Ein Blick nach Belgien: Tintin und Maigret

Gespräche über ausgewählte litterarische Texte.
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overkott
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Ein Blick nach Belgien: Tintin und Maigret

Beitrag von overkott »

Unser zweiter hat in letzter Zeit über Belgien referiert. Wesentliches blieb dabei offen:

Bemerkenswert etwa ist, dass der erfolgreichste europäische Krimi nicht nur deutlich von katholischer Kultur geprägt, sondern der erfolgreichste europäische Comic auch aus kirchlicher Jugendarbeit erwachsen ist.

Tintin und Maigret ermöglichen nicht nur einen leichten Zugang zur französischen Sprache, sondern lesen sich im Urtext auch mit besonderem Vergnügen.

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Walter
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Beitrag von Walter »

<img src=http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... chloss.jpg>

Tim und Struppi ist nach wie vor mein Lieblingscomic. :ja:
γενηθήτω το θέλημά σου·

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overkott
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Beitrag von overkott »

Zugegeben, Maigret ist als Buch etwas textlastiger, was dem Sprachinteressierten jedoch entgegenkommt, liest sich ebenfalls wie ein Film und überzeugt vor allem durch seine dichte Atmosphäre.

An Tintin kann man vor allem klassisch das Wesen guter Stories studieren: die Geschichte als Weg, als Reise, das Wechselbad der Gefühle, der Handlungsschritte... Eine gute Illustration insbesondere zur Theorie von Robert McKee.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Het geschiedenis van Tim en Struppi hef ik altijd verbonden met de Neederlandse taal.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Tim und Maigret unterscheiden sich im Hinblick auf die Gestaltung der Figuren.

Tim hat eher wie im Kaspertheater oder in der Komödie Typen statt Personen und ist eher handlungsbetont, wie schon angedeutet mit tempo- und pointenreichen Wendungen.

Maigret ist figurenbetont. Man lernt diesen Kommissar nicht nur dienstlich, sondern auch privat kennen, nicht nur quasi 24 Stunden am Tag, sondern auch ein Leben lang. Faszinierend machen ihn bestimmte Macken in seiner Biografie: Maigret war schon früh Waise. Und mit erstaunlicher Konsequenz wirkt sich etwa diese Macke auch auf seinen Charakter aus. Maigret ist Kommissar mit Herz. Er ist kein Terminator, kein Dirty Harry. Maigret hat ein gewisses Verständnis für seine Deliquenten, für einen bestimmten Jugendlichen etwa, der ihm seinen Revolver geklaut hat. Bei seiner großen Menschlichkeit im Umgang mit dem Gesetz bleibt er gleichzeitig stets integer. Und schließlich ist er kein Supermann. Zu seinen Schwächen gehören seine Pfeife und sein Alkoholkonsum.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Was mir so ad hoc einfällt…
Tim hat keine Familie. Er lebt alleine in einem Appartment. (Später allerdings mit Haddock im Schloß, wenn ich mich recht erinnere.) Eltern werden nie erwähnt, und er ist nicht verheiratet. Seine engsten Bezugspersonen sind Männer. Haddock, Bienlein…und natürlich Struppi. :)
Mme Maigret spielt eine "große Nebenrolle" in den Maigret-Geschichten. Häufig wird auch ihre Verwandtschaft erwähnt.

Tim ist betont jung. Vom Gesicht her sieht er so jung aus, daß er vom Alter kaum einzuschätzen ist. Er trägt keine formelle Kleidung und weder Bart noch Hut, im Gegensatz zu Haddock, Bienlein und Schulze und Schultze. Dennoch ist er ein Erwachsener, und Tintin ist wahrscheinlich sein Nachname (geht in der deutschen Übersetzung verloren.) Er hat einen Beruf (Reporter, auch wenn man ihn selten einen Bericht einreichen sieht), er kann autofahren und wird gesietzt. Allerdings sucht er, wenn er fremde Länder bereist, häufig den Kontakt zu jungen Menschen. Er ist grundsätzlich integer und "sauber". Er raucht nicht, und obwohl man ihn bei einem Empfang mit einer Sektschale sieht, guckt er nicht zu tief ins Glas, anders als Haddock (oder Struppi!)
Maigret ist erstens tatsächlich älter als Tim (boah!) und er hat etwas Welterfahrenes. Er scheint über das Böse in der Welt und die Abgründe der menschlichen Seele bescheid zu wissen. Und noch mehr Mme Maigret. Auch in den Maigret-Geschichten kommen viele Männer vor: Dantziger, Lapointe, etc. -- In den Tim und Struppi-Geschichten ist die einzige wiederkehrende Frauenrolle die Operdiva Castafiore, die vor allem als Comic Relief dient. Sie ist oberflächlich (sie wird sich nie merken, wie Kapitan Haddock heißt) und sowohl in ihrem Gesang wie auch in ihrer Schwämerei für Haddock lächerlich.
Mme Maigret dagegen ist eine würdevolle Rolle. Sie ist auf ihre Art "sehr weiblich". Es werden vor allem weibliche Verwandte und Bekannte erwähnt. Sie macht Äußerungen zum Verhältnis zwischen Männern und Frauen…am besten gefällt mir ihre Äußerung in "Maigret und der Clochard" über die Zähigkeit von Frauen…weshalb man davon ausgehen kann, daß bei einem Unfall die Frau den Mann wenigstens für Sekunden überlebt. :)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

anneke6 hat geschrieben:Was mir so ad hoc einfällt…
Tim hat keine Familie. Er lebt alleine in einem Appartment. (Später allerdings mit Haddock im Schloß, wenn ich mich recht erinnere.) Eltern werden nie erwähnt, und er ist nicht verheiratet. Seine engsten Bezugspersonen sind Männer. Haddock, Bienlein…und natürlich Struppi. :)
Diese homoerotischen Untertöne sind der gesunden katholischen Jugend abträglich. Stehen diese von der Homo-Lobby geförderten Machwerke nicht wenigstens auf dem Index? Muß sich wieder erst kreuz.net dieses Themas annehmen, um die katholische Welt aufzurütteln und die wahren Hintergründe dieser scheinbar so harmlosen Bildergeschichten zu enthüllen?

Seid wachsam!
If only closed minds came with closed mouths.

Stephen Dedalus
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Re: Ein Blick nach Belgien: Tintin und Maigret

Beitrag von Stephen Dedalus »

overkott hat geschrieben:Unser zweiter hat in letzter Zeit über Belgien referiert. Wesentliches blieb dabei offen.
Die wesentliche Frage ist doch: Warum oder wozu gibt es Belgien überhaupt? Oder, wie es eine Radiosendung kürzlich so schön betitelte: Wer braucht Belgien? Miteinander können sie nicht. Mit den Nachbarn wollen sie nicht. Nur eins hassen die Flamen und Wallonen noch mehr als einander: Die Niederländer und die Franzosen. Es ist ein Jammer.
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overkott
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Beitrag von overkott »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
anneke6 hat geschrieben:Was mir so ad hoc einfällt…
Tim hat keine Familie. Er lebt alleine in einem Appartment. (Später allerdings mit Haddock im Schloß, wenn ich mich recht erinnere.) Eltern werden nie erwähnt, und er ist nicht verheiratet. Seine engsten Bezugspersonen sind Männer. Haddock, Bienlein…und natürlich Struppi. :)
Diese homoerotischen Untertöne sind der gesunden katholischen Jugend abträglich. Stehen diese von der Homo-Lobby geförderten Machwerke nicht wenigstens auf dem Index? Muß sich wieder erst kreuz.net dieses Themas annehmen, um die katholische Welt aufzurütteln und die wahren Hintergründe dieser scheinbar so harmlosen Bildergeschichten zu enthüllen?

Seid wachsam!
Ich will in diesen Beitrag jetzt keine angelsächsische Eifersucht hineininterpretieren. Es heißt zwar, dass die Engländer keinen richtigen Bezug zum Comic hätten, aber den Amerikanern kann man den Bezug nicht absprechen. Sicher kommen sie nicht an das Niveau von Asterix und Tintin heran. Aber immerhin. Ich denke, dass bei Tintin Weltoffenheit und Zölibat zwei Seiten derselben Medaille sind. Kinder und Jugendliche können in diesen Bildergeschichten ungezwungen Abenteuer erleben, ohne ständig mit dem einen Thema konfrontiert zu werden.

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