Ich fürchte, ich kann in diese Begeisterung so ganz nicht einstimmen. So erfreulich es ist, daß ein deutscher Univ.-Prof. (und Diakon bei Zolli!) Mängel im NOM erkennt, und zwar nicht nur in der Umsetzunmg, sondern in den liturgischen Büchern selbst, habe ich doch durchaus Vorbehalte gegen so einiges, was in dem Artikel gesagt wird.
Organische Liturgieentwicklung besagt nicht, dass die Entwicklung der Liturgie gleichsam samenhaft im Kern ihres Anfangs angelegt ist oder sich nach inneren Gesetzen vollzieht. Die Liturgie der Kirche gleicht aber einem Organismus, der nicht beliebig verändert werden kann, ohne sein Leben zu gefährden.
Das würde ich so nicht unterschreiben. Organische Liturgieentwicklung soll ja besagen, daß die Liturgie wie eine Pfalnze ist, die aus sich heraus wächst. Da kann man hier und da mal eine Hilfestellung geben, und auch mal behutsam einen wilden Trieb abschneiden. Aber zu sagen, daß es für dieses Wachstum überhaupt keine inneren Gesetze gibt, geht m.E. zu weit. Da sollte man vielleicht doch mal das ausführliche Buch von Alcuin Reid (bekanntermaßen mit Vorwrot von Ratzinger) konsultieren.
Meine größten Vorbehalte aber beziehen sich auf die Elemente des NOM, die Hoping als positive Früchte verbucht:
Zu nennen ist hier als erstes die deutlich sichtbarere Einheit der Messfeier, bestehend aus der Liturgie des Wortes und der eucharistischen Liturgie.
Hier verstehe ich gar nicht, was Hoping meint. Eine stärkere Gewichtung des Lehrgottesdienstes, sicher. Aber inwiefern führt das zu einer größeren Einheit?
Auch die neue Perikopenordnung, die den Gläubigen die Heilige Schrift reicher erschließen sollte, ist ein großer Gewinn
Da bin ich dezidiert anderer Ansicht. Das ist ja schon häufiger diskutiert worden, aber ich fasse meine Bedenken noch einmal kurz zusammen: Man kann ohnehin nicht die gesamte Schrift in der hl. Messe lesen; dieser Eindruck ist abber entstanden, was häufig zu der Auffassung führt, es reiche ja, in die Messe zu gehen (oft auch nur die Sonntagsmesse), ansonsten brauche man sich mit der Bibel nicht zu befassen. Die übermäßige Betonung der lectio continua führt dazu, daß derjenige, der warum auch immer nicht täglich die Messe besucht, häufig zusammenhangslose Fetzen hört, die keinen Sinn ergeben. Es sind auch schlicht nicht alle Teile der hl. Schrift gleichermaßen zum Vortrag in der Liturgie geeignet. Durch die Dreijahresordnung - die dem römischen Ritus völlig fremd ist und eine uralte Leseordnung, die ja (nebenbei bemerkt) soweit ich weiß uns auch mit den kirchlichen Gemeinschaften der Reformation verband, ersetzte - ist den Lesungen jede Stabilität abhanden gekommen. Es kommt so keine Vertrautheit der Gläubigen auf, und die zahlreichen Beziehungen zwischen den Lesungen und den Propriumstexten sind weitgehend zerstört worden. Schließlich sind die Lesungen nicht etwa nur vermehrt worden, sondern man hat die neue Ordnung dazu benutzt, "unbequeme" Stellen zu streichen (frappierend etwa an Fronleichnam).
Ebenfalls positiv zu werten ist ... die empfohlene und an Sonn- und Festtagen vorgeschriebene Homilie
Das ist letztlich eine kirchenrechtliche Vorschrift, die mit dem Meßbuch nichts zu tun hat und geanusogut für das alte Missale hätte eingeführt werden können. Wozu die Homilien heute meist entartet sind, brauche ich hier nicht auszuführen.
... die Wiedereinführung des Fürbittgebets der Gläubigen.
In der derzeitigen Form, nein. Sinnvoll wäre allein eine feststehende Litanei, etwa nach Vorbild der Preces aus dem Römischen Brevier (oder auch direkt diese selbst).
Eine Bereicherung des Missale stellen ebenfalls die neu hinzugekommenen Präfationen und Orationen dar.
Die Präfationen zumeist ja, bei den Orationen ist der Befund durchwachsen, vgl. das Buch von Lauren Pristas.
Grundsätzlich gilt dies auch für die drei zusätzlichen Hochgebete des Messbuchs Pauls VI.
Ganz entschieden nein. An späterer Stelle, als er sich gegen die zusätzlichen Hichgebete wendet, sagt Hoping ja selbst, daß
... ein solcher Pluralismus von Eucharistiegebeten für die römische Tradition ganz untypisch ist.
Das gilt ganz genauso für die anderen Hochgebete, Retortenerzeugnisse, die es mit dem altehrwürdigen Kanon, der im Kern auf apostolischen Ursprung zurückgeht und in seiner Form von 1962 (auch er mußte ja verändert werden) praktisch unverändert seit 1500 Jahren bestand, auch nicht entfernt aufnehmen können.
Schließlich ist die Kommunion der Gläubigen innerhalb der Messfeier hervorzuheben, auf die schon – ohne großen Erfolg – das Konzil von Trient gedrängt hatte.
Hoping sagt es ja selbst, das überhaupt nichts mit der Liturgiereform zu tun. Ob der heutige völlig unterscheidungslose (ich erinner nochmal an die Unterdrückung der Mahnung in den Fronleichnamslesungen) Massenkommunionempfang wirklich eine positive Entwicklung ist, lasse ich mal dahingestellt.