"Protestantismus" in der Sicht der Tradition

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
Benutzeravatar
holzi
Beiträge: 7880
Registriert: Montag 28. November 2005, 15:00
Wohnort: Regensburg

Beitrag von holzi »

Pit hat geschrieben:Hallo Tacitus,

das Problem scheint mir mittlerweile zu sein, daß für Ewald, Cosimo und Eldar "Prostestant", "evangelisch", "lutherisch", "liberal", "Freimaurer", "Modernist", "Heuchler" etc. Begriffe sind, die mehr oder weniger gegeneinander ausgetauscht werden können.
Anders gesagt:
Wer - aus deren Sicht - evangelisch ist, ist automatisch
- ein Heuchler
- ein Ketzer
- für "Schwulenehe"
- für Abtreibung
- für Modernismus
- gegen die wahre Kirche und - besonders schlimm -
- Anhänger der verdorbenen "V2-Kirche".

Kurzum:
Wer nicht streng römisch-katholisch-traditionalistisch "tickt", ist eigentlich sowieso kein "richtiger" Christ.

Sorry, aber auf dieser Basis - etwas (!) überspitzt ausgedrückt - kann und wird es keinen Dialog mit den "Piusbrüdern" und deren Sympatisanten geben, da nämlich von deren Seite garnicht der Wille zu einem ernsthaften Dialog mit den "V2-Leuten" ( Bezeichnung a la Ewald für römisch-katholische Christen") besteht.

Leider !!

Gruß, Pit
Hierzu Bischof Rifan aus Brasilien: (Quelle: http://www.kreuz.net/article.3052.html)
Bischof Rifan erklärte weiter, daß er auch die sieben Todsünden der Traditionalisten gesammelt habe.

In ihnen würden die Versuchungen und Gefahren zum Ausdruck kommen, in welche diese Gläubigen fallen könnten und denen sie manchmal auch tatsächlich erlägen:

Als erste Todsünde nennt der Bischof den Stolz. Er bestehe im Gefühl, als ob die Gläubigen des Alten Ritus einige exklusive Einsichten in die Wahrheit des Glaubens besitzen würden. Man begegne in diesem Zusammenhang auch der Vorstellung, „daß wir die einzigen Katholiken sind, sozusagen die Retter der Kirche“.

Als zweite Todsünde sieht der Bischof einen systematischen Mangel an Nächstenliebe: „Seht, wie sie einander hassen.“ Das sei das genaue Gegenteil von dem, was die Heiden über die ersten Christen sagten. In diesen Bereich gehöre auch die Kunst, sich die eigenen Freunde zu Feinden zu machen.

Die dritte Todsünde zeige sich in einer Tendenz zum schnellen Verurteilen. Darin sei der Geist der Verdächtigung und der Verschwörungstheorien eingeschlossen.

Die vierte Todsünde sei eine Skandalversessenheit sowie eine Kritiksucht, die zum System geworden sei.

Ein Geist des Streites und des systematischen Ungehorsams sei die fünfte Todsünde. Sie beinhalte auch den Ungeist der Unabhängigkeit von der Hierarchie und vom kirchlichen Lehramt.

Die sechste Todsünde sei ein liturgischer Gruppengeist, der dem Motto anhange: „Außerhalb von uns gibt es kein Heil.“

Als siebte und letzte Todsünde bezeichnet Mons. Rifan schließlich einen in Traditionalistenkreisen häufig anzutreffenden Pessimismus, welcher der christlichen Hoffnung und dem Neuen Testament widerspreche.

Bis zu einem gewissen Grad gehöre dazu auch eine Zufriedenheit mit der Abnormalität der eigenen Situation und mit den Fehlern des menschlichen Teils der Kirche, als ob diese die eigenen Positionen rechtfertigen könnten.

Benutzeravatar
ottaviani
Beiträge: 6844
Registriert: Mittwoch 24. März 2004, 17:24
Wohnort: wien

Beitrag von ottaviani »

Na ja Mgr. Rifan ist ein schönes beispiel dafür was daraus wird wenn man sich mit dem konziliaren rom einläßt mehr ist dazu nicht zu sagen

Benutzeravatar
Alexander
Beiträge: 1989
Registriert: Donnerstag 19. Mai 2005, 15:36
Wohnort: Berlin

Beitrag von Alexander »

Tacitus hat geschrieben:Mit Gelassenheit muss man die Vorwürfe Unkundiger hören.
In der Tat. In der Sowietunion ließen sich Freikirchler blutig zusammenschlagen durch die kommunistischen Aktivisten (die nicht einmal Ämter hatten) ohne sich zu wehren, um dem Gebot Gottes genüge zu tun. Sie wurden eingesperrt und in die Lager geschickt usw. Ich habe echt keine Sympatie zu dem Freikirchentum, aber was Du sagst, Eldar, ist unverschämte Lüge.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Benutzeravatar
Alexander
Beiträge: 1989
Registriert: Donnerstag 19. Mai 2005, 15:36
Wohnort: Berlin

Beitrag von Alexander »

Pit hat geschrieben: Wer - aus deren Sicht - evangelisch ist, ist automatisch
- ...
- für "Schwulenehe"
Interessant ist, daß nach dem offiziellen Abbruch der Kontakte mit der schwedischen lutherischen Kirche, die die Russische Orthodoxe Kirche vor kurzem wegen der Homosexuellenehe beschlossen hat, die lutherische Kirche von Norwegen die Orthodoxen versichert hat, auf keinen Fall dem schwedischen Irrweg folgen zu wollen.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Tacitus
Beiträge: 1176
Registriert: Montag 20. Juni 2005, 18:50

Beitrag von Tacitus »

Und dafür lobe ich die norwegische lutherische Kirche!

Benutzeravatar
Alexander
Beiträge: 1989
Registriert: Donnerstag 19. Mai 2005, 15:36
Wohnort: Berlin

Beitrag von Alexander »

holzi hat geschrieben:
Philomena hat geschrieben:Das wäre mir - offen gestanden - kulturell zu weit weg. Ich kann - bei aller Katholizität der Kirche - nicht davon absehen, daß ich in Deutschland aufgewachsen bin und lebe. Und jede Kultur prägt, ob sie es will oder nicht, ihre eigenen Formen. Die orthodoxen Formen wären mir, selbst in einer muttersprachlichen Liturgie, daher fremd. :/

Gruß
Philo
Tja, eine autokephale deutsche-orthodoxe bzw. lateinisch-orthodoxe Kirche ist momentan wohl noch nicht in Sicht, dazu pflegen die bisherigen orthodoxen Kirchen doch noch zu sehr ihre auf Einwanderer basierende Klientel. Eine große Öffnung gegenüber den westlich-geprägten Gläubigen erwarte ich auch nicht, da dann die Vorwürfe der angeblichen Proselytenmacherei mit dem Hintergrund eines "Kanonischen Territoriums" wieder hinfällig würden.
Kulturen gibt es verschiedene, auch innerhalb der klassischen "orthodoxen Völker". Man vergleiche etwa die orthodoxen Araber, Griechen, Rumänen und Russen. Es sind verschiedene Kulturen. Aber ein und derselbe ursprüngliche Glaube.

Die orthodoxe Kirche ist kein Folkloreverein. Es ist die ursprüngliche Heilige Katholische und Apostolische Kirche wie sie im ersten Jahrtausend existiert und sich von allen Häresien rein gehalten hat. Sie bewahrt treu das Erbe der Apostel und ihrer Nachfolger, der hl. Kirchenväter.

Was die "Formen" anbetrifft: es sind Formen, die im Osten der einigen Kirche des 1. Jahrtausend üblich waren. Sie sind den Westlichen in vielem ähnlich: wenn Ihr die byzantinischen Liturgien mit den westlichen vergleicht, so werdet ihr sehr viele Gemeinsamkeiten feststellen.

Doch gibt es natürlich auch Unterschiede: unwichtige und wichtige.

Holzi, es gibt sehr wohl orthodoxe Pfarreien westlichen Ritus, vor allem in den beiden Ameriken und Australien. Doch ist es ein Problem, wie man einen solchen "orthodoxen Gottesdienst westlichen Ritus" zusammenstellt.
Wie es zu den Zeiten des geeinten Christentums im Westen war, ist nicht in ausreichendem Maße überliefert. Später haben die Verzerrungen im Glauben auch liturgische Folgen gehabt. Liturgie ist nämlich ein Ausdruck des Glaubens.
Es ist schwer, aus dem, was man heute als westliche Riten kennt, einen "orthodoxen Gottesdienst" zu machen. Trotzdem geht die Orthodoxe Kirche darauf ein, so die Tatsache --- solche Pfarreien gibt es halt.

Doch wird zumeist der "griechische Ritus" genommen. Seine Formen sind einem westlichen Menschen gar nicht so fremd, ein klassischer lutherischer, geschweige denn reformatorischer Gottesdienst ist in seinem Aufbau und vor allem dem Inhalt der Texte, in der geistlichen Dimension, weiter von dem klassischen römischen Gottesdienst entfernt, als der orthodoxe.

Das mit autokephalen Kirchen kann ein bißchen warten, holzi: Russen, Bulgaren, Serben und Rumänen haben auch jeweils mehrere Jahrhunderte warten müssen.

Deutschsprachige Gemeinden gibt es in Deutschland. So haben z.B. weder der russische Erzbischof Feofan noch der serbische Bischof Konstantin bei Nachfrage gezögert, solche unter ihre Fittiche zu nehmen. Es ist nur eine Sache der Nachfrage.

Eine Trägheit der "Formen" wegen ist aber grundfalsch: schon die Apostel haben gegen sie gepredigt, nämlich daß die Heiden ihre heidnischen "Formen" ablegen und Christen werden. Später entsprechendes bei dem Kampf um die in den Gnostizismus abgefallenen, dann bei den Arianern, Nestorianern und Monophysiten... usw.
Bitte nicht mißdeuten: ich stelle das Heidentum und christlichen Häresien nicht gleich. Doch mußten sie alle ihre Gewohnheiten überwinden, um umzukehren.

Bild

Auf dem Bild: eine Totenandacht in Japan
Zuletzt geändert von Alexander am Donnerstag 27. April 2006, 20:24, insgesamt 1-mal geändert.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Benutzeravatar
Walter
Moderator
Beiträge: 1506
Registriert: Mittwoch 25. Januar 2006, 13:56

Beitrag von Walter »

Eldar hat geschrieben:Protestanten sind Heuchler. Friede Freude Eicherkuchen solange der Herr sie bloß weiter in Sünde leben lässt.
Bei uns heißt es: "Hüte dich vor Katholiken! Sie lügen wie gedruckt - danach gehen sie beichten."

Ich lese gerade das Buch "Glaubensspaltung ist Gottesverrat" von Klaus Berger und kann ihn zumindest in seiner Situationsbeschreibung voll zustimmen.

Der Graben verläuft heutzutage weniger zwischen den Konfessionen, als viel mehr quer durch sie. Dass die katholische Kirche nach V2, nicht aber als direkte Folge sich mancherorts der Beliebigkeit hingegeben hat, sollte sie nicht Luther in die Schuhe schieben, sondern dem säkularen Zeitgeit und dem daraus entstandenen Selbstverwirklichungswahn.

Luther war viel "katholischer" als es beiden Konfessionen recht ist (siehe gemeinsame Rechtfertigungslehre). Leider haben aber sowohl Protestanten als auch Katholiken heutzutage wenig Ahnung von dem, was Luther wirklich lehrte.

Für die Katholiken ist der meist einfach nur der "Antichrist" (so wie für viele Protestanten und Orthodoxe das der Papst ist), in den evangelischen Kirchen wird er dagegen heimlich aber unaufhaltsam entsorgt (wie z.B. durch die "Bibel in gerechter Sprache"). Das fing allerdings schon im 16. Jahrhundert an, nämlich mit der lutherischen Mariologie, die den anderen Reformern nicht ins Konzept passte.
Alexander hat geschrieben:Allerdings hat Stephen nicht unrecht: "Aber was gut" an den hochkirchlichen Gemeinden "ist, ist meistens der Rest des Katholischen". Konsequenter Weise müßten sich soche hochkirchlichen Lutheraner voll an die Tradition ankoppeln, in die Apostolische Sukzession zurückkehren --- und damit aufhören, Lutheraner zu sein.
Das ist ein Vorurteil. Du darfst Protestantismus oder gar die EKD nicht mit Luther gleichsetzen, Alexander. Die (nicht nachweisbar apostolische) Sukzession, spielte für Luther eine untergeordnete Rolle. Er war in erster Linie gegen das Einsetzungsprivileg durch den Papst. Eine Sukzession wird heutzutage in der EKD eher politisch als theologisch abgelehnt. Sie wäre möglich, ist aber nicht gewünscht (wie auch die Ökumene).

Das hat mich auch an dem Buch "Rome sweet home" von Scott Hahn geärgert: Er gibt Universitätskurse in protestantischer Theologie, wirft aber Luther und Calvin permanent in einen Topf (z.B. Thema Realpräsens) und gibt später sogar einmal zu, dass er sich mit Luther gar nicht beschäftigt hat. Seine Einwände gegen dessen Rechtfertigungslehre sind dagegen nicht einmal katholisch (Thema Rettung durch gute Werke), sondern schlicht unchristlich.
Alexander hat geschrieben:Leute, um keine halben Sachen zu zaubern, muß man einfach in die Orthodoxie zurück --- welche Alternative dazu gibt es denn? Seid einfach ehrlich zu Euch selbst.
Für mich persönlich habe ich den Weg gewählt. Für die gesamte protestantische "Kirche" wird das aber schlecht möglich sein (vom zu erwartenden Proselytismus-Vorwurf durch die römische Kirche mal ganz abgesehen ;)), denn das wäre Gleichmacherei - genau das, wozu die römische Kirche ja die orthodoxe Jahrhunderte zwingen wollte. Im ersten Jahrtausend herrschte Einheit in Vielfalt, dass könnte laut Ratzinger auch im dritten Jahrtausend bewerkstelligt werden (z.B. wie im erwähnten Berger-Buch beschrieben), wenn sich die Kirchen nicht selbst und gegenseitig ausschließlich mit Themen wie Frauenordination, Homosexualität und -ehe, Mitbestimmungs-"recht" von Laien, Erzwingung der Eucharistieteilnahme, Liturgiereformen (falls überhaupt noch vorhanden) etc. zerfleddern würden.

Dass die orthodoxe Kirche prinzipiell vor dererlei Unsinn geschützt ist, glaube ich nicht (siehe Anastasios Kallis). Böswillig kann man sagen, sie ist nur 100 Jahre hinterher. Gutwillig muss jede(r) sich dafür einsetzen, dass es so weit nicht kommt. :ja:
Alexander hat geschrieben:Deutschsprachige Gemeinden gibt es in Deutschland. So haben z.B. weder der russische Erzbischof Feofan noch der serbische Bischof Konstantin bei Nachfrage gezögert, solche unter ihre Fittiche zu nehmen. Es ist nur eine Sache der Nachfrage.
Das sehe ich auch so, siehe Amerika. ;D
γενηθήτω το θέλημά σου·

jakob
Beiträge: 181
Registriert: Sonntag 14. November 2004, 21:14

Beitrag von jakob »

Wer sich ein wenig in den katholischen Lehrdokumenten auskennt, der weiß, dass man im Zuge der Redlichkeit nicht sagen kann, dass die lutherischen Gemeinschaften Teil der römischen Kirche seien, und insofern keine Kirchengemeinschaft besteht. Die trennenden Gründe liegen jedoch nur in Ansätzen in der Liturgie; allenfalls der fehlende Tabernakel ist ein Merkmal, der die theologische Differenz ausmacht. Insbeondere liegen die Probleme im Amtsverständnis und der Anerkennung des Petrusamtes sowie dem Sakramentenverständnis. Den zweitgenannten Grund teilen sie mit den FSSPXlern.

Die Redlichkeit aber verlangt ebenso, dass die Alt-Lutheraner mit diesen trennenden Gründen immer noch um Lichtjahre näher an der katholischen Kirche sind als der grösste Teil derer, die sich dem Buchstaben nach in ihr wähnen, dem Geiste nach aber schon längst verabschiedet haben. Wenn dieser grössere Teil aus gewissen, sich "traditionsverbunden" nennenden Kreisen mit der Tendenz zur "Protestantisierung" bezeichnet werden, so liegt darin ein unfaire Verallgemeinerung im Hinblick auf die lutherischen Christen. Vielleicht sollte man eher von einer Calvinisierung reden!

Benutzeravatar
Cosimo
Beiträge: 397
Registriert: Sonntag 18. Dezember 2005, 13:23

Beitrag von Cosimo »

Alexander hat geschrieben: Leute, um keine halben Sachen zu zaubern, muß man einfach in die Orthodoxie zurück --- welche Alternative dazu gibt es denn? Seid einfach ehrlich zu Euch selbst.
Wenn es Euch etwas an der heiligen katholischen und apostolischen Kirche liegt, an dem Erbe der Kirchenväter, an dem reinen Quell der Apostolischen Überlieferung --- an der Wahrheit... Was bleibt schlichtweg außer der Orthodoxie?
Mittlerweile bin ich auch zu dieser Überzeugung gekommen was nun die Heilige Orthodoxie betrifft. So erfülle ich etwa seit Jahren nun schon meine Sonntagspflicht ausschließlich bei den Unierten.
Auch im übrigen was die sog. Protestantisierung der Römischen Kirche betrifft stimm ich Dir, geschätzter Alexander, vollkommen zu.

Philomena
Beiträge: 27
Registriert: Mittwoch 26. April 2006, 16:50
Wohnort: Berlin

Beitrag von Philomena »

jakob hat geschrieben:Wer sich ein wenig in den katholischen Lehrdokumenten auskennt, der weiß, dass man im Zuge der Redlichkeit nicht sagen kann, dass die lutherischen Gemeinschaften Teil der römischen Kirche seien, und insofern keine Kirchengemeinschaft besteht. Die trennenden Gründe liegen jedoch nur in Ansätzen in der Liturgie; allenfalls der fehlende Tabernakel ist ein Merkmal, der die theologische Differenz ausmacht. Insbeondere liegen die Probleme im Amtsverständnis und der Anerkennung des Petrusamtes sowie dem Sakramentenverständnis. Den zweitgenannten Grund teilen sie mit den FSSPXlern.

Die Redlichkeit aber verlangt ebenso, dass die Alt-Lutheraner mit diesen trennenden Gründen immer noch um Lichtjahre näher an der katholischen Kirche sind als der grösste Teil derer, die sich dem Buchstaben nach in ihr wähnen, dem Geiste nach aber schon längst verabschiedet haben. Wenn dieser grössere Teil aus gewissen, sich "traditionsverbunden" nennenden Kreisen mit der Tendenz zur "Protestantisierung" bezeichnet werden, so liegt darin ein unfaire Verallgemeinerung im Hinblick auf die lutherischen Christen. Vielleicht sollte man eher von einer Calvinisierung reden!
Danke Jakob, ich stimme Dir vollkommen zu! :ja:

Übrigens, was den Tabernakel angeht: Lies mal: Jürgen Diestelmann, Actio sacramentalis. Die Verwaltung des Heiligen Abendmahls nach den Prinzipien Martin Luthers in der Zeit bis zur Konkordienformel, Groß Oesingen 1995. Diestelmann zeigt dort, daß der Tabernakel (wie übrigens auch der Beichtstuhl) bis in die Zeit der lutherischen Orthodoxie hinein in Gebrauch war und erst mit dem aufkommenden Rationalismus abgeschafft wurde.

:ikb_cheers:

Gruß
Philo

jakob
Beiträge: 181
Registriert: Sonntag 14. November 2004, 21:14

Beitrag von jakob »

Die Hochkirchliche Vereinigung fasziniert mich übrigens immer wieder.

Zur "Protestantisierung" der katholischen Kirche: Nach meiner Erfahrung ist es in letzter Zuspitzung die immer häufiger durch Worte und Taten festzustellende Änderung des Opfercharakters der katholischen Messe hin zum Mahlcharakter. Die Liturgiereform hat dem Vorschub geleistet, da man wohl versucht hat, sich dem reformierten Abendmahlsverständnis zu nähern. In der Praxis führt dies zu einem offensichtlichen Verlust des eigenen, überlieferten katholischen Opfermahlverständnis. In diese Kerbe wollen, so interpretiere ich es, die schismatischen Lefebvrianer einhauen - und schütten gleichsam das Kind mit dem Bade aus.

Petra
Beiträge: 6157
Registriert: Samstag 4. Oktober 2003, 19:30

Beitrag von Petra »

Ein großartiger Thread!

Diese protestantisch-FSSPX-orthodox-übergreifende Einigkeit bei der Feststellung „die römisch-katholische Kirche ist Schrott". Welch eine neue Form der Ökumene! Wenn’s denn eurer Sache dient. - Und endlich kann ich den wahren Inhalt des Forumsuntertitels erkennen, was dieses "der katholische Treffpunkt im Internet" bedeutet.

Und natürlich, diese These dass die Protestanten die „richtigeren Katholiken“ seien! Hätte man’s hier nicht gelesen, man würde es nicht glauben.

Tut mir bitte den Gefallen und bleibt nicht-katholisch, bzw. werdet es.
:roll:

Benutzeravatar
Walter
Moderator
Beiträge: 1506
Registriert: Mittwoch 25. Januar 2006, 13:56

Beitrag von Walter »

Hallo Petra,

kennst Du folgendes Buch:

Manfred Lütz:
Der blockierte Riese
Psychoanalyse der katholischen Kirche

Die FAZ schrieb dazu: "Lütz legt das ganze System auf die Couch. ... ein Geheimtipp."

Dann müsstest Du in die protestantisch-FSSPX-orthodox-übergreifende Einigkeit noch die moderne Psychiatrie und Psychotherapie einreihen. Das Buch ist aber durchaus lesenswert und nur auf den ersten Blick "systemfeindlich". ;D

LG
Walter
γενηθήτω το θέλημά σου·

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ottaviani hat geschrieben:Na ja Mgr. Rifan ist ein schönes beispiel dafür was daraus
wird wenn man sich mit dem konziliaren rom einläßt mehr
ist dazu nicht zu sagen
Ich rate dazu, die Pawlowschen Reflexe zu unterdrücken und die
Fähigkeit zur Selbstkritik nicht zu verlieren. (Ich weiß, das ist mit-
unter schwer. ;) )
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Ewald Mrnka
Beiträge: 7001
Registriert: Dienstag 30. November 2004, 11:06

Beitrag von Ewald Mrnka »

@Philomena
@Tacitus

Was versteht man unter "lutherische Orthodoxie"? Der Pietismus soll ja die Reaktion auf eine "Verknöcherung", "Erstarrung" der lutherischen Orthodoxie gewesen sein. Bei Polemiken werde ich immer aufmerksam. Zählte Paul Gerhardt auch zu den lutherischen Orthodoxen?

Mir reichen schon einige Stichworte und ein paar Namen.

Vielen Dank!

Ewald
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

Benutzeravatar
Alexander
Beiträge: 1989
Registriert: Donnerstag 19. Mai 2005, 15:36
Wohnort: Berlin

Beitrag von Alexander »

Nu sachte, Petra, es gibt hier im Forum Bereiche, wo Polemik erlaubt ist. ;)
Zuletzt geändert von Alexander am Donnerstag 27. April 2006, 22:14, insgesamt 1-mal geändert.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Alexander hat geschrieben:Holzi, es gibt sehr wohl orthodoxe Pfarreien westlichen Ritus, vor
allem in den beiden Ameriken und Australien.
Sie unterstehen meines Wissens dem orthodoxen Patriarchat von Antiochien.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Ewald Mrnka
Beiträge: 7001
Registriert: Dienstag 30. November 2004, 11:06

Beitrag von Ewald Mrnka »

Petra hat geschrieben:Ein großartiger Thread!

Diese protestantisch-FSSPX-orthodox-übergreifende Einigkeit bei der Feststellung „die römisch-katholische Kirche ist Schrott". Welch eine neue Form der Ökumene! Wenn’s denn eurer Sache dient. - Und endlich kann ich den wahren Inhalt des Forumsuntertitels erkennen, was dieses "der katholische Treffpunkt im Internet" bedeutet.

Und natürlich, diese These dass die Protestanten die „richtigeren Katholiken“ seien! Hätte man’s hier nicht gelesen, man würde es nicht glauben.

Tut mir bitte den Gefallen und bleibt nicht-katholisch, bzw. werdet es.
:roll:
Da kannst Du mal sehen, wie sich die modernistische Großsekte schon vom Katholizismus entfernt hat.

Es lebe die FSSPX-Orthodox-lutherische Ökumene! 8)
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Walter hat geschrieben:Luther war viel "katholischer" als es beiden Konfessionen
recht ist (siehe gemeinsame Rechtfertigungslehre). Leider
haben aber sowohl Protestanten als auch Katholiken heut-
zutage wenig Ahnung von dem, was Luther wirklich lehrte.
Ich pflichte bei, daß Luther differenziert zu sehen ist. Man wird aber
als Katholik (oder Orthodoxer) nicht umhin können festzuhalten, daß
er die Sakramentalität der Kirche aufgelöst, das monastische Leben
verachtet und das Mönchtum in seinem Einflußbereich vernichtet so-
wie überhaupt die Gläubigen der Gier der Fürsten ausgeliefert hat.

Was Luthers theologisches Denken betrifft, so empfehle ich die pro-
funde Analyse »Der fröhliche Wechsel und Streit« von Theobald Beer,
welcher – besonders unter Auswertung von Luthers häufig sehr pole-
mischen Randnotizen zu seinen Handexemplaren der Werke Augu-
stins – die gnostisch-hermetischen Einflüsse aufzeigt.
Walter hat geschrieben:Die (nicht nachweisbar apostolische) Sukzession
Das ist ein Fehlurteil.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Petra
Beiträge: 6157
Registriert: Samstag 4. Oktober 2003, 19:30

Beitrag von Petra »

Alexander hat geschrieben:Nu sachte, Petra, es gibt hier im Forum Bereiche, wo Polemik erlaubt ist. ;)
Polemik? Also hat die röm.-kath. Kirche doch noch nicht die Hölle abgeschafft? Und die hiesigen Pfarreien sind nicht die letzten, bei denen ein Priester die Kommunion austeilt?

Oder isses ein verspäteter Thread zum 1. April?

Sachtmal, wart ihr alle in einer Popetown-Preview?

Stephen Dedalus
Beiträge: 5449
Registriert: Dienstag 7. September 2004, 15:28

Beitrag von Stephen Dedalus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Was Luthers theologisches Denken betrifft, so empfehle ich die pro-
funde Analyse »Der fröhliche Wechsel und Streit« von Theobald Beer,
welcher – besonders unter Auswertung von Luthers häufig sehr pole-
mischen Randnotizen zu seinen Handexemplaren der Werke Augu-
stins – die gnostisch-hermetischen Einflüsse aufzeigt.
Walter hat geschrieben:Die (nicht nachweisbar apostolische) Sukzession
Das ist ein Fehlurteil.
Ich möchte noch das sehr lesenswerte Buch von Paul Hacker, Das Ich im Glauben bei Martin Luther empfehlen, das ebenfalls sehr gründlich und umfassend Luthers Soteriologie und seinen Glaubensbegriff analysiert. Hacker weist nach, daß bei Luther nicht mehr das Heil in Christus verwurzelt ist, sondern in einem selbstreflexiven Akt des Gläubigen. Dies findet man übrigens sehr wohl in den Akten von Trient gespiegelt, wo man Luther im Kern sehr richtig verstanden hat.

Stephen Dedalus
Beiträge: 5449
Registriert: Dienstag 7. September 2004, 15:28

Beitrag von Stephen Dedalus »

Philomena hat geschrieben:Übrigens, was den Tabernakel angeht: Lies mal: Jürgen Diestelmann, Actio sacramentalis. Die Verwaltung des Heiligen Abendmahls nach den Prinzipien Martin Luthers in der Zeit bis zur Konkordienformel, Groß Oesingen 1995. Diestelmann zeigt dort, daß der Tabernakel (wie übrigens auch der Beichtstuhl) bis in die Zeit der lutherischen Orthodoxie hinein in Gebrauch war und erst mit dem aufkommenden Rationalismus abgeschafft wurde.
Wenn die Aufbewahrung des Sakraments eine so "urlutherische" Einrichtung ist, warum wird sie dann weder in der SELK noch in einer anderen lutherischen Kirche praktiziert? Wenn es bis zur Konkordienformel so gehandhabt wurde, reden wir über einen Zeitraum von 40 bis 50 Jahre, in denen die Sakramentsaufbewahrung die lutherische Reformation überlebt hat. Das macht für mich noch keine genuin lutherische Praxis ...

Gruß
SD

Benutzeravatar
Alexander
Beiträge: 1989
Registriert: Donnerstag 19. Mai 2005, 15:36
Wohnort: Berlin

Beitrag von Alexander »

@Walter:
Natülich sind Luther und die späteren oder gar heutigen Lutheraner nicht dasselbe.
Daß aber die apostolische Sukzession (was nicht nur die Weihenfolge anbetrifft) für Luther eine untergeordnete Rolle gespielt hat, ist schlechthin das Grundproblem des Protestantismus.

Zu dem Professor Anastasios Kallis: es ist gewiß unangenehm, so ein Ungeheuer zum Zeitgenossen zu haben. Wie mir aber Vater Paisius aus der Geilnauer Skite mal sagte (ungefähr aber sinngemäß): "wenn ich lese, welche Mißstände hl. Gregor der Theologe in der Kirche seiner Zeit beschreibt, tröste ich mich bezüglich der Mißstände in der heutigen Kirche".
Der Professor hat es meines Wissens nicht einmal geschafft, sich eine Gruppe von Nachfolgern in seinen abartigen Ideen zusammenzuzimmern. Da gab es schon viel erfolgreichere in der Geschichte.
Wir wissen aber über die Kirche Christi: "und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen "
Doch konnten schon manche Spinner vielen ihrer Kinder Ärgernisse in den Weg legen. Und so pflichte ich Dir bei: laß uns uns bemühen, daß solche Ärgernisse Widerstand finden.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Benutzeravatar
holzi
Beiträge: 7880
Registriert: Montag 28. November 2005, 15:00
Wohnort: Regensburg

Beitrag von holzi »

Walter hat geschrieben: Das hat mich auch an dem Buch "Rome sweet home" von Scott Hahn geärgert: Er gibt Universitätskurse in protestantischer Theologie, wirft aber Luther und Calvin permanent in einen Topf (z.B. Thema Realpräsens) und gibt später sogar einmal zu, dass er sich mit Luther gar nicht beschäftigt hat. Seine Einwände gegen dessen Rechtfertigungslehre sind dagegen nicht einmal katholisch (Thema Rettung durch gute Werke), sondern schlicht unchristlich.
Dass Konvertiten gerne mal über das Ziel hinausschiessen, ist wohl zur Genüge bekannt. Ich kenne das von einigen Leuten, die den Tiber zum anderen Ufer hin durchschwommen hatten und nun pfingstlerische Freikirchler sind. Die schmeissen jetzt auch alles durcheinander, um den Katholiken und besonders die "noch viel heidnischeren Götzenanbeter der Orthodoxie" (die sehen das tatsächlich so! Und ich weiss selbst, dass aus Sorge um diesen Vorwurf seit alters her dort keine geschnitzten/gemeisselten Statuen gefertigt werden, nicht realistische Perspektiven der Ikonen etc...)

Benutzeravatar
holzi
Beiträge: 7880
Registriert: Montag 28. November 2005, 15:00
Wohnort: Regensburg

Beitrag von holzi »

Alexander hat geschrieben: Zu dem Professor Anastasios Kallis: es ist gewiß unangenehm, so ein Ungeheuer zum Zeitgenossen zu haben.
Was ist an Prof. Kallis so schlimm? Ich kenne den nur vom Namen her, habe auch noch nichts von ihm gelesen.

Benutzeravatar
ottaviani
Beiträge: 6844
Registriert: Mittwoch 24. März 2004, 17:24
Wohnort: wien

Beitrag von ottaviani »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ottaviani hat geschrieben:Na ja Mgr. Rifan ist ein schönes beispiel dafür was daraus
wird wenn man sich mit dem konziliaren rom einläßt mehr
ist dazu nicht zu sagen
Ich rate dazu, die Pawlowschen Reflexe zu unterdrücken und die
Fähigkeit zur Selbstkritik nicht zu verlieren. (Ich weiß, das ist mit-
unter schwer. ;) )
Du ich bin der letzte der nicht bereit währe selbstkritik zu üben ich kritisiere auch einiges was sich so im umfeld der priesterbruderschaft asbspielt
nur die geschichte von mgr. Rifan kenne ich zufällig sehr gut der mann ist wahrlich der letzte der hier ratschläge erteilen sollte
ein chamälion ist gegen den herrren farblos

Benutzeravatar
ottaviani
Beiträge: 6844
Registriert: Mittwoch 24. März 2004, 17:24
Wohnort: wien

Beitrag von ottaviani »

Petra hat geschrieben:Ein großartiger Thread!

Diese protestantisch-FSSPX-orthodox-übergreifende Einigkeit bei der Feststellung „die römisch-katholische Kirche ist Schrott". Welch eine neue Form der Ökumene! Wenn’s denn eurer Sache dient. - Und endlich kann ich den wahren Inhalt des Forumsuntertitels erkennen, was dieses "der katholische Treffpunkt im Internet" bedeutet.

Und natürlich, diese These dass die Protestanten die „richtigeren Katholiken“ seien! Hätte man’s hier nicht gelesen, man würde es nicht glauben.

Tut mir bitte den Gefallen und bleibt nicht-katholisch, bzw. werdet es.
:roll:
moment moment
nicht die katholische kirche ist schrott sondern das was in den letzten 40 jahren draus gemacht wurde, aber auch das wird ie Kirche überstehen sie hat schließlich auch das große abendländische schisma überstanden
in einer späteren zeit wird man darüber lachen das mann JPII mal den großen oder santo subito genannt hat davon bin ich überzeugt

Philomena
Beiträge: 27
Registriert: Mittwoch 26. April 2006, 16:50
Wohnort: Berlin

Beitrag von Philomena »

Ewald Mrnka hat geschrieben:Was versteht man unter "lutherische Orthodoxie"? Der Pietismus soll ja die Reaktion auf eine "Verknöcherung", "Erstarrung" der lutherischen Orthodoxie gewesen sein. Bei Polemiken werde ich immer aufmerksam. Zählte Paul Gerhardt auch zu den lutherischen Orthodoxen?
Unter der "lutherischen Orthodoxie" versteht man die theologie- und dogmengeschichtliche Epoche des Luthertums des 16. und 17. Jahrhunderts. Ihre Vertreter wollten, aufbauend auf der Konkordienformel (1577), die reine lutherische Lehre gegen römisch-katholische und calvinistische Lehren verteidigen. Um das lutherische Lehrsystem gegenüber Kritikern möglichst differenziert darzustellen, bedienten sie sich einer kasuistischen Aristotelik, die von Philipp Melanchthon übernommen wurde (der selbst freilich jeder Orthodoxie abhold gewesen wäre ;) ). Diese kasuistische Methode trug den orthodoxen Dogmatikern den Vorwurf der Erstarrung ein. Erst in jüngster Zeit hat man erkannt, daß die lutherisch-orthodoxe Seelsorge dagegen sehr lebendig und z. T. erstaunlich undogmatisch war und auch mystische Züge trug. Paul Gerhardt gehört ebenfalls in diese Epoche.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich pflichte bei, daß Luther differenziert zu sehen ist. Man wird aber als Katholik (oder Orthodoxer) nicht umhin können festzuhalten, daß er die Sakramentalität der Kirche aufgelöst, das monastische Leben verachtet und das Mönchtum in seinem Einflußbereich vernichtet sowie überhaupt die Gläubigen der Gier der Fürsten ausgeliefert hat.
Ob das in der Intention Luthers lag, erscheint mir nicht sicher. Es gibt da - wie so oft bei Luther - sehr unterschiedliche Äußerungen. Wirkungsgeschichtlich freilich ist das überhaupt nicht zu bestreiten. Nur: Wir leben nun einmal seit 500 Jahren mit dieser Realität und müssen damit irgendwie umgehen. Und "umgehen" heißt, jedenfalls für mich, nicht einfach "Rückkehr" in die "real existierende RKK". :nein:

Stephen Dedalus hat geschrieben:Wenn die Aufbewahrung des Sakraments eine so "urlutherische" Einrichtung ist, warum wird sie dann weder in der SELK noch in einer anderen lutherischen Kirche praktiziert? Wenn es bis zur Konkordienformel so gehandhabt wurde, reden wir über einen Zeitraum von 40 bis 50 Jahre, in denen die Sakramentsaufbewahrung die lutherische Reformation überlebt hat. Das macht für mich noch keine genuin lutherische Praxis ...
Weil wir , ob wir das wollen oder nicht, eine dogmen-, theologie- und geistesgeschichtliche Entwicklung durchgemacht haben, die uns dieser Praktiken entfremdet hat. Hier wären insbesondere Rationalismus und Aufklärung, natürlich aber auch der Pietismus zu nennen. Sie sind u. a. dafür verantwortlich, daß hochkirchliche bzw. sakramental geprägte Lutheraner bis heute eher eine Ausnahme darstellen. (In der SELK freilich ist das noch etwas anders, hier sind zahlreiche Gemeinden stark liturgisch-sakramental geprägt. :freude: Es gibt aber auch hier Gemeinden, die diese Entfremdungsprozesse ebenfalls mitgemacht haben und annähernd evangelisch-landeskirchliche Verhältnisse aufweisen. :sauer: )

Beste Grüße
Philomena

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Holzi hat geschrieben:
Alexander hat geschrieben:Zu dem Professor Anastasios Kallis: es ist gewiß unangenehm, so ein Ungeheuer zum Zeitgenossen zu haben.
Was ist an Prof. Kallis so schlimm? Ich kenne den nur vom Namen her, habe auch noch nichts von ihm gelesen.
Ähm ja, ich würde auch sagen, laß mal die Kirche im Dorf,
Alexander. Kallis vertritt sicher manche nicht mehr orthodo-
xe Anschauungen, habe ich erst gemerkt, nachdem ich ein
Buch von ihm gekauft hatte. Anderes kann man aber mit
Gewinn lesen und empfehlen. Im Vergleich mit der Mehr-
heit der katholischen Universitätstheologen ist Kallis immer
noch superkatholischorthodox.

(Das macht eine Irrlehre nicht richtig, den Mann aber auch
nicht zum Ungeheuer.)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Philomena
Philomena hat geschrieben:Nur: Wir leben nun einmal seit 500 Jahren mit dieser Realität und müssen damit irgendwie umgehen.
Nun, "umgehen" kann zumindest zweierlei bedeuten:
1. Umgang pflegen.
2. D'rum herumgehen.
Wobei ersteres empfohlen sei .......
Philomena hat geschrieben:Und "umgehen" heißt, jedenfalls für mich, nicht einfach "Rückkehr" in die "real existierende RKK". :nein:
Warum nicht? 8)
Bei dieser Gelegenheit eine weiter Empfehlung, die sich hier insbesondere für bibelfeste Lutheraner (Hallo Tacitus!! ;) ) anbietet: Meditieren über die Schrift!
Oder wie es Aurelius Augustinus ausdrückte: Tolle lege!
Schriftstelle: Matthäus 25, 1 ff. :freude:

GsJC
Raphael

Benutzeravatar
Alexander
Beiträge: 1989
Registriert: Donnerstag 19. Mai 2005, 15:36
Wohnort: Berlin

Beitrag von Alexander »

@Robert @holzi @Walter
Laßt uns die Büßerzelle schonen --- eine Diskussion zu Professor Kallis, insoweit man sie sich überhaupt antun muß, gehört in die Sakristei.

Bild
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Philomena hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich pflichte bei, daß Luther differenziert zu sehen ist. Man wird aber als Katholik (oder Orthodoxer) nicht umhin können festzuhalten, daß er die Sakramentalität der Kirche aufgelöst, das monastische Leben verachtet und das Mönchtum in seinem Einflußbereich vernichtet sowie überhaupt die Gläubigen der Gier der Fürsten ausgeliefert hat.
Ob das in der Intention Luthers lag, erscheint mir nicht sicher. Es gibt da - wie so oft bei Luther - sehr unterschiedliche Äußerungen. Wirkungsgeschichtlich freilich ist das überhaupt nicht zu bestreiten.
Daß Luthers Äußerungen oft widersprüchlich und schwankend sind,
ist richtig. Man kann nicht selten etwas über Luther behaupten und
anhand von Originalzitaten belegen – und das Gegenteil ebenso.

Dennoch möchte ich hinsichtlich der Sakramentalität der Kirche wie
auch der Stellung zum monastischen Leben behaupten, was ich oben
schrieb, sei durchaus von Luther auch intendiert worden.

Was die Übergabe des Kirchenregiments und vielfach des Kirchen-
guts an die weltlichen Obrigkeiten betrifft, findet sich das bei Luther
zwar auch theologisch begründet, aber man wird auch andere Äuße-
rungen finden können, und jedenfalls muß man zugeben, daß in der
Praxis die Lage der Dinge und das einnehmende Wesen der Fürsten
ihm irgendwann anderes gar nicht mehr ermöglichten.
Philomena hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:Wenn die Aufbewahrung des Sakraments eine so "urlutherische" Einrichtung ist, warum wird sie dann weder in der SELK noch in einer anderen lutherischen Kirche praktiziert? Wenn es bis zur Konkordienformel so gehandhabt wurde, reden wir über einen Zeitraum von 40 bis 50 Jahre, in denen die Sakramentsaufbewahrung die lutherische Reformation überlebt hat. Das macht für mich noch keine genuin lutherische Praxis
Weil wir , ob wir das wollen oder nicht, eine dogmen-, theologie- und geistesgeschichtliche Entwicklung durchgemacht haben, die uns dieser Praktiken entfremdet hat. Hier wären insbesondere Rationalismus und Aufklärung, natürlich aber auch der Pietismus zu nennen. Sie sind u. a. dafür verantwortlich, daß hochkirchliche bzw. sakramental geprägte Lutheraner bis heute eher eine Ausnahme darstellen.
Wenn wir uns die allmähliche Entwicklung hin zur Einführung der
Reformation in einem Territorium wie etwa der Mark Brandenburg
anschauen, dann stellen wir zwar fest, daß es sehr langsam ging.

Joachim I. war noch treu katholisch. Joachim II. ließ zwar lutherische
Prediger – meist Sachsen – ins Land und gab der neuen Lehre Raum,
er machte auch Anstalten, das Kirchenregiment an sich zu reißen, er
ließ aber Liturgie und Sakramentenverwaltung unverändert, die sa-
kramentale Grundstruktur der Kirche einschließlich des bischöflichen
Amts und der apostolischen Sukzession blieb erhalten.

Das Zugeständnis der Kommunion des Volks unter beiderlei Gestalt,
was an manchen Orten geübt wurde, kam zwar den Protestanten
entgegen, war aber auch in vielen anderen katholischen Territorien
im Zeichen der erwarteten und erstrebten Kirchenreform durchaus
nicht unüblich.

Joachims II. Politik in Sachen Liturgie und Sakramentenordnung sah
sich nun aber stets heftiger Opposition der „Wittenberger“ ausgesetzt.
Man war enttäuscht, man hatte von Joachim II. mehr erwartet (ange-
sichts seiner zum Protestantismus übergegangenen dänischen Mut-
ter), man wollte mit der „papistischen Abgotterey“ aufräumen – und
anderswo tat man das auch, und zwar beileibe nicht erst in der „Auf-
klärung“. In der Mark endlich unter Johann Georg. Aber ich gebe zu:
Die „Wittenberger“ waren nie auch nur annähernd so schlimm wie
die Calviner, die hier bei uns ja mit Johann Sigismund Anfang des 17.
Jht.s Einzug zu halten begannen.
Philomena
Anmeldungsdatum: 26.04.2006
Beiträge: 8
Wohnort: Berlin
Sach ma, ick wußte ja nich, daß et so ’ne Lutheraner wie dich über-
haupt jibt hier in Berlin! ;D
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema