Herbstgedichte

Gespräche über ausgewählte litterarische Texte.
Raimund J.
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Herbstgedichte

Beitrag von Raimund J. »

Ein erstes Anzeichen den Sommer gedanklich schon mal Ade zu sagen, ist der Zug der Schwalben gen Süden (bzw. Südwesten). "Maria Geburt, ziehen die Schwalben furt". Unsere am Haus sind derzeit noch da und bleiben hoffentlich auch noch ein paar Tage.

Anbei vier Herbstgedichte (auch bzw. trotz es manchen kitschig vorkommen mag):

Rilke, Rainer Maria (1875-1926)
Herbsttag
Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten reif zu sein
gib Ihnen noch zwei südlichere Tage
dräng sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird lesen, wachen, lange Briefe schreiben
und wird auf den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

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Eduard Mörike (1804-1875)
Septembermorgen

Im Nebel ruhet noch die Welt,
noch träumen Wald und Wiesen.

Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,

herbstkräftig die gedämpfte Welt
im warmen Golde fließen.

Bild

Friedrich Hebbel (1813 - 1863)

Herbstbild

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.


Bild

Gottfried Benn (1886-1956)

Astern

Astern - schwälende Tage,
alte Beschwörung, Bann,
die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.

Noch einmal die goldenen Herden,
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?

Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du -
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu,

Noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewissheit wacht:
Die Schwalben streifen die Fluten
und trinken Fahrt und Nacht.
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Josef Weinheber (1892 - 1945)

Herbstzeitlose

Kränklicher Kelch,
steigst in die Welt,
wenn das Jahrblau
rauchigem Rot verfällt.
Ach, wenn es morgen schneit !
Zitternder Hauch !

Zeitloses Leid
weiß um Weisheit auch;
weiß um letztes Licht,
lebt von der Not.
Schicksal schändet nicht:
Groß ist der Tod !

Aber Vergängliches
gibt schmaler Schönheit Kraft,
eh sie ein herbstlicher Stern
ewig entrafft.

Bild
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

sofaklecks
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Noch'n Gedicht

Beitrag von sofaklecks »

Mein zweitschönstes:

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rainer Maria Rilke
aus: Das Buch der Bilder

sofaklecks

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Herbst

Mit reifen Backen ruht der Apfel
Wohlig gelb im Gras und rot.
Er lädt den Blick und lockt die Zunge;
Nur unten kostet Erde schon,
Wo mürbes Braun die Maden wärmt.

Warm und hell, zwischen Halmen und Blättern,
Fließt Herbst ins Land, honigsüß.
Er faßt das Laub und faßt den Halm
Und färbt die Spitzen und spreitet den Schleier,
Den sanften kalten Sammet des Todes.

Zeit der Schönheit, Zeit der Ernte.
Das Auge schwelgt im Überfluß.
Der Schnitter füllt die Scheuer an,
Und Herbstes Schleier schmiegt sich fest
Um Schönheit, Leben, Luft und Zeit.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Johann Gaudenz Frhr. v. Salis-Seewis

Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.

Wie die volle Traube,
Aus dem Rebenlaube,
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche mit Streifen
Rot und weiß bemalt.

Sieh! Wie hier die Dirne
Emsig Pflaum¹ und Birne
In ihr Körbchen legt!
Dort, mit leichten Schritten,
Jene goldne Quitten
In den Landhof trägt!

Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben,
Zwischen hohen Reben,
Auf dem Hut von Stroh!

Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröte
Und im Mondenglanz
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutschen Ringeltanz.



religiöse Zusatzstrophen: Gerhard Fleischer

Wer ließ alles sprießen
Auf den Äckern, den Wiesen,
Wer gab Wachstum und Saft ?
Er schuf alles Leben
In dem Korn, in den Reben;
Leben ist seine Kraft.

Du willst alles hegen,
Schützen, bewahren und pflegen,
Alles hast Du bedacht.
Du läßt keimen, sich regen,
Du schenkst Sonne und Regen,
Du Herr, des Lebens Pracht.

Aus den reifen Feldern,
Aus den tiefsten Wäldern
Klingt ein voller Klang:
Du gabst Licht und Wärme,
Du schenkst reiche Ernte;
Dir Herr, sei Lobgesang !

Und an jedem Morgen
Scheuchst du unsere Sorgen
In den Himmel hinaus.
Himmelblau und Helle,
Berge, Meereswelle,
Alles ist Dein Haus !

Geige tönt und Flöte
In der Abendröte.
Herr wir bringen Dir Dank.
Eh' wir es begreifen
Läßt Du alles reifen;
Dir, Herr sei unser Dank !

Melodie

Bild
Zuletzt geändert von Edi am Samstag 8. September 2007, 23:36, insgesamt 9-mal geändert.

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Georg Trakl (1887-1914)

Der Herbst des Einsamen

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Geberde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen:
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen Augen
der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

Bild

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Bild

Im Herbst

Die Sonnenblumen leuchten am Zaun,
Still sitzen Kranke im Sonnenschein.
Im Acker mühn sich singend die Frau'n,
Die Klosterglocken läuten darein.

Die Vögel sagen dir ferne Mär',
Die Klosterglocken läuten darein.
Vom Hof tönt sanft die Geige her.
Heut keltern sie den braunen Wein.

Da zeigt der Mensch sich froh und lind.
Heut keltern sie den braunen Wein.
Weit offen die Totenkammern sind
Und schön bemalt vom Sonnenschein.

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Ein Herbstabend

Das braune Dorf. Ein Dunkles zeigt im Schreiten
Sich oft an Mauern, die im Herbste stehn,
Gestalten: Mann wie Weib, Verstorbene gehn
In kühlen Stoben jener Bett bereiten.

Hier spielen Knaben. Schwere Schatten breiten
Sich über braune Jauche. Mägde gehn
Durch feuchte Bläue und bisweilen sehn
Aus Augen sie, erfüllt von Nachtgeläuten.

Für Einsames ist eine Schenke da;
Das säumt geduldig unter dunklen Bogen,
Von goldenem Tabaksgewölk umzogen.

Doch immer ist das Eigne schwarz und nah.
Der Trunkne sinnt im Schatten alter Bogen
Den wilden Vögeln nach, die ferngezogen.

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Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Herbst

Und färbt die Spitzen und spreitet den Schleier,
Den sanften kalten Sammet des Todes.
Kalt wie Samt? :hmm:
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

Baerchen
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Beitrag von Baerchen »

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Das Apfeljahr

Der Apfel war nicht gleich am Baum
Da war erst lauter Blüte.
Das war erst lauter Blütenschaum
und lauter Lieb und Güte.
Dann waren Blätter grün an grün
und grün an grün nur Blätter.
Die Amsel nach des Tages Mühn,
sie sang ihr Abendlied gar kühn
und auch bei Regenwetter.
Der Herbst, der macht die Blätter steif
der Sommer muß sich packen.
Hei! Daß ich auf die Finger pfeif
da sind die ersten Äpfel reif
und haben rote Backen.
Und was bei Sonn` und Himmel war
erquickt nun Mund und Magen
und macht die Augen hell und klar.
So rundet sich das Apfeljahr
und mehr ist nicht zu sagen.

Claudius, Matthias (1740-1815)


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SOLI DEO GLORIA - GOTT ALLEIN DIE EHRE!

Baerchen
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Beitrag von Baerchen »

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Nun laß den Sommer gehen,
Laß Sturm und Winde wehen.
Bleibt diese Rose mein,
Wie könnt ich traurig sein?

Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)
SOLI DEO GLORIA - GOTT ALLEIN DIE EHRE!

Baerchen
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Beitrag von Baerchen »

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O trübe diese Tage nicht

O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht
Und unser Winter bricht herein.

Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag,
Dass so die Stunde wiederkehrt.

Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;

Ein süßer Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz,
O sorge, dass uns keine fehlt
Und gönn' uns jede Stunde ganz.


Theodor Fontane (1819 - 1898)

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Herbstlich sonnige Tage,
mir beschieden zur Lust,
euch mit leiserem Schlage
grüßt die atmende Brust.

O wie waltet die Stunde
nun in seliger Ruh'!
Jede schmerzende Wunde
schließet leise sich zu.

Nur zu rasten, zu lieben,
still an sich selber zu baun,
fühlt sich die Seele getrieben
und mit Liebe zu schaun.

Jedem leisen Verfärben
lausch ich mit stillem Bemühn,
jedem Wachsen und Sterben,
jedem Welken und Blühn.

Was da webet im Ringe,
was da blüht auf der Flur,
Sinnbild ewiger Dinge
ist's dem Schauenden nur.

Jede sprossende Pflanze,
die mit Düften sich füllt,
trägt im Kelche das ganze
Weltgeheimnis verhüllt.

Emanuel Geibel

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Herbst

Astern blühen schon im Garten,
Schwächer trifft der Sonnenpfeil.
Blumen, die den Tod erwarten
Durch des Frostes Henkerbeil.

Brauner dunkelt längst die Heide,
Blätter zittern durch die Luft.
Und es liegen Wald und Weide
Unbewegt in blauem Duft.

Pfirsich an der Gartenmauer,
Kranich auf der Winterflucht.
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer,
Welke Rosen, reife Frucht.

Detlev von Liliencron

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Frühherbst

Die Stirn bekränzt mit roten Berberitzen
steht nun der Herbst am Stoppelfeld,
in klarer Luft die weißen Fäden blitzen,
in Gold und Purpur glüht die Welt.

Ich seh hinaus und hör den Herbstwind sausen,
vor meinem Fenster nickt der wilde Wein,
von fernen Ostseewellen kommt ein Brausen
und singt die letzten Rosen ein.

Ein reifer roter Apfel fällt zur Erde,
ein später Falter sich darüber wiegt -
ich fühle, wie ich still und ruhig werde,
und dieses Jahres Gram verfliegt.

Agnes Miegel (1879 - 1964)

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SOLI DEO GLORIA - GOTT ALLEIN DIE EHRE!

Baerchen
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Herbsterinnerungen

Beitrag von Baerchen »

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SOLI DEO GLORIA - GOTT ALLEIN DIE EHRE!

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raimund Josef H. hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Und färbt die Spitzen und spreitet den Schleier,
Den sanften kalten Sammet des Todes.
Kalt wie Samt? :hmm:
;D Interpretieren wir auch? – Dann schau doch mal, welche Figur
hier vorliegt; Oxymoron und Enallage schlage ich zur Auswahl vor.
(Nebenbei, welche Art von Vers bemerken wir hier eigentlich?)[/size]

Baerchen
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Registriert: Freitag 9. Februar 2007, 13:47

Beitrag von Baerchen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raimund Josef H. hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Und färbt die Spitzen und spreitet den Schleier,
Den sanften kalten Sammet des Todes.
Kalt wie Samt? :hmm:
;D Interpretieren wir auch? – Dann schau doch mal, welche Figur
hier vorliegt; Oxymoron und Enallage schlage ich zur Auswahl vor.
(Nebenbei, welche Art von Vers bemerken wir hier eigentlich?)[/size]
Och nö - nee?
SOLI DEO GLORIA - GOTT ALLEIN DIE EHRE!

Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raimund Josef H. hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Und färbt die Spitzen und spreitet den Schleier,
Den sanften kalten Sammet des Todes.
Kalt wie Samt? :hmm:
;D Interpretieren wir auch? – Dann schau doch mal, welche Figur
hier vorliegt; Oxymoron und Enallage schlage ich zur Auswahl vor.
(Nebenbei, welche Art von Vers bemerken wir hier eigentlich?)[/size]

Auf dieses Eis begebe ich mich lieber nicht (mehr) ;D
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

September

Ägyd bläst in des Herbstes Horn.
Die Beere schwankt am Brombeerdorn.
Der Apfel fällt mit leisem Laut,
großauf am Bach die Distel blaut.
Die Schwalbe zieht, der Wanderschuh
treibt dunkel einer Heimat zu.
Gekühlte Tage, klar und schön,
mit braunem Laub und weißen Höhn:
wie lange noch? Der Abend fällt,
Flurfeuer glimmt, Rauchnebel schwelt.
Nach Haus zu gehn, ist wohlgetan.
Sankt Michael, zünd die Lampe an!
Aus: Kalendarium für Landleut´ von Josef Weinheber
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

ad_hoc
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Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 12:14

Beitrag von ad_hoc »

Der Frühling hat es angefangen,
Der Sommer hat's vollbracht.
Seht, wie mit seinen roten Wangen
So mancher Apfel lacht!
Es kommt der Herbst mit reicher Gabe,
Er teilt sie fröhlich aus,
Und geht dann wie am Bettelstabe,
Ein armer Mann, nach Haus.
Voll sind die Speicher nun und Gaden,
Dass nichts uns mehr gebricht.
Wir wollen ihn zu Gaste laden,
Er aber will es nicht.
Er will uns ohne Dank erfreuen,
Kommt immer wieder her:
Lasst uns das Gute drum erneuen,
Dann sind wir gut wie er.


Herbstlied
v. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

An Mariä Namen / sagt der Sommer Amen
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

obsculta
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Registriert: Sonntag 7. September 2008, 22:16

Beitrag von obsculta »

HERBST

>Verfall< Sammlung 1909


Am Abend,wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg´ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart,gleich frommen Pilgerzügen
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den nachtverschloßnen Garten,
Träum´ich nach ihren helleren Geschicken,
Und fühl´der Stunden Weiser kaum mehr rücken-
So folg´ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Ein Vogel klagt in den entlaubten Zweigen
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indess´wie blasser Kinder Todesreigen,
Um dunkle Brunnenränder,die verwittern
Im Wind sich fröstelnd kahle Astern neigen.

Georg Trakl

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overkott
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Registriert: Donnerstag 8. Juni 2006, 11:25

Beitrag von overkott »

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

Paul Heliosch
Beiträge: 1615
Registriert: Samstag 15. Dezember 2007, 11:52

Beitrag von Paul Heliosch »

obsculta hat geschrieben:HERBST

>Verfall<
...

Georg Trakl
| (...warum ausgerechnet jetzt ) |

ad_hoc
Beiträge: 4877
Registriert: Mittwoch 14. Januar 2004, 12:14

Beitrag von ad_hoc »

Wann wird denn endlich wieder Sommer.....? ;)

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

obsculta
Beiträge: 2300
Registriert: Sonntag 7. September 2008, 22:16

Beitrag von obsculta »

Paul Heliosch hat geschrieben:
obsculta hat geschrieben:HERBST

>Verfall<
...

Georg Trakl
| (...warum ausgerechnet jetzt ) |
Hallo Paul,

weil es mich in meiner Schulzeit sehr beeindruckt hat.

LG Obsculta

Paul Heliosch
Beiträge: 1615
Registriert: Samstag 15. Dezember 2007, 11:52

Beitrag von Paul Heliosch »

ad_hoc hat geschrieben:Wann wird denn endlich wieder Sommer.....? ;)

Gruß, ad_hoc
... allein: der Glaube daran kam mir abhanden...

Paul Heliosch
Beiträge: 1615
Registriert: Samstag 15. Dezember 2007, 11:52

Beitrag von Paul Heliosch »

obsculta hat geschrieben:
Paul Heliosch hat geschrieben:
obsculta hat geschrieben:HERBST

>Verfall<
...

Georg Trakl
| (...warum ausgerechnet jetzt ) |
Hallo Paul,

weil es mich in meiner Schulzeit sehr beeindruckt hat.

LG Obsculta
Hi obsculta,

schade, ich dachte, dieser wundervolle Beitrag sei Botschaft gewesen...

( ich finde Deinen Nick übrigens echt kultig...)

LG

Paul

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odaliske
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Friedrich Hölderlin, Mitte des Lebens

Beitrag von odaliske »

Das zeichnet jetzt kein idyllisches Herbstbild, passt aber zwischen Sommer und Winter:

Mit gelben Birnen hänget
Und wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Taucht Ihr das Haupt ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm' ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Ein Turnier anzusehen ist prächtig, es durchzustehen grauenvoll.

obsculta
Beiträge: 2300
Registriert: Sonntag 7. September 2008, 22:16

Beitrag von obsculta »

Paul Heliosch hat geschrieben:
obsculta hat geschrieben:
Paul Heliosch hat geschrieben:
obsculta hat geschrieben:HERBST

>Verfall<
...

Georg Trakl
| (...warum ausgerechnet jetzt ) |
Hallo Paul,

weil es mich in meiner Schulzeit sehr beeindruckt hat.

LG Obsculta
Hi obsculta,

schade, ich dachte, dieser wundervolle Beitrag sei Botschaft gewesen...

( ich finde Deinen Nick übrigens echt kultig...)

LG

Paul

Hallo Paul,

nein,daß war völlig ohne Botschaft gepostet.Vor zig Jahren habe ich
eine Klassenarbeit über dieses Gedicht geschrieben.Seitdem habe
ich es nicht mehr vergessen.

Warum findest du denn meinen Nick kultig?Der ist auch ganz harmlos(wie ich übrigens auch...).

Liebe Grüße nach Bayern

Obsculta

Paul Heliosch
Beiträge: 1615
Registriert: Samstag 15. Dezember 2007, 11:52

Beitrag von Paul Heliosch »

"obsculta" ist für mich kein Begriff mit Inhalten. Dann wird halt irgendetwas "gefühlt" - in meinem Fall konnte ich das Gefühl nur mit "kultig" umschreiben - hm... mal sehen was Freud dazu sagt :hmm:

Habe das Gedicht gerade nochmals gelesen - es ist wirklich wundervoll!
obsculta hat geschrieben:HERBST

>Verfall< Sammlung 1909


Am Abend,wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg´ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart,gleich frommen Pilgerzügen
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den nachtverschloßnen Garten,
Träum´ich nach ihren helleren Geschicken,
Und fühl´der Stunden Weiser kaum mehr rücken-
So folg´ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Ein Vogel klagt in den entlaubten Zweigen
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indess´wie blasser Kinder Todesreigen,
Um dunkle Brunnenränder,die verwittern
Im Wind sich fröstelnd kahle Astern neigen.

Georg Trakl

sofaklecks
Beiträge: 2776
Registriert: Sonntag 28. Mai 2006, 16:29

Darf ich

Beitrag von sofaklecks »

Darf ich dir einen zarten Hinweis geben?

Mit "Obsculta", also "Höre!" beginnt die Regel des Heiligen Benedikt:

http://la.wikisource.org/wiki/Regula_sancti_Benedicti

Sherlock Holmes, nicht Freud würde dir sagen, dass obsculta wohl eine Benediktinerin ist, die mit diesem Namen eine kleine Hilfe für die Eingeweihten gibt.

Wohingegen man unter einer Odaliske eine eher leichter bekleidete Dame versteht, zu der ein Ritterhelm nicht ganz zu passen scheint. Dieses Rätsel ist schwerer zu lösen und hier scheint mir Freud eher weiterzuhelfen.

Gleichwohl sind beide Gedichte sehr schön, wobei ich als Heidelberger eine Schwäche für Hölderlin hatte, die in tiefste Bewunderung umgeschlagen ist, seit ich Hyperions Schicksalslied ("bemoster Götterkäse") einmal von Ulrich Mühe deklamiert gesehen habe.

sofaklecks
Zuletzt geändert von sofaklecks am Sonntag 21. September 2008, 17:26, insgesamt 1-mal geändert.

Paul Heliosch
Beiträge: 1615
Registriert: Samstag 15. Dezember 2007, 11:52

Beitrag von Paul Heliosch »

...soh schhönh zharth... Danke :)

Odaliske scheint mir nunmehr gefährlich nah ins Blickfeld zu gleiten,...

...jedoch: Weh mir ist gegeben,
so anders als dem schlafenden Säugling....
Jene atmen den Himmlischen gleich:
keusch bewahrt in bescheidener Knospe.
So wend' ab ich meinen Blick
wieder hin dem ew'gen Ziele.

Im Winde klirrende Fahnen,
sprachlos und kalt,
reissen des Geistes Ahnen
- welch grausame Gewalt -
zurück in des nebl'gen Schlachtfelds Wirren,
daß selbst dem tapferst bereiten Recken
Gedanken von Schwärze umschwären.
Wohl wollt' er die Waffen strecken,
dagegen just der Feldherr ihn entblendet:
zu sehen das bleibend hehre Tor voraus.
Im Willen einstweilen er vollendet
sich zögernd sein Atmen weitet aus...

obsculta
Beiträge: 2300
Registriert: Sonntag 7. September 2008, 22:16

Re: Darf ich

Beitrag von obsculta »

sofaklecks hat geschrieben:Darf ich dir einen zarten Hinweis geben?

Mit "Obsculta", also "Höre!" beginnt die Regel des Heiligen Benedikt:

http://la.wikisource.org/wiki/Regula_sancti_Benedicti

Sherlock Holmes, nicht Freud würde dir sagen, dass obsculta wohl eine Benediktinerin ist, die mit diesem Namen eine kleine Hilfe für die Eingeweihten gibt.
sofaklecks
Lieber Sofaklecks,

Watson möchte darauf hinweisen,daß allein der benediktinisch
assoziierte nick noch keine Ordensfrau macht.

LG Obsculta

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odaliske
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Registriert: Samstag 30. August 2008, 20:43
Wohnort: Dortmund

Re: Darf ich

Beitrag von odaliske »

obsculta hat geschrieben:
sofaklecks hat geschrieben:Darf ich dir einen zarten Hinweis geben?

Mit "Obsculta", also "Höre!" beginnt die Regel des Heiligen Benedikt:

http://la.wikisource.org/wiki/Regula_sancti_Benedicti

Sherlock Holmes, nicht Freud würde dir sagen, dass obsculta wohl eine Benediktinerin ist, die mit diesem Namen eine kleine Hilfe für die Eingeweihten gibt.
sofaklecks
Lieber Sofaklecks,

Watson möchte darauf hinweisen,daß allein der benediktinisch
assoziierte nick noch keine Ordensfrau macht.

LG Obsculta
Und die Odaliske möchte darauf hinweisen, daß in diesem Wort auch eine in Mustern aufgezogene, enganliegende Perlenkette steckt. Und überhaupt habe ich noch andere Interessen, als leichtbekleidet Gedichte abzuschreiben - hier kommt dann der Turnierhelm ins Spiel. Das Impromptu eben gefällt mir übrigens gut - hat nur wenig mit dem Herbst zu tun. Aber den feierte man ja zur zeit der Recken noch nicht, wohl aber den Frühling. Das wäre dann der nächste Strang. ;D
Ein Turnier anzusehen ist prächtig, es durchzustehen grauenvoll.

Paul Heliosch
Beiträge: 1615
Registriert: Samstag 15. Dezember 2007, 11:52

Beitrag von Paul Heliosch »

Die Sache mit dem moosbehafteten "Götterkäse"
scheint mir in diesem Zusammenhang
als Sinnbild der geistigen Trägheit eher zwielicht...
...obgleich,
wenn ich's mir recht überlege,
ich hier und da
einen Verdacht aufblitzen sah...

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