Walter Kasper hat geschrieben:Der Heilige Vater, der Heilige Stuhl, ist sich bewußt, daß die Geschichte zwischen Juden und Christen eine schwierige und komplizierte Geschichte ist. Wir müssen dem Rechnung tragen, es bestehen viele Sensibilitäten. Deshalb wurde das Gebet für den Karfreitag korrigiert, das in der so genannten alten Liturgie, also in der heute „außerordentlichen“ Liturgie, steht. Dort war von der Blindheit der Juden die Rede. Das wird als beleidigend empfunden. Dieser Satz ist gestrichen worden.
Aber auf der anderen Seite konnte der Papst ja nicht das streichen, was das Spezifische unseres Glaubens ist, nämlich der Glaube an Jesus Christus, den Messias, den Sohn Gottes, den Erlöser aller Menschen, das heißt nach unserer Überzeugung auch der Juden. Diesen Glauben wollte der Papst zum Ausdruck bringen. Das ist kein Hindernis für den Dialog, denn der Dialog setzt voraus, daß man die unterschiedlichen Positionen, das heißt die Identität des jüdischen Glaubens und die Identität des christlichen Glaubens, gegenseitig anerkennt und darüber natürlich auch ein Gespräch führt. Wir haben mit den Juden sehr vieles gemeinsam, aber das ist ein Unterschied, über den man nicht hinweggehen kann.
Wenn der Papst nun von der Bekehrung der Juden spricht, dann muß man das richtig verstehen. Er zitiert wörtlich das elfte Kapitel des Apostels Paulus aus dem Römerbrief. Dort sagt der Apostel, daß wir als Christen hoffen, wenn die Fülle der Heiden eingetreten ist in die Kirche, daß dann ganz Israel sich bekehren wird. Das ist eine eschatologische endzeitliche Hoffnung, bedeutet also nicht, daß wir die Intention haben, nun Judenmission zu betreiben, so wie man Heidenmission betreibt.
Wir müssen in der Zwischenzeit uns jetzt Schulter an Schulter gegenseitig in unserer Unterschiedlichkeit anerkennen. Dabei müssen wir Christen selbstverständlich Zeugnis geben von unserem Glauben an Jesus, den Christus. Das ist auch Religionsfreiheit, wir müssen die Möglichkeit haben, das, was wir glauben, auch zu sagen und zu bekennen, so wie die Juden ihrerseits die Möglichkeit haben, ihren Glauben zum Ausdruck zu bringen. Man könnte auch so sagen: An die Stelle der alten Sprache der Verachtung tritt jetzt der Respekt, die gegenseitige Anerkennung in unserer Unterschiedlichkeit. Mit diesem Unterschied, der im Glauben an Jesus Christus besteht, müssen wir leben, den müssen wir anerkennen; das schließt in gar keiner Weise aus, daß wir in all den vielen Dingen, in denen wir einig sind, zusammenarbeiten können für den Frieden und für die Gerechtigkeit in der Welt.“
Nun geht es schon los. Dies ist die häretische Interpretation der Vorgangs im Innern der Kirche. Ich halte die Kernaussagen fest:
1. Kasper sagt, das Gebet sei »korrigiert« worden. Also behauptet er, es sei zuvor falsch gewesen.
2. Der Satz, welcher dort »von der Blindheit der Juden« redete, sei »gestrichen worden«, weil er »als beleidigend empfunden« worden sei. Dazu ist festzuhalten, daß es sich um Worte des Apostels Paulus handelt, die gestrichen wurden. Werden sie demnächst auch aus der Bibel gestrichen? Und was noch? – Jedenfalls behauptet Kasper, Paulus beleidige die Juden. Weiter unten präzisiert er noch, das Gestrichene sei eine »Sprache der Verachtung« gewesen. Er unterstellt damit der römischen Kirche der letzten anderthalb Jahrtausende und dem Apostel selbst, die Juden verachtet zu haben. Weshalb die Kirche dann so inbrünstig um die Rettung der Juden gebetet hat, anstatt sie zu verfluchen – wie es umgekehrt die Juden mit den Christen tun –, erklärt er nicht.
3. Kasper entschuldigt wortreich die im Gebetstext verbliebene Erwähnung Jesu. Sie sei aber nicht so schlimm – »kein Hindernis für den Dialog«, der offenbar als eine Art Heilsweg angesehen wird –, denn es gehe um die gegenseitige Anerkennung: »daß man … die Identität des jüdischen Glaubens und die Identität des christlichen Glaubens, gegenseitig anerkennt«. Mit anderen Worten, er verlangt, daß wir Gläubigen den vermeintlichen jüdischen Heilsweg anerkennen. Dies zentrale Element des kasperschen Texts wird noch mehrfach variiert: Wir müßten »uns jetzt Schulter an Schulter gegenseitig in unserer Unterschiedlichkeit anerkennen« etc.
4. Folgerichtig lehnt Kasper ab – und gibt den neuen Gebetstext als Beleg seiner Auffassung aus –, »Judenmission zu betreiben, so wie man Heidenmission betreibt«. Dies ist nicht so gemeint, daß Judenmission vielleicht anders geschehen solle als Heidenmission. Das wäre fast selbstverständlich. Nein, er meint gänzlichen Verzicht nicht nur auf Judenmission, sondern überhaupt auf Bekehrung von Juden. Die Bekehrung Israels sieht er einzig als »eschatologische endzeitliche Hoffnung«, »in der Zwischenzeit« läßt er nur Raum für „gegenseitige Anerkennung“. Was er einem Juden sagen wird, der sich gleichwohl bekehren und in die Kirche eintreten möchte, bleibt offen. Da wir schon gesehen haben, was Kasper von Paulus hält, steht zu vermuten, daß er solche „Konvertiten“ weder in der Kirche (oder was Kasper für die Kirche hält) noch in der Synagoge haben möchte.
5. Endlich bringt Kasper in seinem Text immerhin auch ein ausdrückliches Christusbekenntnis. Das soll nicht verschwiegen sein. Nun ja, er bekennt nicht gerade lauthals, er entschuldigt, was Benedikt nicht habe streichen können: »Jesus Christus, den Messias, den Sohn Gottes, den Erlöser aller Menschen, das heißt nach unserer Überzeugung auch der Juden«. Auch der Juden. Voilà. Doch – hm. Steht da eine Einschränkung: »nach unserer Überzeugung«? – Ja, ist doch klar: Das ist unser Glaube, nicht derjenige der Juden. Das ist bekannt. Warum sagt Kasper das eigens? – Aufgepaßt: Der Mann erklärt hier nicht den Glauben, sondern er erklärt die Formulierung „‹Heiland› aller Menschen“ aus dem Fürbittext Benedikts. Erlöser oder Heiland aller Menschen, das heiße nur für uns – so darf man diese Botschaft an die noch nicht wie David Rosen eingeweihten Söhne der Synagoge verstehen – »auch der Juden«. Ihr, liebe Beni Brith, braucht das nicht so zu verstehen. Also laßt uns »Schulter an Schulter« stehen, am Ende werden wir sehen, ob ihr brave Christen werdet oder wir brave Noachiden. Gerettet sind wir alleweil zusammen.
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Walter Kasper liegt also ganz auf der Linie jener Häresie, die Karl Lehmann in seiner Verlautbarung vom 28. Oktober 2005 über die vatikanische Konzilserklärung Nostra ætate folgendermaßen formuliert hat:
Karl Lehmann hat geschrieben:Deshalb hat die Kirche auch über ihre lange vertretene Überzeugung selbstkritisch nachgedacht, Juden müßten, um das Heil erlangen zu können, getauft werden. Es wurde zunehmend bewußt, daß Mission als Ruf zur Umkehr vom Götzendienst zum lebendigen und wahren Gott (1 Thess 1,9) nicht auf Juden angewandt werden kann. Hierin gründet das Faktum, daß es heute keine judenmissionarischen Aktivitäten der katholischen Kirche mehr gibt. Zwischen der Kirche und dem jüdischen Volk geht es um die Begegnung „auf der Ebene ihrer je eigenen religiösen Identität“
Die Maßnahme Benedikts gibt dieser Häresie in der Kirche Auftrieb, und dies um so mehr, als die Häretiker nicht nur ungehindert reden und ihre Irrlehren verbreiten dürfen, sondern in ihrem Kardinalspurpur nachgerade als offizielle Sprecher der Kirche auftreten.
Würde die neue Formulierung, die zwar zentrale, biblische Glaubensaussagen demonstrativ streicht und Hintertüren für eine glaubenswidrige Mißinterpretation offenhält, im Lichte des gesunden Glaubenssinns für sich genommen aber immerhin ganz rechtgläubig ist, den zur Häresie hinführenden Text Pauls VI. aus dem reformierten Ritus ersetzen, so wäre das sogar ein positiver Schritt in die richtige Richtung.
Es müßte dann die klare, mit Sanktionen verbundene Zurückweisung der lehmännisch-kasperschen Irrlehre folgen. Ja, beides kann prinzipiell noch folgen, wenn auch menschlich kaum Hoffnzung besteht, nachdem wir gesehen haben, wie der Wunsch der Rabbiner das Handeln des römischen Bischofs zu bestimmen vermag. Gleichwohl müssen wir darauf drängen.
Die Neufassungen der Karfreitagsfürbitte sollten wir aber schlicht ignorieren. Der beste und stärkste Text ist derjenige der Tradition. Ein jeder Priester, der die Liturgie des Karfreitags zelebriert, denke daran, daß er und wir zusammen allein zu Gott dem Herrn Sabaoth rufen. Wir spielen kein Theater, wir geben keine politischen Erklärungen ab, wir wollen nicht der Welt gefallen, keinem Rabbiner, keinem Bischof der Kirche, keinem Bruder im Glauben und nicht dem Nachbarn in der Kirchenbank. Ruft zum Herrn, wie es recht ist. Ihr Priester, habt Mut.