Mysterien

Ostkirchliche Themen.
Mary
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Mysterien

Beitrag von Mary »

Da mein Beitrag im mittlerweile umbenannten Katechismus-Thread im akademischen Geblödel unterzugehen droht, eröffne ich hier nochmals das Thema Mysterien und setzt meine Antwort auf Pilgerer's Frage als Anfangsbeitrag.
(War immerhin eine Menge Tipperei...)
Pilgerer hat geschrieben:
Auf Seite 1 wurde ein Begriff verwendet: Sakramente. Bei Vr. Sergius wird von Mysterien gesprochen und auch mein vor Jahrzehnten die Orthodoxie gefunden habener Vater verwahrt sich gegen den Begriff Sakramente, weil er eine bestimmte dogmatisch-juristische Sichtweise bringt, die nicht orthodox ist.
Ist das Wort "Mysterium" in der Orthodoxie als Synonym für das deutsche Wort "Geheimnis" anzusehen oder bedeutet es mehr? Wie viele Mysterien gibt es in der orthodoxen Kirche? Bezeichnet es nur die rituellen Handlungen wie Taufe, Salbung, Eucharistie etc. oder auch andere Dinge/Vorgänge?
Hallo Pilgerer,

Ich tippe Dir nochmals ein Stück aus dem schon erwähnten Buch von Susanne Hausamman und Sergius Heitz "Christus in euch:Hoffnung auf Herrlichkeit" ab.
Das lateinische Wort sacramentum für die Mysterien, von denen wir hier sprechen, ist unangemessen und irreführend. Dies zeigt sich auch daran, dass man die Zahl der "Sakramente" nicht festlegen kann wie in den westlichen Kirchen. Zwar reden manche Lehrbücher davon, es gebe auch in der orthodoxen Kirche "sieben Sakramente", aber das ist eine Angleichung an die Römisch-katholische Kirche, die letztlich dem Sachverhalt nicht gerecht wird. Der auf aristotelischem Denkhintergrund entstandene lateinische Begriff "Sakrament" (sacramentum=urspr. Fahneneid) schliesst eine rechtliche Komponente ein und lässt sich genau definieren. Anders das ihm zugrunde liegende griechische Wort mysterion (von myein= Schliessen von Mund und Augen, Einweihen in ein Heilsgeheimnis). Das Mysterium bezeichnet eine "verborgene Offenbarung", die sich darbietet, ohne sich zu entbergen. Es geht also um die Paradoxie, die sich nicht auflösen lässt. Denn beides gehört wesensmässig zum Mysterium: das enthüllende Offenbaren und das verhüllende Sich-dem-Zugriff-Entziehen. Daher ist auch die Übersetzung "Geheimnis" für Mysterium unzutreffend und irreführend. Es ist daher besser, den Ausdruck Mysterium unübersetzt zu lassen und inbezug auf die Orthodoxe Kirche weder von Geheimnissen, noch von Sakramenten zu reden.

Im Mysterium kann nicht forma und materia unterschieden werden, wie beim lateinischen Sakrament. Nicht signum (Zeichen) und res (bezeichnete Sache) sind die entscheidenden Kategorien, sondern "Abbild" und "Urbild" im platonischen Sinne. Denn das Mysterium gibt am Urbild Anteil durch wirkungskräftiges Abbild. Voraussetzung dafür ist nach orthodoxem Verständnis die in Jesus Christus festgemachte Zusage Gottes und das Kommen des Heiligen Geistes. Darum haben die Mysterien der Heilsübermittlung durch die Kirche eine Epiklese, so Taufe, Myronsalbung, Eucharistie, Busse, Krankenölung, Ehekrönung, Weihe von Klerikern und Mönchen, Wasserweihe, Bereitung des Myrons, Weihe einer Kirche, Weihe eines Antimins, Aber der Begriff Mysterium lässt sich nicht auf diese kirchlichen Handlungen beschränken. Denn einerseits wird auch das Reich Gottes und sein Kommen, die Menschwerdung Jesu Christi, das Evangelium und seine Verkündigung in der Heiligen Schrift Mysterien genannt, andererseits haben die altkirchlichen Väter auch von der gottesdienstlichen Evangelienlesung und vom Gebet als von Mysterien gesprochen. Es gibt in der Orthodoxie also keine fest Zahl von Mysterien, sondern - wie allein schon die Rede von den Festmysterien zeigt - eine unüberschaubare Fülle. In all den einzelnen vielfältigen Mysterien aber bricht sich das eine Licht des Heilsgeschehens in Jesus Christus, wie sich das Sonnenlicht in den Farben des Regenbogens bricht. Dies alles muss man bedenken, wenn man von den Mysterien redet, oder gar in Analogie zu den westlichen Kirchen gelegentlich den Begriff Sakrament gebraucht.
Lg Maria
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taddeo
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Re: Mysterien

Beitrag von taddeo »

Maria, diese Aussagen scheinen mir aber sehr als bewußte Abgrenzung zur westlich-katholischen Sakramententheologie geschrieben zu sein, sozusagen mit klarem apologetischem Interesse. Dadurch schießen sie etwas über das Ziel hinaus, finde ich.
Selbst wenn man zugesteht, daß das Wort "mysterion" noch unschärfer ist als das "sacramentum" (was ja auch nicht ausschließlich "die sieben Sakramente" bezeichnet, sondern weiter gefaßt sein kann), dann kann man doch unschwer erkennen und zugeben, daß auch die orthodoxen Mysterien nicht alle vom gleichen Gewicht sind, sondern daß diejenigen, die den sieben Sakramenten der katholischen Kirche (einschließlich der Ostkirchen!) entsprechen, eben auch einen höheren und durchaus mit kanonischen Folgen verbundenen Stellenwert haben.

Miserere Nobis Domine
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Re: Mysterien

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

taddeo hat geschrieben:Maria, diese Aussagen scheinen mir aber sehr als bewußte Abgrenzung zur westlich-katholischen Sakramententheologie geschrieben zu sein, sozusagen mit klarem apologetischem Interesse. Dadurch schießen sie etwas über das Ziel hinaus, finde ich.
Selbst wenn man zugesteht, daß das Wort "mysterion" noch unschärfer ist als das "sacramentum" (was ja auch nicht ausschließlich "die sieben Sakramente" bezeichnet, sondern weiter gefaßt sein kann), dann kann man doch unschwer erkennen und zugeben, daß auch die orthodoxen Mysterien nicht alle vom gleichen Gewicht sind, sondern daß diejenigen, die den sieben Sakramenten der katholischen Kirche (einschließlich der Ostkirchen!) entsprechen, eben auch einen höheren und durchaus mit kanonischen Folgen verbundenen Stellenwert haben.
So klar ist das nicht, die Siebenzahl kommt nun einmal aus der RKK. Warum zum Beispiel findet sich die Kirchweihe nicht darunter, die in der Orthodoxie doch einen starken Stellenwert hat?

Und überhaupt sind die Übergänge in der Orthodoxie fliessend, deshalb gibt es z.B. keine strenge Trennung ziwschen Todsünden und lässlichen Sünden, aber auch nicht zwischen Sakramenten und Sakramentalien.

Mary
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Re: Mysterien

Beitrag von Mary »

taddeo hat geschrieben:Maria, diese Aussagen scheinen mir aber sehr als bewußte Abgrenzung zur westlich-katholischen Sakramententheologie geschrieben zu sein,
Der Eindruck täuscht, das Buch ist für orthodoxe Christen und Suchende gedacht. Vermutlich liegt es am hier behandelten Thema.

Allerdings kannte Vater Sergius aufgrund seiner Lebensgeschichte den römisch-kath. Glauben genauestens und das mag erklären, warum er da und dort vergleicht.
Auch ist die erste Version des Buches als Beiträge in einer Zeitschrift erschienen, die an Orthodoxe Gläubige gerichtet war, die sich "im Westen" ihren Glauben bewahren wollten.

Lg Maria
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taddeo
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Re: Mysterien

Beitrag von taddeo »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:So klar ist das nicht, die Siebenzahl kommt nun einmal aus der RKK. Warum zum Beispiel findet sich die Kirchweihe nicht darunter, die in der Orthodoxie doch einen starken Stellenwert hat?

Und überhaupt sind die Übergänge in der Orthodoxie fliessend, deshalb gibt es z.B. keine strenge Trennung ziwschen Todsünden und lässlichen Sünden, aber auch nicht zwischen Sakramenten und Sakramentalien.
So klar ist das auch wieder nicht, daß "die Siebenzahl aus der RKK kommt". Letztlich kommt sie aus der Heiligen Schrift, die ja auch in der Orthodoxie keine anderen Texte hat als in der katholischen Kirche. Aber gut.

Ich finde es dennoch eine etwas fragwürdige These, einen so bewußten Gegensatz zwischen den "westlichen Sakramenten" und den "östlichen Mysterien" zu konstruieren. Beides meint dasselbe, nur ist eben im Westen aus verschiedenen Gründen die Abgrenzung schärfer erfolgt. Was im Osten "Mysterien" heißt, umfaßt letztlich alles, was im Westen in "Sakramente" und "Sakramentalien" unterschieden wird. Na und? Das tut doch keinem weh. Und daß in der Orthodoxie das Mysterium der Taufe denselben Stellenwert hätte wie das Mysterium der Weihe eines Antimensions, das wirst auch Du nicht behaupten.

Miserere Nobis Domine
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Re: Mysterien

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

taddeo hat geschrieben: So klar ist das auch wieder nicht, daß "die Siebenzahl aus der RKK kommt". Letztlich kommt sie aus der Heiligen Schrift, die ja auch in der Orthodoxie keine anderen Texte hat als in der katholischen Kirche. Aber gut.
1. Wo ist in der Heiligen Schrift die Siebenzahl erwähnt?
2. Naja, es gibt schon kleinere Unterschiede in Kanon, zum Beispiel bei 1. Esdras/Esra.
taddeo hat geschrieben:Ich finde es dennoch eine etwas fragwürdige These, einen so bewußten Gegensatz zwischen den "westlichen Sakramenten" und den "östlichen Mysterien" zu konstruieren. Beides meint dasselbe,
Davon bin ich nicht überzeugt. Die Theologie ist verschieden, und das hat auch praktische Auswirkungen. So kann nach rk. Lehre ein Vagant ex opere operato gültige, aber unerlaubte Sakramente spenden.
taddeo hat geschrieben:nur ist eben im Westen aus verschiedenen Gründen die Abgrenzung schärfer erfolgt. Was im Osten "Mysterien" heißt, umfaßt letztlich alles, was im Westen in "Sakramente" und "Sakramentalien" unterschieden wird. Na und? Das tut doch keinem weh.
Doch, viele orthodoxe Christen sehen eine solche Kategorisierung durchaus als problematisch an.

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Nietenolaf
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Re: Mysterien

Beitrag von Nietenolaf »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Wo ist in der Heiligen Schrift die Siebenzahl erwähnt?
Steilvorlage. Sprüche 9:1. Übrigens eines der Argumente von orthodoxen Theologen (MDA) zugunsten einer Siebenzahl der Mysterien/Sakramente. Offiziell. Aber natürlich ist das kein Dogma oder sowas.

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Doch, viele orthodoxe Christen sehen eine solche Kategorisierung durchaus als problematisch an.

Welche Probleme sehen sie dabei?
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Miserere Nobis Domine
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Re: Mysterien

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Nietenolaf hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Wo ist in der Heiligen Schrift die Siebenzahl erwähnt?
Steilvorlage. Sprüche 9:1. Übrigens eines der Argumente von orthodoxen Theologen (MDA) zugunsten einer Siebenzahl der Mysterien/Sakramente. Offiziell. Aber natürlich ist das kein Dogma oder sowas.

"Η σοφία ᾠκοδόμησεν ἑαυτῇ οἶκον καὶ ὑπήρεισεν στύλους ἑπτά·" Die Weisheit hat sich ein Haus gebaut und sieben Säulen unterlegt.
Ich finde es spontan nicht nachvollziehbar, wie man das auf sieben Sakramente beziehen kann. Ich würde das gerne beim entsprechenden Autor nachlesen, um die Argumentation zu verstehen.

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Doch, viele orthodoxe Christen sehen eine solche Kategorisierung durchaus als problematisch an.

Welche Probleme sehen sie dabei?
Zum Beispiel sagt Fr. Thomas Hopko folgendes:
The practice of counting the sacraments was adopted in the Orthodox Church from the Roman Catholics. It is not an ancient practice of the Church and, in many ways, it tends to be misleading since it appears that there are just seven specific rites which are "sacraments" and that all other aspects of the life of the Church are essentially different from these particular actions. The more ancient and traditional practice of the Orthodox Church is to consider everything which is in and of the Church as sacramental or mystical.
Quelle: http://oca.org/OCchapter.asp?SID=2&ID=5

Mary
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Re: Mysterien

Beitrag von Mary »

Der zitierte Beitrag ist von Pilgerer im Kathechismusblödelthema geschrieben worden.
Pilgerer hat geschrieben:
Kann auch das Handeln des frommen Laien im Alltag Mysterien enthalten?
Ich meine Ja.
Gottes Reich ist unter uns. Alles, was wir in der Kirche tun - nicht im Gebäude, sondern im Leben als Gläubige, auch als Familienkirche - ist in gewissem Sinn Mysterium von Gottes Reich.
Pilgerer hat geschrieben:Zum orthodoxen Katechismus: Gibt es bestimmte verbindliche Punkte, die jemand bejahen muss, um ein "rechtgläubiger" Orthodoxer zu sein?
Wir glauben, was wir im Glaubensbekenntnis bekennen.
Verbindlich sind uns die sieben ökumenischen Konzilien.

Orthodoxie ist, nochmal gesagt, nicht Bejahen mit Worten, sondern Bejahen mit dem Leben.
Lg Maria
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Nassos
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Re: Mysterien

Beitrag von Nassos »

Demnach ist wohl auch das tägliche Gebet ein Mystirion. (Alltag).

Die Fleischwerdung des Herrn ist ein Mystirion xenon (μυστήριον ξένον) (fremdartiges, paradoxes Mysterium), wie uns der Hl. Kosmas in der 9. Ode des Weihnachtskanons sagt.
Mary hat geschrieben:Orthodoxie ist, nochmal gesagt, nicht Bejahen mit Worten, sondern Bejahen mit dem Leben.
Und dem Herzen. Deshalb spricht Joseph hier von "way of life" und nicht von "religion".

Lieben Gruß,
Nassos
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Pilgerer
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Re: Mysterien

Beitrag von Pilgerer »

Die orthodoxe Theologie und ganze Welt der Orthodoxie ist für uns Mitteleuropäer erstmal ein unbekanntes Land. Darum hoffe ich, dass ich hier nicht in allzu große Fettnäpfchen oder Missverständnisse gerate.

Wenn laut "Christus in euch: Hoffnung auf Herrlichkeit" das römisch-katholische Sakrament eine rechtliche Komponente einschließt, bezieht sich das dann auf eine rechtliche Komponente göttlicher oder weltlicher Art? Wenn wir ein Gottesrecht annehmen, das die Ewigkeit regiert, dann kann es dort durchaus gewisse rechtliche Vorgänge geben, die vielleicht nicht so förmlich ablaufen wie in irdischen Gerichten, aber ähnlich sind. Im Christentum gibt es die Vorstellung zu einem Jüngsten Gericht, in das - je nach Auffassung - Christen nicht kommen, wenn sie mit Jesus Christus leben. Dann kann zum Beispiel die Taufe als der Vorgang gewertet werden, durch den ein Christ das Jüngste Gericht vorwegnimmt und zugleich das ewige Leben der Auferstehung erhält.

Hat die Taufe und haben andere orthodoxe Mysterien Auswirkungen darauf, wie er vor Gott nach dem Tod besteht? Dann könnte darin auch ein rechtlicher Aspekt göttlicher Art enthalten sein. Dies ist nach dem Kleinen Katechismus bei beiden evangelischen Sakramenten der Fall ("... zur Vergebung der Sünden").
Wenn der rechtliche Aspekt der römisch-katholischen Sakramente weltlicher Art ist, müsste dem Sakrament eine säkulare Funktion (z.B. in der katholischen Gesellschaft) zugeschrieben werden, wie es in früheren katholischen Staaten teilweise der Fall war.
Gottes Reich ist unter uns. Alles, was wir in der Kirche tun - nicht im Gebäude, sondern im Leben als Gläubige, auch als Familienkirche - ist in gewissem Sinn Mysterium von Gottes Reich.
Das hört sich interessant an. Kann auch eine Spende für Arme als Mysterium gelten? Wie lässt sich das Mysterium nun besser vom Begriff "Geheimnis" unterscheiden?

Wenn ich den Begriff "Geheimnis" verwende, dann ist aus meiner Sicht zuallererst Gott ein Geheimnis. Von Gott leitet sich zugleich alles Sein ab, das dann auch geheimnisvoll ist. Alles, was nicht geheimnisvoll ist, ist auch nicht. Das, was ist, lässt sich nicht durch theoretische Spekulation verstehen, sondern durch eine metaphysische Erfahrung, die die Wirklichkeit schmeckt. Ein von Menschen konstruierter Roboter lässt keine metaphysische Erfahrung zu, aber ein von Gott geschaffenes Lebewesen (z.B. Löwe, Ziege, Kornblume) lassen eine solche Erfahrung zu. Ebenso kann Gott nicht durch theoretische Analysen verstanden werden, sondern eigentlich nur durch die mataphysische Erfahrung. Alles, was geschaffen ist, hat seine geheimnisvolle Bedeutung von Gott bekommen, und somit ist die Bedeutung erst dann ganz zu ermessen, wenn es jemandem gelingt "mit Gott" auf etwas zu schauen. Der Mensch ist sich selbst ein großes Rätsel, und er bleibt sich selbst ein völlig Unbekannter, solange er nicht "mit Gott" auf sich selbst und andere schaut.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Nassos
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Re: Mysterien

Beitrag von Nassos »

Pilgerer hat geschrieben:Wenn ich den Begriff "Geheimnis" verwende, dann ist aus meiner Sicht zuallererst Gott ein Geheimnis. Von Gott leitet sich zugleich alles Sein ab, das dann auch geheimnisvoll ist. Alles, was nicht geheimnisvoll ist, ist auch nicht. Das, was ist, lässt sich nicht durch theoretische Spekulation verstehen, sondern durch eine metaphysische Erfahrung, die die Wirklichkeit schmeckt. Ein von Menschen konstruierter Roboter lässt keine metaphysische Erfahrung zu, aber ein von Gott geschaffenes Lebewesen (z.B. Löwe, Ziege, Kornblume) lassen eine solche Erfahrung zu. Ebenso kann Gott nicht durch theoretische Analysen verstanden werden, sondern eigentlich nur durch die mataphysische Erfahrung. Alles, was geschaffen ist, hat seine geheimnisvolle Bedeutung von Gott bekommen, und somit ist die Bedeutung erst dann ganz zu ermessen, wenn es jemandem gelingt "mit Gott" auf etwas zu schauen. Der Mensch ist sich selbst ein großes Rätsel, und er bleibt sich selbst ein völlig Unbekannter, solange er nicht "mit Gott" auf sich selbst und andere schaut.
Ich habe jetzt keinen orthodoxen Zeileninterpreter drüberlaufen lassen, aber ich kann dem zustimmen.

Die metaphysische Erfahrung würde ich auf den Menschen reduzieren, denn ihm allein ist die Seele durch die lebensspendende göttliche Energie eingehaucht (während der Körper erschaffen wurde).

Die metaphysische Erfahrung bedeutet für uns die Gottesschau durch das reine Herz. Und ein Mysterion lässt sich davon nicht "erklären", ich glaube zutiefst, dass mehr als ein leises Erahnen dem Menschen nicht möglich ist (und es auch nicht sein soll).

Gruß,
Nassos
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Mary
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Re: Mysterien

Beitrag von Mary »

Lieber Pilgerer,
ich habe lange nachgedacht, und will eine Antwort versuchen.
Pilgerer hat geschrieben: Hat die Taufe und haben andere orthodoxe Mysterien Auswirkungen darauf, wie er vor Gott nach dem Tod besteht? Dann könnte darin auch ein rechtlicher Aspekt göttlicher Art enthalten sein.
Die Taufe kann nicht isoliert gesehen werden. Taufe, Myronsalbung und Kommunion sind zusammen der Anfang eines Weges der Reinigung und Erneuerung.
Dies ist das "Sterben mit Christus", die Aufnahme in den Leib Christi.
Die Taufe ist die Erleuchtung, das Herauskommen aus der Finsternis der Unwissenheit ins Licht Christi. Die Myronsalbung ist die Versiegelung mit dem Heiligen Geist, die Kommunion die Vereinigung mit Christus.
Daraus erwächst uns aber keine wie immer geartete Auswirkung oder Berechtigung beim Gericht, sondern dieses "Leben in Christus" muss gelebt und verwirklicht werden.
Wie lässt sich das Mysterium nun besser vom Begriff "Geheimnis" unterscheiden?
Geheimnis impliziert etwas Geheimes, nicht bekanntes.
Mysterium ist zugleich Offenbartes und Verhülltes.
Der Gedanke klingt zum Beispiel an im Tropar zum Festtag Verklärung des Herrn, wo es heisst:
"Du wurdest verklärt auf dem Berge, Christus, unser Gott, und zeigtest den Jüngern Deine Herrlichkeit, soweit sie es vermochten;..."
Pilgerer hat geschrieben:Alles, was geschaffen ist, hat seine geheimnisvolle Bedeutung von Gott bekommen, und somit ist die Bedeutung erst dann ganz zu ermessen, wenn es jemandem gelingt "mit Gott" auf etwas zu schauen. Der Mensch ist sich selbst ein großes Rätsel, und er bleibt sich selbst ein völlig Unbekannter, solange er nicht "mit Gott" auf sich selbst und andere schaut.
Ja. Da kann ich zustimmen.
Wobei das dann nicht beim "Verstehen" stehenbleiben darf. Sich selbst und den andern "mit Gott" anzuschauen heisst auch: sich selbst und den andern mit Gott erkennen, mit Gott lieben, mit Gott vergeben.

Lg Maria
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Nassos
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Re: Mysterien

Beitrag von Nassos »

Mary hat geschrieben:Geheimnis impliziert etwas Geheimes, nicht bekanntes.
Mysterium ist zugleich Offenbartes und Verhülltes.
:daumen-rauf: Super!
Das Mysterion ist zugleich auch etwas, das nicht erklärt werden kann, daher bleibt es - obwohl offenbart - verhüllt.

Das ist wie der Unfaßbare in den Schoß der Gottesgebärerin "passt". Das ist genau wie der Unendliche sich "in Fleisch kleidet".

Viel Spaß beim Erklären... (...ich möchte das eigentlich gar nicht erklärt haben, ich glaube und vertraue, und daraus erst kann ich hoffen)
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ad-fontes
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Re: Mysterien

Beitrag von ad-fontes »

Mary hat geschrieben:Geheimnis impliziert etwas Geheimes, nicht bekanntes.
Mysterium ist zugleich Offenbartes und Verhülltes.

Deswegen ist absconditum, wie MND vorschlug, auch grundfalsch.


Mysterien = secreta.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Mysterien

Beitrag von ad-fontes »

Der Gute - Gott hab ihn selig! - ist in eine böse Falle getappt. Er läßt sich von Schismatikern (in Abgrenzung zu ihnen), vorgegeben, was angemessen ist und was nicht, statt in Kontinuität zur Gesamtkirche zu stehen! Er beraubt sich der Freiheit, mehr noch, er will andere dazu bringen, es ihm gleich zu tun, und - was noch schlimmer ist! - er beabsichtigt, der hl. katholischen Kirche (d.i. die orthodoxe), eines Begriffs zu berauben, der jahrhundertelang von morgenländischer Seite nie diskriminiert wurde, denn dieser ist - wie taddeo völlig zurecht sagt - zu Mysterion synonym, wie sich dies auch durch unzählige Textbeispiele lateinischer Väter belegen ließe.
Das lateinische Wort sacramentum für die Mysterien, von denen wir hier sprechen, ist unangemessen und irreführend.
Unangemessen ist die Arroganz, die hieraus spricht, oder sind es die Scheuklappen?
Dies zeigt sich auch daran, dass man die Zahl der "Sakramente" nicht festlegen kann wie in den westlichen Kirchen.
Soso, >Sakrament< ist durch die Zahl definiert? Ich hoffe, es ist noch legitim von >Kirche< zu sprechen, wenn ich ihre Zahl auf eins festlege (im Gegensatz zum Zitat oben). Ein Null-Argument.
Zwar reden manche Lehrbücher davon, es gebe auch in der orthodoxen Kirche "sieben Sakramente", aber das ist eine Angleichung an die Römisch-katholische Kirche, die letztlich dem Sachverhalt nicht gerecht wird.
Richtig!
Der auf aristotelischem Denkhintergrund entstandene lateinische Begriff "Sakrament" (sacramentum=urspr. Fahneneid) schliesst eine rechtliche Komponente ein und lässt sich genau definieren.
Grundfalsch!
Es ist daher besser, den Ausdruck Mysterium unübersetzt zu lassen und inbezug auf die Orthodoxe Kirche weder von Geheimnissen, noch von Sakramenten zu reden.
Schlußfolgerung ebenso!
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Mysterien

Beitrag von ad-fontes »

Mary hat geschrieben:Taufe, Myronsalbung und Kommunion sind zusammen der Anfang eines Weges der Reinigung und Erneuerung.
Warum nicht früher? Beim Vernehmen des Rufes, beim Eintritt in das Katechumenat?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Re: Mysterien

Beitrag von Mary »

ad-fontes hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:Geheimnis impliziert etwas Geheimes, nicht bekanntes.
Mysterium ist zugleich Offenbartes und Verhülltes.

Deswegen ist absconditum, wie MND vorschlug, auch grundfalsch.


Mysterien = secreta.
Öhm... da kommen mir als medizinisch verbildeter Person aber ganz hässliche Assoziationen.

(secreta=Abgeschiedenheiten, medizinisch: Absonderungen)
Zuletzt geändert von Mary am Sonntag 21. August 2011, 16:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mysterien

Beitrag von Mary »

ad-fontes hat geschrieben:Der Gute - Gott hab ihn selig! - ist in eine böse Falle getappt.
Lieber ad-fontes.

Sergius Heitz ist einer der führenden orthodoxen Autoren des 20. Jahrhunderts (und ich habe die Ehre, seine Tochter zu kennen). Ich verbiete Dir, in solch herablassender Weise über ihn zu reden.
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Mary
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Re: Mysterien

Beitrag von Mary »

ad-fontes hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:Taufe, Myronsalbung und Kommunion sind zusammen der Anfang eines Weges der Reinigung und Erneuerung.
Warum nicht früher? Beim Vernehmen des Rufes, beim Eintritt in das Katechumenat?
Gesagt wurde: Die Taufe ist keine Grundlage für einen Rechtsanspruch, sondern ein Beginn.

Meinetwegen kannst Du gern den Beginn des Weges noch früher datieren - falls er denn in die Taufe mündet.

und...
ich habe im weiteren keine Lust mehr, auf deine Spitzfindigkeiten einzugehen.

Hab einen guten Sonntag
Maria
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ChrisCross
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Re: Mysterien

Beitrag von ChrisCross »

Mary hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:Taufe, Myronsalbung und Kommunion sind zusammen der Anfang eines Weges der Reinigung und Erneuerung.
Warum nicht früher? Beim Vernehmen des Rufes, beim Eintritt in das Katechumenat?
Gesagt wurde: Die Taufe ist keine Grundlage für einen Rechtsanspruch, sondern ein Beginn.
Im Grunde ist sie doch beides. Beginn ist sie für das Leben in Christus und ein Rechtsanspruch insofern, als das man durch die Taufe von aller Schuld reingewaschen wird, und so bei gültiger Taufe vor dem Gericht Gottes in den Himmel gehört, wenn man diese Gnade beibehält. Auch vor einem weltlichen Gericht habe ich ja ein Anrecht darauf, als gerechter nicht verurteilt zu werden.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

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ad-fontes
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Re: Mysterien

Beitrag von ad-fontes »

ChrisCross hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:Taufe, Myronsalbung und Kommunion sind zusammen der Anfang eines Weges der Reinigung und Erneuerung.
Warum nicht früher? Beim Vernehmen des Rufes, beim Eintritt in das Katechumenat?
Gesagt wurde: Die Taufe ist keine Grundlage für einen Rechtsanspruch, sondern ein Beginn.
Im Grunde ist sie doch beides. Beginn ist sie für das Leben in Christus und ein Rechtsanspruch insofern, als das man durch die Taufe von aller Schuld reingewaschen wird, und so bei gültiger Taufe vor dem Gericht Gottes in den Himmel gehört, wenn man diese Gnade beibehält. Auch vor einem weltlichen Gericht habe ich ja ein Anrecht darauf, als gerechter nicht verurteilt zu werden.
Vielleicht sollte man einen eigenen Strang >Gottesrecht< aufmachen, denn das ist ja das eigentlich kontroverse.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Re: Mysterien

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

ad-fontes,

Warum ist "absconditum" grundfalsch? Insbesondere seit Luther hat "absconditus" auch die Bedeutungsschattierung "nicht mit philosophischen Mitteln erfassbar", und genau das gilt ja für die orthodoxen Mysterien, die ein Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche sind. Im Gegensatz zur rk. "Kommt die Form zum Element, fertig ist das Sakrament!" ...

ChrisCross,

Wieder dieses Rechtliche... Die orthodoxe Sichtweise zum Thema Gericht ist folgende:
Ein heiliger Mönch fror im klaten russischen Winter. Er hatte Holz gesammlt, wusste aber nicht, wie er es anzünden sollte, um ein wäremenden Feuer zu machen. Da beschloss er, zur Pforte der Hölle zu gehen, um dort um etwas Feuer zu beten. Als er ankam, sagte man ihm allerdings, dort würde kein Feuer verteilt. Er frug, wie das möglich sei. Die Menschen darin würden doch brennen. Da erfuhr er, dass diese Menschen ihr Feuer alle selbst mitbrächten.

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Re: Mysterien

Beitrag von ad-fontes »

Mary hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:Der Gute - Gott hab ihn selig! - ist in eine böse Falle getappt.
Lieber ad-fontes.

Sergius Heitz ist einer der führenden orthodoxen Autoren des 20. Jahrhunderts (und ich habe die Ehre, seine Tochter zu kennen). Ich verbiete Dir, in solch herablassender Weise über ihn zu reden.
Das ist nicht herablassend: die ersten sechs Wörter sind ehrend, das nachfolgende meine Einschätzung.


Meine Kritk ist immer sachbezogen; - zumindest der Absicht nach. Und das schmälert auch nicht die Verdienste von Vater Sergius.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Mysterien

Beitrag von ad-fontes »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:ad-fontes,

Warum ist "absconditum" grundfalsch? Insbesondere seit Luther hat "absconditus" auch die Bedeutungsschattierung "nicht mit philosophischen Mitteln erfassbar", und genau das gilt ja für die orthodoxen Mysterien, die ein Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche sind.
Gibts das substantiviert?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Mysterien

Beitrag von ad-fontes »

Mary hat geschrieben: ich habe im weiteren keine Lust mehr, auf deine Spitzfindigkeiten einzugehen.
Angenommen, wir diskutierten noch ein Weilchen und ich komme zu dem Entschluß:

Ich werde mich der Begriffe >Sakrament< und >Geheimnis< nicht mehr bedienen, da sie ungeeignet sind, die orthodoxen Glaubensinhalte adäquat abzubilden. Stattdessen spreche ich nur noch von >Mysterion<, im adjektiven Gebrauch von >mystisch<.


Hoppla, mystisch ist ja bereits auch besetzt: Die Mystik eines Heinrich Seuse oder einer Thersia von Avilà .. und schon geht wieder was nicht konform, da bereits konnotiert.

Das kanns doch nicht sein.

Wir sprechen auch von >Gnosis< (Erkenntnis), ohne Gnostiker zu sein, oder? Freiheit für die Kirche! No tc* speech, please!



*= theological correct.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Miserere Nobis Domine
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Re: Mysterien

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

ad-fontes hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:ad-fontes,

Warum ist "absconditum" grundfalsch? Insbesondere seit Luther hat "absconditus" auch die Bedeutungsschattierung "nicht mit philosophischen Mitteln erfassbar", und genau das gilt ja für die orthodoxen Mysterien, die ein Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche sind.
Gibts das substantiviert?
Man kann jedes lateinische Adjektiv substantivieren.

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ad-fontes
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Re: Mysterien

Beitrag von ad-fontes »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:ad-fontes,

Warum ist "absconditum" grundfalsch? Insbesondere seit Luther hat "absconditus" auch die Bedeutungsschattierung "nicht mit philosophischen Mitteln erfassbar", und genau das gilt ja für die orthodoxen Mysterien, die ein Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche sind.
Gibts das substantiviert?
Man kann jedes lateinische Adjektiv substantivieren.
Ich meinte: Bei den Vätern!

Wer gerade Zugang zur Migne PL Database hat, werfe die doch mal bitte an; wir kommen sonst ja nicht weiter..
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ChrisCross
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Re: Mysterien

Beitrag von ChrisCross »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:ChrisCross,

Wieder dieses Rechtliche... Die orthodoxe Sichtweise zum Thema Gericht ist folgende:
Ein heiliger Mönch fror im klaten russischen Winter. Er hatte Holz gesammlt, wusste aber nicht, wie er es anzünden sollte, um ein wäremenden Feuer zu machen. Da beschloss er, zur Pforte der Hölle zu gehen, um dort um etwas Feuer zu beten. Als er ankam, sagte man ihm allerdings, dort würde kein Feuer verteilt. Er frug, wie das möglich sei. Die Menschen darin würden doch brennen. Da erfuhr er, dass diese Menschen ihr Feuer alle selbst mitbrächten.
Offenbarung, 20, 15, hat geschrieben:Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuersee geworfen.
Die Verdammten werden gestraft. Sie bringen ihr Feuer nicht mit, es ist schon da. Nur sich selbst übergegeben sie durch ihre Sünden dem Gericht und der mit der Verdammnis einhergehenden Strafe.

Ich bezog mich aber auch eigentlich, und das dürfte wohl recht deutlich gewesen sein, auch auf die Aufnahme in den Himmel. Dass sich hier allerdings mal wieder ein Orthodoxer über Recht beim ericht beklagt, verwundert mich leider nicht. Wo in deinem Beitrag oder dem Ausschnitt aus der Erzählung das Gericht ist, erkenne ich nicht. Hier handelt es sich schon um die Strafe, nicht die Verurteilung dazu.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

Miserere Nobis Domine
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Re: Mysterien

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Interessant, dass du die Schrift so wörtlich nimmst. Tust du das auch im Buch Genesis?

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overkott
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Re: Mysterien

Beitrag von overkott »

Wie können wir das biblische Bild des Feuers analog richtig verstehen? Das Feuer kann erleuchten, reinigen und vernichten. Deshalb steht das Feuer für den Himmel, für das Fegefeuer und für die Hölle. Beim Weltenbrand am Jüngsten Tag wird das Feuer überall sein. Der heilige Petrus schreibt im Kontext:

2Petr 3,4 Wo bleibt denn seine verheißene Ankunft? Seit die Väter entschlafen sind, ist alles geblieben, wie es seit Anfang der Schöpfung war.
2Petr 3,5 Wer das behauptet, übersieht, dass es einst einen Himmel gab und eine Erde, die durch das Wort Gottes aus Wasser entstand und durch das Wasser Bestand hatte.
2Petr 3,6 Durch beides ging die damalige Welt zugrunde, als sie vom Wasser überflutet wurde.
2Petr 3,7 Der jetzige Himmel aber und die jetzige Erde sind durch dasselbe Wort für das Feuer aufgespart worden. Sie werden bewahrt bis zum Tag des Gerichts, an dem die Gottlosen zugrunde gehen.
2Petr 3,8 Das eine aber, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind.
2Petr 3,9 Der Herr zögert nicht mit der Erfüllung der Verheißung, wie einige meinen, die von Verzögerung reden; er ist nur geduldig mit euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren.
2Petr 3,10 Der Tag des Herrn wird aber kommen wie ein Dieb. Dann wird der Himmel prasselnd vergehen, die Elemente werden verbrannt und aufgelöst, die Erde und alles, was auf ihr ist, werden (nicht mehr) gefunden.
2Petr 3,11 Wenn sich das alles in dieser Weise auflöst: wie heilig und fromm müsst ihr dann leben,
2Petr 3,12 den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! An jenem Tag wird sich der Himmel im Feuer auflösen und die Elemente werden im Brand zerschmelzen.
2Petr 3,13 Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt.
2Petr 3,14 Weil ihr das erwartet, liebe Brüder, bemüht euch darum, von ihm ohne Makel und Fehler und in Frieden angetroffen zu werden.

Petrus teilt also die Schöpfungsgeschichte in drei Phasen:

1. Himmel und Erde bis zur Sintflut
2. Himmel und Erde bis zum Weltenbrand
3. Himmel und Erde ohne Ende

Was bedeutet der Weltenbrand? Dass die guten Seelen wie im Feuer geprüft werden. Wie das Feuer reinem Gold nichts anhaben kann, so werden auch die guten Seelen durch das Feuer vom Himmel erleuchtet. Die weniger guten Seelen werden im Feuer gereinigt. Wie das Feuer vom Erz die Schlacke abschmilzt, ist auch der Weltenbrand als Fegefeuer zu verstehen. Das Gute bleibt bewahrt, das Schlechte verbrennt. Für die schlechten Seelen aber ist das Feuer der Feuersee.

Wie kann man verstehen, warum Gott der Gute im höchsten Maß ist? Weil er ewig lebt und am beständigsten ist. Gott bewährt sich durch alle Zeiten und unter allen Umständen.

Darum ist Gold auch wertvoller als Eisen: Gold rostet nicht. Gold bleibt, Eisen vergeht. Da aber nur Gott absolut ist, ist das mit Gold und Eisen relativ. Denn Eisen ist härter als Gold. Da wo ein härteres Material gebraucht wird, um einem Gut Dauer zu verleihen, erweist sich Eisen wertvoller als Gold.

Dauer aber ist nicht nur Bewährung in der Vergangenheit, sondern auch Potential für die Zukunft. Deshalb ist Gott als der Gute im höchsten Maß nicht nur der Älteste, sondern auch der Jüngste. Gott aber ist nicht nur der Gute im höchsten Maß weil er ewig ist, sondern weil er als Schöpfer allem Bestand und Dauer verleiht. Gott erweist sich also nicht nur durch sein Sein im höchsten Maß als Gut, sondern auch durch seinen Dienst. Gott ist also hilfreich und nützlich. Weil Gott Liebe und nicht Zwang ist, erweist Gott sich hilfreich und nützlich. Denn wir verehren den Hilfreichen und Nützlichen, verachten aber das Schädliche und Nutzlose.

Mary
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Re: Mysterien

Beitrag von Mary »

ad-fontes hat geschrieben:
Angenommen, wir diskutierten noch ein Weilchen ....
Nein.
Ich ging davon aus, Du hättest echte Fragen.
Zu diskutieren gibts hier nichts für mich.
Who is so great a God as our God? You are the God who does wonders!

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