Trennung zwischen Ost und West: das Papsttum

Ostkirchliche Themen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Damit es hier weitergeht, möchte ich wenigstens kurz die Berechtigung meiner obigen Einwände andeuten. – Eine Argumentation gegen den in maximalistischer Interpretation des Vaticanum I verstandenen Primatsbegriff, die behauptete, in der alten Kirche hätten die römischen Bischöfe nie die oberste Entscheidungsgewalt in Sachen des Glaubens und der Sitten beansprucht, wäre verfehlt. Das Gegenteil läßt sich zeigen.

Victor etwa hat dies im Osterfeststreit versucht, Leo in der Zurückweisung des Monophysitismus. Victor freilich ist mit dem Versuch des Ausschlusses der asiatischen Gegenpartei gescheitert, während er in der Sache recht behielt, freilich erst durch Beschluß des Konzils von Nicæa; auch Leos Entscheidung erlangte allgemeine Anerkennung erst durch die Konzilsentscheidung von Chalcedon.

Diese und ähnliche Beispiele taugen nun aber, wie wir sehen, auch nicht zur Unterstützung jenes maximalistischen Primatsverständnisses. Man müßte geradezu so argumentieren: Die Päpste hätten immer schon nach Kräften – manche deutlicher, manche schwächer – die Wahrheit über den Primat gelehrt und festgehalten, wenn auch der Rest der Kirche meist uneinsichtig blieb und widerstrebte; erst nach und nach, vollends nach mehr als 1900 Jahren Kirchengeschichte, sei es gelungen, alle Widerstrebenden entweder auszuschließen oder aber zur Annahme zu zwingen und so der Wahrheit endlich zum ruhm- und glanzvollen Siege zu verhelfen.

Daß solch eine Argumentation logisch widersinnig wäre und die ganze Geschichte der Kirche und ihr Selbstverständnis auf den Kopf zu stellen hieße, liegt auf der Hand. Dennoch läßt sich jene ganze maximalistische Primatsposition – zugespitzt formuliert, aber sachlich treffend – nur so begründen.

Dabei war bislang nur von der obersten Entscheidungsgewalt der Päpste in Sachen des Glaubens und der Sitten die Rede. Diese ist ja durchaus vorhanden und historisch auch ausgeübt worden, aber sie galt tatsächlich im ganzen ersten Jahrtausend – und teils weit darüber hinaus – nicht aus sich heraus, sondern bedurfte der Annahme durch die Kirche. Nicht wenige Fälle gab es auch, die klar als päpstliche Fehlentscheidungen anzusehen sind, und Fälle der Nichtannahme durch die Kirche.

Hierzu kann man sagen: Gut, das Vaticanum I hat nochmals der alten Anspruch der römischen Kirche erhoben und eingeschärft; in der Praxis kann es dennoch beim innerkirchlichen Spiel der Kräfte bleiben, durch welches sich im Einzelfall entscheidet, was der Glaube der Kirche ist und was nicht.

Das Vaticanum I ging nun aber über diesen alten Anspruch noch einmal weit hinaus. Es beanspruchte die volle und unmittelbare, echt bischöfliche Gewalt des Papstes in allen und jeder einzelnen „Teilkirche“ der gesamte Oikumene. Diese Idee war das ganze erste Jahrtausend hindurch und darüber hinaus völlig unbekannt. Sie setzt die philosophischen Begründungsversuche der Zwei-Schwerter-Lehre mit ihren Spekulationen um gestufte Gewalten oder Hierarchien voraus. Greifbar wird sie, soweit ich sehe, überhaupt erst in der lateinischen Scholastik des späteren 13. Jahrhunderts.

Mit dem Verständnis von der bischöflichen Gewalt, welches die alte Kirche hatte – also die Kirche vor der Scholastik und vor den hybriden Ansprüchen der mit der katharisch angehauchten Mailänder Pataria geistig verwachsenen hildebrand-humbertschen Fraktion – ist diese Idee von der vollen bischöflichen Gewalt des Papstes in den einzelnen Kirchen schlechterdings nicht vereinbar und muß darum als mit der Tradition nicht vereinbare theologische Meinung zurückgewiesen werden.

Nun kommt noch ein weiteres hinzu, nämlich die „Dogmatisierung“ jener theologischen Meinung, das heißt: der Versuch des Ausschlusses derer, welche sie für falsch halten. Dies impliziert die Voraussetzung, es handle sich um eine „dogmatisierbare“ Materie, also um einen Teil des heilsnotwendigen Glaubensschatzes der Kirche.

Dieser Ansicht steht nicht nur das vollständige Fehlen jener theologischen Meinung über das ganze erste Jahrtausend der Kirche hin entgegen, sondern auch innere Gründe. Aus dem Glaubensbekenntnis von Constantinopel können wir entnehmen, welche Materien als heilsrelevant anzusehen sind. Die folgenden Konzilien haben dies nur hinsichtlich verschiedener Einzelfragen noch weiter entfaltet und präzisiert. Die Primatslehre fehlt unter den heilsrelevanten Gegenständen bis hin zum Vaticanum I vollständig.

Das ist auch theologisch plausibel. Denn wir glauben weder an den Papst, noch sind wir im Blute des Papstes erlöst, auch nicht durch den Gehorsam ihm gegenüber, oder was immer man sich dieser Art noch vorstellen und ausdenken mag.

Die Kirche: ja, die ist notwendig. Mit ihr die Taufe: unum baptisma in remissionem peccatorum. Was die Verfassung der Kirche und die übrigen Sakramente und Sakramentalien betrifft, wird nichts gesagt. Wir dürfen und müssen das darum so verstehen, daß notwendig festzuhalten dasjenige ist, was damals die ganze Kirche einmütig als apostolische Überlieferung glaube, übte und festhielt.

Dem entspricht die seinerzeit von keinem geringeren als Joseph Ratzinger geäußerte Meinung, man dürfe im Bemühen um Wiederherstellung der beschädigten Einheit der Kirche den getrennten Kirchen nicht mehr und anderes zu glauben und zu halten auferlegen, als was im ersten Jahrtausend der Kirchengeschichte von der ganzen Kirche gehalten und geglaubt wurde.

Dieser Forderung sehe ich mich verpflichtet, und nichts anderes versuche ich hier darzustellen, zu begründen und voranzubringen, immer auf der Grundlage historischer Redlichkeit und der Treue und Liebe zur ganzen Kirche. Der Ruf zur Umkehr und zur Reform an Haupt und Gliedern folgt daraus mit Notwendigkeit. Er beinhaltet keinen revolutionären Appell zur Beseitigung der Primats des Bischofs von Rom. Wohl aber die ernste und drängende Frage nach seinem Platz, seiner Reichweite und seinem Stellenwert im Leben der Kirche.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Ich werde mal deinen Argumentationsstrang teilweise plagiieren, wenn ich darf.

LG
Fiore
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Germanus
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Beitrag von Germanus »

Mich würde interessieren, was in diesem Zusammenhang Eure meinung ist über die wichtige Begrifflichkeit der Diözese als "Ortskirche" und nicht, wie oben immer wieder gebraucht, als "Teilkirche". Manche Theologen betonen diesen Unterschied meiner Meinung nach sehr zu recht: Der Bischof und die ihm anvertraute Gemeinde bilden den vollen Leib Christi - allerdings immer und notwendigerweise in communio mit den anderen Bischöfen und dem - nennen wir es mal mit dem allgemein bekannten Begriff - Patriarchen. Der rechtmäßige Bischof und seine Gemeinde bilden demnach immer Kirche im Vollsinn des Wortes, ohne allerdings dadurch die große Kirche der Ökumene zu spalten oder zu teilen.
Eine wirklich apostolische Tradition!
Herzl. Grüße, German

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Germanus hat geschrieben:Mich würde interessieren, was in diesem Zusammenhang Eure meinung ist über die wichtige Begrifflichkeit der Diözese als "Ortskirche" und nicht, wie oben immer wieder gebraucht, als "Teilkirche". Manche Theologen betonen diesen Unterschied meiner Meinung nach sehr zu recht: Der Bischof und die ihm anvertraute Gemeinde bilden den vollen Leib Christi - allerdings immer und notwendigerweise in communio mit den anderen Bischöfen und dem - nennen wir es mal mit dem allgemein bekannten Begriff - Patriarchen. Der rechtmäßige Bischof und seine Gemeinde bilden demnach immer Kirche im Vollsinn des Wortes, ohne allerdings dadurch die große Kirche der Ökumene zu spalten oder zu teilen.
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Ich stimme dir völlig zu. (Den Begriff der „Teilkirche“ habe ich in den beiden letzten Beiträgen bewußt gebraucht, weil ich dort jenes maximalistische Vaticanum-I-Verständnis wiedergab.)
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Dazu noch ein Nachtrag: Lateinischerseits wird immer wieder gern vor dem Irrtum gewarnt, die Ortskirchen als ontologisch der Gesamtkirche vorgängig, diese darum erst aus dem Zusammenschluß der Ortskirchen gebildet anzusehen.

Diese Warnung ist sehr berechtigt. Sie ginge aber – und geht leider oft – völlig in die Irre, wenn sie die Gesamtkirche dabei mit der römischen Kirche identifizierte oder als ihr Haupt den Papst von Rom sähe.

Denn das Haupt der Gesamtkirche ist Jesus Christus, die Kirche aber Sein mystischer Leib: eine überzeitliche Gemeinschaft, die civitas Dei, das neue Jerusalem und wahre Israel, dessen bloß je aktual durch Zeit und Welt pilgernde Portion die hierarchisch verfaßte Kirche unter den Bischöfen darstellt.

Die civitas Dei geht der Ortskirche also ontologisch voraus. Sie ist zugleich in jeder Ortskirche in des Feier des Sakraments und im hierarchischen Amt gegenwärtig.
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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »


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Petur
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Beitrag von Petur »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Damit es hier weitergeht, möchte ich wenigstens kurz die Berechtigung meiner obigen Einwände andeuten. – Eine Argumentation gegen den in maximalistischer Interpretation des Vaticanum I verstandenen Primatsbegriff, die behauptete, in der alten Kirche hätten die römischen Bischöfe nie die oberste Entscheidungsgewalt in Sachen des Glaubens und der Sitten beansprucht, wäre verfehlt. Das Gegenteil läßt sich zeigen.

Victor etwa hat dies im Osterfeststreit versucht, Leo in der Zurückweisung des Monophysitismus. Victor freilich ist mit dem Versuch des Ausschlusses der asiatischen Gegenpartei gescheitert, während er in der Sache recht behielt, freilich erst durch Beschluß des Konzils von Nicæa; auch Leos Entscheidung erlangte allgemeine Anerkennung erst durch die Konzilsentscheidung von Chalcedon.

Diese und ähnliche Beispiele taugen nun aber, wie wir sehen, auch nicht zur Unterstützung jenes maximalistischen Primatsverständnisses. Man müßte geradezu so argumentieren: Die Päpste hätten immer schon nach Kräften – manche deutlicher, manche schwächer – die Wahrheit über den Primat gelehrt und festgehalten, wenn auch der Rest der Kirche meist uneinsichtig blieb und widerstrebte; erst nach und nach, vollends nach mehr als 1900 Jahren Kirchengeschichte, sei es gelungen, alle Widerstrebenden entweder auszuschließen oder aber zur Annahme zu zwingen und so der Wahrheit endlich zum ruhm- und glanzvollen Siege zu verhelfen.

Daß solch eine Argumentation logisch widersinnig wäre und die ganze Geschichte der Kirche und ihr Selbstverständnis auf den Kopf zu stellen hieße, liegt auf der Hand. Dennoch läßt sich jene ganze maximalistische Primatsposition – zugespitzt formuliert, aber sachlich treffend – nur so begründen.

Dabei war bislang nur von der obersten Entscheidungsgewalt der Päpste in Sachen des Glaubens und der Sitten die Rede. Diese ist ja durchaus vorhanden und historisch auch ausgeübt worden, aber sie galt tatsächlich im ganzen ersten Jahrtausend – und teils weit darüber hinaus – nicht aus sich heraus, sondern bedurfte der Annahme durch die Kirche. Nicht wenige Fälle gab es auch, die klar als päpstliche Fehlentscheidungen anzusehen sind, und Fälle der Nichtannahme durch die Kirche.

Hierzu kann man sagen: Gut, das Vaticanum I hat nochmals der alten Anspruch der römischen Kirche erhoben und eingeschärft; in der Praxis kann es dennoch beim innerkirchlichen Spiel der Kräfte bleiben, durch welches sich im Einzelfall entscheidet, was der Glaube der Kirche ist und was nicht.

Das Vaticanum I ging nun aber über diesen alten Anspruch noch einmal weit hinaus. Es beanspruchte die volle und unmittelbare, echt bischöfliche Gewalt des Papstes in allen und jeder einzelnen „Teilkirche“ der gesamte Oikumene. Diese Idee war das ganze erste Jahrtausend hindurch und darüber hinaus völlig unbekannt. Sie setzt die philosophischen Begründungsversuche der Zwei-Schwerter-Lehre mit ihren Spekulationen um gestufte Gewalten oder Hierarchien voraus. Greifbar wird sie, soweit ich sehe, überhaupt erst in der lateinischen Scholastik des späteren 13. Jahrhunderts.

Mit dem Verständnis von der bischöflichen Gewalt, welches die alte Kirche hatte – also die Kirche vor der Scholastik und vor den hybriden Ansprüchen der mit der katharisch angehauchten Mailänder Pataria geistig verwachsenen hildebrand-humbertschen Fraktion – ist diese Idee von der vollen bischöflichen Gewalt des Papstes in den einzelnen Kirchen schlechterdings nicht vereinbar und muß darum als mit der Tradition nicht vereinbare theologische Meinung zurückgewiesen werden.

Nun kommt noch ein weiteres hinzu, nämlich die „Dogmatisierung“ jener theologischen Meinung, das heißt: der Versuch des Ausschlusses derer, welche sie für falsch halten. Dies impliziert die Voraussetzung, es handle sich um eine „dogmatisierbare“ Materie, also um einen Teil des heilsnotwendigen Glaubensschatzes der Kirche.

Dieser Ansicht steht nicht nur das vollständige Fehlen jener theologischen Meinung über das ganze erste Jahrtausend der Kirche hin entgegen, sondern auch innere Gründe. Aus dem Glaubensbekenntnis von Constantinopel können wir entnehmen, welche Materien als heilsrelevant anzusehen sind. Die folgenden Konzilien haben dies nur hinsichtlich verschiedener Einzelfragen noch weiter entfaltet und präzisiert. Die Primatslehre fehlt unter den heilsrelevanten Gegenständen bis hin zum Vaticanum I vollständig.

Das ist auch theologisch plausibel. Denn wir glauben weder an den Papst, noch sind wir im Blute des Papstes erlöst, auch nicht durch den Gehorsam ihm gegenüber, oder was immer man sich dieser Art noch vorstellen und ausdenken mag.

Die Kirche: ja, die ist notwendig. Mit ihr die Taufe: unum baptisma in remissionem peccatorum. Was die Verfassung der Kirche und die übrigen Sakramente und Sakramentalien betrifft, wird nichts gesagt. Wir dürfen und müssen das darum so verstehen, daß notwendig festzuhalten dasjenige ist, was damals die ganze Kirche einmütig als apostolische Überlieferung glaube, übte und festhielt.

Dem entspricht die seinerzeit von keinem geringeren als Joseph Ratzinger geäußerte Meinung, man dürfe im Bemühen um Wiederherstellung der beschädigten Einheit der Kirche den getrennten Kirchen nicht mehr und anderes zu glauben und zu halten auferlegen, als was im ersten Jahrtausend der Kirchengeschichte von der ganzen Kirche gehalten und geglaubt wurde.

Dieser Forderung sehe ich mich verpflichtet, und nichts anderes versuche ich hier darzustellen, zu begründen und voranzubringen, immer auf der Grundlage historischer Redlichkeit und der Treue und Liebe zur ganzen Kirche. Der Ruf zur Umkehr und zur Reform an Haupt und Gliedern folgt daraus mit Notwendigkeit. Er beinhaltet keinen revolutionären Appell zur Beseitigung der Primats des Bischofs von Rom. Wohl aber die ernste und drängende Frage nach seinem Platz, seiner Reichweite und seinem Stellenwert im Leben der Kirche.
Hallo Robert!

Akzeptierst Du in dieser Sache also die alt-katholische/orthodoxe/anglikanische Position?

Alles Gute!

Petur

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Petur hat geschrieben:Akzeptierst Du in dieser Sache also die alt-katholische/orthodoxe/anglikanische Position?
Abgespaltene Lateiner solltest du nicht mit den getrennten Ostkirchen in einen Topf werfen. Im übrigen nehme ich Positionen von Spaltprodukten als solchen gar nicht wahr. Freilich kann ich niemanden daran hindern, meine Darlegungen zu lesen und meiner Meinung zu sein. Ich nehme ja selber auch meinerseits aufmerksam die Darlegungen der Vertreter unterschiedlichster Positionen in der hier verhandelten Sache wahr – wenigstens ausschnittweise, nach Kraft und Möglichkeiten – und suche mir so ein Urteil zu bilden.

Ich sage dir ein Beispiel: Die Darlegungen des „Janus“ in der Polemik gegen die vatikanische Primatslehre sind hochinteressant und bieten reiches, wichtiges Material, freilich oft erst noch zur weiteren Vertiefung oder wenigstens Überprüfung. Die hauptsächliche Argumentationslinie ist aber, ungeachtet mancher Polemik, historisch-sachlich im wesentlichen zutreffend.

Gleichwohl ist die Überprüfung im einzelnen unverzichtbar, denn manches entpuppt sich bei näherem Zusehen doch als reine Übernahme protestantischer oder gar überhaupt christenfeindlicher Stereotypen ohne historische Grundlage. Das gilt etwa für die gegen die Päpste gerichteten Beschuldigungen in Sachen Ketzerverfolgung und insbesondere in Sachen der Hexereiprozesse.
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ieromonach
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Die Sakristei

Beitrag von ieromonach »

In dem ganzen Strang ist wohl etwas vergessen worden. Es wird immer von Nachfolger der Apostel (des Apostels) geschrieben. Doch das ist falsch. Apostel hatten prärogative die den Bischöfen nicht zukommen. Das Apostelamt war nicht gebunden an einen bestimmten Ort. Die Einsetzung von Episkopen durch Apostel war immer für .eine ganz konkrete Gemeinde und Gebiet. Natürlich kann man für dieses Gebiet den Bischof als "Nachfolger" bezeichnen.

Was den Bischof von Rom betrifft so ist es doch erstaunlich dass er das Bischofsamt nicht ausübt. Dafür wird ein anderer Bischof abgeordnet. Die Frage stellt sich also: Ist der Papst in erster Linie "Bischof von Rom" oder Papst, oder ist er in erster Linie "Papst" oder Bischof von Rom? :hmm:


+P.Theodoros

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Ich zumindest setze das Attribut "Bischof von Rom" an erste Stelle — wofür mir manche meiner katholischen Brüder und Schwestern gerne den Schädel einschlagen würden, denn die sehen das als Anbiederung an "häretische Schismatiker" und "protestantische Ketzer".
Jaja, die leichten Fälle von Brudermord…
???

Germanus
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Beitrag von Germanus »

anneke6 hat geschrieben:Ich zumindest setze das Attribut "Bischof von Rom" an erste Stelle — wofür mir manche meiner katholischen Brüder und Schwestern gerne den Schädel einschlagen würden, denn die sehen das als Anbiederung an "häretische Schismatiker" und "protestantische Ketzer".
Jaja, die leichten Fälle von Brudermord…
Liebe Anneke6,
wäre er nicht Bischof von Rom, dann wäre er auch nicht röm. Papst. Dir kann also niemand etwas einschlagen, wenn er nur nachdenkt. Was zu Recht oder Unrecht dem röm. Bischof zugestanden wird, ist leider Gottes mehr Machtanspruch und Politikum als Notwendigkeit - und schon gar nicht dogmatisch zu rechtfertigen.
Herzl. Gruß, Germanus

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Germanus hat geschrieben:
anneke6 hat geschrieben:Ich zumindest setze das Attribut "Bischof von Rom" an erste Stelle — wofür mir manche meiner katholischen Brüder und Schwestern gerne den Schädel einschlagen würden, denn die sehen das als Anbiederung an "häretische Schismatiker" und "protestantische Ketzer".
Jaja, die leichten Fälle von Brudermord…
Liebe Anneke6,
wäre er nicht Bischof von Rom, dann wäre er auch nicht röm. Papst. Dir kann also niemand etwas einschlagen, wenn er nur nachdenkt. Was zu Recht oder Unrecht dem röm. Bischof zugestanden wird, ist leider Gottes mehr Machtanspruch und Politikum als Notwendigkeit - und schon gar nicht dogmatisch zu rechtfertigen.
Herzl. Gruß, Germanus
Überzeuge mich bitte von Deiner Aussage, Germanus. Aber bitte nicht in der Vergangenheit schwelgen, sondern bleibe in der Gegenwart.

Gruß, ad_hoc
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Überzeuge mich von der Auferstehung Jesu von Nazareth, Adhoc.
Aber bitte nicht in der Vergangenheit schwelgen, sondern bleib in
der Gegenwart.
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taddeo
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Re: Die Sakristei

Beitrag von taddeo »

ieromonach hat geschrieben:Was den Bischof von Rom betrifft so ist es doch erstaunlich dass er das Bischofsamt nicht ausübt. Dafür wird ein anderer Bischof abgeordnet.
+P.Theodoros
Das kann man so nicht stehen lassen. Er übt das Amt des Bischofs von Rom sehr wohl aus: er weiht Priester und Kirchen für sein Bistum, er visitiert Pfarreien, er spendet Sakramente, er leitet die Personalpolitik zumindest auf der oberen Ebene - allerdings hat er, wie fast jeder andere Ortsbischof auch, einen Vikar an seiner Seite für die administrativen Aufgaben im Bistum. Im Falle des Bistums Rom ist das halt ein Kardinalvikar, kein Generalvikar, und daß der wegen der gesamtkirchlichen Aufgaben des Bischofs von Rom dann auch ein bißchen mehr zu tun hat als anderswo, ist irgendwie logisch.

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Überzeuge mich von der Auferstehung Jesu von Nazareth, Adhoc.
Aber bitte nicht in der Vergangenheit schwelgen, sondern bleib in
der Gegenwart.
:)

Gruß, ad_hoc
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Ralf

Beitrag von Ralf »

Mal eine Frage an die Orthodoxen:

sieht Euer Einschärtung nach die Mehrheit des Orthodoxen Klerus die Kirche (und somit Christenheit) überhaupt als gespalten an? Oder, wie ich befürchte, ist nicht die Meinung "wir sind drin, die anderen sind draußen" weiter verbreitet?

Denn wenn die Christenheit nicht gespalten ist, gibt es keine Sehnsucht nach Einheit...

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Sebastian
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Beitrag von Sebastian »

Ralf hat geschrieben:Mal eine Frage an die Orthodoxen:

sieht Euer Einschärtung nach die Mehrheit des Orthodoxen Klerus die Kirche (und somit Christenheit) überhaupt als gespalten an? Oder, wie ich befürchte, ist nicht die Meinung "wir sind drin, die anderen sind draußen" weiter verbreitet?

Denn wenn die Christenheit nicht gespalten ist, gibt es keine Sehnsucht nach Einheit...
Lieber Ralf, kann es sein, dass Du hier einige Dinge etwas eigensinnig in den Topf wirfst und Dir da schon eine eigene Antwort basteln wolltest?

1. Wir sprechen i.d.R. vom orthodoxen Kirchenverständnis und nicht von "Meinungen". Wir bekennen die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche und meinen damit auch die Orthodoxe Kirche.

2. Sehnsucht nach Einheit ? O Ralf, dies ist wohl der größte Wunsch der Kirche. Wir sagen aber auch, dass zur Einheit ein Weg der Ehrlichkeit eingeschlagen werden muss, da unserem Verständnis nach der Grund allen Übels (also der (Ab-)Spaltungen in der Christenheit) der Abfall vom wahren, apostolischen Glauben der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche war und ist.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Ralf

Beitrag von Ralf »

Das ist mir alles bekannt - und ich will mir durchaus keine Antwort selbst geben. Ich gebe nur meinen Eindruck wieder.

Die Meinung der Katholischen Kirche ist ja, daß die Kirche Jesu Christi in ihr existiert, daß es aber durchaus möglich ist, daß sie sich auf dem Weg zur Einheit in gewissen Elementen ändern muß, ohne ihr Selbstverständnis (=Kirchenverständnis) aufzugeben. Was diese gewise Elemente konkret sind, ist ja Diskussionspunkt. Doch in den 70ern hat ja eine gewisser Prof. Ratzinger schon geschrieben, daß die Art der Ausübung des Petrusamtes im 19. und 20. Jhd. sicher kein Maßstab für die Eine Kirche sein kann - d.h., er sah (und sieht sicherlich immer noch) Änderungsbedarf.

Die Frage nach Gesamt- und Teilkirche, die Frage der Kollegialität und des Primates, ist ja Katholischerseits stets in der auch lehramtstheologischen Debatte virulent.

Wenn die Orthodoxie diese Fragen für sich bereits alle gelöst hat, obwohl es da anscheinend unterschiedliche Vorstellungen der einzelnen Nationalkirchen gibt (und das Problem der Jurisdiktionen da ja mit reinspielt) - wenn also für die Orthodoxie es im Grunde genommen nicht das geringste Gefühl dafür gibt, daß es ein gemeinsames Ringen in der und um die Wahrheit geben muß zwischen den Brüdern des Ostens und Westens, ein Ringen, daß für beide Seiten möglicherweise eine Aufgabe von Gewohnheiten bedeutet, die man liebgewonnen hat (und vielleicht jenseits des 1. Jahrtausends auch theologisch begründet hat), wenn en fin dafür keine Bereitschaft besteht, dann können wir es auch lassen.

Ebenso wie es auf "unserer Seite" im real existierenden Katholizismus Praktiken gibt, die mit dem Ersten Jahrtausend wenig zu tun haben, so kann es diese doch in der Orthodoxie doch auch geben? Es mag für sie sehr mehr als nur gute Gründe zu ihrer Zeit gegeben haben (bspw. um das Überleben der Kultur unter osmanischer Herrschaft zu sichern), doch die Frage nach dem schlichten "muß das wirklich sein" darf gestellt werden. Auf beiden Seiten.

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Sebastian
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Beitrag von Sebastian »

Lieber Ralf, Dein obiger Beitrag verdeutlicht mir, dass Du Dich bisher sehr wenig mit der Orthodoxen Kirche und deren Selbstverständnis beschäftigt hast. Dies offenbart sich in deinen Vorstellungen über uns, die Du hier offen legt. Dies meine ich nicht im Bösen. Wenn Du mir gestattest, dann würde ich Dich bitten, Dich mehr mit Lektüre unserer Kirche zu befassen. Meine ungenügenden und schwachen Worte würden eh nicht ausreichen und Dich eher verärgern. Lass es Dir von unseren Hll. Kirchenvätern / Müttern erklären, was wir meinen mit Begriffen, wie Liebe, Einheit, Wahrheit. Da findest Du heute auch schon einiges auf deutsch. Sehr aufschlußreich, in aller Einfachheit und doch so tiefsinnig empfand ich es erläutert beim Lesen des Buches: "Heilige Altväter der Gegenwart"* (Ich glaube es ist letztes Jahr erschienen :hmm: ) .
Beste Grüße

* zu beziehen : Peter Kofer, Mauerstrasse 7, D-14641 Nauen
Preis: 20 Euro, zuzüglich Versandkosten. Hrsg. vom Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers, Chania, Kreta
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Ralf hat geschrieben:...sieht Euer Einschärtung nach die Mehrheit des Orthodoxen Klerus die Kirche (und somit Christenheit) überhaupt als gespalten an? Oder, wie ich befürchte, ist nicht die Meinung "wir sind drin, die anderen sind draußen" weiter verbreitet?
Um's konkret und mit definitivem Praxisbezug zu beantworten: aus meiner Sicht empfindet die "Mehrheit des Orthodoxen Klerus" die Kirche nicht als gespalten. Die Katholiken sind eben die Katholiken.

Dabei gehe ich davon aus, was ich kenne. Und das ist Rußland. Nota bene, ich rede nicht von Diasporaklerikern, von Bischöfen oder dem akademischen Level der Kirche. Ich rede von Menschen, die ich so kennengelernt habe. Erst letztens stand ich mit einem Erzpriester aus Rußland im grandiosen Dom zu Meißen. Man ist schon beeindruckt, fühlt sich aber nicht eben zum Gebet inspiriert.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Und genauso denke ich, daß man nur dann orthodox werden kann, wenn man das Selbstverständnis der orthodoxen Kirche selber rezipiert.
???

Ralf

Beitrag von Ralf »

Sebastian, ich habe mich schon ein wenig mehr als der Durchschnitt mit der Orthodoxen Kirche beschäftigt, das kannst Du mir glauben (allerdings lese ich mehr Kirchenväter, die vor dem Schisma geschrieben haben). Deswegen ja auch meine nüchterne Meinung dazu.

Und Nietenolaf, genau diese alltäglichen Erfahrungen meine ich, aus den orthodoxen Mehrheitsländern, eben nicht aus der Diaspora. Um diese Wahrnehmung geht es mir, daß eben die anderen bloß die anderen sind, nicht die Geschwister der Geteilten Kirche, der andere Lungenflügel (um malwie JPII zu sprechen).

Das macht die Sache so hoffnungsarm (nicht -los). Denn ohne Sehnsucht nach Einheit mangels Empfindung der Spaltung wird es auch keine Einheit geben.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Der Vergleich mit den Lungenflügeln paßt auch nicht in das orthodoxe Selbstverständnis, denn dieser impliziert, daß den Orthodoxen etwas fehlen würde…
???

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Sebastian
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Beitrag von Sebastian »

Ralf hat geschrieben:Und Nietenolaf, genau diese alltäglichen Erfahrungen meine ich, aus den orthodoxen Mehrheitsländern, eben nicht aus der Diaspora.
Dann kann ich meine Buchempfehlung nur bestätigen. Dort werden Dir unsere Kirchenväter (der Neuzeit), die allsamt aus "orthodoxen Mehrheitsländern" stammten und nicht aus der bösen Diaspora, deutlich klar machen, wie unser Selbstverständnis sich darstellt. Aber darüber hatten wir auch hier schon unzählige Beiträge. Ich erinnere mich spontan an Ökumene die nächsten Schritte und Ähnliches. Stöbern lohnt sich.

Anneke6 hat schon ganz recht geschrieben. Fehlende "Lungenflügel" etc. ist grob gesagt sentimentales Geschwafel.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Ralf

Beitrag von Ralf »

Das ist genu der Tonfall, den ich bei einem angeblich brüderlichen Gespräch so schätze. "Sentimentales Geschwafel".

Pfui.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:Das ist genu der Tonfall, den ich bei einem angeblich brüderlichen Gespräch so schätze. "Sentimentales Geschwafel".

Pfui.
Nimm es einfach als Meinungsäußerung eines jungen Konvertiten! :roll:

Auf anderen kirchlichen Ebenen wird auch anders kommuniziert (in beiden Deutungsmöglichkeiten des Wortes) ................

Germanus
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Beitrag von Germanus »

Raphael hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:Das ist genu der Tonfall, den ich bei einem angeblich brüderlichen Gespräch so schätze. "Sentimentales Geschwafel".

Pfui.
Nimm es einfach als Meinungsäußerung eines jungen Konvertiten! :roll:

Auf anderen kirchlichen Ebenen wird auch anders kommuniziert (in beiden Deutungsmöglichkeiten des Wortes) ................
Sebastian hat es so ausgesprochen, wie er dieses Wort der "Lungenflügel" versteht: Die römischen Taten in Bezug auf dieses Wort erweisen es tatsächlich erstmal als Geschwafel, sonst hätte es nicht z.B. zur Errichtung einer mehr als offiziellen Parallelhierarchie in Russland kommen dürfen. Wenn die römische Lunge hic et nunc wirklich zusammen mit der orthodoxen atmen könnte, dann wäre nämlich diese Zementierung 1. nicht nötig gewesen und 2. sehr viel klarer durchdacht worden. Es ist schön, von den beiden Flügeln der Lunge zu sprechen. Schöner wäre es jedoch, wenn der ernste Grund der Trennung selbst in diesem Wort auch ernst genommen worden wäre. Dieser Grund ist de facto das römische Übergewicht seit mehr als tausend Jahren, das sich oft in einer gewissen klitzekleinen Überheblichkeit geäußert hat (und es noch tut?).
Bin kein junger Konvertit, aber kann mir trotzdem diese Worte nicht verkneifen.
Herzl. Gruß, Germanus

Ralf

Beitrag von Ralf »

Die Katholischen Diözesen in Rußland haben genausoviel Berechtigung wie die Orthodoxen in Westeuropa, nur daß eben die Katholische Kirche nicht nach Ethnien und Jurisdiktionen trennt, daher gilt eben, daß es pro Region nur einen Ortsbischof gibt (macht meines Erachtens auch den Begriff Ortsbischof klarer, aber das nur nebenbei und auch nicht wichtig jetzt).

Worum geht es denn hier?

Um Spielereien und Empfindlichkeiten (Überheblichkeit hier, Geschwafel da)?

Oder geht es nicht darum, daß die gespaltene Christenheit der Welt ein erbärmliches Bild abgibt mit ihrer tiefen Zerrissenheit?

Im Heiligen Land prügeln sich grischisch-orthodoxe und armenische Mönche(!), Streit zwischen den katholischen Franziskanern und Orthodoxen sind auch nicht selten.

Kindergarten, nichts als Kindergarten!

Wieviel Patriarche von Antiochien gab es noch?

Kindergarten!

Alle schmoren in ihrem eigenen Saft, die anderen sind die bösen und die anderen müssen sich bewegen und WIR HABEN DIE WAHRHEIT, sie ist UNSER EIGENTUM, hier kannst Du sie lesen.

Kindergarten!

Gegen solche Kirchen hat der Verführer ein leichtes Spiel, bei solchen Kirchen schlägt der Säkularismus durch, auch im Osten wird die Diskrepanz zwischen Geldgeilheit und Frömmigkeit nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Bei solchen Kirchen verblaßt die Ausstrahlung auf das große Meer der Ungläubigen mehr als rasch.

Okay, es gibt ein Wiedererwachen des klösterlichen Leben ins Rußland. Auch die Klöster in Rumänien sind voll (die ich besser kenne). DOch würde es mich nicht wundern, wenn es das Aufflackern nach der Unterdrückung ist - auch in Deutschland sah es nach der Nazizeit anders aus als jetzt.

Mann, wir haben echt andere Probleme. Schaut mal aus dem Fenster, redet mal mit den Ahnungslosen von nebenan, den Nachbarn. Denen sollen wir ein Licht sein! Und zwar gemeinsam.

Und da müssen wir einen Weg finden, wenn nicht die Arroganz irgendeiner Seite das ersticken soll.

Aber wir können uns natürlich auch über die Frage unterhalten, ob ein Bistum in Rußland rechtens ist, ist ja auch interessant.

Nur: bringt das auch nur einen Menschen näher zu Christus? Stärken wir damit das gemeinsame Zeugnis? Oder kümmern wir uns nur um uns selbst?

Kindergarten.

(So, genug aufgeregt. Aber diese Nabelschauen kotzen mich an. Wir sind für die Welt da! Kirche ist kein Selbstzweck!)

Germanus
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Beitrag von Germanus »

Lieber Ralf,
der Kindergarten beginnt da, wo wir uns wie Kinder benehmen, indem wir die Gegenargumente nicht ernstnehmen, meine ich. Deswegen schlage ich einfach zurück, indem ich Dir sage, dass es natürlich keine Doppelstrukturen in Deutschland gibt, da die sogenannten kath. Bischöfe nicht für jeden Orthodoxen wirkliche Bischöfe sind. Und dass Rom erst dann zu einem adäquaten Gesprächspartner wird, wenn es zum rechten christlichen Glauben zurückkehrt.
Das wären z.B. Argumente, die ich bringen könnte gegen Dein Ansinnen, den Menschen Christus zu bringen - den Du ihnen nur verfälscht und zerrissen bringen würdest.
Das sind, wohlgemerkt, nicht meine Argumente! Ich teile die Deinen größtenteils, meine aber auch, dass das Kindergartenniveau langsam überwunden werden muss von jeder Seite.
Zufällig habe ich heute ein Bild von Sieger Köder entdeckt, den ich sonst nicht unbedingt meinen Lieblingsmaler nennen kann:
Es zeigt die drei christlichen Konkurrenten - Protestanten, Katholiken und Orthodoxe -, die ehrfurchtsvoll und ergriffen den Heiligen Rock verehren, dessen Unversehrtheit den Makel der Zerrissenheit trägt, und zwar im Zeichen des Kreuzes.
Das, z.B., wäre mein Wunsch für uns Christen. Dann würde vielleicht auch die vierte Person auf dem Bild verständlich, die ich nicht deuten konnte, aber die womöglich, als dunkelhäutiger Fahnenträger, die Botschaft des ungeteilten Hl. Rocks zu den Menschen trägt.
Ein Paar Gedanken, ohne Aufregung, und mit herzl. Gruß.

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Auserdem werden wir sowieso früher oder später vereinigen, die FRage ist nur friedlich im Disput oder streitend dier Orthodoxen aufsaugen mit der Mission.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Raphael

Beitrag von Raphael »

Germanus hat geschrieben:Sebastian hat es so ausgesprochen, wie er dieses Wort der "Lungenflügel" versteht: Die römischen Taten in Bezug auf dieses Wort erweisen es tatsächlich erstmal als Geschwafel, sonst hätte es nicht z.B. zur Errichtung einer mehr als offiziellen Parallelhierarchie in Russland kommen dürfen. Wenn die römische Lunge hic et nunc wirklich zusammen mit der orthodoxen atmen könnte, dann wäre nämlich diese Zementierung 1. nicht nötig gewesen und 2. sehr viel klarer durchdacht worden. Es ist schön, von den beiden Flügeln der Lunge zu sprechen. Schöner wäre es jedoch, wenn der ernste Grund der Trennung selbst in diesem Wort auch ernst genommen worden wäre. Dieser Grund ist de facto das römische Übergewicht seit mehr als tausend Jahren, das sich oft in einer gewissen klitzekleinen Überheblichkeit geäußert hat (und es noch tut?).
Der Verweis auf eine angebliche Überheblichkeit wegen einem angeblichen römischen Übergewicht läßt den Rückschluß auf einen Minderwertigkeitskomplex bei den Ostlern zu. :|

Siehst Du: Und schon sind die Fronten aufgebaut und der "Arrogante" fightet mit dem "Minderwertigen". Das habt Ihr Orthodoxen doch gar nicht nötig ............

Genau so wird der Status quo seit ca. 1.000 Jahren aufrecht erhalten. Fällt den begeisterten Christen da nichts Besseres ein, wenn man auf der Erklärung von Patriarch Athenagoras und Papst Paul VI. aus 1965 A.D. aufbaut?
Germanus hat geschrieben:Bin kein junger Konvertit, aber kann mir trotzdem diese Worte nicht verkneifen.
Herzl. Gruß, Germanus
Der Volksmund weiß: Alter schützt vor Torheit nicht!

Ralf

Beitrag von Ralf »

Germanus hat geschrieben:Lieber Ralf,
der Kindergarten beginnt da, wo wir uns wie Kinder benehmen, indem wir die Gegenargumente nicht ernstnehmen, meine ich. Deswegen schlage ich einfach zurück, indem ich Dir sage, dass es natürlich keine Doppelstrukturen in Deutschland gibt, da die sogenannten kath. Bischöfe nicht für jeden Orthodoxen wirkliche Bischöfe sind. Und dass Rom erst dann zu einem adäquaten Gesprächspartner wird, wenn es zum rechten christlichen Glauben zurückkehrt.
Das wären z.B. Argumente, die ich bringen könnte gegen Dein Ansinnen, den Menschen Christus zu bringen - den Du ihnen nur verfälscht und zerrissen bringen würdest.
Das sind, wohlgemerkt, nicht meine Argumente! Ich teile die Deinen größtenteils, meine aber auch, dass das Kindergartenniveau langsam überwunden werden muss von jeder Seite.
Zufällig habe ich heute ein Bild von Sieger Köder entdeckt, den ich sonst nicht unbedingt meinen Lieblingsmaler nennen kann:
Es zeigt die drei christlichen Konkurrenten - Protestanten, Katholiken und Orthodoxe -, die ehrfurchtsvoll und ergriffen den Heiligen Rock verehren, dessen Unversehrtheit den Makel der Zerrissenheit trägt, und zwar im Zeichen des Kreuzes.
Das, z.B., wäre mein Wunsch für uns Christen. Dann würde vielleicht auch die vierte Person auf dem Bild verständlich, die ich nicht deuten konnte, aber die womöglich, als dunkelhäutiger Fahnenträger, die Botschaft des ungeteilten Hl. Rocks zu den Menschen trägt.
Ein Paar Gedanken, ohne Aufregung, und mit herzl. Gruß.
Germanus, Dein erster Absatz ist genau der Kindergarten, den ich meine (wie Du sagst, nicht Deine Meinung). Soso, da die katholischen Bischöfe keine Bischöfe seien (aus orthodoxer Sicht), gebe es in Deutschland keine Parallelhierarchie. Dann könnte ja die Katholsche Kirche den Orthodoxen Bischöfen das Bischofsein absprechen, und in Rußland wäre es genauso?

Lächerlich.

Und wenn man mit Rom erst spricht, wenn die Katholiken wieder "rechtgläubige Christen", also Orthodoxe werden, dann können wir das Thema auch begraben.

Wenn das die Mehrheitsmeinung der Orthodoxie ist, dann habe ich kein Interesse. Menschen, die schon die ganze Wahrheit über Gott zu besitzen meinen, sind mir mehr als suspekt.

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