Kazanskaja-Ikone kehrt nach Moskau zurück

Ostkirchliche Themen.
Geronimo

Kazanskaja-Ikone kehrt nach Moskau zurück

Beitrag von Geronimo »

Am Rande bemerkt, falls es jemanden interessiert:

Johannes Paul II. feiert am 25. August im römischen Petersdom den Abschiedsgottesdienst für die Kazanskaja-Ikone, welche der Papst dem Moskauer Patriarchat zurückgeben möchte.
Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, wird die kostbare Marienikone - über deren Authentizität allerdings die Meinungen auseinander gehen - am 28. August (zum orthodoxen Termin des Festes Mariä Himmelfahrt) in Moskau übergeben.


Geronimo

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

Ist das die Ikone die bisher in den päpstlichen Gemächern aufgehoben wird ?
Gibt es davon auch eine Abbildung ?
Gruß,
Elisabeth

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

@ Robert , Danke !

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Ist dieser Ikone die Mutter Gottes erschienen? Oder ist das die russisch-othodoxe Mutter Gottes?

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Das Original dieser Ikone ist 1579 in der Stadt Kazan erschienen. Es ist eine wundertätige Ikone. Sie wurde 1904 gestohlen und von den Dieben zerstört. Es gab aber inzwischen viele Abschriften; die im Vatikan aufbewahrte ist höchstwahrscheinlich eine aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde in den Siebzigern von der kath. Kirche in England für eine Uniaten-Kirche in Fatima/Portugal erworben.

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Anastasis

Beitrag von Anastasis »

Nietenolaf hat geschrieben: Es gab aber inzwischen viele Abschriften; die im Vatikan aufbewahrte ist höchstwahrscheinlich eine aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde in den Siebzigern von der kath. Kirche in England für eine Uniaten-Kirche in Fatima/Portugal erworben.
Und warum soll dann gerade diese "Abschrift" zurückgegeben werden? :kratz:

(Wenn es jetzt das gestohlene Original wäre, klar...)

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Die Ikone im Vatikan galt bis vor kurzem als das Original. Es gibt bis heute widersprüchliche Angaben darüber, ob es nun das Original ist oder nicht. Letze Information war: es ist nicht das Original. Eigentlich sollte die Ikone bei einem Papstbesuch in Rußland sozusagen mitkommen. Da das offenbar nicht in Aussicht ist, gibt man sie nun so zurück.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ob nun Original oder nicht – es wird sich vermutlich nicht mehr mit Sicherheit feststellen lassen –, jedenfalls ist es gut, wenn die Ikone nach Rußland zurückkehrt.

Obgleich wir Westler ihrer vielleicht noch dringender bedürften …
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Dominica
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Beitrag von Dominica »

hm....wir sind ja geschichtlich eigentlich nicht mit ihr verbunden, so, wie die gläubigen in russland... oder meintest du, dass die ikone auch anderen ortes "wirkt" :kratz: ?

ein bisschen ot: samstag abend lief auf arte ein film über die ikonen (macher) von sofrino. dort läuft ja quasi die ikonen-massenproduktion schlechthin.ikonen, die auch in klöstern oder kirchen landen, ganze ikonostasen stellt man dort her. ich hab mich gefragt, wie das zusammengeht: müssen ikonenmaler nicht eigentlich geweiht werden? ich hab das so verstanden, dass das malen einer ikone selbst ein gebet ist, dass die ikone erst dadurch zur ikone wird. kann ich mir so am fliessband schwer vorstellen. oder steht da mehr der wirtschaftliche aspekt im vordergrund, da die kirche in russland keine anderen einnahmequellen hat?...*grübel*


gruss d.
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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Nachtrag...
Bischof Hilarion von Wien und Österreich: Die Kasaner Ikone der Gottesmutter und die orthodox-katholischen Beziehungen
(Interview für Radio Stephansdom am 27. August 2004)

Welche Bedeutung hat die Kasaner Ikone der Gottesmutter für die Russisch Orthodoxe Kirche?

Die Kasaner Ikone der Gottesmutter ist eines der meistverehrten Heiligtümer des russischen Volkes. Zuerst im 16. Jahrhundert in Kasan erschienen, hat diese wundertätige Ikone sowie auch ihre zahllosen Kopien, die über ganz Russland verbreitet waren, mehrmals das Land vor eindringenden feindlichen Fremden gerettet. Als Moskau 1612 von den Polen erobert wurde, beteten die russischen Truppen drei Tage vor der Kasaner Ikone der Gottesmutter, erst danach gingen sie zum Gegenangriff über, der mit der Vertreibung der Polen aus Russland endete.

Vor zweihundert Jahren, 1812 am Festtag der Kasaner Ikone brachten die russischen Truppen den französischen Invasoren die erste entscheidende Niederlage bei. Das Original der Ikone wurde 1904 aus Kasan geraubt und man nahm damals an, dass es vernichtet wurde. Allerdings waren in Moskau, in Petersburg und in vielen andren russischen Städten wundertätige Kopien dieser Ikone erhalten geblieben. Eine dieser Kopien gelangte in den Vatikan, wo sie sich in den Privatgemächern von Papst Johannes Paul II. befand.

Dass diese Ikone heute nach Russland zurückkehrt, hat eine tiefe symbolische Bedeutung. Die Rückkehr der Ikone wurde möglich dank einer persönlichen Initiative des Papstes von Rom, dem sie besonders teuer war. Wir alle hoffen, dass diese edelmütige Geste ein weiterer Schritt auf dem Wege der Annäherung zwischen den beiden Kirchen, der Römisch-Katholischen und der Russisch-Orthodoxen Kirche ist.

Wie wird der hohe Feiertag Maria Himmelfahrt in Russland und in der Wiener russisch-orthodoxen Gemeinde gefeiert?

Maria Himmelfahrt ist einer der beliebtesten und hochverehrtesten Feiertage in Russland. In Moskau leitet der Patriarch den Gottesdienst in der Maria Himmelfahrtskathedrale im Kreml. In dieser Kathedrale wird der Leiter der Päpstlichen Kommission für die Einheit der Christen, Kardinal Kasper, dem Patriarchen die Ikone überreichen, die bisher im Vatikan aufbewahrt wurde. In unserer Wiener Gemeinde findet am Vorabend des Feiertages eine feierliche Vesper statt, und am Feiertag selbst, am Samstag, den 28. August um 10 Uhr morgens findet eine feierliche Liturgie statt. In vielen Kirchen Russlands wird auch der Ritus der Grablegung der Allerheiligsten Gottesmutter zelebriert, bei dem das Grabtuch mit der Darstellung der Allerheiligsten Gottesmutter rund um die Kirche getragen wird.

Was sind die hauptsächlichen Hindernisse auf dem Weg zur Einheit zwischen Katholiken und Orthodoxen?

Es gibt sowohl ekklesiologische als auch zahlreiche psychologische Hindernisse. Die wichtigste ekklesiologische Frage, die die beiden Kirchen trennt, ist die Frage über den Primat des Bischofs von Rom. Die Orthodoxen können nur so ein Modell einer einigen Kirche akzeptieren, wo der Papst nicht als ihr einziges Oberhaupt, sondern als der Erste unter Gleichen (primus inter pares) der Patriarchen von Konstantinopel, Alexandria, Antiochia, Jerusalem, Moskau und anderer anerkannt wird. Die Frage des Primats wird wahrscheinlich Gegenstand von Erörterungen im Orthodox-katholischen Dialog sein, der derzeit zwar zum Stillstand gekommen ist, der aber sehr wahrscheinlich in nächster Zeit wieder aufgenommen wird.

Die Überwindung der psychologischen Hindernisse der Einheit wird ebenfalls nicht leicht sein. Misstrauen und Abneigung gegenüber den Katholiken haben sich bei den Griechen, Russen und Vertretern anderer orthodoxer Völker im Verlauf von Jahrhunderten aufgestaut. Das ist verbunden mit der Geschichte der Kreuzzüge und anderer Eroberungskriege, die Katholiken auf orthodoxen Territorien geführt haben. Ein ernsthaftes Hindernis in der Frage der christlichen Einheit waren in der Zeit des 15. bis 17. Jahrhunderts die damals stattgefundenen Versuche einer gewaltsamen Hinwendung der Orthodoxen zum Katholizismus mithilfe der Union. Obwohl diese Ereignisse weit in der Vergangenheit liegen, sind ihre Folgen bis heute noch nicht endgültig beseitigt. Zum Beispiel ist es für niemanden ein Geheimnis, dass die Beziehungen zwischen der Orthodoxen und der Katholischen Kirche sich in den letzten Jahren schwieriger gestaltet haben, insbesonders wegen der bedeutenden Aktivitäten der Unierten auf dem Gebiet der Westukraine und in einigen anderen Regionen.

Trotz des oben gesagten, bin ich zutiefst überzeugt davon, dass es für die Orthodoxen und die Katholiken keinen anderen Weg gibt als das Streben nach einer Annäherung und einer Überwindung der Differenzen.

Uns vereint viel mehr als uns trennt. Uns eint der gemeinsame Glaube an die Heilige Dreifaltigkeit, an Jesus Christus den Gott und Heiland, die Verehrung der Gottesmutter und der Heiligen, wir haben ein kompatibles Verständnis von Kirche, von den Sakramenten und der apostolischen Sukzession.

Darüber hinaus leben wir in einer Welt, die bestrebt ist die christlichen geistigen und ethischen Orientierungen abzulegen. Während die Orthodoxen und die Katholiken ihre gegenseitigen Beziehungen zu klären versuchen, feiern Säkularismus, Liberalismus und Atheismus immer neue Siege im Kampf um die Seelen der Menschen. Wir können diesem Kampf nur gewinnen, wenn wir zusammenstehen und gemeinsam die Werte der christlichen Zivilisation verteidigen.
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Zuletzt geändert von Nietenolaf am Dienstag 17. Mai 2005, 09:09, insgesamt 1-mal geändert.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Ich kann den russisch-orthodoxen Gläubigen von Wien und Österreich zu so einem Bischof, zumal jung, nur gratulieren. Bisher habe ich nur etwas von ihm gelesen, was Hand und Fuß hatte, keine feige Verschwiegenheit vorschiebt und auf jegliche Provokationen im Dialog verzichtet.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Alle Jahre wieder…bekommt man kleine Kataloge mit Vorschlägen für Weihnachtsgeschenke.
Ein Verlag fordert mich zum Kauf einer Ikonenreproduktion vom Typ "Kazanskaja" auf. Gibt es in zwei Größen und ist wunderschön.
Und dennoch…das Fest dieser Ikone -- am 4. November -- feiert die Vertreibung der Polen… :shock:
Kann man so etwas überhaupt glauben…Nimmt Maria Seiten ein? Mag sie manche Völker mehr als andere?
Ich vermute mal, die Russen haben damals in überschwenglicher Freude den Sieg der Gottesmutter zugeschrieben…ob sie's nun wirklich erwirkt hat können die doch gar nicht wissen, oder?

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ar26
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Beitrag von ar26 »

anneke6 hat geschrieben:Und dennoch…das Fest dieser Ikone -- am 4. November -- feiert die Vertreibung der Polen… shock
Kann man so etwas überhaupt glauben…Nimmt Maria Seiten ein? Mag sie manche Völker mehr als andere?
Ich vermute mal, die Russen haben damals in überschwenglicher Freude den Sieg der Gottesmutter zugeschrieben…ob sie's nun wirklich erwirkt hat können die doch gar nicht wissen, oder?
Streiche Rußland - setze Polen; steiche Polen - setze Schweden!
Streiche 1612 - setze 1655; streiche Moskau - setze Tschenstochau!
:mrgreen:

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Womit wir wieder ein neues Problem haben? Mag die Muttergottes Schweden nicht?
Gab es irgendeine Schlacht vor Stockholm, wo die Schweden meinen, sie hätten wegen der Hilfe eines Bildes gesiegt?

Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Nietenolaf hat geschrieben:Das Original dieser Ikone ist 1579 in der Stadt Kazan erschienen. Es ist eine wundertätige Ikone. Sie wurde 1904 gestohlen und von den Dieben zerstört. Es gab aber inzwischen viele Abschriften; die im Vatikan aufbewahrte ist höchstwahrscheinlich eine aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde in den Siebzigern von der kath. Kirche in England für eine Uniaten-Kirche in Fatima/Portugal erworben.
Danke für den Verweis auf Kazan, aber was ist, wenn man wie ich kein russisch kann und auch die Zeichen nicht versteht? :hmm:

maliems
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Beitrag von maliems »

ohne mich jetzt eingelesen zu haben: Kann es sein, dass es einfach um die vertreibung der feinde aus der heimat geht?

was haben polen in Russland zu suchen, was Schweden in Polen, was amerikaner im irak. als hobby-schlesier gehe ich weiter: was polen in Schlesien... aber lassen wir das.
---------------------------------------------------

nebenbei: kennt jemand kasan?

ich hätte mal vor, im sommer 2009 hinzufahren. bis moskau wird´s eh kein problem sein. machen ja fast alle russen, die hier arbeiten, 1-2 mal jährlich.

dahinter zwar sicher auch kein problem, aber aus interesse möchte ich doch mal fragen.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

@ Raphaela:
Probiere mal Intertran:
http://intertran.tranexp.com/Translate/result.shtml
Die Überschrift lautet: Die Stadt Kasan und ihre Bürger. Es ist eine Selbstdarstellung der Stadt.
@ Maliems: Den Kommentar möchte ich überhört haben…

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

anneke hat geschrieben:Und dennoch…das Fest dieser Ikone -- am 4. November -- feiert die Vertreibung der Polen…
Der 4. November ist übrigens inzwischen auch ein russischer Nationalfeiertag - der "Tag der nationalen Einheit". Nicht alle Russen wissen, was damit gemeint ist. Letztlich geht es tatsächlich irgendwie um die Vertreibung der Polen, deren Übergriffe auf Rußland nun einmal nicht eben von Edelmut geprägt waren.

Nach Johannes IV "dem Schrecklichen" begann eine Zeit, welche von den Russen bis heute "Smuta", Zeit der Wirren, genannt wird. Von der Seite betrachtet war das einfach der schmerzhafte Prozeß des Endes der einen Herrscherdynastie (Rurikiden) und die Machtergreifung der nächsten (Romanows). Die Schwäche Rußlands ausnutzend, machte Polen auf verschiedene Weise Ansprüche geltend, vor allem durch die Entsendung von Pseudo-Thronerben, die alle vorgeblich Iwan IV's Sohn Dimitri sein wollten. Diese stellten nicht einfach nur eine Marionette der diversen polnischen Sigismunde dar, sondern brachten auch den lateinischen Glauben nach Rußland. Sie versuchten im wesentlichen, ihren römischen Glauben zu kaschieren, jedoch gab es immer wieder Episoden, da dieser zutage trat, woraufhin das Volk in aller Regel gegen sie revoltierte. Wie dem auch sei, der Kasanskaja-Ikone wird am 4. November gedacht, weil sie mit der Befreiung Rußlands von den polnischen Okkupanten eng zusammenhängt. Pseudo-Dimitri I war sechzehn Monate an der Macht, er ist dadurch bekannt, daß er die Dreifaltigkeits-Sergius-Lawra erfolglos belagerte, während Sigismund III bei Smolensk stand und Moskau bedrohte. Die russischen Bojaren ließen ihn schließlich nach Moskau. Der hl. Märtyrer, Patriarch Ermogen, welcher ein Verehrer der Kasanskaja-Ikone war (er ist Autor des Gottesdienstes und des Berichts ihrer Auffindung!) befand sich in polnischer Gefangenschaft, verfaßte von dort aus verschiedene Aufrufe zum Aufstand gegen die Okkupanten. Unter den Fürsten Minin und Pozharskij (auf diesem Bild sieht man links das berühmte, ihnen gewidmete Denkmal vor der Basilius-Kathedrale in Moskau), welche einen enormen Volksaufstand anführten, wurden die Ljachen schließlich am 4. November 1612 aus Moskau herausgeworfen. Patriarch Ermogen erlebte das nicht mehr mit: man ließ ihn im Februar 1612 in Gefangenschaft verhungern.

Er gilt aber als die inspirierende Seele hinter der Befreiung Rußlands, er machte dem Volk klar, daß ihr Erfolg von der Fürsprache der Gottesmutter abhängt, und tatsächlich, auf sein Geheiß hin fastete und betete das ganze Volk um Befreiung. Auf diese Weise wurde der 4. November später unter Zar Michail und seinem Vater, Patriarch Filaret, zum Feiertag genau dieser Ikone gemacht. Dieser 4. November 1612 markiert den Beginn der russischen selbständigen Staatlichkeit, wie sie später zu imperialer Größe heranwuchs. Es ist zurecht der Nationalfeiertag der Russen. Mit dem Feiertag der "Kasanskaja"-Ikone zusammen besteht eine ständige Erinnerung daran, daß die Russen nur "auf Gottes Seite" Großes zu leisten vermögen.

Kürzlich kam in Rußland ein Film namens "1612" heraus, der genau diese Zeit als historischen Kontext hat.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Danke, Nietenolaf, für Deine Ausführungen. Im Großen und im Ganzen deckt es sich mit dem, was ich gelernt habe. Und ich bin kein Geschichtstalent…in der Schule hatte ich immer nur allerhöchstens ein "ausreichend".
Womit ich aber immer Probleme gehabt habe, ist die Vorstellung, die Gottesmutter würde auf der Seite irgendeines Volkes stehen. :) Ob da nun Russen Polen oder Polen Schweden eins auf den Deckel geben…vor allem würde ich den ganzen Himmel bitten, daß es gar keine Kampfhaltungen mehr gibt.
Aber trotz allem finde ich das Kasaner Bild außergewöhnlich. Eine solch geheimnisvolle Darstellung Mariens mit dem Jesuskind in Gestalt eines Erwachsenen…wo findet man so etwas?
Kann man diese Ikone mögen, ohne sich mit diesen Kriegsgeschichten und Legenden identifizieren können? Ich denke schon, oder was meint ihr? (Frage an Radio Eriw…ich meine Kaz-an)
Wenn zufällig ein Schwede im Forum ist, würde ich auch gerne seine Meinung zum Tschenstochauer Bild hören.

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

anneke6 hat geschrieben:Womit ich aber immer Probleme gehabt habe, ist die Vorstellung, die Gottesmutter würde auf der Seite irgendeines Volkes stehen.
Natürlich, das ist ja wohl auch nicht so. Man vermag hier aber ein Glaubenswunder zu erblicken. Wozu gläubige Leute fähig sind, und wie der Glaube eines Volkes von Gott vergolten wird... und letzten Endes ist im "Osten" ein Angriff auf's "Reich" oft als ein Angriff auf die Kirche und den rechten Glauben gewertet worden, was ziemlich oft genau so ja auch war. Und nach Iwan IV, also Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts, mit dem "frisch gefallenen" Konstantinopel im Süden, hatte man schon etwas zu verlieren.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Ich habe mir übrigens eine kleine Kazanskaja-Ikone bestellt. (Manchmal muß man sich eben selbst was schenken…) Ist heute gekommen, adressiert an Herrn anneke6. (Die Leute werden auch immer blöder. Aber selbst Deutschlands bekanntester Sedevakantist hält mich ja für einen pan anneke6.)
Das Ikönchen sieht aber recht hübsch aus. Ich habe es noch nirgendwo aufgehängt, da die Rückseite keine Bohrung hat.
Sehr gefallen hat mir aber der Spruch, der auf der Packung aufgedruckt war: "Da ljubite drug druga" — liebt Euch einander.
In der Tat.
Für mich ist dieses Bild ein Zeichen, daß ich anfangen sollte, meine Abneigung gegen russische Sachen loszuwerden. Gegen die Russen selbst habe ich nie Haß gehabt (naja, vielleicht gegen meinen Russischlehrer :mrgreen:), aber ansonsten…gegen meinen Willen mußte ich Russisch lernen. Wenn nicht gerade Unterricht war, kamen russische Mädchen und redeten Russisch miteinander — im Gegensatz zu Deutschen finde ich es nicht grundsätzlich unhöflich, in einer Sprache zu sprechen, wenn andere anwesend sind, die sie nicht verstehen. Es war die Sprache selbst, die ich nicht mochte. Es fiel mir nicht leicht, mitzuhalten.
Mein Lehrer fragte mich: "Ist skazat' ein perfektives oder ein impferfektives Verb?" Ich fing an, zu überlegen. Mir fiel keine perfektive Form ein. "Imperfektiv?" fragte ich, ziemlich hilflos. "Sind Sie sich sicher, gospozaanneke6?" Ich fragte: "Perfektiv?" -- "Wir machen hier kein Ratespiel." Ich verzog das Gesicht. "Das imperfektive Wort heißt govorit' Er blickte mich an: "Vam dolzen zanimatsja'." Ich biß die Zähne zusammen. "Menja ne dolzen nicego!" dachte ich auf gebrochenem Russisch. Und ich setzte auf polnisch etwas hinzu, was ziemlich grob ausdrückte, was ich wirklich muß: Exkrementieren und eines Tages sterben.
(Anmerkung: Die erwähnten Verben bedeuten "sprechen". Die polnischen Verben lauten: mowic und powiedziec.)
Ein kleiner Exkurs, der verdeutlichen soll, wie meine Abneigung angefangen hat. Aber dennoch, es ist ja nicht die Schuld meines Lehrers, daß ich die Sprache nicht kann. :)

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Sebastian
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Beitrag von Sebastian »

anneke6 hat geschrieben:
(Anmerkung: Die erwähnten Verben bedeuten "sprechen". Die polnischen Verben lauten: mowic und powiedziec.)
pssst rozmawiac, als intransitives Verb klänge hier auch ganz nett ;-) Viel Freude mit Deiner Ikone :-)
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

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