Orthodoxes Kruzifix

Ostkirchliche Themen.
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Nassos
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Nassos »

Hallo,

kann mal jemand ein Bild mit den 4 Nägeln durch die Füße hier vorstellen?

In einer Zeitschrift las ich - in einem Bericht zu Karl, dem Großen - dass anfangs Jesus nackt am Kreuz präsentiert wurde.

Da Karl vor dem Schisma lebte stellt sich mir hier die Frage:
bezog sich das trotzdem nur auf den Westen? Gibt/gab es in der Orthodoxie etwas entsprechendes? Sicher?

Danke und Gruß,
Nassos
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Niels
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Niels »

Schau mal hier: http://images.google.de/images?hl=de&q= ... a=N&tab=wi
"Nackt" heißt natürlich nicht nackt, sondern - modern formuliert - "mit Unterhose"
St. Johannes hat geschrieben:7Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See..
Natürlich war Petrus nicht vollkommen nackt, sondern in "Shorts", was beim Fischen naürlich sinnvoll, da praktikabel, war.
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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Nassos
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Nassos »

Hallo Niels,

vielen Dank für den Link! Ich hatte zunächst verstanden, dass 4 Nägel allein durch die Füße gingen, aber das war wohl falsch...

Nein, nackt ist nackt. Ich hatte auch mal ein Foto des Gekreuzigten aus einer Kirche in Italien gesehen. Er war nackt. Glaubs mir.
Und in der Zeitschrift war das auch sehr eindeutig. Sie kamen ja auch dann zu dem Punkt, als man anfing, den Lendenschurz hinzuzufügen.

Und so viel ich weißt, wurden die Leute damals tatsächlich nackt gekreuzigt.

Nassos
Zuletzt geändert von Nassos am Donnerstag 2. Juli 2009, 22:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Bernado
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Bernado »

Nassos hat geschrieben: Nein, nackt ist nackt. Ich hatte auch mal ein Foto des Gekreuzigten aus einer Kirche in Italien gesehen. Er war nackt. Glaubs mir.
Und in der Zeitschrift war das auch sehr eindeutig. Sie kamen ja auch dann zu dem Punkt, als man anfing, den Lendenschurz hinzuzufügen.
Und so viel ich weißt, wurden die Leute damals tatsächlich nackt gekreuzigt.
Nassos
Sicher wurden sie nackt gekreuzigt - aber das war kein Grund, Christus auch so darzustellen. Solange die Kreuzigung schmählichste Strafe war, gab es in der Kirche praktisch überhaupt keine Darstellung des Gekreuzigten - selbst das abstrakte Kreuzeszeichen war eher selten. Später (nach Konstantin) wurde Christus dann meist als Auferstandener oder Weltenherrscher am Kreuz dargestellt - die Abbildung des leidenden und sterbenden Christus kommt erst ab dem 11. Jh. auf. In dieser Zeit stehen die Beine des Gekreuzigten meistens parallel, und jeder Fuß ist mit einem eigenen Nagel angeschlagen: Viernagel-Kreuz (was vermutlich der üblichen Kreuzigungspraxis entsprach).
Wenn eine Zeitschrift da etwas anderes behauptet, wäre es gut, die Quelle zu benennen, damit man sich etwas näher damit auseinandersetzen kann.
Mit dem zunehmenden psychologischen Realismus der Gotik ist es dann sehr vereinzelt auch zur Darstellung des völlig entblößten Christus gekommen, was aber weder von den Gläubigen noch von der kirchlichen Obrikeit besonders geschätzt wurde. Außerdem brachte die Gotik mehr (Leidens-)Dynamik in die Darstellung, und im Zug dieser Dynamisierung wurden dann bei den Kruzifixdarstellungen die Beine übereinandergelegt und beide Füße nur noch mit einem Nagel befestigt: Dreinagelkreuz.
Psychologischer Realismus heißt, daß die Künstler versuchten die Ungeheuerlichkeit des Leidens und Sterbens am Kreuz bildhaft zum Ausdruck zu bringen; es heißt nicht, daß sie die Kreuzigung so darstellen wollten (oder konnten), wie sie tatsächlich vollzogen worden war.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Nassos
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Nassos »

Vielen Dank für den Beitrag.

Darf ich eigentlich Auszüge des Textes hier reinstellen oder verstößt das gegen das Copyright?
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anneke6
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von anneke6 »

Man hat damals nackt gekreuzigt, ganz nackt. Ich denke, mit höchster Wahrscheinlichkeit trug Jesus ebenfalls gar nichts. Selbst einige traditionelle Theologen denken so. Wieder andere meinen, die frommen Frauen, die unter dem Kreuz standen, allen voran Maria, hätten wohl dafür gesorgt, daß Jesu Scham bedeckt sei…kann so gewesen sein, muß aber nicht.
Als ich im Gymnasium war, spielte ich mit dem Gedanken Kunstgeschichte zu studieren, und ich habe entsprechende Bücher gelesen. Es gibt mehr als eine Kreuzigungsdarstellung, bei der die Schächer links und rechts splitternackt sind, Jesus aber das übliche Tuch um die Hüften. Vielleicht wollte der Künstler damit sagen, daß er sich der damaligen Sitte, Männer splitternackt zu kreuzigen bewußt war und das Tuch lediglich der Pietät oder religiösen Scheu wegen hinzugefügt hat.
???

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Nassos
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Nassos »

Also, trotz allem hier ganz kurz:

"...Dieses fränkische Recht ist dann eines der ersten, das Strafen für Vergewaltigung vorsieht; die römische Justiz kannte dergleichen nicht. Selbst die Vergewaltigung einer Sklavin führt noch zu einer Geldbuße; wer einer freien Frau Gewalt antut, wird mit dem Tod bestraft. Die Weichtigkeit, die die Gesellschaft dem unberührten, <<reinen>> Frauenleib unterlegt, hat genau hier aber eine bittere Kehrseite: ein Vergewaltigungsopfer gilt als <<verdorben>> und verliert das Recht auf eigenen Besitz.
Diese Körperauffassung bringt auch eine Veränderung in die christliche Bilderwelt. Vor dem 6. Jahrhundert ist es noch durchaus üblich, Christus nackt am Kreuz darzustellen; danach finden wir den Gekreuzigten mit einem Lendenschurz verhüllt. Auch dies lässt sich auf alte heidnische Rituale zurückführen - um Jesus von den alten Götzen abzusetzen, ist es nötig, dass er demonstrativ nicht nackt ist."

Quelle: P.M. HISTORY, Ausgabe 6/2009

Titel des Beitrags: Die Geburtsstunden der neuen Imperatoren

Es geht hierbei um den Zeitraum, als die Franken Rom ablösen. Hauptthema ist Karl der Große.
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Bernado
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Bernado »

Hallo Nassos,

1. Bei so einem kurzen Zitat im Zusammenhang mit einer ernsthaften Frage gibt es hinsichtlich des Copyrights sicher keine Bedenken.

2. Der Verfasser macht hier eine Randbemerkung zu einem Thema, das neben seinem eigentlichen Thema liegt und von dem er offenbar wenig Ahnung hat. Dabei biegt er die Fakten entsprechend seiner Theorie hin.

Es gilt als gesichertes Wissen, daß die Christen keine Bilder des gekreuzigten Christus anfertigten, solange die Kreuzigung noch als Todesstrafe vollstreckt wurde. Das Kreuz als solches kam natürlich als Symbol vor, aber es teilte seine Bedeutung mit dem des Fisches (ICHTHYS), dem Chi-Rho und dem des Lammes.

Als früheste erhaltene Kreuzigungsdarstellungen gelten einige römisch-ägyptische Gemmen aus dem frühen und mittleren 3. Jh. auf denen der Gekreuzigte nicht sichtlich bekleidet (aber auch nicht betont nackt) ist. Beispiel 1, Beispiel 2

Die Inschriften dieser als "magische Gemmen" bezeichneten Artefakte stellen sie in den Zusammenhang mit synkretistischen Kulten, sie können daher wohl kaum als authentischer Ausdruck christlicher Kunst verstanden werden. Jesus wird hier gemeinsam mit heidnischen Gottheiten angerufen, irgendwelche Theorien zur christlichen Lehre lassen sich auf dieser Darstellungsweise nicht aufbauen.

Als älteste wirkliche Darstellungen des Gekreuzigten gelten eine ganz erstaunliche Elfenbeinschnitzerei um das Jahr 420 Bild und das Reliefbild auf der Zypressenholztür von Santa Sabina auf dem Aventin in Rom - entstanden ca .430. Bild. Also 60 Jahre nach der letzten großen Verfolgung unter Julian Apostata. Beide Darstellungen stehen voll in der christlichen Ikonografie, und auf beiden ist Christus mit einem Lendenschurz bekleidet und in würdevoller Haltung dargestellt.
Statt des Lendenschurzes zeigen die frühen Darstellungen der östlichen Tradition, die ab dem 6. Jh. nachweisbar ist, ein albenartiges langes Gewand - im 8./9. Jahrhundert war dieser Typ auch im Westen verbreitet. Das war dann die Zeit der Darstellungen des Gekreuzigten als Weltenherrscher Bild und der Triumpfkreuze Bild. Aber später hat sich in beiden Traditionen die Darstellung des Leidens (wenn auch in unterschiedlichr Intensität) und der Lendenschurz durchgesetzt, und so ist es eigentlich mit wenigen Ausnahmen bis auf den heutigen Tag geblieben. Hier eine der Ausnahmen - zugeschrieben keinem Geringeren als Michelangelo.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Nassos
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Nassos »

Hola Bernando,

ich bin sehr beeindruckt von Deinem Beitrag! Vielen Dank für die ganze Mühe, ich weiß das sicher zu schätzen!
Ich werde mich auch mal anderorts kundig machen, vielleicht bekomme ich noch die eine oder andere Info dazu.

Bezüglich des Punktes 2:
Bernado hat geschrieben:2. Der Verfasser macht hier eine Randbemerkung zu einem Thema, das neben seinem eigentlichen Thema liegt und von dem er offenbar wenig Ahnung hat. Dabei biegt er die Fakten entsprechend seiner Theorie hin.
kann ich, wenn es Dich interessiert, auch mal gerne ein Mail an P.M. schreiben und fragen, worauf die Behauptung im Text fußt. Vielleicht kommt da auch was interessantes raus. Immerhin nennen die sich "Europas größtes Monatsmagazin für Geschichte".

Gruß,
Nassos
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Leguan
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Leguan »

Also an P.M. History braucht man keine Mail schreiben, sondern man sollte einfach schnell vergessen, was darin steht, wenn man etwas über Geschichte lernen will.
If any stupid priest or bishop in Nigeria feels he wants to copy the American model, then there is something wrong with his head. --Olubunmi Anthony Kardinal Okogie

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Nassos
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Nassos »

Hallo Leguan,

wieso? Also, worauf basiert Deine Aussage?
Welche Quellen wäre denn hierfür geeignet, ich würde sehr gerne auch darin einen Blick werfen. Bzw. kannst Du, Bernado, angeben, woher Du Dein Wissen hast?
Ich fände das sehr interessant.

Ich habe mir auch überlegt, ob vielleicht die entsprechend gleichen Töne seitens P.M. gedacht werden, wenn sie hörten, dass die Rückfrage/Nichteinverständnis aus einem christlichen Forum kämen.

Danke und Gruß,
Nassos
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anneke6
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von anneke6 »

Mal eine Frage…ist das Kreuz (oder Kruzifix) mit drei Balken, wobei der unterste nach links oben gezogen ist, eigentlich Orthodoxen vorbehalten? Ist es aus katholischer Sicht angemessen, als Katholik ein solches Kreuz aufzuhängen oder zu tragen?
Bild
Wie auf der 1. Seite des Strangs ersichtlich, besaß ich mal ein solches Kreuz — von dem ich mich aber, während meiner Abwendung von der Orthodoxie nach 2007 herum getrennt habe. (Weggegeben, nicht weggeworfen) Ich fand es etwas irreführend.
Dafür ist dieses Kreuz auf der Rückseite von vielen von meinen Ikonen abgebildet. Als ich mir eine kleine Kreuzigungsikone zum Aufstellen besorgt habe, wählte ich eins, wo der unterste Balken gerade war. Auf der Rückseite ist aber fast genauso groß ein Kreuz mit schrägem Balken. ;)
Mir haben Katecheten einst beigebracht: Wenn jemand euer Zuhause betritt, soll er binnen 15 Minuten erkennen, daß ihr katholisch seid. Bei den meisten von meinen Freunden kann man es binnen 15 Sekunden erkennen. Kruzifixe über den Türen, Da Vincis Letztes Abendmahl über dem Eßtisch, Bild vom (vorherigen) Papst über dem Fernseher, an den Wänden "Jezu ufam Tobie"-, Herz-Jesu und Herz-Mariä Bilder.
Bei mir sieht es nicht ganz so polnisch-katholisch aus, und bis jetzt hat mich noch keiner kritisiert. Aber was nicht ist, kann ja noch kommen…
???

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Nassos
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von Nassos »

Wobei dieses Kreuz ja eher bei den Slawen verbreitet ist.
Ich finde es wunderschön.
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anneke6
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Re: Orthodoxes Kruzifix

Beitrag von anneke6 »

Nassos hat geschrieben:Wobei dieses Kreuz ja eher bei den Slawen verbreitet ist.
Stimmt. Für manche Menschen ist es auch ein Symbol für die slawische, orthodoxe Identität. Im polnischen Vorkarpartenland (Podlasie), wo J. wohnt, erkennt man an den großen, aus Holz gefertigten Kreuzen diesen Typs, daß ein orthodoxer Friedhof beginnt. Im Gegensatz zu den katholischen Friedhöfen sind sie schlichter gehalten und wären ohne die großen Holzkreuze nicht auf ersten Blick als solche erkennbar.
Nassos hat geschrieben:Ich finde es wunderschön.
Ich auch. :)
Mein Spitzname in der Polonia ist übrigens "die Russin", aufgrund des leicht russisch angefärbten Akzentes. Viele Leute im Vorkarpatenland sprechen so, das "o" etwas geschlossener als im Polnischen üblich und ein leichtes Palatisieren des "y" zum Ende hin, zum Beispiel in "Ty?" (Du?) Einmal ging ich mit einer (nicht blutsverwandten) Tante spazieren, und ich traf auf H., eine Dame aus der örtlichen polnischen Gemeinde. Ich stellte sie vor. "Das ist meine Tante." Und die Dame fragte: "Ist die Tante auch aus Weißrußland?" Auch?
???

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