Ralf hat geschrieben: ↑Dienstag 20. Juli 2021, 11:22
Man erlaubt mir hier mal ein wenig zu provozieren, auch wenn ich es ehrlich meine:
1. ich kann das MP inhaltlich verstehen, auch wenn ich manche Entscheidung für übertrieben halte. Die Reaktionen auf dieses MP bestätigen auch die Intention desselben.
Ich kann vielleicht die Intention des MP verstehen, wenn sie so gemeint war, keinesfalls aber die Art und Weise.
Das ist im Übrigen ein Totschlagargument. Akzeptieren die Anhänger des VO das MP in gläubigem Gehorsam, bleibt alles wie beschlossen. Widersprechen sie, geben sie der Begründung des MP recht und es bleibt erst recht alles wie beschlossen. Und nun?
So schwarz-weiß sind die Reaktionen außerdem auch nicht. Natürlich gibt es einige, die jetzt auf Franziskus schimpfen und aus Frust den Gang zur FSSPX oder in den Untergrund androhen. Die weitaus meisten betonen aber auch, dass die Ablehnung von VatII nicht akzeptabel ist und die Aussagen des MP insoweit nicht verkehrt. Nur die Methodik und die Verhältnismäßigkeit der Mittel werden kritisiert.
Ralf hat geschrieben: ↑Dienstag 20. Juli 2021, 11:22
2. eigentlich hat dieses MP die Ortsbischöfe wieder in ihr liturgisches Amt gehoben, das ihnen zusteht: der oberste Liturg der Diözese und als Aufseher. Daß Summorum pontificum die Aufseher quasi kaltgestellt hatte, war in meinen Augen ekklesiologisch schon immer falsch. Das bedeutet aber auch: wenn der Bischof für den VO ist (wie bspw. vielerorts in Frankreich und den USA), dann ist alles Brause für dessen Anhänger. Wie es sich in Deutschland entwickelt bleibt abzusehen.
Letzteres ist sicher richtig. Aber was viele meinem Eindruck nach aufregt, ist die augenscheinliche Ungleichbehandlung mit den Extremisten auf der anderen Seite des Spektrums. Klar, der Jurist weiß, es gibt keine Gleichheit im Unrecht, aber menschlich ist die Reaktion trotzdem und der Papst ist auch Seelsorger und nicht nur Gesetzgeber. Aber wenn das die Intention des MP war, ist zu verlangen, dass die Bischöfe ihr Wächteramt auch insgesamt wahrnehmen.
Ralf hat geschrieben: ↑Dienstag 20. Juli 2021, 11:22
3. Katholischsein bedeutet letztlich immer, sich einer lebenden Autorität zu unterwerfen (und das zeigt sich dann, wenn man die Entscheidung
nicht mag) - in meinen Augen ist alles andere mehr oder weniger protestantisch (bzgl. des Gehorsams, nicht der Theologie). Damit meine ich in der Tat alles, wobei ich bspw. bei den Kopten auch eine starke Stellung ihres Papstes wahrnehme, bei anderen Orientalen weiß ich es nicht. Die Orthodoxen, die ich persönlich kenne, suchen sich ihr Gehorsamsobjekt auch mehr oder weniger aus....
Zum Thema Autorität und was der Papst entscheiden kann oder nicht, wurde in diesem Thread schon diskutiert, das überlasse ich anderen.
Ralf hat geschrieben: ↑Dienstag 20. Juli 2021, 11:22
4. Die Einheit der Kirche geht über alles. Sie ist der Existenzgrund für das Papstamt und seine erste Aufgabe. Wenn die Bischöfe der Welt diesbezüglich Bedenken anmelden in Bezug auf den VO (und die Reaktionen nicht nur hier lassen den Grund erkennen), dann kann ein Papst, der sein Amt einigermaßen erst nimmt, nichts anderes tun als handeln. Er legt die Entscheidung über den VO in die Hände der Ortsbischöfe, dort gehört sie auch hin.
Ich kenne die Situation naturgemäß nur begrenzt und insbesondere nur in Deutschland. Ob es in Frankreich oder in den USA größere schismatische Bewegungen im Zusammenhang mit dem VO gegeben hat, kann ich daher nicht abschließend beurteilen. In den Kirchen und Gemeinschaften, wo ich sporadisch die alte Messe besucht habe, schließe ich das aber eigentlich aus. Und dass das Kind hier durch das MP mit dem Bad ausgeschüttet wird, stört mich schon.
Meine Meinung dazu: ich persönlich bin absolut kein Fanatiker in die eine oder andere Richtung gewesen. Ich besuche zu 99 % die normalen Sonntagsmessen in meiner Pfarrgemeinde. Meine letzte Messe im VO ist fast zwei Jahre her, sicherlich auch coronabedingt. Aber auch vorher beschränkte sich das auf eine Handvoll Besuche im Jahr, die ich dann aber auch genossen habe. Nicht nur wegen der Gregorianik, die im NO faktisch ausgestorben ist, sondern auch allgemein wegen der anderen Betonung des VO. Diese Möglichkeit, hier ab und an wechseln zu können, würde ich auch gerne behalten und da sehe ich faktisch die Gefahr, dass diese Möglichkeiten zukünftig eingeschränkt werden.
Im EB Köln hatten wir ja schon seit 2008 sog. vom Erzbischof bestimmte Zentren, wo der VO gefeiert wird, nämlich in Bonn, Köln, Düsseldorf und Remscheid, wenn ich mich nicht irre. Ich gehe davon aus, dass Woelki jedenfalls hieran auch erst einmal nichts ändern wird. Aber wer weiß, was ein Nachfolger bringt, die Situation wird jedenfalls nicht besser. Und was mit weiteren Messorten sein wird, weiß ich auch nicht.
Persönlich kritisiere ich auch die Notwendigkeit eines solchen Radikalerlasses. Allenthalben wettert der Papst gegen Rigorosität, bietet selbst den schärfsten Kritikern Dialog an, will mit allen im Gespräch bleiben. Im päpstlichen Jahrbuch werden die Hälfte seiner Titel demütig unter "historisch" in die Bedeutungslosigkeit gesetzt. Und dann packt er hier plötzlich wieder und in dieser Form eigentlich erstmals die Keule aus?
Mein Verdacht ist ja, dass er das schon 2013 geplant hatte. Sein kolportierter Spruch "Der Karneval ist vorbei", wird sicher keine Erfindung sein. Sich mit so einer barschen Aussage direkt nach der Wahl bei seinem Zeremoniar vorzustellen, der nur seine Arbeit verrichtet, ist auch ein Zeichen seines Charakters. Er hatte jedenfalls 2013 vielleicht noch gehofft, das Ableben Benedikts abwarten zu können, der ihm den Gefallen bislang aber nicht getan hat. Und dann wollte er wohl nicht mehr warten. Ich schätze Benedikt so ein, dass er das neue MP nicht kommentieren wird, aber inhaltlich ist das gegen ihn schon eine Frechheit.
Wenn es denn einzelne Gemeinden oder Gemeinschaften gab, die den VO als Grundsatzkritik an VatII verstanden haben, wäre es der richtige Weg gewesen, diese jeweils zu disziplinieren. Mit dem MP werden aber viele bestraft, die stets treu zur Kirche standen und in ihrem Leben die Kirche oder ihren Bischof schon oft gegen Kritik verteidigen mussten. Und wie ich fragen sich viele jetzt wahrscheinlich, ob das wirklich der Dank dafür ist.
Schismatische Abspaltungen und Ignoranz des VatII gibt es auf modernistischer Seite ebenso häufig, ich würde sogar sagen, noch mehr. Und was passiert da? Nichts. Vielleicht ist dem Papst, der vermutlich schon seit Jahrzehnten keine normale Gemeindemesse als einfacher Gläubiger mehr mitgefeiert hat, der liturgische Wildwuchs vor Ort auch gar nicht so bewusst. Als Erzbischof und dann Papst feiert er ja seit Jahren nur umgeben von Zeremoniaren und Weihrauch. Aber vielleicht ist auch das nur Hoffnung meinerseits.
Wie ich reagiere, weiß ich. Ich gehe brav weiter in meine Pfarrkirche und ärgere mich allenfalls innerlich oder mit solch wenigen Beiträgen hier. So wie es von einem "guten Katholiken" wohl erwartet wird. Und ich tröste mich mit der 1. Lesung des vergangenen Sonntags, die zeitlich für mich recht passend kam:
"Weh den Hirten,
die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen –
Spruch des HERRN.
Darum – so spricht der HERR, der Gott Israels,
über die Hirten, die mein Volk weiden:
Ihr habt meine Schafe zerstreut und sie versprengt
und habt euch nicht um sie gekümmert.
Jetzt kümmere ich mich bei euch um die Bosheit eurer Taten –
Spruch des HERRN"
Nachtrag: wenn ich übrigens lese, dass angeblich irgendein Bischof in Puerto Rico mit dem VO auch gleichzeitig noch "die römische Form der Messgewänder, das Segensvelum oder die Verwendung einer Bursa verbietet" (siehe:
https://www.kath.net/news/75782), ist das nicht nur strunzdumm, sondern erst recht ärgerlich. Der verlinkte Artikel ist insgesamt lesenswert.
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