" bedeutet ja nicht, daß alle dieselbe Note singen. Man muß halt alle insgesamt hören. Z.B. geht's nicht ohne Augustin. Aber nur mit diesem allein kommt man auf Abwege.
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Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Übrigens habe ich das Buch von einem emeritierten deutschen Professor für Ökumenische Theologie empfohlen bekommen und mir es daraufhin über die Webseite des Zentralen Verzeichnisses für antiquarische Bücher (http://www.zvab.com) bestellt. Insofern scheint dieses Buch also nicht völlig unbedeutend für die Selbstdarstellung der Orthodoxen Kirche zu sein. Leider gibt es in deutscher Sprache ja kaum Veröffentlichungen zur orthodoxen Dogmatik, wenn man einmal von Prof. Anastasios Kallis absieht, den ich allerdings nicht gerade als orthodoxen Repräsentanten orthodoxer Theologie kennengelernt habe, nach den Büchern zu urteilen, die ich von ihm besitze.

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Nietenolaf
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nietenolaf »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Leider gibt es in deutscher Sprache ja kaum Veröffentlichungen zur orthodoxen Dogmatik...
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Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Nietenolaf hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Leider gibt es in deutscher Sprache ja kaum Veröffentlichungen zur orthodoxen Dogmatik...
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Wie ich gesagt habe: kaum Veröffentlichungen. Das Buch von Alfejev ist derzeit nicht lieferbar, wenigstens bei Amazon. Antiquarisch ist es auch nicht erhältlich. Trotzdem danke für den Hinweis.

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Ilija
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Ilija »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Johannes22101988 hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:... „Bereinigung“. Durch Bereinigung wird gleichzeitig „Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit“ befriedigt, „und zwar sowohl nach außen, im rechtlichen als auch nach innen, also im moralischen Sinne.“ (92) Im rechtlichen Sinne muss der Schuldige einen Ausgleich leisten, im moralischen Sinne muss sich am Schuldigen eine innere Läuterung vollziehen...
verständlich. Aber eines wäre noch zu fragen. Weshalb können dann auch getaufte in die hölle kommen?????
Weil eben Getaufte der Bereinigung im moralischen Sinne bedürfen, der inneren Läuterung, d.h. durch Buße und Glaube, der in der Liebe tätig ist, müssen die Getauften in ihrem Wesen verwandelt werden, Theiosis. Getaufte, die sich dem Weg der Vergottung verweigern, werden deshalb verloren gehen: "Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt wird verdammt werden." (Mk 16,16, ein Vers, den die Verfasser des Glaubensbuches im von mir zusammengefassten Zusammenhang zitieren)
Richtig, denn warum sonst mühen wir (Vor allem viele Mönche) uns so ab um dort hinzugelngan wo wo wir alle einmal hin wollen? Die Taufe alleine reicht nicht, sie ist nur die Tür dorthin, aber wir müssen den engen Weg auch noch durchgehen :)

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Monergist
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Monergist »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Im Vorwort des Orthodoxen Glaubensbuches heißt es:

"Dieses Buch ist weder das Werk eines einzelnen Theologen noch vertritt es eine bestimmte Richtung innerhalb der Orthodoxen Kirche; es stellt vielmehr deren klassische Lehre so dar, wie sie in der orthodoxen Katechese aufgrund der Heiligen Schrift zu lesen und zu hören ist. Die Besonderheit dieses Werkes besteht darin, daß die Dogmen der Kirche nicht in auswendig zu lernenden Lehrsätzen dargeboten, sondern dem fragenden und überlegenden Menschen erläuternd aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck haben wir Übersetzungen aus Aufsätzen von hochgelehrten, namhaften Apologeten gebracht." (8) Im Blick auf die Christologie heißt es dann, dass die dortigen Texte vom Erzpriester Prof. Dr. Lazar Milin von der Theologischen Fakultät Belgrad stammen.

Nun verlasse ich mich einfach mal darauf, dass der Verein zur Förderung von orthodoxem Schrifttum in deutscher Sprache und der Bischof der Diözese für Westeuropa S.E. Lavrentije beurteilen können, ob Prof. Lazar Milin den orthodoxen Konsens darstellen kann oder ob er ein Exot innerhalb der orthodoxen Schola theologorum ist. Deshalb gehe ich zunächst einmal einfach davon aus, dass die von mir zitierte und zusammengefasste Passage den orthodoxen Glauben authentisch darstellt, vielleicht sogar authentischer als heutige orthodoxe Theologen, denn das Buch stammt aus dem Jahr 1983. Demgegenüber ist es der Trend der heutigen Zeit, die Anstößigkeit des Kreuzes Christi harmonisieren und abmildern zu wollen. Warum sollte das bei orthodoxen Theologen anders sein?
Ich habe es schon früher geschrieben und es hat sich nichts daran geändert. Deine in - auf dem ersten Blick - in konziliantem Ton vorgetragenen Versuche, der Orthodoxie zu erklären, was sie zu glauben hat, sind äußerst [...]*, da Dir diese Rolle als Glaubenshüter einfach nicht zusteht. Eine neue Qualität hat das Ganze allerdings nun erreicht, als Du den Vorwurf erhebst, dass diejenigen, die Deiner Theologie entgegentreten, "Stavroclasten" seien, also aufgrund modernistischer Umtriebe das Kreuz Christi schmälern wollten.

Das ist deshalb eine Unverschämtheit, weil in diesem Thread und an anderer Stelle zwar dargelegt worden ist, dass das Kreuz aus patristischer Sicht eine andere Bedeutung hat als von Dir angenommen, nicht aber, dass dieses Opfer nicht furchtbar und erforderlich zur Rettung der Menschen gewesen ist.

Genauso ist nicht verschwiegen worden, dass über die Jahrhunderte aufgrund der Umstände sowohl in Osteuropa als auch zeitweise in Griechenland, starke westliche (= neue) Einflüsse in der Theologie zu verzeichnen waren. Es hat auch niemand bestritten, dass auch in der Orthodoxie (die nicht die ausschließliche Versammlung von Heiligen ist) unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Allerdings ist es exakt wie MND oben geschrieben hat, dass inzwischen ein ganz einheitlicher Konsens darüber besteht, dass Formulierungen wie die hier in Rede stehenden als heterodox ausgeschieden werden müssen.

Was bedeutet auch grundsätzlich ein einzelnes Buch und vor allem seine Selbstbeschreibung? (Ich habe in Griechenland zwischenzeitlich um ein Feedback zu dem mir unbekannten Autor ersucht.) Ich kann binnen 5 Minuten jeweils 30 sowohl lutherische als auch römisch-katholische Äußerungen zusammengooglen, die sich völlig widersprechen - gerade auch zu dieser Thematik. Die Differenzen liegen aber nicht in einer modernistischen Theologie begründet. So hat etwa die schismatische, altkalendarische HOCNA (die keinesfalls unter Modernismusverdacht steht) in Nordamerika das Werk von Metropolit Anthony (Khrapitkovsky) - der unter anderem scholastische Elemente aus dem Katechismus von Metropolit Philaret entfernt hat sowie ein Buch über die Erlösung verfasst hat - ausführlich gegen die Vorwürfe von verschiedener Seite und schließlich insbesondere von einem gewissen Vladimir Moss verteidigt: Hier (lang, ausführliche Ausarbeitung zu der Thematik mit biblischen Nachweisen/Kirchenväterzitaten) und Hier (kurz) . Das hat aber ebenfalls der frühere Erzbischof Lazar Puhalo der OCA getan.

Entscheidend ist aber letztlich nicht, wer heute was sagt und schreibt, sondern, dass hier zahlreiche Kirchenväterzitate (hl. Johannes Chrysostomus, hl. Gregor von Nazianz, hl. Irenäus) vorgelegt worden sind, die dem Standpunkt des von Dir vorgelegten Buches widersprechen. Dann kann man aber doch nicht von einem orthodoxen Konsens reden.

Ebenso habe ich erwähnt, dass der zeitgenössische schwedische Lutheraner Gustav Aulén in seinem Buch "Christus Victor" die verschiedenen Erlösungstheorien historisch untersucht hat und auch zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die in ("traditionellen Kreisen") im Westen nun vorherrschenden Satisfaktions- bzw. Strafersatztheorien erst mit Anselmus aufgekommen sind und der alten Kirche weitestgehend unbekannt waren. Liegt also wirklich eine modernistische Innovation vor? Stattdessen wurde damals eben "Christus Victor" gelehrt - ohne juridische Komponenten. Auch - ansonsten sicherlich nicht allgemein verbindliche Plattformen - wie die englischsprachige Wikipedia ordnen der Orthodoxie eindeutig im mehreren Artikeln eine entsprechende Soteriologie zu. Alles in den letzten Jahren gefälscht, womöglich von den orthodoxen Foranten der Sakristei? :ikb_shocking:

Ganz grundsätzlich halte ich es auch für empfehlenswert, dass jeder erst einmal bei sich zu Hause aufräumt. Die von Dir wiedergegebene Rechtfertigungsauffassung entspricht nämlich keineswegs der klassischen lutherischen Lehre. In lutherischen Gemeinden, die ich besucht habe, hätte man Dich mit diesen teilweise "werkgerechten" Standpunkten hochkant vor die Tür gesetzt.

"While the earlier writings of Evagrios, containing his collection of instructions from the fathers of the Egyptian desert, are generally traditional, his theology was not. We must caution the reader that Evagrios fell into very severe heresies, for which he was condemned at the Fifth Ecumenical Countil in A.D.553. Evagrios is neither a saint nor a father of the Church. He was a philosopher who strayed far from Christianity in his later years." (Erzbischof Lazar Puhalo)

Honni soit qui mal y pense...

* Zensiert.
W.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

Miserere Nobis Domine
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Die orthodoxe Dogmatik von Dumitru Stăniloae gibt es doch auch auf Deutsch.

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Die orthodoxe Dogmatik von Dumitru Stăniloae gibt es doch auch auf Deutsch.
... ist aber auch nicht mehr erhältlich. Trotzdem Danke für den Hinweis.

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