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Grundform des römischen Ritus

Verfasst: Sonntag 1. November 2009, 15:48
von Bernado
Hinweis der Moderation:

Die folgenden Beiträge sind ursprünglich dem Thema
"Liturgische Mißbräuche 3." (Refektorium) entnommen
und wurden mt dem bestehenden Strang vereinigt.
Ursprünglicher Eröffnungsbeitrag war dieser hier:
http://kreuzgang.org/viewtopic.php?p=7714#p7714

Huberts als Mod.
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iustus hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:
Die von der modernen Liturgie"wissenschaft" verbreitete Behauptung, die Privatmesse sei "die Grundform" des römischen Ritus, entspringt einem interessengeleiteten Mythos.
Was ist denn die Grundform?

Das levitierte Hochamt?

http://www.pro-missa-tridentina.de/medien/news_23.htm (Gedanken zum Levitenamt, Mosebach)
Wenn man also feststellt, daß die Messe des Bischofs seit den ältesten Zeiten mit den Klerikern aller Weihestufen in Ausübung ihrer jeweils diesen Weihestufen entsprechenden Funktionen gefeiert wird, um die Verschiedenheit der Gnadengaben und die Einheit des Geistes darzustellen, dann wird sofort augenfällig, daß das feierliche Levitenamt mit Priester, Diakon und Subdiakon nach dem Vorbild der Bischofsmesse gestaltet ist. In dem Maße, in dem die Bischöfe Territorien vorstanden, die ganzen Landschaften entsprachen und nicht mehr der erste Priester eines Dorfes oder einer Gemeinde waren, bildete sich die Notwendigkeit heraus, die nach katholischem Kirchenverständnis notwendige Verbindung der Gemeinde mit dem Bischof sinnfällig und erfahrbar zu machen, auch wenn, wie es nun der Normalfall war, der Bischof sich nicht in der Gemeinde aufhielt. Indem man bestimmte Formen der Bischofsmesse - abgesehen von den besonderen Prärogativen, die allein an die Person des Bischofs gebunden sind - auf den Gottesdienst ohne Bischof, nur mit einfachem Priester übertrug, wurde deutlich, daß der Priester sein Amt in Beziehung auf den Ursprung dieser gnadenhaften Befähigung. die Weihe durch den Bischof, ausübte. Das levitierte Hochamt ist die einzige liturgische Form, die die Stellung des Priesters als Vertreters des Bischofs sinnlich ausdrückt. Der Bezug auf den Bischof ist nichts anderes als der Bezug auf die Apostel und die Urkiche von Jerusalem; in diesem Bezug ist die Bedeutung, die das Wort "Tradition" für die katholische Kirche hat, begründet. Und so ist es denn nicht erstaunlich, daß das römische Meßbuch von der Bischofsmesse als der Norm ausgeht, an der andere Meßformen orientiert sind. Das levitierte Hochamt ist darum die eigentliche Normalform des sonntäglichen Hauptgottesdienstes (in den Kirchen des Ostens ist überhaupt keine Meßfeier ohne Diakon vorgesehen).
Im Prinzip stimme ich hier Mosebach zu. Ich denke nur, daß er sich etwas mißverständlich ausdrückt, wenn er erst mit guten Argumenten die Bischofsmesse zur Hauptform erklärt und dann das davon abgeleitete Levitenamt als "Normal"Form bezeichnet.

Ich denke, die Bischofsmesse ist auch im römischen Ritus die Haupt- und Grundform der Messfeier. Nun gibt es von der Bischofsmesse mindestens ein halbes Dutzend Varianten - ich denke an die, bei der der Ordinarius (Ortsbischof oder Abt) vom Thron aus selbst zelebriert. Die anderen Bischofsmessen sind davon abgeleitet.
Zum Teil in Richtung barockes Gepränge: Der Bischof und Landesherr nimmt am Thron an der Messe teil, die einer seiner Beauftragten zelebriert;
zum Teil in Richtung Alltagsmesse: Die stille Messe des Bischofs in seiner Privatkapelle, für die ja bis Mitte des 2. Jh. ein eigener Ordo vorgeschrieben war. Mit Ausnahme der "stillen" Messe war übrigens die Schola und ihr Gesang stets integraler Bestandteil der Feier. Eher konnte man - z.B. in einem Kloster - auf die säkulare Gemeinde verzichten als auf die Schola.

Nun hatte man freilich nicht immer und überall einen Bischof zur Hand - wohl aber oft eine größere Zahl von Klerikern unterschiedlicher Weihegrade. Dort zelebrierte man dann in einer Form, die sich äußerlich an die feierliche Bischofsmesse annäherte - so entstand das Levitenamt, das, wie kürzlich in Wien zu beobachten war, nicht nur als '"Drei-Herren"-, sondern auch als "Fünf-Herren-Amt" vorkommen konnte. Auch im Usus von Salesbury sind soweit ich weiß mehr als zwei Assistenten am Altar im Einsatz. Schola und (gregorianischer) Gesang waren auch hier unentbehrlich.

Mit dem Außer-Gebrauch-Kommens des Diakonats veränderte sich das Levitenamt dann insoweit, als nun auch die Rollen des Diakons und des Subdiakons von Priestern übernommen wurden. Formal hatte das aber kaum Auswirkungen.

Große formale Auswirkungen hatte demgegenüber die Tatsache, daß man ja auch nicht überall mehrere Priester oder andere Kleriker zur Verfügung hatte - außerhalb von Rom und den anderen (freilich eng beieinanderliegenden) Bischofssitzen muß schon seit den frühesten Zeiten Sonntags die Messe oftmal in einer stark reduzierten Form zelebriert worden sein. Leider scheint es davon aber keine Aufzeichnungen zu geben - man müßte mal nachschauen, ob es im Zusammenhang mit den fränkischen Eigenkirchen das etwas gibt. Ich denke, daß man da sehr pragmatisch vorgegangen ist und jeweils die vorhandenen Kräfte einsetzte, um dem Vorbild Bischofsmesse so nah wie möglich zu kommen.

In den Klöstern und Stiften entwickelte sich auf dieser Grundlage dann schließlich als - wenn man so sagen darf - "unterste" Form die Privatmesse - die Messe, die der Schola und der mehrköpfigen Assistenz "beraubt" war und bei der ein einzelner Priester mit mindestens einem Assistenten das Opfer feierte. In den einzelnen Orden und Stiften gab es da verschiedene Ausprägungen, vermutlich auch in den Pfarrkirchen der Diözesen. Obwohl diese "Schrumpfform" sich im Lauf der Zeit zur quantitativ dominierenden entwickelte - sie war schließlich die einzige, die an jedem Ort und von jedem Priester jederzeit gefeiert werden konnte - wäre doch niemand auf den Gedanken gekommen, sie zur "Grundform" zu erklären.

Wegen ihrer ubiquitären Verbreitung (und weil hier die Reformation besonders breitenwirksam angesetzt hatte) wurde diese Form denn nach Trient auch besonders sorgfältig geregelt, wobei die Rubriken aber auch stets die Abweichungen im levitierten Hochamt mit berücksichtigen. So deckte das neue Missale vielleicht 95% aller Messfeiern lückenlos ab. Die viel seltenere Bischofsmesse wurde demgegenüber im Caeremoniale beschrieben. Bei dieser Aufteilung folgte man allein praktischen Gesichtspunkten und hatte nicht die Absicht, systematische Aussagen zu treffen. Eine praktische Schwäche bestand dabei darin, daß die Schola irgendwie unter die Räder kam und der Priester notgedrungen Teile übernahm, die er vielleicht besser so nicht übernommen hätte.

Auch Vereinheitlichung lag nicht in deer Absicht der Pius V.-Reform. Es ging allein um die Ausmerzung reformatorisch/häretischer Einflüsse, deshalb wurde ja in "Quo Primum" ausdrücklich erklärt, daß alle Traditionen und Gebräuche, die älter als 2 Jahre waren, ohne besondere Erlaubnis weitergeführt werden dürften. Daß die beginnende Neuzeit mit der dadurch erlaubten Pluriformität nicht leben konnte und wollte, steht wieder auf einem anderen Blatt.

Ender der Oper - 'tschuldigung für die Überlänge.

Re: Klagen über liturgische Mißbräuche

Verfasst: Sonntag 1. November 2009, 16:55
von Juergen
Ausgangspunkt für die Diskussion was nun die "Normalform" ist, war die Frage, ob die Ministranten gleichsam stellvertretend für das Volk antworten. Dies war festgemacht am Stufengebet.

Selbst wenn man die Bischofsmesse oder das Levitenamt oder was auch immer als "Normalform" ansieht, so war zumindest de facto die Privatmesse die Normalform. Wenn man sich manche Meßhäufungen anschaut, war wohl auch nichts anderes möglich. Heinrich von Pflummern berichtet etwa, daß in der doch recht kleinen Stadt Biberach pro Jahr 7488 Messen gelesen wurden.

Schaut man in die Rubriken, so wird kaum vom Volk gesprochen, sondern zumeist nur vom Priester und Ministrant. Das Volk spielt keine Rolle (mehr). Entweder vertritt der Ministrant das Volk oder aber die Messe ist eine Veranstaltung zwischen Gott, dem Priester und dem Ministranten.

Re: Klagen über liturgische Mißbräuche

Verfasst: Sonntag 1. November 2009, 19:45
von Bernado
Juergen hat geschrieben:Ausgangspunkt für die Diskussion was nun die "Normalform" ist, war die Frage, ob die Ministranten gleichsam stellvertretend für das Volk antworten. Dies war festgemacht am Stufengebet.

Selbst wenn man die Bischofsmesse oder das Levitenamt oder was auch immer als "Normalform" ansieht, so war zumindest de facto die Privatmesse die Normalform. Wenn man sich manche Meßhäufungen anschaut, war wohl auch nichts anderes möglich. Heinrich von Pflummern berichtet etwa, daß in der doch recht kleinen Stadt Biberach pro Jahr 7488 Messen gelesen wurden.

Schaut man in die Rubriken, so wird kaum vom Volk gesprochen, sondern zumeist nur vom Priester und Ministrant. Das Volk spielt keine Rolle (mehr). Entweder vertritt der Ministrant das Volk oder aber die Messe ist eine Veranstaltung zwischen Gott, dem Priester und dem Ministranten.
Du wirfst hier ständig alles durcheinander. Warum?

Die Frage nach der Grundform ist eine Frage nach der Stellung der einzelnen Formen in liturgiehistorischer und systematischer Sicht. Und nur diese Stellung kann für unsere heutigen Überlegungen relevant sein. Deshalb habe ich versucht, etwas zur Klärung dieser Stellung beizutragen.

Etwas ganz anderes ist die Frage nach der Häufigkeit der einzelnen Formen. Spätes Mittelalter und frühe Neuzeit kannten keinen Priestermangel, sondern (reduktionistisch nach Aspekten der modernen Seelsorge betrachtet) eher einen Priesterüberfluss. Reiche Familien stifteten Altäre, Kapellen, ganze Klöster und eben "Stifte" und statteten sie mit Einkünften aus, aus denen Priester besoldet wurden, die nichts anderes zu tun hatten, als Messen für das Seelenheil der lebenden und besonders der verstorbenen Familienangehörigen zu lesen. Das erscheint uns heute etwas naiv-mechanistisch gedacht und führte praktisch zu mancherlei Mißständen, ist aber nicht irrig oder gar häretisch: Jede hl. Messe ist ein Quell der Gnade nicht nur für die Anwesenden, sondern für die ganze Kirche, einschließlich der Angehörigen der leidenden Kirche im Zustand der Läuterung.

Die Tatsache, daß solche Messen die Mehrzahl der "gelesenen" Messen ausmachten, macht daraus aber noch lange nicht die "Normalform" oder gar die Grundform. Und wenn in einer Kirche täglich 6 oder 10 Messen zelebriert werden, können die eben nicht alle als feierliches Amt gefeiertwerden, sondern verlangen eine andere Form. Daß aus dieser anderen Form auch Mißdeutungen und Misstände hervorgehen konnten, ist unbestritten.

Die Tatsache, daß die Rubriken nichts über das anwesende Volk sagen, ist darin begründet, daß die Rubriken keine systematische Darstellung der Theologie des Messopfers sein wollen (erst die moderne Institutio Generalis versucht sich ansatzweise in dieser Richtung), sondern schlicht und einfach die Gebrauchsanweisung für den Priester darstellen: Say the black, do the red. Die Rubriken sagen auch nichts über die Zuwendung der Früchte des Messopfers an die Armen Seelen - obwohl dies rein quantitativ betrachtet der Hauptzweck der gelesenen Messen war. Umso mehr sagt der Katechismus nach Trient (2. Buch 2. Kapitel "Von dem Hochwürdigsten Sakrament des Altares" über Stellung und Bedeutung der hl. Messe für die Gläubigen und die ganze Kirche.

Die 7500 Messen von Biberach muss man natürlich vor dem Hintergrund desen sehen, daß die meisten Priester tatsächlich täglich zelebrierten - da kommt man mit etwa 20 Priestern schon auf eine entsprechende Zahl im Jahr. Eine Kleinstadt mit einer Pfarrei mit mehreren Hilfsgeistlichen, einem Spital und vielleicht noch einem Kloster konnte diese Zahl leicht erreichen.

Re: Klagen über liturgische Mißbräuche

Verfasst: Sonntag 1. November 2009, 19:52
von Juergen
Bernado hat geschrieben:Die Frage nach der Grundform ist eine Frage nach der Stellung der einzelnen Formen in liturgiehistorischer und systematischer Sicht. Und nur diese Stellung kann für unsere heutigen Überlegungen relevant sein. Deshalb habe ich versucht, etwas zur Klärung dieser Stellung beizutragen.
Ich habe ja nichts gegen Versuche...
Bernado hat geschrieben:Die Tatsache, daß die Rubriken nichts über das anwesende Volk sagen, ist darin begründet, daß die Rubriken keine systematische Darstellung der Theologie des Messopfers sein wollen (erst die moderne Institutio Generalis versucht sich ansatzweise in dieser Richtung), sondern schlicht und einfach die Gebrauchsanweisung für den Priester darstellen...
Eben.
Und nach der Gebrauchsanweisung ist gleichsam jeder Messe eine Messe ohne Volk. Wäre das Volk vorgesehen, hätte man geschrieben "Das Volk, oder wenn kein Volk anwesend ist der Ministrant, antwortet..." Aber man schreibt nur "Der Ministrant antwortet..."

Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 04:28
von mensch
Guten Morgen,

wenn ich mich mit Leuten über die Veränderungen zu den beiden letzten Konzilen unterhalte, höre ich häufig als Argument, die Grundform für die tridentinische Messe sei die römische Privatmesse gewesen. Das wird als Argument genommen um darzustellen, dass die tridentinische Messe auch weitgehend künstlich gesetzt worden sei und nicht in den Gemeinden gewachsen (reine Klerikermesse). Für mich fühlt sich das unstimmig an, da die Messe kaum im kulturellen Vakuum gestanden haben wird und m.W. damals auf die verfügbaren handschriftlichen Dokumente zurückgegriffen wurde und man sich bewusst auf die bis zur Reformation gewachsenen Elemente rückbesinnen wollte.

Leider fehlen mir in diesem Momenten die richtigen Argumente. Kann vielleicht jemand kurz skizzieren, wie die römische Privatmesse gewachsen ist?

Gruss
mensch

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 06:40
von Niels
Ganz kurz:
Die Vollform der römischen Liturgie ist nicht die Privatmesse (=des Gesanges beraubt, missa lecta), sondern das Levitenamt mit Scholagesang, wo grundsätzlich alles gesungen wird (Ordinarium, Proprium; Lesungen, Orationen).
Wo das in Ermangelung der Leviten und der Schola nicht realisierbar war (was vielerorts zur Regel wurde), musste schließlich der Priester alles "übernehmen", sprich rezitieren, was eigentlich gesungen wurde. So kam es zur "missa lecta", der sogenannten "Stillmesse".

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 07:23
von Hubertus
:ja:

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 12:17
von Juergen
ch möchte betonen, daß ich weiterhin bei dem bleibe, was ich damals schrieb.
Die Grundform ist die Messe mit Priester und Ministrant.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 12:47
von Fragesteller
Dein Argument war da u. a. das Stufengebet; da es sich dabei um die Vorbereitungsgebete des erweiterten Klerus handelt, sagt die Tatsache, dass sie selbst im Pontifikalamt nicht vom Volk gesprochen werden, nichts darüber aus, dass die Messe ohne Volk der Normalfall wäre. Was die stille Mitrezitation der von anderen Beteiligten gesungenen Textstücke angeht, muss man, wenn Protasius recht hat, differenzieren: Die stille Rezitation der Lesungen ist in der Tat ein (im 1962er Ritus abgeschaffter) Einfluss der Privatmesse. Bei der (älteren und auch 1962 noch im Gebrauch bleibenden) Rezitation der Chorgesänge geht es einfach darum, dass er am Altar beschäftigte Klerus das nachvollzieht, was er mitsingen würde, wenn er nicht anderweitig beschäftigt wäre.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 13:06
von Protasius
Das Stufengebet war im Hochamt bei einigen Diözesen ja auch ein Sakristeigebet; in der Diözese Soissons beispielsweise wurde das Stufengebet in der Sakristei oder (an den höchsten Festen, wenn in der Kathedrale sehr viel Klerus mit Paramenten assistierte) vor dem Lettner gesprochen, während der Chor den Introitus sang. In Salisbury wurde der 42te Psalm in der Sakristei gesprochen und nur der Teil mit dem Confiteor vor dem Altar.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 13:11
von Juergen
Als Grundargument sehe ich die Rubriken im röm. Meßbuch.
Die kompletten Rubriken sind auf die Messe ausgelegt, die vom Priester allen bzw. mit Ministrant gefeiert wird. Die feierliche Messe ist zwar zwischendurch zusätzlich angeführt, aber immer nur als „Anhang“ zu der normalen Rubrik. Teilweise sind die Passagen dann rein vom Druckbild aus gesehen kursiv gesetzt und heben sich entsprechend als „Sonderform“ ab.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 13:18
von iustus
Juergen hat geschrieben:Als Grundargument sehe ich die Rubriken im röm. Meßbuch.
Die kompletten Rubriken sind auf die Messe ausgelegt, die vom Priester allen bzw. mit Ministrant gefeiert wird. Die feierliche Messe ist zwar zwischendurch zusätzlich angeführt, aber immer nur als „Anhang“ zu der normalen Rubrik. Teilweise sind die Passagen dann rein vom Druckbild aus gesehen kursiv gesetzt und heben sich entsprechend als „Sonderform“ ab.
Aber kann nicht die Reihenfolge im Messbuch aus rein praktischen Gründen resultieren? Z.B. weil dies die kürzeste Form ist und dann schlicht und einfach bei den weiteren Beschreibungen nur noch die Besonderheiten beschrieben werden? Ist das im Messbuch so?

Dann würde die Reihenfolge überhaupt nichts darüber aussagen, was die "Grundform" im Sinne von "Idealform" ist.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 13:19
von Juergen
iustus hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Als Grundargument sehe ich die Rubriken im röm. Meßbuch.
Die kompletten Rubriken sind auf die Messe ausgelegt, die vom Priester allen bzw. mit Ministrant gefeiert wird. Die feierliche Messe ist zwar zwischendurch zusätzlich angeführt, aber immer nur als „Anhang“ zu der normalen Rubrik. Teilweise sind die Passagen dann rein vom Druckbild aus gesehen kursiv gesetzt und heben sich entsprechend als „Sonderform“ ab.
Aber kann nicht die Reihenfolge im Messbuch aus rein praktischen Gründen resultieren?
Nein.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 13:47
von Florianklaus
iustus hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Als Grundargument sehe ich die Rubriken im röm. Meßbuch.
Die kompletten Rubriken sind auf die Messe ausgelegt, die vom Priester allen bzw. mit Ministrant gefeiert wird. Die feierliche Messe ist zwar zwischendurch zusätzlich angeführt, aber immer nur als „Anhang“ zu der normalen Rubrik. Teilweise sind die Passagen dann rein vom Druckbild aus gesehen kursiv gesetzt und heben sich entsprechend als „Sonderform“ ab.
Aber kann nicht die Reihenfolge im Messbuch aus rein praktischen Gründen resultieren? Z.B. weil dies die kürzeste Form ist und dann schlicht und einfach bei den weiteren Beschreibungen nur noch die Besonderheiten beschrieben werden? Ist das im Messbuch so?

Dann würde die Reihenfolge überhaupt nichts darüber aussagen, was die "Grundform" im Sinne von "Idealform" ist.
Genau!

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 13:58
von mensch
Niels hat geschrieben:Ganz kurz:
Die Vollform der römischen Liturgie ist nicht die Privatmesse (=des Gesanges beraubt, missa lecta), sondern das Levitenamt mit Scholagesang, wo grundsätzlich alles gesungen wird (Ordinarium, Proprium; Lesungen, Orationen).
Die ist ungefähr 1000/1100 entstanden?

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 14:22
von Juergen
Niels hat geschrieben:Ganz kurz:
Die Vollform der römischen Liturgie ist nicht die Privatmesse…
Die Vollform ist nicht zwingend identisch mit der Normalform.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 14:31
von iustus
Juergen hat geschrieben:
Niels hat geschrieben:Ganz kurz:
Die Vollform der römischen Liturgie ist nicht die Privatmesse…
Die Vollform ist nicht zwingend identisch mit der Normalform.
Jeder sollte zuerst einmal erklären, was er unter Vollform, Normalform und Grundform versteht. Sonst brauchen wir hier nicht weiter zu diskutieren.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 14:34
von mensch
Für mein Verständnis: Vollform ist ein Idealfall, der alle Elemente berücksichtigt. Grundform ist die notwendige Struktur, entsprechend reduziert. Normalform das, was sich in der Praxis als üblich entwickelt hat.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 14:35
von iustus
mensch hat geschrieben:
Niels hat geschrieben:Ganz kurz:
Die Vollform der römischen Liturgie ist nicht die Privatmesse (=des Gesanges beraubt, missa lecta), sondern das Levitenamt mit Scholagesang, wo grundsätzlich alles gesungen wird (Ordinarium, Proprium; Lesungen, Orationen).
Die ist ungefähr 1000/1100 entstanden?
Das Levitenamt ist älter als die Missa lecta (siehe man obiger Link). Letztere ist die Notform, wo weder Diakon und Subdiakon noch eine Schola zur Verfügung stehen.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 14:37
von Protasius
Ich fasse meine Sicht der Dinge mal folgendermaßen zusammen: Das levitierte Hochamt ist das Ideal und daher auch für das Konventamt in Klosterkirchen und das Hochamt in Pfarrkirchen die anzuwendende Form. Die stille Messe ist eine Form, die für Nebenmessen zu verwenden ist, wie die Frühmesse in Pfarrkirchen oder die Privatmesse von Patres, die nicht Hebdomadar für das Konventamt sind. Aus der Sicht des Priesters ist die Stillmesse also der Normalfall, es sei denn er ist mit dem Hochamt dran (wenn wir jetzt mal idealisiert annehmen, der Priester sei in einer Gemeinschaft oder Pfarrei mit mehreren Priestern). Außerdem wäre die stille Messe anzuwenden in den Fällen, wo man kein Hochamt feiern kann, z.B. in Pfarrkirchen unter der Woche in Ermangelung einer Schola.

Die Norm wäre dann sozusagen das Levitenamt, der Normalfall die stille Messe.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 14:38
von Juergen
iustus hat geschrieben:Jeder sollte zuerst einmal erklären, was er unter Vollform, Normalform und Grundform versteht. Sonst brauchen wir hier nicht weiter zu diskutieren.
Vollform ist die Form die das Maximale, was an liturgischen Vollzügen immer möglich ist. Die Betonung liegt auf "immer möglich", d.h. in einer Osternacht ist zwar mehr möglich, aber sie wird dadurch nicht zur Vollform. Die Vollform wäre eher ein Pontifikalamt.
Die Grundform ist die Normalform.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 18:38
von iustus
Juergen hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:Jeder sollte zuerst einmal erklären, was er unter Vollform, Normalform und Grundform versteht. Sonst brauchen wir hier nicht weiter zu diskutieren.
Vollform ist die Form die das Maximale, was an liturgischen Vollzügen immer möglich ist. Die Betonung liegt auf "immer möglich", d.h. in einer Osternacht ist zwar mehr möglich, aber sie wird dadurch nicht zur Vollform. Die Vollform wäre eher ein Pontifikalamt.
Die Grundform ist die Normalform.
Ich bin immer skeptisch bei diesem Thema, denn die Modernisten in meinem Umkreis weisen immer sehr vorwurfsvoll darauf hin, dass die Privatmesse im Messbuch vorne steht. Deshalb, so sagen sie, ist das "Maß der Dinge" (in dem Sinne meinen sie "Grundform") in der außerordentlichen Form die Messe ohne Volk, eine reine Klerikerliturgie. So eine Liturgie ist nach heutigem verbreiteten Empfinden natürlich höchst verwerflich.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 18:41
von Juergen
iustus hat geschrieben:…So eine Liturgie ist nach heutigem verbreiteten Empfinden natürlich höchst verwerflich.
„Empfinden“ ist keine liturgische Kategorie.

Was das Volk betrifft:
Schau doch in die Rubriken. Das kommt praktisch gar nicht vor. Kommunionausteilung für das Volk ist weniger als eine Randnotiz. Oder fehlt es sogar ganz. :hmm: Da bin ich auswendig überfragt. Die Predigt wird gar nicht erwähnt.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 18:44
von iustus
Protasius hat geschrieben:Das levitierte Hochamt ist das Ideal und daher auch für das Konventamt in Klosterkirchen und das Hochamt in Pfarrkirchen die anzuwendende Form. Die stille Messe ist eine Form, die für Nebenmessen zu verwenden ist, wie die Frühmesse in Pfarrkirchen oder die Privatmesse von Patres, die nicht Hebdomadar für das Konventamt sind. Aus der Sicht des Priesters ist die Stillmesse also der Normalfall, es sei denn er ist mit dem Hochamt dran (wenn wir jetzt mal idealisiert annehmen, der Priester sei in einer Gemeinschaft oder Pfarrei mit mehreren Priestern). Außerdem wäre die stille Messe anzuwenden in den Fällen, wo man kein Hochamt feiern kann, z.B. in Pfarrkirchen unter der Woche in Ermangelung einer Schola.

Die Norm wäre dann sozusagen das Levitenamt, der Normalfall die stille Messe.
Das finde ich gut. Wichtig ist mir, dass die Stillmesse eben nicht als Idealform anzusehen ist - auch nicht theoretisch. Das ist aus ihrer Stellung im Messbuch mE nicht abzuleiten.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 18:50
von Juergen
Getretener Quark wird breit, nicht stark.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 18:52
von Lupus
Das II. Vatikanum über die tägliche Zelebration der Priester.
Dekret über „Dienst und Leben der Priester“ Nr. 13:
„Im Dienst am Heiligen, vor allem beim Messopfer, handeln die Priester in besonderer Weise an Christi Statt, der sich für das Heil der Menschen zum Opfer hingab. Darum sind sie aufgefordert, das nachzuahmen, was sie vollziehen, weil sie das geheimnisvolle Geschehen des Todes unseres Herrn vergegenwärtigen, sollen sie auch ihren Leib mit seinen Fehlern und Begierden zu ertöten trachten. Im Mysterium des eucharistischen Opfers, dessen Darbringung die vornehmliche Aufgabe des Priesters ist, wird beständig das Werk unserer Erlösung vollzogen; darum wird seine tägliche Feier dringlich empfohlen, sie ist auch dann, wenn keine Gläubigen dabei sein können, ein Akt Christi und der Kirche. Während sich so die Priester mit dem Tun des Priesters Christus verbinden, bringen sie sich täglich Gott ganz dar, und genährt mit dem Leib Christi, erhalten sie wahrhaft Anteil an der Liebe dessen, der sich seinen Gläubigen zur Speise gibt.“

+L.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 19:04
von mensch
iustus hat geschrieben:Ich bin immer skeptisch bei diesem Thema, denn die Modernisten in meinem Umkreis weisen immer sehr vorwurfsvoll darauf hin, dass die Privatmesse im Messbuch vorne steht. Deshalb, so sagen sie, ist das "Maß der Dinge" (in dem Sinne meinen sie "Grundform") in der außerordentlichen Form die Messe ohne Volk, eine reine Klerikerliturgie. So eine Liturgie ist nach heutigem verbreiteten Empfinden natürlich höchst verwerflich.
Mit der Argumentationslinie habe ich häufig zu kämpfen. Die Privatmesse wäre als Grundform vorgeschrieben gewesen. Es geht dann auch über die Bewertung hinaus, sondern diese Kreise sagen, dass natürlich eine reine Klerikerliturgie nie im Sinne der Gemeindefeier war, deshalb einen Bruch mit den ersten Jahrhunderten darstelle und von daher eine Fehlentwicklung sei, die nicht mit den Zeugnissen der ersten Christen übereinstimme.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 19:06
von Juergen
Auszüge aus [i]Gottesdienst der Kirche[/i], Band 4 (Eucharistie), Seiten 214f. hat geschrieben: b) Die Stillmesse als neue Grundform
1…
So entwickelte sich vom 10. bis 13. Jh. jene Grundform der feierlichen Messe, die als levitiertes Hochamt mit Diakon und Subdiakon im wesentlichen unverändert bis zur Reform des Vaticanums II. fortbestand. Diese feierliche Grundform, die zunächst allein schriftlich festgehalten und so |215| zum Modell wurde, hat auch die Ordnung der stillen Messe geprägt, die seit dem frühen Mittelalter immer häufiger und schließlich zu einem von vielen Priestern sogar mehrmals täglich gefeierten Gottesdienst wurde.
2. Das zahlenmäßige Übergewicht der stillen Messen über die feierliche Messe, … hat schließlich zu einer gegenläufigen Tendenz geführt. Die Notwendigkeit, auch für die stille Messe eine feste und einheitliche Ordnung zu haben, wurde immer stärker empfunden…
3. Der vereinfachte Ritus hat dann aber ein solches Gewicht gewonnen, daß er zur neuen Grundform der Meßfeier wurde; er trat damit an die Stelle, welche grundsätzlich bis ins hohe Mittelalter die Feier des Bischofs mit Klerus und Volk eingenommen hatte. Eine Tradition von eineinhalb Jahrtausenden wurde offiziell beendet, als das Missale Pius V. im Anschluß an den Ordo Missae Burchards die Generalrubriken und den „Ritus servandus“ aufgrund der von diesem für die Messe „sine cantu et sine ministris“ festgelegten Ordnung übernahm…
(Hervorhebung durch Fettdruck von mit)

Verkürzt:
Erst: Grundform = levitiertes Amt
dann: viele Stillmessen führten zur Anpassung und der neue Grundform = Stillmesse
Das galt dann bis Liturgiereform nach dem II. Vatikanum

q.e.d.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 19:37
von Protasius
In wieso ist im Caeremoniale Episcoporum dann erst das feierliche Pontifikalamt und viel später die bischöfliche Stillmesse beschrieben? Gab es da einen Paradigmenwechsel rückwärts in den dreißig Jahren zwischen dem Missale Romanum und dem Caeremoniale Episcoporum?

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 19:45
von Juergen
Protasius hat geschrieben:In wieso ist im Caeremoniale Episcoporum dann erst das feierliche Pontifikalamt und viel später die bischöfliche Stillmesse beschrieben? Gab es da einen Paradigmenwechsel rückwärts in den dreißig Jahren zwischen dem Missale Romanum und dem Caeremoniale Episcoporum?
Da kann ich nur spekulieren – und ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust mehr, zu dem Thema irgendwas rauszusuchen und mit Arbeit zu machen – aber ich vermute, daß eben für den Bischof (wenn in Funktion des Bischof zelebriert) das feierliche Pontifikalamt das übliche ist.
Für die bischöfliche Stillmesse braucht man kein eigenes Buch. Das sieht man doch heutzutage im NOM auch. Wenn hier z.B. werktags das Kapitelsamt im Dom gefeiert wird, und ein Weihbischof „an der Reihe“ ist (jeder Domherr muß mal ran), dann gibt es eine ganz normale Messe, die sich von der eines anderen Priesters nicht unterscheidet.

Re: Römische Privatmesse

Verfasst: Montag 3. August 2015, 19:46
von mensch
Danke Jürgen, sowohl für die Referenz als auch die kurze Zusammenfassung. Das liest sich schon ganz anders als die häufige Behauptung, man hätte beim Konzil von Trient einfach die stille Messe zur Grundlage erklärt. Deine Ausführungen zeigen nochmal das historische Wachstum. Erstaunlich, wenn Leute, die Wert darauf legen dass der NOM gewachsen ist, das gleichzeitig der tridentinischen Messe absprechen.