Liturgie im Mittelalter

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
Germanus
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Germanus »

Um auf Ovis Frage zurückzukommen:
Tatsächlich taucht eine Elevation der Hostie im Kölnischen Raum um 1200 auf (habe keine Zeit, das genauer nachzuschlagen). Anklänge an diese Neuerung finden sich im Werk des Caesarius von Heisterbach. Dass allerdings der Begriff des "novus ritus" daraus abgeleitet und von Thomas v. Aquin direkt verarbeitet wird, scheint mir doch weit hergeholt. Zudem kenne ich die älteren Texte, mit denen ich mich beschäftigt habe, nur als ziemlich rubrikenarm. Was dann später rubrizistisch ausgebaut und in jedem Mesbuch veröffentlicht wurde - also die Vorschriften zur Feier der Eucharistie für den Priester - sind wohl weniger mittelalterlichen Ursprungs, als vielmehr schon Bemühungen, die Einheitlichkeit zu wahren.
Gruß, G.
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Niels
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Niels »

Danke für Deinen Beitrag, Germanus. :ja:
Germanus hat geschrieben:Dass allerdings der Begriff des "novus ritus" daraus abgeleitet und von Thomas v. Aquin direkt verarbeitet wird, scheint mir doch weit hergeholt.
Mir auch.
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Gamaliel
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Gamaliel »

Germanus hat geschrieben:Um auf Ovis Frage zurückzukommen:
Tatsächlich taucht eine Elevation der Hostie im Kölnischen Raum um 1200 auf (habe keine Zeit, das genauer nachzuschlagen). Anklänge an diese Neuerung finden sich im Werk des Caesarius von Heisterbach. Dass allerdings der Begriff des "novus ritus" daraus abgeleitet und von Thomas v. Aquin direkt verarbeitet wird, scheint mir doch weit hergeholt. Zudem kenne ich die älteren Texte, mit denen ich mich beschäftigt habe, nur als ziemlich rubrikenarm. Was dann später rubrizistisch ausgebaut und in jedem Mesbuch veröffentlicht wurde - also die Vorschriften zur Feier der Eucharistie für den Priester - sind wohl weniger mittelalterlichen Ursprungs, als vielmehr schon Bemühungen, die Einheitlichkeit zu wahren.
Gruß, G.
Zusammenfassung aus Eisenhofer - "Liturgik":

Nach Thurston bestimmte der Bischof von Paris, Eudes de Sully (+1208), daß die Hostie nach den Worten: "Hoc est enim corpus meum", so hoch emporgehoben werden sollte, daß sie von allen gesehen werde.

Sinn der Anordnung: Entscheidung einer theologischen Kontroverse. => Einige Theologen behaupteten, daß die Konsekration des Brotes erst dann vollzogen sei, wenn der Priester auch die Konsekrationsworte über den Wein gesprochen habe.

Die Anordnung des Pariser Bischofs fand bald Nachahmung in anderen Ländern.
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Zu overkotts "These":

Davon ist gar nichts zu halten. Man kann ja nicht einfach drei Worte aus einem Hymnus herausreißen und sich dann auf die Suche machen, ob in zeitlicher Nähe zur Dichtung des Hymnus irgendwo ein neuer Ritus,... eingeführt wurde zu dem man dann einen inhaltlichen Bezug herstellt.
Abgesehen davon stehen diese Worte in einem Textzusammenhang. Es heißt "et antiquum documentum novo cedat ritui". Was wäre denn bei dieser These das "antiquum documentum", das dem neuen Ritus der großen Elevation gewichen wäre?

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Niels
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Niels »

Danke! :daumen-rauf:
Gamaliel hat geschrieben:Zu overkotts "These":

Davon ist gar nichts zu halten

Ach was ... ;D
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Berolinensis
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Berolinensis »

Gamaliel hat geschrieben:Zusammenfassung aus Eisenhofer - "Liturgik":

Nach Thurston bestimmte der Bischof von Paris, Eudes de Sully (+128), daß die Hostie nach den Worten: "Hoc est enim corpus meum", so hoch emporgehoben werden sollte, daß sie von allen gesehen werde.

Sinn der Anordnung: Entscheidung einer theologischen Kontroverse. => Einige Theologen behaupteten, daß die Konsekration des Brotes erst dann vollzogen sei, wenn der Priester auch die Konsekrationsworte über den Wein gesprochen habe.

Die Anordnung des Pariser Bischofs fand bald Nachahmung in anderen Ländern.
Genau. Vgl. auch hier, mit link zu Illustration: http://kreuzgang.org/viewtopic.php?p=346319#p346319

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Niels
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Niels »

:daumen-rauf:
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overkott
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von overkott »

Gamaliel hat geschrieben:Zusammenfassung aus Eisenhofer - "Liturgik":

Nach Thurston bestimmte der Bischof von Paris, Eudes de Sully (+1208), daß die Hostie nach den Worten: "Hoc est enim corpus meum", so hoch emporgehoben werden sollte, daß sie von allen gesehen werde.

Sinn der Anordnung: Entscheidung einer theologischen Kontroverse. => Einige Theologen behaupteten, daß die Konsekration des Brotes erst dann vollzogen sei, wenn der Priester auch die Konsekrationsworte über den Wein gesprochen habe.

Die Anordnung des Pariser Bischofs fand bald Nachahmung in anderen Ländern.
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Zu overkotts "These":

Davon ist gar nichts zu halten. Man kann ja nicht einfach drei Worte aus einem Hymnus herausreißen und sich dann auf die Suche machen, ob in zeitlicher Nähe zur Dichtung des Hymnus irgendwo ein neuer Ritus,... eingeführt wurde zu dem man dann einen inhaltlichen Bezug herstellt.
Abgesehen davon stehen diese Worte in einem Textzusammenhang. Es heißt "et antiquum documentum novo cedat ritui". Was wäre denn bei dieser These das "antiquum documentum", das dem neuen Ritus der großen Elevation gewichen wäre?
Zum einen haben wir damit einen Hinweis auf einen Zusammenhang des Aufkommens der Gotik und der Anordnung des Bischofs von Paris.

Was "antiquum documentum" bedeuten soll, ist mehrdeutig.

Man könnte aus den Zeilen eine Präferenz für das rituelle Neuerungen herauslesen.

Das ist mir heute in der Andacht wieder in den Sinn gekommen.

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Gamaliel
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Gamaliel »

overkott hat geschrieben:Zum einen haben wir damit einen Hinweis einen Zusammenhang des Aufkommens der Gotik und der Anordnung des Bischofs von Paris.
Den Satz verstehe ich leider nicht. Und von welchem Zusammenhang sprichst Du? Worin besteht er, wie ist er begründet,...?
overkott hat geschrieben:Was "antiquum documentum" bedeuten soll, ist mehrdeutig.
Dann lege uns doch einmal ein paar Bedeutungen (inkl. Begründung dafür) vor und wende sie jeweils auf Deine These an, damit wir darüber sprechen können.
overkott hat geschrieben:Man könnte aus den Zeilen eine Präferenz für das rituelle Neuerungen herauslesen.
Kannst Du das bitte ebenfalls etwas exemplifizieren!

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cantus planus
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von cantus planus »

Da kommt nichts Sinnvolles mehr. Deshalb hatte ich den Murks schon nach der Einleitungsfrage versenkt. Aber die Kollegen hingen offenbar so an diesem Strang... :unbeteiligttu:
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overkott
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von overkott »

Gamaliel hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Zum einen haben wir damit einen Hinweis einen Zusammenhang des Aufkommens der Gotik und der Anordnung des Bischofs von Paris.
Den Satz verstehe ich leider nicht. Und von welchem Zusammenhang sprichst Du? Worin besteht er, wie ist er begründet,...?
overkott hat geschrieben:Was "antiquum documentum" bedeuten soll, ist mehrdeutig.
Dann lege uns doch einmal ein paar Bedeutungen (inkl. Begründung dafür) vor und wende sie jeweils auf Deine These an, damit wir darüber sprechen können.
overkott hat geschrieben:Man könnte aus den Zeilen eine Präferenz für das rituelle Neuerungen herauslesen.
Kannst Du das bitte ebenfalls etwas exemplifizieren!
ad 1) Es geht um den zeitlichen Zusammenhang von Gotik und Ritus.
ad 2) Das kann man wörtlich verstehen, darin aber auch einen mehrfachen Schriftsinn erkennen.
ad 3)

Lasst uns tiefgebeugt verehren
dies erhab'ne Sakrament,
und der Brauch der alten Norm
weich' der Liturgiereform.
Frommer Glaube wird gewähren,
was der Sinn hier nicht erkennt.

Germanus
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Germanus »

Diese Übersetzung ist nun allerdings GENIAL!

:maske: :feuerwehr: :pirat: :koch: :koenig:
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Maurus
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Maurus »

Germanus hat geschrieben:Diese Übersetzung ist nun allerdings GENIAL!

:maske: :feuerwehr: :pirat: :koch: :koenig:
Und man kann es wunderbar zu Beethovens Chorfantasie singen.

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Firmian
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Firmian »

Oder zu Haydns Tantum ergo (Melodie der deutschen Nationalhymne)

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overkott
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von overkott »

Maurus hat geschrieben:
Germanus hat geschrieben:Diese Übersetzung ist nun allerdings GENIAL!

:maske: :feuerwehr: :pirat: :koch: :koenig:
Und man kann es wunderbar zu Beethovens Chorfantasie singen.
:daumen-rauf:

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Robert Ketelhohn
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Re: Liturgie im Mittelalter

Beitrag von Robert Ketelhohn »

overkott hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Zum einen haben wir damit einen Hinweis einen Zusammenhang des Aufkommens der Gotik und der Anordnung des Bischofs von Paris.
Den Satz verstehe ich leider nicht. Und von welchem Zusammenhang sprichst Du? Worin besteht er, wie ist er begründet,...?
overkott hat geschrieben:Was "antiquum documentum" bedeuten soll, ist mehrdeutig.
Dann lege uns doch einmal ein paar Bedeutungen (inkl. Begründung dafür) vor und wende sie jeweils auf Deine These an, damit wir darüber sprechen können.
overkott hat geschrieben:Man könnte aus den Zeilen eine Präferenz für das rituelle Neuerungen herauslesen.
Kannst Du das bitte ebenfalls etwas exemplifizieren!
ad 1) Es geht um den zeitlichen Zusammenhang von Gotik und Ritus.
ad 2) Das kann man wörtlich verstehen, darin aber auch einen mehrfachen Schriftsinn erkennen.
ad 3)

Lasst uns tiefgebeugt verehren
dies erhab'ne Sakrament,
und der Brauch der alten Norm
weich' der Liturgiereform.
Frommer Glaube wird gewähren,
was der Sinn hier nicht erkennt.
ad 1): Dieser Zusammenhang besteht zweifellos.
ad 2): Nein. Der Sinn ist hier völlig eindeutig. Einen Widerschein der rituellen Neuerung erkennst du aber im veneremur.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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