Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Ostkirchliche Themen.
Thomas_de_Austria
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Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Dominus vobiscum!

Für den Anfang hoffe ich, dass es dieses Thema in dieser Form noch nicht gibt, ansonsten tut es mir leid, aber ich konnte es nicht finden.

Zur Sache selbst: Mich hat immer schon interessiert, inwieweit sich die Orthodoxie (hier in einem "konfessionellen" Sinne, auch, wenn ich weiß, dass man das nicht so gerne hört und es auch unangebracht ist, weswegen ich gleich um Entschuldigung bitte, aber mir erscheint es eben notwendig, um den "Adressaten" klar zu bestimmen) mit der Philosophie auseinandergesetzt hat? Gab es im Osten eigentlich diese Trennung von Theologie und Philosophie, wie sie sich dann allerspätestens seit dem Hochmittelalter, eben auch im Rahmen der Scholastik, manifestierte? Bei den Vätern scheinen beide Wissenschaften noch nicht allzu differenziert, weswegen ja bspw. die Väter auch in universitären Philosophievorlesungen/Seminaren zur Geschichte der Philosophie behandelt werden?

Weiters scheint das vorherrschende Paradigma orthodoxer Philosophie der (Neu-)Platonismus zu sein und mir scheint zumindest, dass ich nicht komplett falsch liege, wenn ich meine, dass der Aristotelismus, die Peripatetiker, nie eine sonderlich große Rolle spielten (wenn man einmal von gewissen Ausnahmen absieht - wenn ich mich recht entsinne, war St. Johannes Damascenus so eine Ausnahme)?
Die westliche Scholastik bzw. die scholastische Methode wird ja auch eher abgelehnt bzw. ist sie gar nicht bis kaum rezipiert worden?
Weiters würde mich auch noch interessieren, was für eine Art der Ontologie und Epistemologie anerkannt bzw. als brauchbar angesehen bzw. im "Mainstream" vertreten wird? Ich nehme ja diesbezüglich an (nach dem Wenigen, was ich so dazu gelesen habe), dass die orthodoxen "Lehrer" (d. h. die maßgeblichen Väter und auch zeitgenössische Theologen bzw. gläubige orthodoxe Religionsphilosophen), nicht sonderlich viel vom Nominalismus halten, sondern mit Platon zum Universalienrealismus, sowie zu einer realistischen Erkenntnistheorie neigen?

Ich weiß, das ist ein großes Feld, deswegen gleich im Voraus herzlichen Dank für alle etwaigen Antworten!

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Linus
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Linus »

nachdem ich von dem Philosophenzeugs garkeine Ahnung habe, evtl die Forensuche nach Apophatik und Kataphatik (bzw jeweil ~isch) anwerfen...
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Galilei
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Galilei »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:Dominus vobiscum!
Ich kann zur Sache auch nichts beitragen, hätte aber eine Frage an Dich: Bist Du Kleriker?

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anneke6
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von anneke6 »

Ich denke, es gibt orthodoxe Religionsphilosophen, Bulgakov, zum Beispiel. Im weiteren Sinne könnte man auch Dostojewski dazurechnen.
???

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Nassos
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Nassos »

Werter Thomas_de_Austria,

herzlich willkommen im Forum. Der derzeitigen Anzahl Ihrer Beiträge entnehme ich, dass Sie neu sind.

Vielen Dank auch für diese interessante Fragen. Sie haben Recht, ein bißchen viel und sehr ins Eingemachte gehend... Ich weiß leider nicht, ob ich fähig bin darauf zu antworten, aber ich möchte einen Anfang wagen, in der Hoffnung mehr Interesse anzufachen - ich würde mich selber sehr freuen, neues lernen zu können! :ja:

Ich habe mich etwas kundig gemacht und möchte zunächst ein gemeinsames Verständnis erreichen (das vor allem ich nötig habe!) Wie Sie merken, bin ich nicht der Philosophiespezialist und auch kein Theologe, d.h. ich werde wohl auch nicht alles wissen können. Sicher werden meine orthodoxen Mitforer hier bestimmt schon mehr sagen können bzw. sogar auch die meisten nicht-orthodoxen Forumskollegen.

Philosophie <=> Theologie:

Der Mensch hat zwei kognitive Zentren, das ist einmal der nous (Verstand, Geist) und das andere ist die Logik. Der nous ist das ideale Organ für den Empfang Gottes Offenbarung(en). Die Logik ist unser weltliches kognitives Zentrum.
In der Philosophie versucht der Mensch durch die Logik Schlussfolgerungen mit Hilfe seines Hirns und seiner Phantasie zu ziehen, er versucht also Gott und die Schöpfung zu erforschen (Anakalypse, ανακάλυψη).
Im der Theologie haben wir nicht mehr die Anakalypse, sondern die Apokalypse (Offenbarung, αποκάλυψη). In der Theologie offenbart sich Gott dem von Leidenschaft befreiten Herzen des Menschen, statt der Erforschung haben wir die Gotteserfahrung.

Die Heiligen Kirchenväter, wenn auch die meisten von ihnen Kenner der Philosophie waren, stützten sich nie auf die Philosophie in ihren Lehren. Das Zentrum war nicht die Logik, durch Stochasmus und Phantasie, aber der nous. Erst reinigten sie ihr Herz von den Leidenschaften und so erstrahlte ihr nous durch die Gnade Gottes in ihrem Herzen, so dass sich Gott ihnen offenbaren konnte.
Sie versuchten nicht, sich Gott durch Logik zu nähern, aber durch die Reinheit, die sie gotttragend machte, und ihnen Gotteserfahrung schenkte.

Somit sind Philosophie und Theologie keine Synonyme bzw. Teil- oder Untermengen zueinander. Da man in der Theologie Gott erfahren hat, geht es eher darum, dass man mit Hilfe der Logik diese Erfahrung formuliert, in verständlichen Sätzen.

Um hier Mißverständnissen vorzubeugen: die Philosophie soll nicht verteufelt werden. Wenn ich etwas suche und ich finde es, dann wäre ich ja blöd, suchte ich weiter.
Wenn ich wiederum etwas suche, und jemand kommt und sagt mir er habe es gesehen, es sei dort auffindbar, dann wäre ich dumm, wenn ich diese Möglichkeit nicht überprüfen würde.
So war also die Philosophie berechtigt, notwendig und eine gute Methode Gott zu suchen, zu erforschen. Sie gab der Kultur Anstöße und die Welt verdankt ihr viel. Die Notwendigkeit endete jedoch und die Theologie übernahm, sobald sich Gott offenbarte. Die Philosophie wurde als Gottessucherin abgelöst.

Sehen Sie das genau so? Habe ich mich evtl. irgendwo vertan?

Lieben Gruß,
Nassos
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

Thomas_de_Austria
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Ja, vielen Danke für die bisherigen Antworten zum Thema. Und ja, @Nassos, ich bin noch neu hier, obwohl ich hier schon länger mitlese.

Ihre Ausführungen sind interessant, so weit, besonders interessant finde ich die Ausführungen zu "Anakalypse" und "Apokalypse", die mich in gewisser Weise an das die Sache bzgl. Vernunft und Offenbarung bzw. an "ratio naturalis" - "ratio fide illustrata" erinnern.
Da wäre es auch interessant, zu erfahren, wie die Orthodoxe Kirche zu diesem ersten Satz des zweiten Kapitels aus der Dogm. Konstitution "Dei Filius" steht:
Dieselbe heilige Mutter Kirche hält fest an der Lehre: der Mensch kann Gott, den Ursprung und das Endziel aller Dinge, durch das natürliche Licht seiner Vernunft aus den geschaffenen Dingen mit Gewissheit erkennen.
Das führt auch zur Frage der Gottesbeweise: Ein systematischer Gottesbeweis wie im Westen wurde ja - meines Wissens - in der Orthodoxie nie versucht bzw. offiziell nicht wirklich gebilligt?

Weiters ist auch Ihre folgende Aussage sehr interessant:
Da man in der Theologie Gott erfahren hat, geht es eher darum, dass man mit Hilfe der Logik diese Erfahrung formuliert, in verständlichen Sätzen.
Das klingt fast ein bisschen scholastisch, auf den ersten Blick, zumindest, wenn man das, was der "Ott" (11. Auflage, S. 27) darunter versteht, als Definition verwendet:
Die spekulative Dogmatik, die mit der scholastischen Theologie identisch ist, strebt durch Anwendung der menschlichen Vernunft auf den Offenbarungsinhalt soweit als möglich eine Einsicht in den Offenbarungsinhalt an.
Ja, ansonsten möchte ich gar nicht mehr weiter meinen Senf dazu geben, denn grundsätzlich möchte ich ja etwas lernen und nicht meine eigenen, privaten Ansichten, an die Orthodoxie herantragen.

Thomas_de_Austria
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Noch etwas, kurz:
So war also die Philosophie berechtigt, notwendig und eine gute Methode Gott zu suchen, zu erforschen. Sie gab der Kultur Anstöße und die Welt verdankt ihr viel. Die Notwendigkeit endete jedoch und die Theologie übernahm, sobald sich Gott offenbarte. Die Philosophie wurde als Gottessucherin abgelöst.
Im "Dialogus de anima et resurrectionis" vom hl. Gregor von Nyssa, den er mit der hl. Makrina der Jüngeren führt, wird auch auf philos. Argumente zurückgegriffen. Klarerweise vom hl. Gregor, der im Dialog den "advocatus diaboli" spielt und die Auferstehung mit den Argumenten der Philosophie "prüfen" will, aber auch die hl. Makrina nimmt eine gewisse philos. Argumentation auf. Also hier kommen Theologie und Philosophie recht interessant zusammen, scheint mir ...

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Nassos
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Nassos »

Lieber Thomas,

ich werde mich nochmal schlau machen und versuchen, Ihnen entgegenzukommen.

Mit der Bitte um etwas Geduld,
Ihr Nassos
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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Nassos
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Nassos »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:
Da man in der Theologie Gott erfahren hat, geht es eher darum, dass man mit Hilfe der Logik diese Erfahrung formuliert, in verständlichen Sätzen.
Das klingt fast ein bisschen scholastisch, auf den ersten Blick, zumindest, wenn man das, was der "Ott" (11. Auflage, S. 27) darunter versteht, als Definition verwendet:
Die spekulative Dogmatik, die mit der scholastischen Theologie identisch ist, strebt durch Anwendung der menschlichen Vernunft auf den Offenbarungsinhalt soweit als möglich eine Einsicht in den Offenbarungsinhalt an.
Ja, ansonsten möchte ich gar nicht mehr weiter meinen Senf dazu geben, denn grundsätzlich möchte ich ja etwas lernen und nicht meine eigenen, privaten Ansichten, an die Orthodoxie herantragen.
Lieber Thomas,

ich bin Ihnen weiterhin ein paar Sätze schuldig. Ich habe leider meine Hausaufgaben nicht gemacht. Hatte ich heute vor, aber wir hatten einen Rohrbruch im Keller und ich musste Sch* schippen. Dabei konnte ich mit dem Notdienst herrlich über den Zufall philosophieren. :panisch:

Aber zu o.z. vielleicht ein paar Sätze.
Die Aussage oben verstehe ich nicht als spekulative Dogmatik. Meines Verständnisses nach hat sich Gott offenbart (um weiterhin die Worte wie oben zu verwenden). Es geht also nicht mehr darum, sich über Tatsachen Gedanken zu machen bzw, über Nichtoffenbartes logische Schlussfolgerungen zu ziehn, sondern darum, wie man Offenbartes am besten niederschreiben kann - ungefähr so, wie wenn man an einem Beitrag ewig und stundenlang herumfeilt, damit der auch ja richtig rüberkommt.

Sicher haben die Väter dies auch noch mit begleitenden Gebeten gemacht, mit der Bitte, die Worte mögen der Erfahrung gerecht werden.

Um Ihren Senf bitte ich! Wenn ich hier schon Würstchen serviere, dann sollen die gefälligst schmackhaft sein. Tragen Sie dazu bei! :breitgrins:

Gruß,
Nassos
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

Thomas_de_Austria
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Zur Darstellung stellt sich natürlich auch die Frage, inwieweit "Logik" in der Orthodoxie auf die Fakten der Offenbarung angewandt wird, so wie im Westen in der Scholastik, ja auch das als als - etwas grob gesagt - als offenbart angesehen wird, was sich logisch aus den Glaubenswahrheiten ergibt?

Der hl. Gregor Palamas wurde ja als junger Mann auch ausgiebig in der Logik unterrichtet, was ich weiß, er hielt aber nicht sonderlich viel, von derselben bzw. allgemein von der Philosopie ...

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Nassos
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Re: Orthodoxe (Religions-)Philosophie

Beitrag von Nassos »

Zum Neuplatonismus:
es wird behauptet, dass die Lehre der Väter der Kirche bzgl. Katharsis, Erleuchtung und Theosis, von Ansichten des Neuplatonimsus beeiflusst wurde. Das stimmt jedoch nicht, denn der Neuplatonismus ist ein philosophisches System, welches zwischen dem 2. und 6. Jahrhundert entwickelt wurde, als Versuch einiger eidololatrischen Philosophen den Platonismus wiederaufleben zu lassen. Tatsächlich handelt es sich um eine Entwicklung und Veränderung des Platonismus, gemäß der Ansprüche der damaligen Zeit.
Es ist die letzte philosophische Bewegung des antiken Griechenlands, welches in jedem Fall religiöse Elemente beinhaltet. Folglich hat der Neuplatonismus negative und positive Einflüsse seitens des Christentums erfahren, hauptsächlich von Häretikern, dem Gnostizismus und der östlichen Religionen, so dass man von einer Veröstlichung des Platonischen Denkens sprechen kann.

Grundlegende Theorie des Plotinus (Hauptvertreter der römischen Schule des Neuplatonismus) und der folgenden Neuplatoniker ist die Lehre zur Schöpfung der Wesen (onton) und der Welt duch die Aporrhoe, also der Emanation. Zwei wesentliche Fragen waren von Plotinus formuliert: a) woher (kommen die Wesen) - es handelt sich um seine Ontologie und Kosmologie und b) wohin? - es handelt sich um die Ethik des Plotinus.

Zur ersten Frage sagen Plotinus und seine Nachfolger, dass es eine Aussendung, einen Hervorgang bzw. Ausstrahlung von dem "Einen" an viele gibt. Der "Eine" ist die Quelle, woher alles kommt. Nach ihm kommt der Verstand (nous) als Zentrum der Ideen, der selber aus dem "Einen" hervorgeht, der das Abbild und das Extrakt des "Einen", und ist mit ihm durchwirkt. Sowohl der "Eine" wie auch der Nous sind Hypostasen, gemäß Plotinus. Aus dem Nous kam die "Seele" hervor, die Kräfte zur Gestaltung der sinnlichen Welt in sich trägt. Mit Seele ist hier einerseits die kosmisch Seele wie auch die Seele des Menschen gemeint.
Der "Eine", der "Nous" und die "Seele" bilden drei Hypostasen. Das letzte Element ist die "Materie".

Zur zweiten Frage: die Grundlehre des Neuplatonismus ist die Ansicht Platons, dass die Seele vom Körper gebunden wird und dass sie in ihm gefangen ist, so dass die Errettung des Menschen die Befreiung der Seele vom Körper und ihre Rückkehr in die Welt der Ideen ist. Dabei gibt es zwei Arten des Todes: der "natürliche" Tod, die Entbindung der Seele vom Körper wie auch den "philosophischen" Tod durch Theourgie, also durch Mystagogie und "Magie".

Es gibt somit viele, die behaupten, dass die niptischen Lehren der Kirche, wie sie durch den Hl. Dionysos Areopagitis ausgedrückt wurden, den Hl. Maximus den Bekenner, den hl. Symeon den Neuen Theologen, den Hl. Gregorios Palamas aber auch die Vorfahren (Gregorios der Theologe, Gregorios von Nyssa, Basilios der Große usw.) seien durch den Neuplatonismus beeinflusst. Und das, weil in beiden Fällen die selbe Terminologie existiert, sowohl für die Theologie wie auch für die Soteriologie.
Aber die Sachlage ist nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick aussehen mag.
Die drei Hypostasen des Neuplatonismus, "Einer", "Nous" und "Psyche", haben überhaupt keinen Bezug zum christlichen triadischen Gott der Kirche. In der orthodoxen Theologie wird die Metaphysik und die Herrschaft der Ideologie so wie auch die Schöpfung der Welt durch Emanation.

Desweiteren gibt es eine gemeinsame Terminologie für den Versuch des Menschen, sich mit Gott zu vereinigen. Es geht um die Termini "Nous", "Psyche", "Errettung der Seele", "Katharsis", "Ekstase", "Erleuchtung", usw. Wenn wir aber die Bedeutung dieser Worte im Neuplatonismus mit der der Theologie der Kirche vergleichen, sehen wir einen großen Graben dazwischen stehen. Die orthodoxe Theologie hat nichts mit der Psyche zu tun, die von Natur aus unsterblich ist und in die Welt der Ideen zurückkehrt und des Körpers, der verschwinden muss. Sie hat auch nichts mit dem neuplatonischen Verständnis der Rettung der Seele zu tun, welche bei den Neuplatonikern bedeutet, die Seele befreit sich, trennt sich vom Körper. Die orthodoxe Kirche hat auch nichts gemein mit "Katharsis", "Erleuchtung" und "Theosis" mit dem Versuch des Menschen, sich durch theourgische, megische Aktionen und Ritualen mit Gott zu vereinigen, wie das der Neuplatonismus lehrt, speziell mit Iamvlichos.

Tatsächlich gibt einen gewissen Einfluss auf ein paar orthodoxe Theologen durch Deutungen westlicher Theologen, dass die orthodoxe Askese, wie sie durch die Väter der Kirche formuliert ist, mit dem fernöstlichen Mystizismus verbunden ist.

Nietenolaf verwies im Rechtfertigungsstrang darauf, dass die Philosophie praktisch das terminologische Werkzeug der christlichen Theologie war. Wir glauben, dies sei durch göttliche Vorsehung so gewesen, daher auf der einen Seite die Wertschätzung der Person Platons (als eine Art "Quasi-Christ vor Christus") udn auf der anderen Seite die Verwerfung seiner Philosophie an sich (Präexistenz, Ideen, Notwendigkeit zur Schöpfung). Richtig ist dann auch sein Hinweis, dass im Westen die Philosophie wiederentdeckt wurde (Aristoteles), und dort mit der Scholastik einen sehr starken (und aus unserer Sicht eben nicht gerade positiven) Einfluss bekommen hat.
Was weiterhin richtig ist, ist, dass die orthodoxe Theologie auch heutzutage diesen Einflüssen ausgesetzt ist.

Ich hoffe, ich konnte hier die Position der Orthodoxen Kirche zum (Neu-)Platonismus korrekt wiedergeben.
Lieben Gruß,
Nassos
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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