Bonaventuras Sechstagewerk

Gespräche über ausgewählte litterarische Texte.
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overkott
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Bonaventuras Sechstagewerk

Beitrag von overkott »

Zur Zeit lese ich also das Sechstagewerk von Bonaventura. Im Internet findet es sich nur auf Französisch. Auch wenn es in deutschsprachiger Übersetzung vorliegt, habe ich angefangen, es für mich zu übersetzen. Es ist bedeutend für den Volk-Gottes-Gedanken des Konzils. Auch wenn Bonaventura einen Unterschied zum Judentum sieht, betrachtet er die Kirche als die Fortsetzung des Alten Bundes und des Volkes Gottes.

1. Im 15. Kapitel des Ecclesiasticus [gemäß Vulgata] steht geschrieben: „In der Mitte der Kirche wird ihm der Herr den Mund öffnen, ihn erfüllen mit dem Geist der Weisheit und der Erkenntnis und ihn mit einem Mantel des Ruhmes bekleiden“. Durch diese Worte unterweist der heilige Geist den Menschen, der denen gegenüber, an die er seine Predigt richten muss, darauf bedacht ist, wo diese beginnen und wo diese enden muss.
Erstens: über die, zu denen er predigen muss. Denn er hat gesagt: „an die Kirche“. Denn er darf das Heilige nicht den Hunden geben, noch die Perlen vor die Säue schmeißen.
Zweitens: er zeigt, wo er beginnen muss. Denn er hat gesagt: „in der Mitte“, das heißt mit Christus. Denn, man erreicht nichts, wenn man die Mitte verlässt.
Drittens: wo zu enden ist, denn er hat gesagt in der Fülle oder in der Erfüllung „vom Geist der Weisheit und der Erkenntnis“.
2. Aber zuerst muss von uns selbst gesprochen werden und gesehen werden, wie wir sein müssen. Denn wenn der Lichtstrahl ein krankes Auge erreicht, wird es davon eher erblindet als erleuchtet.
Man muss also von der Kirche sprechen, die eine Gemeinschaft der Vernünftigen sein soll, während die Synagoge eine große Herde von Menschen ist, die wie Schafe ohne Hirten leben. Man muss von der Kirche sprechen, die eine Vereinigung der Vernünftigen sein soll, die auf eine einmütige und gleichförmige Weise leben: durch die einmütige und gleichförmige Beachtung des göttlichen Gesetzes, durch den einmütigen und gleichförmigen Zusammenhalt des göttlichen Friedens, durch die einmütige und gleichförmige Harmonie des göttlichen Lobpreises. Drei Dinge, die aufeinander bezogen und hingeordnet sind: weil es keinen göttlichen Lobpreis geben kann, wo der Friede fehlt, noch einen göttlichen Frieden ohne Beachtung des göttlichen Gesetzes.
3. Zum Thema des ersten Punktes steht im Ersten Brief an Timotheus geschrieben: „Ich schreibe dir das, mein Sohn Timotheus, damit du weißt, wie man sich im Haus Gottes verhalten muss, das die Kirche des lebendigen Gottes ist, Säule und Stütze der Wahrheit“.
Die Kirche wird „Säule und Stütze“ genannt, weil sie dem Geist das Licht vermittelt und der Tugend die Festigkeit. Denn diejenigen, die zur ihr kommen, werden erleuchtet durch den Glauben und unterstützt durch die Beständigkeit der Tugend. Zwei Dinge, die das göttliche Gesetz verwirklichen. Auf diese Weise Säule der Söhne Israels, erscheint es an ihrer Bewegung klar, wann man beginnen und wann man enden muss. Alle Glieder der Kirche sind nämlich einmütig in der Beachtung des Gesetzes Gottes, wie früher das ganze Volk mit den Augen der Bewegung der Säule folgte. Wer sie nicht ohne Unterlass beachtet, gehört nicht zur Einheit der Kirche, wie derjenige, der sie nicht versteht, oder derjenige, obwohl er sie versteht, ihr nicht folgt.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Zur fortgesetzten Lesung stelle ich aus Bonaventuras Sechstagewerk weitere Punkte ein:

4. Außerdem muss man zur Kirche sprechen, die eine Gemeinschaft der Vernünftigen sein soll, durch den einmütigen und gleichförmigen Zusammenhalt des göttlichen Friedens. Denn im Ecclesiasticus heißt es: „Die Söhne der Weisheit bilden die Versammlung der Gerechten, und ihre Natur ist Gehorsam und Liebe“. Die Kirche verwirklicht schließlich die Gemeinschaft derer, die eine gegenseitige Liebe vereint.
Denn die Liebe wird geboren aus der Erfüllung des Gesetzes. Das Gesetz aber schreibt, wie es im Ersten Brief an Timotheus geschrieben steht, die Liebe vor: „Das Ziel der Vorschrift ist die Liebe oder die Barmherzigkeit, die aus einem reinen Herzen geboren wird, aus einem reinen Gewissen und aus einem aufrichtigen Glauben.“ Derselbe Apostel sagt: „Wer seinen Nächsten liebt, erfüllt das Gesetz“. Das bestätigt das Wort des Retters: „An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz wie die Propheten“.
Es ist also notwendig, dass die das Gesetz beachten von Liebe erfüllt sein sollen wie im dreizehnten Kapitel des Evangeliums des heiligen Johannes geschrieben steht: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt“, und wie der Apostel sagt: „Denn er ist kein Gott des Streites, sondern des Friedens“.

5. Außerdem muss man zur Kirche sprechen, die eine Versammlung der Vernünftigen sein soll, durch den einmütigen und gleichförmigen Einklang des göttlichen Lobpreises. Im Psalm steht geschrieben: „Für dich mein Lobpreis in der großen Versammlung“. Denn wie aus der Vielzahl nach einer bestimmten Abstimmung und Harmonie vereinter Stimmen die Sanftheit des Gesangs hervorgeht, so entsteht aus derselben Zuneigung mehrerer die spirituelle Harmonie, die dem Höchsten gefällt. Deshalb steht im Psalm geschrieben: „In den Versammlungen lobt Gott, den Herrn der Quellen Israels“.
Man muss also die Predigt ausschließlich an diejenigen richten, die so das göttliche Gesetz beachten, die so den göttlichen Frieden lieben und so den göttlichen Lobpreis praktizieren und auf diese Weise Mitglieder der Kirche sind.

6. Der Mensch ist verführt durch den Geist der Geilheit und durch den Geist der Gier entgegen der ersten [Eigenschaft der Folgsamkeit gegenüber dem göttlichen Gesetz]. Diese beiden Geister bringen den Menschen vom Gesetz Gottes ab und blenden die beiden Augen der Seele. Das Gesetz Gottes schließlich schreibt das gemeinsame Wohl und das geistliche Wohl vor und schneidet die schändliche Liebe, die die Geilheit ist, und die entzogene Liebe, die die Gier ist, zurück. In der Tat, ist das Gesetz dem fleischlichen Menschen und dem gierigen Menschen verhasst und sie wollen es nicht hören. Sie sind wie der Hund und das Schwein: der Hund bleibt gierig und will niemals teilen und das Schwein will immer im Schlamm leben.

7. Außerdem gehen gegen den Zusammenhalt des Friedens der Geist der Gemeinheit und der Geist der Unmenschlichkeit, der neidische Geist und der jähzornige Geist. Diese zwei stellen alles auf den Kopf: Der Neid verwandelt das Gute in Böses; der Jähzorn alles Böse in Gutes und hält gleichzeitig die Rache selbst für ein Gut. Und aus dieser Tatsache, wie es im Kapitel fünf des Buches Jesaja heißt, „machen sie die Dunkelheiten zum Licht und aus dem Licht die Dunkelheiten.“ Deshalb sind solche Menschen unfähig das Wort Gottes zu hören.

8. Ebenso gehen gegen die Harmonie des göttlichen Lobpreises der Geist des Hochmutes und der Geist der Neugier dadurch, dass der Hochmut Gott nicht lobt, sondern sich selber preist und dass die Neugier ohne Hingabe ist. Auch sind viele ohne Lob und Hingabe, obwohl sie die Lichter der Wissenschaft haben. Daher bauen sie Wespenhäuser, die ohne den Honigstrahl bleiben, den die Bienen herstellen können.

9. In der Folge soll sich die Predigt nicht an die wenden, von denen wir gerade gesprochen haben, weil diese „ein rebellisches Haus“ sind, und wegen der Unwilligkeit der Hörer hat der Herr „die Sprache am Palast festgemacht“.
Aber es sind die Brüder, denen man predigen muss, den Brüdern, von denen im Psalm gesagt wird: „Ich werde deinen Namen meinen Brüdern sagen, in der Mitte der Versammlung dich preisen.“, und den spirituellen Menschen, damit diese angezogen werden von der Weisheit dieser Welt zur christlichen Weisheit. Tatsächlich hat ein Kritiker des Lebens Christi angefangen bei den Theologen wegen der Sitten und ein Kritiker der Lehre Christi bei den Professoren der freien Künste wegen falscher Hypothesen. Auch darf man nicht nach Ägypten zurückkehren wegen des Wunsches nach niederer Nahrung, Knoblauch, Porree und Wassermelonen, noch die himmlische Kost verachten. Soviel zum ersten Punkt.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Übrigens fehlte bei Punkt 9. noch der zweite Absatz:

Aber es sind die Brüder, denen man predigen muss, den Brüdern, von denen im Psalm gesagt wird: „Ich werde deinen Namen meinen Brüdern sagen, in der Mitte der Versammlung dich preisen.“, und den spirituellen Menschen, damit diese angezogen werden von der Weisheit dieser Welt zur christlichen Weisheit. Tatsächlich hat ein Kritiker des Lebens Christi angefangen bei den Theologen wegen der Sitten und ein Kritiker der Lehre Christi bei den Professoren der freien Künste wegen falscher Hypothesen. Auch darf man nicht nach Ägypten zurückkehren wegen des Wunsches nach niederer Nahrung, Knoblauch, Porree und Wassermelonen, noch die himmlische Kost verachten. Soviel zum ersten Punkt.

[Ich habe den Absatz oben angefügt. W.]
Zuletzt geändert von overkott am Samstag 28. April 2007, 16:28, insgesamt 4-mal geändert.

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overkott
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Beitrag von overkott »

10. Zum zweiten Punkt sei angemerkt, dass man „in der Mitte“ anfangen muss, die Christus ist. Er ist nämlich selbst „der Mittler zwischen Gott und den Menschen“, der die Umgebung in allen Sachen zusammenhält, wie es scheint. Deshalb muss derjenige, der die Weisheit erlangen will, notwendigerweise bei ihm anfangen, wie im Evangelium des heiligen Matthäus belegt ist, denn es steht geschrieben: „Niemand kennt den Sohn außer der Vater und niemand den Vater außer der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren wird“.
Es ist außerdem offensichtlich, dass man bei ihm anfangen muss, und dort begannen die beiden größten Weisen, nämlich Moses, der an die Weisheit Gottes herangeführt hat, und Johannes, der sie zum Abschluss gebracht hat. Der erste hat gesagt: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“, das heißt in seinem Sohn, gemäß Augustin, und Johannes: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Durch ihn wurden alle Sachen gemacht“. Also kann man nicht zur Erkenntnis des Geschöpfs gelangen außer durch ihn, durch den es gemacht wurde. Es ist notwendig, wie es im Ecclesiasticus gesagt ist, dass „das wahre Wort dich schuf“.

11. Unsere Absicht ist also zu zeigen, dass in Christus „alle Schätze der Weisheit und der Wissenschaft von Gott verborgen sind und dass er selbst die Mitte aller Weisheit ist“.
Denn die Mitte hat sieben Formen: Er ist die Mitte des Seins, der Natur, der Entfernung, der Bildung, des Maßes, der Gerechtigkeit und der Eintracht. Das erste erscheint bei der Betrachtung der Metaphysiker, das zweite der Physiker, das dritte der Mathematiker, das vierte der Logiker, das fünfte der Ethiker, das sechste des Staatsmannes oder der Juristen, das siebte der Theologen.
Die erste Mitte ist zuerst aus dem ewigen Anfang;
die zweite, machtvoll durch die mögliche Verbreitung;
die dritte, tief durch ihre zentrale Position;
die vierte, leuchtend durch rationale Offenbarung;
die fünfte, besonders durch die moralische Wahl;
die sechste, hervorragend durch die rechtliche Reform;
die siebte, friedlich durch die universelle Versöhnung.
Christus wurde die erste Mitte in der ewigen Zeugung, die zweite in der Menschwerdung, die dritte in seinem Leiden, die vierte in seiner Auferstehung, die fünfte in seiner Himmelfahrt, die sechste im jüngsten Gericht und die siebte in der ewigen Honorierung oder Seligsprechung.

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overkott
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Beitrag von overkott »

12. Die erste Mitte also, die des Seins, ist durch die ewige Zeugung.
Tatsächlich ist das Sein nicht ohne doppelte Weise: sei es das Sein aus sich, sich selbst entsprechend und für sich, sei es das Sein, das von einem anderen ist, einem anderen gemäß und für einen anderen. Es ist außerdem notwendig, dass das Sein aus sich, sich selbst entsprechend und für sich sei. Das Sein als sein eigener Ursprung, das Sein als sein eigenes Ebenbild und das Sein als Selbstzweck und Vollendung ist für sich, das heißt als solches Anfang, Mitte, Ziel und Ende: der Vater als der erste Ursprung, der Sohn als exemplarische Mitte und der heilige Geist als vollendende Ergänzung. Diese drei Personen sind gleich und gleich vornehm, weil es für den heiligen Geist der gleiche Vorzug ist, die göttlichen Personen zu beenden wie für den Vater, der Ursprung, zu sein oder für den Sohn, alle Sache zu repräsentieren.

13. Der Metaphysiker kann sich wohl aufschwingen zur Betrachtung der Prinzipien der geschaffenen Substanz und insbesondere der universellen und ungeschaffenen Substanz; er kann sich wohl aufschwingen zu diesem Sein soweit er es für die Begründung des Anfangs, der Mitte und des letzten Zieles hält, aber er kann das nicht mit der Begründung des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.
Der Metaphysiker kann sich also aufschwingen zu diesem Sein in der Betrachtung mit der Begründung des entspringenden Prinzips aller Sachen und darin übereinstimmen mit dem Physiker, der die Ursprünge der Sachen betrachtet. Er schwingt sich außerdem zu diesem Sein auf in der Betrachtung unter der Begründung des letzten Ziels und darin stimmt er mit dem Moralisten und dem Ethiker überein, der alle Sachen auf ein einziges höchstes Gut wie auf ein letztes Ziel zurückführt, indem er das Glück sowohl praktisch als auch spekulativ betrachtet. Aber wenn er dieses Sein als Begründung des Ebenbildes aller Sachen betrachtet, unterteilt er das nicht mit Personen und er ist ein wahrer Metaphysiker.
Von Ewigkeit her hat der Vater einen Sohn gezeugt, ihm ähnlich, und er hat sich ausgedrückt und hat seine eigene Ähnlichkeit ausgedrückt und damit seine ganze Macht. Er hat ausgedrückt, dass er machen kann und vor allem, was er wollen kann, und er hat alle Sachen in ihm ausgedrückt, dem Sohn, in diesem Mittel wie in seiner Kunst. Deshalb ist dieses Mittel die Wahrheit. Und es ist nach Augustin und anderen Heiligen so eingerichtet, dass Christus, der seinen Thron im Himmel hat, innerlich unterrichtet, und dass davon keine Umstände und keine Wahrheit bekannt sein kann außer durch diese Wahrheit. In Wirklichkeit ist das Prinzip des Seins und des Wissens identisch, wenn also das Erkennbare als Erkennbares ewig ist, gemäß dem Philosophen, ist es notwendig, dass nichts bekannt sein soll außer durch die unveränderliche, unerschütterliche und unbegrenzte Wahrheit.

14. Er ist notwendigerweise die Mitte der Personen: Denn, wenn es eine Person gibt, die hervorbringt und nicht hervorgebracht ist, und eine Person, die hervorgebracht ist und nicht hervorbringt gibt es notwendigerweise eine Mittelperson, die hervorgebracht ist und die hervorbringt. So ist also diese Wahrheit wahrnehmbar nur in dem Geist, in dem die Engel, die Propheten und die Philosophen das Wahre, das sie sagen, vernehmen.

15. Von dieser Mitte ist in Genesis gesagt: „Der Herrgott ließ aus der Erde alle Bäume wachsen, schön anzusehen und lieblich zu essen, und auch den Baum des Lebens in der Mitte des Paradieses“. Gemäß Augustin wurde von jeder hervorgebrachten Sache gesagt:
„Dass sie sein soll“, „er machte“ und „sie wurde gemacht“, mit Ausnahme des Lichtes von dem er gesagt hat: „Es werde Licht und es wurde Licht“, weil alles hervorgebracht wurde zuerst ewig in ewiger Kunst, im geistigen Geschöpf, und dann schließlich in der sichtbaren Welt.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Die folgenden Punkte aus dem Sechstagewerk sind deshalb atemberaubend, weil demnach Bonaventura schon 1273 das heliozentrische Weltbild als naturwissenschaftliche Lehrmeinung referiert und damit argumentiert. Von daher dürfte es auch kein Wunder sein, dass in seiner Nachfolge Cusanus dies ebenso diskutierte.

Oder handelt es sich bei dem Sechstagewerk, das 1495 im Druck erschien, um eine postcusanische neuzeitliche Fälschung?

Das erscheint unwahrscheinlich. Denn laut Wikipedia ist die populäre Ansicht falsch ist, im Westen sei vor Kopernikus das heliozentrische Weltbild unbekannt gewesen oder nicht richtig verstanden worden.

Nicht nur arabische Texte wurden nach dem 11. Jahrhundert in zunehmendem Maße ins Lateinische übersetzt (resultierend aus den Kreuzzügen), auch Reisende und Händler stellten dem Westen die indischen heliozentrischen Traditionen vor, wie dies oben bereits geschildert ist. Selbstverständlich berücksichtigten Gelehrte die Argumente von Aristarch und Philolaus sowie vieler anderer klassischer Denker, welche das heliozentrische Weltbild favorisierten.

Hier der Text aus dem Sechstagewerk:

16. Das ist gegen die Irrtümer derer, die glauben, dass die Welt ewig geschaffen wurde. Tatsächlich schätzen sie, aus der Tatsache, dass unsere Geister aus den ewigen Lichtern erscheinen, dass diese Sachen, ewig hervorgebracht oder eingeschrieben in die ewige Kunst, ebenso ewig geschaffen sind in dieser Welt und dass die Welt, ewig eingeschrieben in die ewige Kunst, es ebenso ist in der Materie.
Nun erstreckt sich aber das Wort aus Genesis über das irdische Paradies auf den engelhaften, menschlichen und ewigen Intellekt. Denn wie gesagt hat der Vater einen seines gleichen gezeugt, das Wort, das mit ihm zusammen ewig ist und er hat seine Ähnlichkeit hervorgerufen und folglich all seine Macht ausgedrückt.

17. Das Wort drückt also den Vater aus und die Wirklichkeiten, die „durch ihn gemacht sind“, und er führt uns vor allem zum vereinenden Vater. In dieser Hinsicht ist er „der Baum des Leben, weil wir wiederkehren durch diese Mitte und wir belebt wurden in „dieser Quelle des Lebens“.
Aber wenn wir beim Forschen über das, was uns zusteht, hinausgehen und dazu neigen die Sachen durch Erfahrung zu erwerben, stürzen wir aus der wahren Kontemplation ab und probieren vom verbotenen Baum der „Erkenntnis von Gut und Böse“ wie es Lucifer gemacht hat.
Wenn also Lucifer, diese Wahrheit betrachtend, zurückgeführt worden wäre von der Kenntnis des Geschöpfes zur Einheit des Vaters, hätte er aus dem Abend einen Morgen gemacht und hätte einen Tag gehabt, aber weil er in die Hölle gestürzt ist und die Gier nach Größe, verlor er den Tag. Ebenso geschah es Adam.
Diese Mitte ist das den Retter hervorbringende Mittel, also die Wahrheit, die wohl ein „Baum des Lebens“ ist. Die andere Wahrheit ist ein Anlass für den Tod, weil man sich in die Schönheit des Geschöpfes verliebt hat. Durch die erste Wahrheit, müssen alle wiederkehren, damit, wie der Sohn gesagt hat: „Ich bin vom Vater ausgegangen und ich bin in die Welt gekommen; jetzt verlasse ich die Welt und gehe zum Vater“, jeder sagen soll: Herr, ich bin von dir, dem Allerhöchsten, ausgegangen und ich komme zu dir, dem Allerhöchsten zurück, durch dich, den Allerhöchsten.
So ist die metaphysische Mitte, die zurückführt und so ist unsere ganze Metaphysik: Emanation, Abbildung, Vollendung; das bedeutet erleuchtet zu sein durch die spirituellen Strahlen und zurückgeführt zu werden vom Allerhöchsten. Und auf diese Weise wirst du ein wahrer Metaphysiker sein.

18. Die zweite Mitte, die der Natur, ist machtvoll durch die mögliche Ausstrahlung. Diese Mitte kommt von der Betrachtung des Physikers, der den Beweggrund und die Erzeugung betrachtet gemäß dem Einfluss der Himmelskörper und der Elemente, die Einführung der Elemente von der Form des Gemisches zur Form des Zusammenhangs, von der Form des Zusammenhangs zur vegetativen Seele, von dieser zur fühlenden Seele und von jener zur rationalen Seele und damit zum Ziel.

19. Trotzdem betrachtet der Physiker eine doppelte Mitte, die des Makrokosmos und die des Mikrokosmos. Die Mitte des Makrokosmos ist die Sonne, die Mitte des Mikrokosmos ist das Herz.
Denn die Sonne ist in der Mitte der Planeten und gemäß ihrer Bewegung, in einem schiefen Kreis, erfolgen die Erzeugungen. Der Physiker misst die Erzeugung. Unter allen Planeten ist die Ausstrahlung der Sonne am mächtigsten.
Die Ausstrahlung des Herzens ist ebenso sehr machtvoll, wie die Mediziner sagen. Denn von diesem verbreitet sich der Lebensgeist über die Arterien und der tierische Geist über die Nerven, so dass es eine Ergänzung im Hirn erhält; und auch von ihm verbreitet sich ebenso der natürliche Geist über die Venen, so dass es sich in der Leber vollendet.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Während Bonaventura zunächst das heliozentrische Weltbild referiert, scheint er es ein paar Absätze weiter wieder in Frage zu stellen, indem er schreibt: "die Erde hält sich nämlich genau in der Mitte."

Bezeichnenderweise schreibt er jedoch nicht "in der Mitte des Universums". Das ist in den Text nur in eckigen Klammern eingefügt.

Allerdings hat er sich schon der Empirie gegenüber kritisch geäußert. Daran zeigt sich, dass Bonaventura ganz Theologe ist, der sich wohl für die anderen Wissenschaften interessiert, sie aber nur als Argumentationshilfe nutzt.

"Mitte" ist bei ihm vor allem eine rhetorische Figur: alles Gute stellt er dem Leser in die Mitte.

Hier der Text:

20. Christus wurde die Mitte seit seiner Menschenwerdung. Weil es gesagt ist im Evangelium nach dem heiligen Johannes „In der Mitte von euch hat sich aufgehalten, den ihr nicht erkannt habt“ und dann spricht Johannes, der Freund des Bräutigams, vom Herrn, vom Bräutigam selbst, indem er zeigt wie er die Mitte der Kirche ist. Er sagt davon: „Der, der mich gesandt hat mit Wasser zu taufen, hat mir gesagt: Der, über den du den heiligen Geist herabsteigen und ruhen sehen wirst, ist der, der mit dem heiligen Geist taufen wird.“
Die Schrift nennt Christus manchmal Mitte, manchmal Haupt. Er wird Haupt genannt, weil von ihm der Sinn und die geistlichen Bewegungen und die Charismen der Gnade fließen; nun aber beeinflusst das Haupt dadurch, dass es verbunden ist mit den Gliedern. Tatsächlich „ist das Haupt Christi Gott“, als Christus ist Gott, und „das Haupt des Menschen, das ist Christus als Gott und Mensch. Daher strahlt der heilige Geist in die Glieder der Kirche, die mit ihm vereint sind und nicht in getrennte Gliedern. Auch im mystischen Leib wie im menschlichen Leib gibt es nur eine Ausstrahlung vom Haupt in die Glieder, die vereint sind.
Dieser ist, wie das Herz, die Mitte von zwei Lebenden; daher ist gesagt im Buch von Habakuk: „Das sei wiedererkannt in der Mitte von zwei Lebzeiten“ und in einer anderen Übersetzung: „In der Mitte von zwei Jahren“, das heißt wie die Sonne, weil sie die Fülle der Zeit durchläuft, wie die Sonne, die auf der Uhr von Achaz sechs Grad heruntersteigt. Das ist also, gemäß Septuaginta in der Mitte der Lebzeiten, die ihm [vor der Menschwerdung] vorausgingen und ihm [nach der Menschwerdung] folgten.

21. Die dritte Mitte, die der Entfernung, ist tief durch die mittlere Stellung, wovon der Mathematiker handelt. Obwohl die erste Erwägung [des Mathematikers] sich auf das Maß der Erde bezieht, erstreckt sie sich doch auf die höheren Körper, insofern sie die niederen Körper gemäß ihrem Einfluss bestimmen.

22. Christus wurde die Mitte nach seiner Kreuzigung. Es wird im Psalm gesagt: „Unser König, vor den Jahrhunderten, hat das Heil bewirkt in der Mitte der Erde“. Die Erde hält sich nämlich genau in der Mitte und ist aus diesem Grund die niedrigste und kleinste; und weil sie niedrig und klein ist, empfängt sie alle himmlischen Einflüsse und hat eine wunderbare Fruchtbarkeit. Ebenso wurde der Sohn Gottes der bescheidenste, er wurde arm und klein; er empfing unseren irdischen Schlamm und wurde aus Erde gemacht, er, der nicht nur auf die Oberfläche der Erde kam, sondern auch in die Tiefe der Mitte. Es wird gesagt, dass er „das Heil in der Mitte der Erde bewirkt hat“, weil nach der Kreuzigung seine Seele hinabgestiegen ist in die Unterwelt und er die himmlischen Sitzplätze wiederhergestellt hat.

23. Dies ist die Mitte des Heils. Wer sich davon entfernt, also wer sich entfernt von der Mitte der Bescheidenheit, ist verdammt. Der Retter hat bekräftigt: „Ich bin in eurer Mitte wie einer, der dient“; und im Evangelium nach dem heiligen Matthäus: „Wenn ihr euch nicht bekehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eintreten“. In dieser Mitte hat sich das Heil verwirklicht, also in der Erniedrigung des Kreuzes.

24. Aber die Finsternis hat sich hereingeschlichen, denn die Christen verlassen diesen mittleren Ort, wo Christus den Menschen gerettet hat. Daher bekämpft der Mensch, der sein eigenes Maß ignoriert, sein Heil. Wird nicht tatsächlich maßlos, wer die anderen messen will, wenn er sein eigenes Maß ignoriert? Wer sich also ein klein wenig mehr erhebt, als er darf, begibt sich in Gefahr. Wie es der heilige Bernhard sagte: „Wer seinen Kopf erhebt, wenn er eine Tür durchschreitet, verletzt sich, nicht aber, wer sich kleiner gemacht hat“. Daraus ergibt sich die Antwort des heiligen Antonius, dass nur der Bescheidene den Fängen des Teufels entfliehen kann.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Die "Mitte" ist bei Bonaventura Integrations- und Führungsmittel.

Der Heilige besaß nicht nur einen tiefen Einblick in die Ambivalenz der menschlichen Rationalität, sondern auch in die menschliche Seele und ihre Sehnsucht nach Christus.

So wird verständlich, wie er seinen wachsenden, aber auch spannungsreichen Orden 17 Jahre lang bis zu seinem Tod integrieren und leiten konnte und geleitet hat.

Hier der Text:

25. Die vierte Mitte, die der Bildung, ist erleuchtet durch die rationale Offenbarung.
Das ganze rationale Wort ist davon geordnet, damit wir dadurch, wie durch ein Mittel, erfahren, was in uns ist. Denn das Wort ruft den natürlichen Diskurs hervor, das Argument gemäß den vier Arten der Argumentation und diese ruft die logische Schlussfolgerung hervor, die zur Überzeugung führt. So drängt das Mittel durch seine Offensichtlichkeit, seine Offenbarung und seinen Anstand mit den Extremen die Vernunft zuzustimmen, so dass die Extremen, die anfänglich erschienen, als könnten sie sich nicht auf diese einigen, durch die Tugend des Mittels, die jedem von beiden zustimmt, doch als sich Einigende erscheinen.

26. Christus wurde die Mitte nach seiner Auferstehung. Aber es gibt das Argument von Christus und das Argument des Teufels. Das Argument des Teufels führt zur Hölle und das ist der Paralogismus (Trugschluss), das sophistische (spitzfindige) und zerstörerische Argument, während das Argument Christi konstruktiv und stärkend ist.
Tatsächlich täuschte der Teufel den ersten Menschen durch das Wort, indem er im Herzen des Menschen folgenden Vorschlag hinterließ: Das rationale Geschöpf muss seinem Schöpfer ähnlich werden, weil es sein Abbild ist – die größte Strafe der Verdammten kommt daher, weil das Bild wesentlich in der Seele ist und ein solches Streben in den Verdammten wesentlich gleich bleiben wird. Aber wenn du isst, wirst du die Ähnlichkeit erreichen.

27. Das Argument Christi, im Gegenteil, war der Retter und Zerstörer des teuflischen Arguments.
Denn als der Teufel den Menschen Gott unähnlich gemacht hat, als er ihm die Ähnlichkeit vorgeschlagen hat, war es notwendig, dass Christus dem Menschen ähnlich wurde, damit ihm der Mensch ähnlich wurde und damit Gott. Als Gott hat Christus die Gleichförmigkeit der Natur und die Gleichheit an Macht und Unsterblichkeit des Lebens mit dem Vater und er ist eins mit dem Vater in diesen drei Sachen. Es war für ihn also notwendig sich mit dem Menschen zu vereinen in den drei gegenteiligen Sachen. Er nahm also Leidensfähigkeit der Natur an, die Notwendigkeit der Bedürftigkeit und das sterbliche Leben. Auf diese Weise hatte er davon drei von seinem Wesen her und nahm davon drei aus Mitleid an.
Die notwendige Folge war, dass eine der Dreiheiten der anderen übergeordnet ist. Aber das Leben, von seinem Wesen her, kann nicht überwunden werden durch den Tod, noch die Macht durch die Bedürftigkeit, noch Leidfreiheit durch die Leidensfähigkeit. So ist es für den Menschen notwendig, von der Sterblichkeit zur Unsterblichkeit zu gelangen, vom Bedürfnis zum Überfluss, von der Leidensfähigkeit zum Siegeskranz.

28. Die größere Voraussetzung war von aller Ewigkeit und die kleinere Voraussetzung durch das Kreuz, aber die Schlussfolgerung nach der Auferstehung. Die Juden glaubten Christus durcheinandergebracht zu haben und riefen ihm zu: „Wenn du Gottes Sohn bist, steigt herab vom Kreuz“. Tatsächlich sagte Christus nicht: „Lasst mich leben“, sondern „lasst mich den Tod annehmen und mit der anderen Seite eins sein, leiden und sterben“. So ergab sich also die Schlussfolgerung. Also spielte er mit dem Teufel.

29. Christus hat sich dieser Argumente selbst bedient, „sie erschienen ihnen während vierzig Tagen“. „Musste es nicht sein“, sagt er, „dass Christus litt, um in seine Glorie einzutreten?“ Von dieser Mitte hat Johannes geschrieben: „Am Abend desselben Tages, hielt er sich in der Mitte der Jünger auf und sagte ihnen: Friede sei mit euch“. Und dort zeigte Christus diesen zwei Sachen: die Erhabenheit der Glorie, als er als Leidfreier und Unsterblicher, die Türen geschlossen, eintrat als Gott; dann, „er zeigte ihnen seine Hände und seine Seite“, und er entlockte das Bekenntnis von Thomas, so dass er sagte: „Mein Herr und mein Gott“. Bemerke den Fortschritt: Zuerst täuscht er, er trat ein als Gott bei geschlossenen Türen; das war die größere Voraussetzung. Dann, macht er die kleinere Voraussetzung, nachdem „er ihnen seine Hände und seine Seite“ zeigte. An dritter Stelle zog er die Schlussfolgerung, damit Thomas bekannte: „Mein Herr und mein Gott“.

30. Nicht ohne Grund ist das Buch mit sieben Siegeln versiegelt. „Hier“, sagt er, „hat er gesiegt, der Löwe des Stammes Juda, der Sprössling Davids: Er wird das Buch öffnen und seine sieben Siegel entfernen“, die die sieben Mitten sind. Christus, indem er das Grab öffnete, verkündete symbolisch die Öffnung des Buches und, indem er die Leintücher zur Seite legte, die Offenbarung der Geheimnisse.
So ist unsere Logik. So ist die Argumentation, die wir dem Teufel entgegen zu halten haben, der ständig gegen uns argumentiert. Denn in der Einbeziehung der kleineren Voraussetzung findet sich die ganze Kraft, aber wir wollen weder leiden, noch gekreuzigt sein. Das Ziel unserer ganzen Argumentation ist, Gott gleich zu werden. Der Teufel hielt das Argument Christi für ungenügend, nachdem er ihn leiden sah, aber Christus überlistete ihn.
Zuletzt geändert von overkott am Montag 30. April 2007, 15:17, insgesamt 7-mal geändert.

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Beitrag von overkott »

31. Die fünfte Mitte ist das Maß, besonders durch die moralische Wahl. Das Maß ist nämlich eine Tugend; nun aber besteht die Tugend in der Mitte. Diese Mitte ergibt sich aus der Erwägung des Ethikers.

32. Christus wurde die Mitte nach der Himmelfahrt.
Es ist gesagt im Buch Exodus: „Moses trat in die Mitte des Schwarmes und blieb dort vierzig Tage und vierzig Nächte“. Das verwirktlichte Christus nach seiner Himmelfahrt. Denn in der Apostelgeschichte wird gesagt: „Eine Wolke entzog ihn ihren Augen“. Folglich muss der Christ „von der Tugend in die Tugend“ steigen, ohne den Begriff zur Tugend festzulegen, weil er aufhören würde, tugendhaft zu sein.

33. Das Gesetz ist das Fundament der Tugend, und wir müssen es in die Mitte stellen. Über diesen Punkt sagt der Ethiker, dass sich die Mitte „im festen Maß zur rechten Vernunft“ befindet.

34. Die sechste Mitte, die der Gerechtigkeit, ist erhaben oder hervorragend durch die Wiederherstellung der Gerechtigkeit. Christus wird die Mitte nach dem Gericht sein. Der Jurist oder Politiker erwägt die Mitte, damit die Honorierung gemäß den Verdiensten geschieht.
Die Mitte verschönert die ganze Welt, weil sie die verformten Sachen schön macht, noch schöner die schönen und am schönsten die schönsten. Deswegen sagt Augustin, dass die Verdammten gemäß der Schönheit in die Hölle kommen.

35. Im ersten Kapitel des Buches Ezechiel, steht geschrieben: „Ich werde schauen, daß ein Sturmwind von Norden wehen wird, eine große Wolke, ein loderndes Feuer, ringsum mit einem Lichtschein, und in der Mitte, also der Mitte des Feuers, wie ein Ausbruch von Bernstein, und in der Mitte des Feuers, die Ähnlichkeit von vier Tieren", und das beschreibt das Gericht: erstens, was das Umstürzens der Natur betrifft, durch „den Sturmwind“ und durch „die Wolke“; zweitens, was den Ausbruch des Feuers betrifft, durch „das auflodernde Feuer“; drittens, was die Prüfung der Seelen oder die Verdienste betrifft, durch „den Lichtschein“, denn dann werden die Gewissen rein sein; viertens, was die Hilfe der Richter betrifft, durch „ringsum“; Christus in seiner doppelten Natur durch „das Bernstein“; die vier Ordnungen durch „die vier Tiere“: die Päpste im Löwen, die Märtyrer im Rind, die Bekenner im Menschen und die Jungfrauen im Adler aufgrund ihrer Kontemplation.
Daher wird sich durch Christus die Trennung von rein und unrein zeigen, von Lämmern und Böcken.

36. Die Juristen bringen die Urteile über die Geldangelegenheiten, aber wir sprechen von unserem eigenen Gericht. Daher: „Bevor du zu Gericht gehst, beweis deine Gerechtigkeit“.

37. Die siebte Mitte, die der Harmonie, ist friedlich durch die universelle Versöhnung. Diese Mitte ergibt sich aus der Erwägung des Theologen, der bedenkt, wie die Welt, von Gott gemacht, von Gott wiederhergestellt wird. Denn obwohl der Theologe die Werke der Schöpfung betrachtet, behandelt er hauptsächlich die Werke der Versöhnung.
Denn der Theologen behandelt das Heil der Seele, nämlich: wie begonnen im Gesetz, hat es sich in den Tugenden entwickelt und sich vollendet in den Gnadengaben. Daher steht in der Apokalypse geschrieben: „Nie mehr werden sie Hunger leiden, noch Durst, weder wird sie die Sonne bedrücken, noch die Hitze, weil das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist, sie leiten wird und sie führen wird zu den Quellen des Wassers des Lebens“.

[38.] Das Lamm in der Mitte der Wasser ist der Sohn Gottes, der Sohn, sage ich, der die Mittelperson ist, von dem alle Seligkeit ausgeht. Denn Johannes sieht „einen Fluss in der Mitte des Platzes, hervorsprudeln aus dem Thron Gottes und des Lammes“. Denn das Lamm Gottes wird uns leiten, damit, den Leib, die Seele und die Gottheit schauend, wir eine Weide finden, hineingehend oder herausgehend. Die mittlere Mitte, seligsprechend, leuchtet an diesem Ort über dem Körper und über der Seele. Im Psalm wird gesagt: „Ein ungestümer Fluss erfreut die Stadt Gottes“, also der heilige Geist „sprudelt vom Thron Gottes und des Lammes hervor“. Und kein innerer Fehler, durch den das Leben sich verbraucht, geht daraus hervor, weil „sie weder leiden werden an Hunger, noch an Durst wegen des Fehlens einer Weide, „noch wird sie die Sonne bedrücken“ durch eine äußere Störung.

39. Diese Mitten sind „die sieben goldenen Leuchter“ oder Christus „die Mitte der Leuchter“ und sie sind die sieben erwähnten weisen Erleuchtungen, also die Metaphysik, die Physik und so weiter.

Stephen Dedalus
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:roll: :roll: :roll:
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overkott
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Beitrag von overkott »

Zweite Sitzung: Die Fülle der Weisheit, worin alle Predigt münden soll, also das Tor und die Form der Weisheit

1. Im Kapitel fünfzehn des Ecclesiasticus steht geschrieben: „In der Mitte der Kirche, wird er ihm den Mund öffnen und er wird ihn erfüllen mit dem Geist der Weisheit und der Einsicht und wird ihn umhüllen mit dem Mantel des Ruhms“. Man hat vorher die gezeigt, an die der Gelehrte seine Predigt richten soll und womit er beginnen soll. Jetzt bleibt ihm zu zeigen, wo er sie vollenden soll, denn es steht geschrieben: „in der Fülle der Weisheit und der Einsicht“.
Im Hinblick auf die Weisheit, notiere vier Sachen: die ihr Ursprung ist, die ihre Wohnung ist, die ihre Tür ist und die ihre Form ist.
Die zwei ersten sind dargestellt worden in den Sitzungen über die sieben Gaben des Heiligen Geistes, wo gesagt wurde, dass die Weisheit das Licht ist „herabsteigend vom Vater der Lichter in die Seele und dass, in ihr leuchtend, diese sie gottgleich macht und tatsächlich zur Wohnung Gottes. Dieses „herabsteigende“ Licht lässt die intellektuelle Macht leuchten, macht die emotionale Macht ansprechend und die wirkende Macht beständig.
Diese Wohnung ist erbaut auf den sieben Säulen, von denen der glückselige Jakobus klar gesagt hat: „Die Weisheit, die von oben kommt“, sagt er, „ist vor allem ganz rein, dann friedlich, maßvoll, folgsam, wohlwollend, voll von Barmherzigkeit und guter Früchte, nicht fluchend, ohne Eifersucht“. Im Kapitel siebten des Evangeliums nach dem heiligen Matthäus ist von dieser Wohnung gesagt: „Wer meine Worte hört und diese tut, ähnelt einem weisen Menschen, der sein Haus auf Stein gebaut hat“.

2. Das Tür der Weisheit ist das Begehren und heftige Verlangen nach Weisheit. Deshalb wird im Psalm gesagt: „Öffne den Mund und ich werde ihn füllen“. So ist der Weg durch den die Weisheit zu mir kommt, durch den ich in sie hineinkomme und die Weisheit in mich, ganz wie die Barmherzigkeit, von der geschrieben steht: „Gott ist die Liebe [Deus caritas est] und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm“ Aber man erhält diese Weisheit nicht ohne völliges Entgegenkommen; dort aber, wo sich dieses völlige Entgegenkommen findet, ist das Begehren ihm um so brennender vorangegangen.
Es steht geschrieben im Ecclesiasticus: „Mein Sohn, wenn du Weisheit begehrst, achte auf die Gerechtigkeit, und Gott wird sie dir zeigen“. Die Beachtung der Gerechtigkeit macht empfangsbereit, wie der Hunger nach Lehrstoff ihn in Form bringt und ihn zur Form befähigt und ihn berechtigt mit der Form eins zu sein durch die notwendigen Voraussetzungen.
Nicht das die Voraussetzungen ausgelöscht sein sollten, sie sind im Gegenteil um so mehr vollendet, sei es im menschlichen Körper, sei es in den anderen. Die Beachtung der Gerechtigkeit führt also zur Weisheit. Deshalb steht geschrieben im siebten Kapitel des Buches der Weisheit: „Sie ist der Abglanz des ewigen Lichtes, der Spiegel ohne Makel der Majestät Gottes und das Bild seiner Schönheit. Und obwohl sie einzig ist, kann sie alles, und in sich selbst wohnend, erneuert sie alles und verbreitet sich über die Völker in den heiligen Seelen.“

3. Wie kann man diese Weisheit besitzen? Das scheint durch Autorität und durch Beispiel.
Was den ersten Punkt betrifft, steht geschrieben im sechsten Kapitel des Buches der Weisheit: „Denn ihr Anfang ist der ernste Wunsch nach der Lehre. Die Quelle der Lehre ist aber die Liebe und die Liebe ist der Wächter ihrer Gesetze: nun aber ist der Wächter ihrer Gesetze völlig unbestechlich und Unbestechlichkeit lässt ihn Gott nahe sein. So führt der Wunsch nach Weisheit zum Himmelreich. Daher erzeugt der Wunsch nach Weisheit den Wunsch nach der Lehre.
Es gibt zwei Weisen der Lehre: die scholastische Lehre und die monastische, die scholastische Lehre reicht nicht aus um die Weisheit zu erlangen, denn nicht vom Hören allein, sondern vom Befolgen wird der Mensch weise. Daher steht im Psalm geschrieben: „Unterweise mich in der Güte, der Lehre und im Wissen“. Denn man kann das Wissen nicht vor der Lehre erwerben, noch die Lehre vor der Güte und durch die Güte und die Lehre wohnt das Wissen in uns.
Der Kranke ist nämlich niemals geheilt durch die schlichte Tatsache den Arzt zu hören, sondern indem er seine Verschreibungen beachtet, wie der Philosoph sagt im zweiten Buch der Ethik. Aber es gibt nur wenige, die auf diesem Weg der Weisheit voranschreiten, und es gibt daher nur wenige, aus diesem Grund, die zur wahren Weisheit gelangen.

4. Der Wunsch nach der Lehre erzeugt die Liebe. „Die Quelle der Lehre ist also die Liebe“. Wenn du nämlich die Lehre liebst, wirst du die Tugend in dir lieben, in den anderen und in ihrem Ursprung. Andererseits muss die Lehre nicht knechtisch, sondern frei sein, im Bedenken mit Zuneigung, was man annimmt, um aus Liebe zu handeln und nicht aus Furcht. Wenn du nämlich im Urteil der Lehre arm bist, musst du die Armut lieben und er muss ebenso in allen anderen Tugenden sein.
„Die Liebe ist die Tür der Gesetze“. Wenn du nämlich das Gute liebst, beachte das Gesetz, weil das Ziel der Vorschrift die Barmherzigkeit ist, die aus einem reinen Herzen kommt“.
Und wenn du das Gesetz beachtest, bist du geheiligt, bist du erfüllt vom heiligen Geist, bist du also getrennt von aller Liebe, die nicht Gott ist.

5. Diese Heiligkeit ist jene, die Dionysius im Kapitel zwölf der Göttlichen Namen beschreibt: „Die Heiligkeit“, sagt er, „ist frei von aller Unreinheit, perfekt und von einer völlig unbefleckten Reinheit“. Heilig sein ist also getrennt sein von aller Liebe, die beschmutzt und verdorben ist, die die Seele verderben kann. In dieser Heiligung, ist das Geschöpf berufen dem Schöpfer ähnlich zu werden: „Seid Heilige“, sagt er, „weil ich heilig bin“. Diese Heiligkeit macht Gott ebenbildlich und das ist der Grund, weshalb die seraphischen (himmlischen) Geister rufen: „Heilig, heilig, heilig“.

6. Wenn die Seele Gott ähnlich wird, tritt sofort die Weisheit in sie ein. Denn es steht geschrieben, im Kapitel sieben des Buches der Weisheit: „Sie ist der Abglanz des ewigen Lichtes und der Spiegel ohne Makel der Majestät Gottes“; und dann: „sie breitet sich über die Völker aus in heiligen Seelen“. Ohne Heiligkeit, gibt es keinen weisen Menschen. Auch steht im Ecclesiasticus geschrieben:
„Der heilige Mensch bleibt in der Weisheit wie die Sonne, aber der Narr ist wechselhaft wie der Mond [weil er nicht in der Heiligkeit begründet ist], was die unmittelbare Voraussetzung für die Weisheit ist.
Also ist die Tür der Weisheit das Begehren und der heftige Wunsch. Deshalb steht geschrieben im Kapitel sieben des Buches der Weisheit: „Ich habe verlangt und es wurde mir gegeben zu verstehen: ich habe gebetet und der Geist der Weisheit ist auf mich herabgekommen. Ich habe das Königreichen und Zeptern vorgezogen und dabei habe ich sie betrachtet wie keine Reichtümer“, bis: „Ich habe mich erfreut an allen Sachen, weil diese Weisheit mir vorangegangen ist, aber ich wusste nicht, dass sie die Mutter war.“
Er sagt, dass er sie erreicht hat durch Bitten und Beten. Wenn sie nämlich das höchste Gut ist, ist sie allumfassend wünschenswert über alle Sachen.
Am Beispiel von Salomon erscheint auf dieselbe Weise: weil er kein Gold und kein Geld verlangte, sondern ein folgsames Herz, kam die Weisheit auf ihn. Deshalb schreibt Jakobus: „Wenn jemandem unter euch Weisheit fehlt, erbitte er sie von Gott, der alles im Überfluss gibt, ohne zu klagen, und er wird sie ihm geben. Aber er soll mit Vertrauen bitten, ohne zu zögern“. Wer nämlich zögert, hat nicht genug gelernt. So ist also die Tür der Weisheit.
Ein solcher Wunsch löscht die anderen Begierden und erhebt den Menschen über die Welt. Deshalb wird gesagt: „Ich habe sie seit meiner Jugend geliebt und gesucht; ich habe versucht sie zur Frau zu nehmen und ich bin der Geliebte ihrer Schönheit geworden“.
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overkott
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Beitrag von overkott »

Die sechs Tage der Schöpfung
oder die Erleuchtungen der Kirche
Heiliger Bonaventura
Kirchenlehrer
Predigt von 1273

Erste Sitzung: Über die notwendigen Eigenschaften der Hörer des göttlichen Wortes und Christi, Mitte aller Gelehrsamkeit

1. Im 15. Kapitel des Ecclesiasticus [gemäß Vulgata] steht geschrieben: „In der Mitte der Kirche wird ihm der Herr den Mund öffnen, ihn erfüllen mit dem Geist der Weisheit und der Erkenntnis und ihn mit einem Mantel des Ruhmes bekleiden“. Durch diese Worte unterweist der heilige Geist den Menschen, der denen gegenüber, an die er seine Predigt richten muss, darauf bedacht ist, wo diese beginnen und wo diese enden muss.
Erstens: über die, zu denen er predigen muss. Denn er hat gesagt: „an die Kirche“. Denn er darf das Heilige nicht den Hunden geben, noch die Perlen vor die Säue schmeißen.
Zweitens: er zeigt, wo er beginnen muss. Denn er hat gesagt: „in der Mitte“, das heißt mit Christus. Denn, man erreicht nichts, wenn man die Mitte verlässt.
Drittens: wo zu enden ist, denn er hat gesagt in der Fülle oder in der Erfüllung „vom Geist der Weisheit und der Erkenntnis“.

2. Aber zuerst muss von uns selbst gesprochen werden und gesehen werden, wie wir sein müssen. Denn wenn der Lichtstrahl ein krankes Auge erreicht, wird es davon eher erblindet als erleuchtet.
Man muss also von der Kirche sprechen, die eine Gemeinschaft der Vernünftigen sein soll, während die Synagoge eine große Herde von Menschen ist, die wie Schafe ohne Hirten sind. Man muss von der Kirche sprechen, die eine Vereinigung der Vernünftigen sein soll, die auf eine einmütige und gleichförmige Weise leben: durch die einmütige und gleichförmige Beachtung des göttlichen Gesetzes, durch den einmütigen und gleichförmigen Zusammenhalt des göttlichen Friedens, durch die einmütige und gleichförmige Harmonie des göttlichen Lobpreises. Drei Dinge, die aufeinander bezogen und hingeordnet sind: weil es keinen göttlichen Lobpreis geben kann, wo der Friede fehlt, noch einen göttlichen Frieden ohne Beachtung des göttlichen Gesetzes.

3. Zum Thema des ersten Punktes steht im Ersten Brief an Timotheus geschrieben: „Ich schreibe dir das, mein Sohn Timotheus, damit du weißt, wie man sich im Haus Gottes verhalten muss, das die Kirche des lebendigen Gottes ist, Säule und Stütze der Wahrheit“.
Die Kirche wird „Säule und Stütze“ genannt, weil sie dem Geist das Licht vermittelt und der Tugend die Festigkeit. Denn diejenigen, die zur ihr kommen, werden erleuchtet durch den Glauben und unterstützt durch die Beständigkeit der Tugend. Zwei Dinge, die das göttliche Gesetz verwirklichen. Auf diese Weise Säule der Söhne Israels, erscheint es an ihrer Bewegung klar, wann man beginnen und wann man enden muss. Alle Glieder der Kirche sind nämlich einmütig in der Beachtung des Gesetzes Gottes wie früher das ganze Volk mit den Augen der Bewegung der Säule folgte. Wer sie nicht ohne Unterlass beachtet, gehört nicht zur Einheit der Kirche, wie derjenige, der sie nicht versteht, oder derjenige, obwohl er sie versteht, ihr nicht folgt.

4. Außerdem muss man zur Kirche sprechen, die eine Gemeinschaft der Vernünftigen sein soll, durch den einmütigen und gleichförmigen Zusammenhalt des göttlichen Friedens. Denn im Ecclesiasticus heißt es: „Die Söhne der Weisheit bilden die Versammlung der Gerechten, und ihre Natur ist Gehorsam und Liebe“. Die Kirche verwirklicht schließlich die Gemeinschaft derer, die eine gegenseitige Liebe vereint.
Denn die Liebe wird geboren aus der Erfüllung des Gesetzes. Das Gesetz aber schreibt, wie es im Ersten Brief an Timotheus geschrieben steht, die Liebe vor: „Das Ziel der Vorschrift ist die Liebe oder die Barmherzigkeit, die aus einem reinen Herzen geboren wird, aus einem reinen Gewissen und aus einem aufrichtigen Glauben.“ Derselbe Apostel sagt: „Wer seinen Nächsten liebt, erfüllt das Gesetz“. Das bestätigt das Wort des Retters: „An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz wie die Propheten“.
Es ist also notwendig, dass die das Gesetz beachten von Liebe erfüllt sein sollen wie im dreizehnten Kapitel des Evangeliums des heiligen Johannes geschrieben steht: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt“, und wie der Apostel sagt: „Denn er ist kein Gott des Streites, sondern des Friedens“.

5. Außerdem muss man zur Kirche sprechen, die eine Versammlung der Vernünftigen sein soll, durch den einmütigen und gleichförmigen Einklang des göttlichen Lobpreises. Im Psalm steht geschrieben: „Für dich mein Lobpreis in der großen Versammlung“. Denn wie aus der Vielzahl nach einer bestimmten Abstimmung und Harmonie vereinter Stimmen die Sanftheit des Gesangs hervorgeht, so entsteht aus derselben Zuneigung mehrerer die spirituelle Harmonie, die dem Höchsten gefällt. Deshalb steht im Psalm geschrieben: „In den Versammlungen lobt Gott, den Herrn der Quellen Israels“.
Man muss also die Predigt ausschließlich an diejenigen richten, die so das göttliche Gesetz beachten, die so den göttlichen Frieden lieben und so den göttlichen Lobpreis praktizieren und auf diese Weise Mitglieder der Kirche sind.

6. Der Mensch ist verführt durch den Geist der Geilheit und durch den Geist der Gier entgegen der ersten [Eigenschaft der Folgsamkeit gegenüber dem göttlichen Gesetz]. Diese beiden Geister bringen den Menschen vom Gesetz Gottes ab und blenden die beiden Augen der Seele. Das Gesetz Gottes schließlich schreibt das gemeinsame Wohl und das geistliche Wohl vor und schneidet die schändliche Liebe, die die Geilheit ist, und die entzogene Liebe, die die Gier ist, zurück. In der Tat, ist das Gesetz dem fleischlichen Menschen und dem gierigen Menschen verhasst und sie wollen es nicht hören. Sie sind wie der Hund und das Schwein: der Hund bleibt gierig und will niemals teilen und das Schwein will immer im Schlamm leben.

7. Außerdem gehen gegen den Zusammenhalt des Friedens der Geist der Gemeinheit und der Geist der Unmenschlichkeit, der neidische Geist und der jähzornige Geist. Diese zwei stellen alles auf den Kopf: Der Neid verwandelt das Gute in Böses; der Jähzorn alles Böse in Gutes und hält gleichzeitig die Rache selbst für ein Gut. Und aus dieser Tatsache, wie es im Kapitel fünf des Buches Jesaja heißt, „machen sie die Dunkelheiten zu Licht und aus dem Licht die Dunkelheiten.“ Deshalb sind solche Menschen unfähig das Wort Gottes zu hören.

8. Ebenso geht gegen die Harmonie des göttlichen Lobpreises der Geist des Hochmutes und der Geist der Neugier, dadurch, dass der Hochmut Gott nicht lobt, sondern sich selber preist und dass die Neugier ohne Hingabe ist. Auch sind viele ohne Lob und Hingabe, obwohl sie die Lichter der Wissenschaft haben. Daher bauen sie Wespenhäuser, die ohne Honigstrahl bleiben, den die Bienen herstellen können.

9. In der Folge soll sich die Predigt nicht an diese wenden, von denen wir gerade gesprochen haben, weil diese „ein rebellisches Haus“ sind, und wegen der Unwilligkeit der Hörer hat der Herr „die Sprache am Palast festgemacht“.
Aber es sind die Brüder, denen man predigen muss, den Brüdern, von denen im Psalm gesamgt wird: „Ich werde deinen Namen meinen Brüdern sagen, in der Mitte der Versammlung dich preisen.“, und den spirituellen Menschen, damit diese angezogen werden von der Weisheit dieser Welt zur christlichen Weisheit. Tatsächlich hat ein Kritiker des Lebens Christi angefangen bei den Theologen wegen der Sitten und ein Kritiker der Lehre Christi bei den Professoren der freien Künste wegen falscher Hypothesen. Auch darf man nicht nach Ägypten zurückkehren wegen des Wunsches nach niederer Nahrung, Knoblauch, Porree und Wassermelonen, noch die himmlische Kost verachten. Soviel zum ersten Punkt.

10. Zum zweiten Punkt sei angemerkt, dass man „in der Mitte“ anfangen muss, die Christus ist. Er ist nämlich selbst „der Mittler zwischen Gott und den Menschen“, der die Umgebung in allen Sachen zusammenhält, wie es scheint. Deshalb muss derjenige, der die Weisheit erlangen will, notwendigerweise bei ihm anfangen, wie im Evangelium des heiligen Matthäus belegt ist, denn es steht geschrieben: „Niemand kennt den Sohn außer der Vater und niemand den Vater außer der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren wird“.
Es ist außerdem offensichtlich, dass man bei ihm anfangen muss, und dort begannen die beiden größten Weisen, nämlich Moses, der an die Weisheit Gottes herangeführt hat, und Johannes, der sie zum Abschluss gebracht hat. Der erste hat gesagt: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“, das heißt in seinem Sohn, gemäß Augustin, und Johannes: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Durch ihn wurden alle Sachen gemacht“. Also kann man nicht zur Erkenntnis des Geschöpfs gelangen außer durch ihn, durch den es gemacht wurde. Es ist notwendig, wie es im Ecclesiasticus gesagt ist, dass „das wahre Wort dich schuf“.

11. Unsere Absicht ist also zu zeigen, dass in Christus „alle Schätze der Weisheit und der Wissenschaft von Gott verborgen sind und dass er selbst die Mitte aller Weisheit ist“.
Denn die Mitte hat sieben Formen: Er ist die Mitte des Seins, der Natur, der Entfernung, der Bildung, des Maßes, der Gerechtigkeit und der Eintracht. Das erste erscheint bei der Betrachtung der Metaphysiker, das zweite der Physiker, das dritte der Mathematiker, das vierte der Logiker, das fünfte der Ethiker, das sechste des Staatsmannes oder der Juristen, das siebte der Theologen.
Die erste Mitte ist zuerst aus dem ewigen Anfang;
die zweite, machtvoll durch die mögliche Verbreitung;
die dritte, tief durch ihre zentrale Position;
die vierte, leuchtend durch rationale Offenbarung;
die fünfte, besonders durch die moralische Wahl;
die sechste, hervorragend durch die rechtliche Reform;
die siebte, friedlich durch die universelle Versöhnung.
Christus wurde die erste Mitte in der ewigen Zeugung, die zweite in der Menschwerdung, die dritte in seinem Leiden, die vierte in seiner Auferstehung, die fünfte in seiner Himmelfahrt, die sechste im jüngsten Gericht und die siebte in der ewigen Honorierung oder Seligsprechung.

12. Die erste Mitte also, die des Seins, ist durch die ewige Zeugung.
Tatsächlich ist das Sein nicht ohne doppelte Weise: sei es das Sein aus sich, sich selbst entsprechend und für sich, sei es das Sein, das von einem anderen ist, einem anderen gemäß und für ein anderes. Es ist außerdem notwendig, dass das Sein aus sich, sich selbst entsprechend und für sich sei. Das Sein als sein eigener Ursprung, das Sein als sein eigenes Ebenbild und das Sein als Selbstzweck und Vollendung ist für sich, das heißt als solches Anfang, Mitte, Ziel und Ende: der Vater als der erste Ursprung, der Sohn als exemplarische Mitte und der heilige Geist als vollendende Ergänzung. Diese drei Personen sind gleich und gleich vornehm, weil es für den heiligen Geist der gleiche Vorzug, ist die göttlichen Personen zu beenden wie für den Vater, der Ursprung, zu sein oder für den Sohn, alle Sache zu repräsentieren.

13. Der Metaphysiker kann sich wohl aufschwingen zur Betrachtung der Prinzipien der geschaffenen Substanz und insbesondere der universellen und ungeschaffenen Substanz; er kann sich wohl aufschwingen zu diesem Sein soweit er es für die Begründung des Anfangs, der Mitte und des letzten Zieles hält, aber er kann das nicht mit der Begründung des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.
Der Metaphysiker kann sich also aufschwingen zu diesem Sein in der Betrachtung mit der Begründung des entspringenden Prinzips aller Sachen und darin übereinstimmen mit dem Physiker, der die Ursprünge der Sachen betrachtet. Er schwingt sich außerdem zu diesem Sein auf in der Betrachtung unter der Begründung des letzten Ziels und darin stimmt er mit dem Moralisten und dem Ethiker überein, der alle Sachen auf ein einziges höchstes Gut wie auf ein letztes Ziel zurückführt, indem er das Glück sowohl praktisch als auch spekulativ betrachtet. Aber wenn er dieses Sein als Begründung des Ebenbildes aller Sachen betrachtet, unterteilt er das nicht mit Personen und er ist ein wahrer Metaphysiker.
Von Ewigkeit her hat der Vater einen Sohn gezeugt, ihm ähnlich, und er hat sich ausgedrückt und hat seine eigene Ähnlichkeit ausgedrückt und damit seine ganze Macht. Er hat ausgedrückt, dass er machen kann und vor allem, was er wollen kann, und er hat alle Sachen in ihm ausgedrückt, dem Sohn, in diesem Mittel wie in seiner Kunst. Deshalb ist dieses Mittel die Wahrheit. Und es ist nach Augustin und anderen Heiligen so eingerichtet, dass Christus, der seinen Thron im Himmel hat, innerlich unterrichtet, und dass davon keine Umstände und keine Wahrheit bekannt sein kann außer durch diese Wahrheit. In Wirklichkeit ist das Prinzip des Seins und des Wissens identisch, wenn also das Erkennbare als Erkennbares ewig ist, gemäß dem Philosophen, ist es notwendig, dass nichts bekannt sein soll außer durch die unveränderliche, unerschütterliche und unbegrenzte Wahrheit.

14. Er ist notwendigerweise die Mitte der Personen: Denn, wenn es eine Person gibt, die hervorbringt und nicht hervorgebracht ist, und eine Person, die hervorgebracht ist und nicht hervorbringt gibt es notwendigerweise eine Mittelperson, die hervorgebracht ist und die hervorbringt. So ist also diese Wahrheit wahrnehmbar nur in dem Geist, in dem die Engel, die Propheten und die Philosophen das Wahre, das sie sagen, vernehmen.
15. Von dieser Mitte ist in Genesis gesagt: „Der Herrgott ließ aus der Erde alle Bäume wachsen, schön anzusehen und lieblich zu essen, und auch den Baum des Lebens in der Mitte des Paradieses“. Gemäß Augustin wurde von jeder hervorgebrachten Sache gesagt:
„Dass sie sein soll“, „er machte“ und „sie wurde gemacht“, mit Ausnahme des Lichtes von dem er gesagt hat: „Es werde Licht und es wurde Licht“, weil alles hervorgebracht wurde zuerst ewig in ewiger Kunst, im geistigen Geschöpf, und dann schließlich in der sichtbaren Welt.

16. Das ist gegen die Irrtümer derer, die glauben, dass die Welt ewig geschaffen wurde. Tatsächlich schätzen sie, dass aus der Tatsache, dass unsere Geister aus den ewigen Lichtern erscheinen, dass diese Sachen, ewig hervorgebracht oder eingeschrieben sind in die ewige Kunst, ebenso ewig geschaffen sind in dieser Welt und dass die Welt, ewig eingeschrieben in die ewige Kunst, es ebenso ist in der Materie.
Nun erstreckt sich aber das Wort aus Genesis über das irdische Paradiess auf den engelhaften, menschlichen und ewigen Intellekt. Denn wie gesagt hat der Vater einen seines gleichen gezeugt, das Wort, das mit ihm zusammen ewig ist und er hat seine Ähnlichkeit hervorgerufen und folglich all seine Macht ausgedrückt.

17. Das Wort drückt also den Vater aus und die Wirklichkeiten, die „durch ihn gemacht sind“, und er führt uns vor allem zum vereinenden Vater. In dieser Hinsicht ist er „der Baum des Leben, weil wir wiederkehren durch diese Mitte und wir belebt wurde in „dieser Quelle des Lebens“.
Aber wenn wir beim Forschen über das, was uns zusteht, hinausgehen und dazu neigen die Sachen durch Erfahrung zu erwerben, stürzen aus der wahren Kontemplation ab und probieren vom verbotenen Baum der „Erkenntnis von Gut und Böse“ wie es Lucifer gemacht hat.
Wenn also Lucifer, diese Wahrheit betrachtend, zurückgeführt worden wäre von der Kenntnis des Geschöpfes zur Einheit des Vaters, hätte er aus dem Abend einen Morgen gemacht und hätte einen Tag gehabt, aber weil er in die Hölle gestürzt ist und die Gier nach Größe, verlor er den Tag. Ebenso geschah es Adam.
Diese Mitte ist das den Retter hervorbringende Mittel, also die Wahrheit, die wohl ein „Baum des Lebens“ ist. Die andere Wahrheit ist ein Anlass für den Tod, weil man sich in die Schönheit des Geschöpfes verliebt hat. Durch die erste Wahrheit, müssen alle wiederkehren, damit, wie der Sohn gesagt: „Ich bin vom Vater ausgegangen und ich bin in die Welt gekommen; jetzt verlasse ich die Welt und gehe zum Vater“, jeder sagen soll: Herr, ich bin von dir, dem Allerhöchsten, ausgegangen und ich komme zu dir, dem Allerhöchsten zurück, durch dich, den Allerhöchsten.
So ist die metaphysische Mitte, die zurückführt und so ist unsere ganze Metaphysik: Emanation, Abbildung, Vollendung; das bedeutet erleuchtet zu sein durch die spirituellen Strahlen und zurückgeführt zu werden vom Allerhöchsten. Und auf diese Weise wirst du ein wahrer Metaphysiker sein.

18. Die zweite Mitte, die der Natur, ist machtvoll durch die mögliche Ausstrahlung. Diese Mitte kommt von der Betrachtung des Physikers, der den Beweggrund und die Erzeugung betrachtet gemäß dem Einfluss der Himmelskörper und der Elemente, die Einführung der Elemente von der Form des Gemisches zur Form des Zusammenhangs, von der Form des Zusammenhangs zur vegetativen Seele, von dieser zur fühlenden Seele und von jener zur rationalen Seele und damit zum Ziel.

19. Trotzdem betrachtet der Physiker eine doppelte Mitte, die des Makrokosmos und die des Mikrokosmos. Die Mitte des Makrokosmos ist die Sonne, die Mitte des Mikrokosmos ist das Herz.
Denn die Sonne ist in der Mitte der Planeten und gemäß ihrer Bewegung, in einem schiefen Kreis, erfolgen die Erzeugungen. Der Physiker misst die Erzeugung. Unter allen Planeten ist die Ausstrahlung der Sonne am mächtigsten.
Die Ausstrahlung des Herzens ist ebenso sehr machtvoll, wie die Mediziner sagen. Denn von diesem verbreitet sich der Lebensgeist über die Arterien und der tierische Geist über die Nerven, so dass es eine Ergänzung im Hirn erhält; und auch von ihm verbeitet sich ebenso der natürliche Geist über die Venen, so dass es sich in der Leber vollendet.

20. Christus wurde die Mitte seit seiner Menschenwerdung. Weil es gesagt ist im Evangelium nach dem heiligen Johannes „In der Mitte von euch hat sich aufgehalten, den ihr nicht erkannt habt“ und dann spricht Johannes, der Freund des Bräutigams, vom Herrn, vom Bräutigam selbst, indem er zeigt wie er die Mitte der Kirche ist. Er sagt davon: „Der, der mich gesandt hat mit Wasser zu taufen, hat mir gesagt: Der, über den du den heiligen Geist herabsteigen und ruhen sehen wirst, ist der, der mit dem heiligen Geist taufen wird.“
Die Schrift nennt Christus manchmal Mitte, manchmal Haupt. Er wird Haupt genannt, weil von ihm die Sinne der Sinn und die geistlichen Bewegungen und die Charismen der Gnade fließen; nun aber beeinflusst das Haupt dadurch, dass es verbunden ist mit den Gliedern. Tatsächlich „ist das Haupt Christi Gott“, als Christus ist Gott, und „das Haupt des Menschen, das ist Christus als Gott und Mensch. Daher strahlt der heilige Geist in die Glieder der Kirche, die mit ihm vereint sind und nicht in getrennte Gliedern. Auch im mystischen Leib wie im menschlichen Leib gibt es nur eine Ausstrahlung vom Haupt in die Glieder, die vereint sind.
Dieser ist, wie das Herz, die Mitte von zwei Lebenden; daher ist gesagt im Buch von Habakuk: „Das sei wiedererkannt in der Mitte von zwei Lebzeiten“ und in einer anderen Übersetzung: „In der Mitte von zwei Jahren“, das heißt wie die Sonne, weil sie die Fülle der Zeit durchläuft, wie die Sonne, die auf der Uhr von Achaz sechs Grad heruntersteigt. Das ist also, gemäß Septuaginta in der Mitte der Lebzeiten, die ihm [vor der Menschwerdung] vorausgingen und ihm [nach der Menschwerdung] folgten.

21. Die dritte Mitte, die der Entfernung, ist tief durch die mittlere Stellung, wovon der Mathematiker handelt. Obwohl die erste Erwägung [des Mathematikers] sich auf das Maß der Erde bezieht, erstreckt sie sich doch auf die höheren Körper, insofern sie die niederen Körper gemäß ihrem Einfluss bestimmen.

22. Christus wurde die Mitte nach seiner Kreuzigung. Es wird im Psalm gesagt: „Unser König, vor den Jahrhunderten, hat das Heil bewirkt in der Mitte der Erde“. Die Erde hält sich nämlich genau in der Mitte und ist aus diesem Grund die niedrigste und kleinste; und weil sie niedrig und klein ist, empfängt sie alle himmlischen Einflüsse und hat eine wunderbare Fruchtbarkeit. Ebenso wurde der Sohn Gottes der bescheidenste, er wurde arm und klein; er empfing unseren irdischen Schlamm und wurde aus Erde gemacht, er, der nicht nur auf die Oberfläche der Erde kam, sondern auch in die Tiefe der Mitte. Es wird gesagt, dass er „das Heil in der Mitte der Erde bewirkt hat“, weil nach der Kreuzigung seine Seele hinabgestiegen ist in die Unterwelt und er die himmlischen Sitzplätze wiederhergestellt hat.

23. Dies ist die Mitte des Heils. Wer sich davon entfernt, also wer sich entfernt von der Mitte der Bescheidenheit, ist verdammt. Der Retter hat bekräftigt: „Ich bin in eurer Mitte wie einer, der dient“; und im Evangelium nach dem heiligen Matthäus: „Wenn ihr euch nicht bekehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eintreten“ In dieser Mitte hat sich das Heil verwirklicht, also in der Erniedrigung des Kreuzes.

24. Aber die Finsternis hat sich hereingeschlichen, denn die Christen verlassen diesen mittleren Ort, wo Christus den Menschen gerettet hat. Daher bekämpft der Mensch, der sein eigenes Maß ignoriert, sein Heil. Wird nicht tatsächlich maßlos, wer die anderen messen will, wenn er sein eigenes Maß ignoriert? Wer sich also ein klein wenig mehr erhebt, als er darf, begibt sich in Gefahr. Wie es der heilige Bernhard sagte: „Wer seinen Kopf erhebt, wenn er eine Tür durchschreitet, verletzt sich, nicht aber, wer sich kleiner gemacht hat“. Daraus ergibt sich die Antwort des heiligen Antonius, dass nur der Bescheidene den Fängen des Teufels entfliehen kann.

25. Die vierte Mitte, die der Bildung, ist erleuchtet durch die rationale Offenbarung.
Das ganze rationale Wort ist davon geordnet, damit wir dadurch, wie durch ein Mittel, erfahren, was in uns ist. Denn das Wort ruft den natürlichen Diskurs hervor, das Argument gemäß den vier Arten der Argumentation und diese ruft die logische Schlussfolgerung hervor, die zur Überzeugung führt. So drängt das Mittel durch seine Offensichtlichkeit, seine Offenbarung und seinen Anstand mit den Extremen die Vernunft zuzustimmen, so dass die Extremen, die anfänglich erschienen, als könnten sie sich nicht auf diese einigen, durch die Tugend des Mittels, die jedem von beiden zustimmt, doch als sich Einigende erscheinen.

26. Christus wurde die Mitte nach seiner Auferstehung. Aber es gibt das Argument von Christus und das Argument des Teufels. Das Argument des Teufels führt zur Hölle und das ist der Paralogismus (Trugschluss), das sophistische (spitzfindige) und zerstörerische Argument, während das Argument Christi konstruktiv und stärkend ist.
Tatsächlich täuschte der Teufel den ersten Menschen durch das Wort, indem er im Herzen des Menschen folgenden Vorschlag hinterließ: Das rationale Geschöpf muss seinem Schöpfer ähnlich werden, weil es sein Abbild ist – die größte Strafe der Verdammten kommt daher, weil das Bild wesentlich in der Seele ist und ein solches Streben in den Verdammten wesentlich gleich bleiben wird. Aber wenn du isst, wirst du die Ähnlichkeit erreichen.

27. Das Argument Christi, im Gegenteil, war der Retter und Zerstörer des teuflischen Arguments.
Denn als der Teufel den Menschen Gott unähnlich gemacht hat, als er ihm die Ähnlichkeit vorgeschlagen hat, war es notwendig, dass Christus dem Menschen ähnlich wurde, damit ihm der Mensch ähnlich wurde und damit Gott. Als Gott hat Christus die Gleichförmigkeit der Natur und die Gleichheit an Macht und Unsterblichkeit des Lebens mit dem Vater und er ist eins mit dem Vater in diesen drei Sachen. Es war für ihn also notwendig sich mit dem Menschen zu vereinen in den drei gegenteiligen Sachen. Er nahm also Leidensfähigkeit der Natur an, die Notwendigkeit der Bedürftigkeit und das sterbliche Leben. Auf diese Weise hatte er davon drei von seinem Wesen her und nahm davon drei aus Mitleid an.
Die notwendige Folge war, dass eine der Dreiheiten der anderen übergeordnet ist. Aber das Leben, von seinem Wesen her, kann nicht überwunden werden durch den Tod, noch die Macht durch die Bedürftigkeit, noch Leidfreiheit durch die Leidensfähigkeit. So ist es für den Menschen notwendig, von der Sterblichkeit zur Unsterblichkeit zu gelangen, vom Bedürfnis zum Überfluss, von der Leidensfähigkeit zum Siegeskranz.

28. Die größere Voraussetzung war von aller Ewigkeit und die kleinere Voraussetzung durch das Kreuz, aber die Schlussfolgerung nach der Auferstehung. Die Juden glaubten Christus durcheinandergebracht zu haben und riefen ihm zu: „Wenn du Gottes Sohn bist, steigt herab vom Kreuz“. Tatsächlich sagte Christus nicht: „Lasst mich leben“, sondern „lasst mich den Tod annehmen und mit der anderen Seite eins sein, leiden und sterben“. So ergab sich also die Schlussfolgerung. Also spielte er mit dem Teufel.

29. Christus hat sich dieser Argumente selbst bedient, „sie erschienen ihnen während vierzig Tagen“. „Musste es nicht sein“, sagt er, „dass Christus litt, um in seine Glorie einzutreten?“ Von dieser Mitte hat Johannes geschrieben: „Am Abend desselben Tages, hielt er sich in der Mitte der Jünger auf und sagte ihnen: Friede sei mit euch“. Und dort zeigte Christus diesen zwei Sachen: die Erhabenheit der Glorie, als er als Leidfreier und Unsterblicher, die Türen geschlossen, eintrat als Gott; dann, „er zeigte ihnen seine Hände und seine Seite“, und er entlockte das Bekenntnis von Thomas, so dass er sagte: „Mein Herr und mein Gott“. Bemerke den Fortschritt: Zuerst täuscht er, er trat ein als Gott bei geschlossenen Türen; das war die größere Voraussetzung. Dann, macht er die kleinere Voraussetzung, nachdem „er ihnen seine Hände und seine Seite“ zeigte. An dritter Stelle zog er die Schlussfolgerung, damit Thomas bekannte: „Mein Herr und mein Gott“.

30. Nicht ohne Grund ist das Buch mit sieben Siegeln versiegelt. „Hier“, sagt er, „hat er gesiegt, der Löwe des Stammes Juda, der Sprössling Davids: Er wird das Buch öffnen und seine sieben Siegel entfernen“, die die sieben Mitten sind. Christus, indem er das Grab öffnete, verkündete symbolisch die Öffnung des Buches und, indem er die Leintücher zur Seite legte, die Offenbarung der Geheimnisse.
So ist unsere Logik. So ist die Argumentation, die wir dem Teufel entgegen zu halten haben, der ständig gegen uns argumentiert. Denn in der Einbeziehung der kleineren Voraussetzung findet sich die ganze Kraft, aber wir wollen weder leiden, noch gekreuzigt sein. Das Ziel unserer ganzen Argumentation ist, Gott gleich zu werden. Der Teufel hielt das Argument Christi für ungenügend, nachdem er ihn leiden sah, aber Christus überlistete ihn.

31. Die fünfte Mitte ist das Maß, besonders durch die moralische Wahl. Das Maß ist nämlich eine Tugend; nun aber besteht die Tugend in der Mitte. Diese Mitte ergibt sich aus der Erwägung des Ethikers.

32. Christus wurde die Mitte nach der Himmelfahrt.
Es ist gesagt im Buch Exodus: „Moses trat in die Mitte des Schwarmes und blieb dort vierzig Tage und vierzig Nächte“. Das verwirktlichte Christus nach seiner Himmelfahrt. Denn in der Apostelgeschichte wird gesagt: „Eine Wolke entzog ihn ihren Augen“. Folglich muss der Christ „von der Tugend in die Tugend“ steigen, ohne den Begriff zur Tugend festzulegen, weil er aufhören würde, tugendhaft zu sein.

33. Das Gesetz ist das Fundament der Tugend, und wir müssen es in die Mitte stellen. Über diesen Punkt sagt der Ethiker, dass sich die Mitte „im festen Maß zur rechten Vernunft“ befindet.

34. Die sechste Mitte, die der Gerechtigkeit, ist erhaben oder hervorragend durch die Wiederherstellung der Gerechtigkeit. Christus wird die Mitte nach dem Gericht sein. Der Jurist oder Politiker erwägt die Mitte, damit die Honorierung gemäß den Verdiensten geschieht.
Die Mitte verschönert die ganze Welt, weil sie die verformten Sachen schön macht, noch schöner die schönen und am schönsten die schönsten. Deswegen sagt Augustin, dass die Verdammten gemäß der Schönheit in die Hölle kommen.

35. Im ersten Kapitel des Buches Ezechiel, steht geschrieben: „Ich werde schauen, daß ein Sturmwind von Norden wehen wird, eine große Wolke, ein loderndes Feuer, ringsum mit einem Lichtschein, und in der Mitte, also der Mitte des Feuers, wie ein Ausbruch von Bernstein, und in der Mitte des Feuers, die Ähnlichkeit von vier Tieren", und das beschreibt das Gericht: erstens, was das Umstürzens der Natur betrifft, durch „den Sturmwind“ und durch „die Wolke“; zweitens, was den Ausbruch des Feuers betrifft, durch „das auflodernde Feuer“; drittens, was die Prüfung der Seelen oder die Verdienste betrifft, durch „den Lichtschein“, denn dann werden die Gewissen rein sein; viertens, was die Hilfe der Richter betrifft, durch „ringsum“; Christus in seiner doppelten Natur durch „das Bernstein“; die vier Ordnungen durch „die vier Tiere“: die Päpste im Löwen, die Märtyrer im Rind, die Bekenner im Menschen und die Jungfrauen im Adler aufgrund ihrer Kontemplation.
Daher wird sich durch Christus die Trennung von rein und unrein zeigen, von Lämmern und Böcken.

36. Die Juristen bringen die Urteile über die Geldangelegenheiten, aber wir sprechen von unserem eigenen Gericht. Daher: „Bevor du zu Gericht gehst, beweis deine Gerechtigkeit“.

37. Die siebte Mitte, die der Harmonie, ist friedlich durch die universelle Versöhnung. Diese Mitte ergibt sich aus der Erwägung des Theologen, der bedenkt, wie die Welt, von Gott gemacht, von Gott wiederhergestellt wird. Denn obwohl der Theologe die Werke der Schöpfung betrachtet, behandelt er hauptsächlich die Werke der Versöhnung.
Denn der Theologen behandelt das Heil der Seele, nämlich: wie begonnen im Gesetz, hat es sich in den Tugenden entwickelt und sich vollendet in den Gnadengaben. Daher steht in der Apokalypse geschrieben: „Nie mehr werden sie Hunger leiden, noch Durst, weder wird sie die Sonne bedrücken, noch die Hitze, weil das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist, sie leiten wird und sie führen wird zu den Quellen des Wassers des Lebens“.

[38.] Das Lamm in der Mitte der Wasser ist der Sohn Gottes, der Sohn, sage ich, der die Mittelperson ist, von dem alle Seligkeit ausgeht. Denn Johannes sieht „einen Fluss in der Mitte des Platzes, hervorsprudeln aus dem Thron Gottes und des Lammes“. Denn das Lamm Gottes wird uns leiten, damit, den Leib, die Seele und die Gottheit schauend, wir eine Weide finden, hineingehend oder herausgehend. Die mittlere Mitte, seligsprechend, leuchtet an diesem Ort über dem Körper und über der Seele. Im Psalm wird gesagt: „Ein ungestümer Fluss erfreut die Stadt Gottes“, also der heilige Geist „sprudelt vom Thron Gottes und des Lammes hervor“. Und kein innerer Fehler, durch den das Leben sich verbraucht, geht daraus hervor, weil „sie weder leiden werden an Hunger, noch an Durst wegen des Fehlens einer Weide, „noch wird sie die Sonne bedrücken“ durch eine äußere Störung.

39. Diese Mitten sind „die sieben goldenen Leuchter“ oder Christus „die Mitte der Leuchter“ und sie sind die sieben erwähnten weisen Erleuchtungen, also die Metaphysik, die Physik und so weiter.

Zweite Sitzung: Die Fülle der Weisheit, worin alle Predigt münden soll, also das Tor und die Form der Weisheit

1. Im Kapitel fünfzehn des Ecclesiasticus steht geschrieben: „In der Mitte der Kirche wird ihm der Herr den Mund öffnen, ihn erfüllen mit dem Geist der Weisheit und der Erkenntnis und ihn mit einem Mantel des Ruhmes bekleiden“. Man hat vorher die gezeigt, an die der Gelehrte seine Predigt richten soll und womit er beginnen soll. Jetzt bleibt ihm zu zeigen, wo er sie vollenden soll, denn es steht geschrieben: „in der Fülle der Weisheit und der Einsicht“.
Im Hinblick auf die Weisheit, notiere vier Sachen: die ihr Ursprung ist, die ihre Wohnung ist, die ihre Tür ist und die ihre Form ist.
Die zwei ersten sind dargestellt worden in den Sitzungen über die sieben Gaben des Heiligen Geistes, wo gesagt wurde, dass die Weisheit das Licht ist „herabsteigend vom Vater der Lichter in die Seele und dass, in ihr leuchtend, diese sie gottgleich macht und tatsächlich zur Wohnung Gottes. Dieses „herabsteigende“ Licht lässt die intellektuelle Macht leuchten, macht die emotionale Macht ansprechend und die wirkende Macht beständig.
Diese Wohnung ist erbaut auf den sieben Säulen, von denen der glückselige Jakobus klar gesagt hat: „Die Weisheit, die von oben kommt“, sagt er, „ist vor allem ganz rein, dann friedlich, maßvoll, folgsam, wohlwollend, voll von Barmherzigkeit und guter Früchte, nicht fluchend, ohne Eifersucht“. Im Kapitel sieben des Evangeliums nach dem heiligen Matthäus ist von dieser Wohnung gesagt: „Wer meine Worte hört und diese tut, ähnelt einem weisen Menschen, der sein Haus auf Stein gebaut hat“.

2. Das Tür der Weisheit ist das Begehren und heftige Verlangen nach Weisheit. Deshalb wird im Psalm gesagt: „Öffne den Mund und ich werde ihn füllen“. So ist der Weg durch den die Weisheit zu mir kommt, durch den ich in sie hineinkomme und die Weisheit in mich, ganz wie die Barmherzigkeit, von der geschrieben steht: „Gott ist die Liebe [Deus caritas est] und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm“ Aber man erhält diese Weisheit nicht ohne völliges Entgegenkommen; dort aber, wo sich dieses völlige Entgegenkommen findet, ist das Begehren ihm um so brennender vorangegangen.
Es steht geschrieben im Ecclesiasticus: „Mein Sohn, wenn du Weisheit begehrst, achte auf die Gerechtigkeit, und Gott wird sie dir zeigen“. Die Beachtung der Gerechtigkeit macht empfangsbereit, wie der Hunger nach Lehrstoff ihn in Form bringt und ihn zur Form befähigt und ihn berechtigt mit der Form eins zu sein durch die notwendigen Voraussetzungen.
Nicht das die Voraussetzungen ausgelöscht sein sollten, sie sind im Gegenteil um so mehr vollendet, sei es im menschlichen Körper, sei es in den anderen. Die Beachtung der Gerechtigkeit führt also zur Weisheit. Deshalb steht geschrieben im siebten Kapitel des Buches der Weisheit: „Sie ist der Abglanz des ewigen Lichtes, der Spiegel ohne Makel der Majestät Gottes und das Bild seiner Schönheit. Und obwohl sie einzig ist, kann sie alles, und in sich selbst wohnend, erneuert sie alles und verbreitet sich über die Völker in den heiligen Seelen.“

3. Wie kann man diese Weisheit besitzen? Das scheint durch Autorität und durch Beispiel.
Was den ersten Punkt betrifft, steht geschrieben im sechsten Kapitel des Buches der Weisheit: „Denn ihr Anfang ist der ernste Wunsch nach der Lehre. Die Quelle der Lehre ist aber die Liebe und die Liebe ist der Wächter ihrer Gesetze: nun aber ist der Wächter ihrer Gesetze völlig unbestechlich und Unbestechlichkeit lässt ihn Gott nahe sein. So führt der Wunsch nach Weisheit zum Himmelreich. Daher erzeugt der Wunsch nach Weisheit den Wunsch nach der Lehre.
Es gibt zwei Weisen der Lehre: die scholastische Lehre und die monastische, die scholastische Lehre reicht nicht aus um die Weisheit zu erlangen, denn nicht vom Hören allein, sondern vom Befolgen wird der Mensch weise. Daher steht im Psalm geschrieben: „Unterweise mich in der Güte, der Lehre und im Wissen“. Denn man kann das Wissen nicht vor der Lehre erwerben, noch die Lehre vor der Güte und durch die Güte und die Lehre wohnt das Wissen in uns.
Der Kranke ist nämlich niemals geheilt durch die schlichte Tatsache den Arzt zu hören, sondern indem er seine Verschreibungen beachtet, wie der Philosoph sagt im zweiten Buch der Ethik. Aber es gibt nur wenige, die auf diesem Weg der Weisheit voranschreiten, und es gibt daher nur wenige, aus diesem Grund, die zur wahren Weisheit gelangen.

4. Der Wunsch nach der Lehre erzeugt die Liebe. „Die Quelle der Lehre ist also die Liebe“. Wenn du nämlich die Lehre liebst, wirst du die Tugend in dir lieben, in den anderen und in ihrem Ursprung. Andererseits muss die Lehre nicht knechtisch, sondern frei sein, im Bedenken mit Zuneigung, was man annimmt, um aus Liebe zu handeln und nicht aus Furcht. Wenn du nämlich im Urteil der Lehre arm bist, musst du die Armut lieben und er muss ebenso in allen anderen Tugenden sein.
„Die Liebe ist die Tür der Gesetze“. Wenn du nämlich das Gute liebst, beachte das Gesetz, weil das Ziel der Vorschrift die Barmherzigkeit ist, die aus einem reinen Herzen kommt“.
Und wenn du das Gesetz beachtest, bist du geheiligt, bist du erfüllt vom heiligen Geist, bist du also getrennt von aller Liebe, die nicht Gott ist.

5. Diese Heiligkeit ist jene, die Dionysius im Kapitel zwölf der Göttlichen Namen beschreibt: „Die Heiligkeit“, sagt er, „ist frei von aller Unreinheit, perfekt und von einer völlig unbefleckten Reinheit“. Heilig sein ist also getrennt sein von aller Liebe, die beschmutzt und verdorben ist, die die Seele verderben kann. In dieser Heiligung, ist das Geschöpf berufen dem Schöpfer ähnlich zu werden: „Seid Heilige“, sagt er, „weil ich heilig bin“. Diese Heiligkeit macht Gott ebenbildlich und das ist der Grund, weshalb die seraphischen (himmlischen) Geister rufen: „Heilig, heilig, heilig“.

6. Wenn die Seele Gott ähnlich wird, tritt sofort die Weisheit in sie ein. Denn es steht geschrieben, im Kapitel sieben des Buches der Weisheit: „Sie ist der Abglanz des ewigen Lichtes und der Spiegel ohne Makel der Majestät Gottes“; und dann: „sie breitet sich über die Völker aus in heiligen Seelen“. Ohne Heiligkeit, gibt es keinen weisen Menschen. Auch steht im Ecclesiasticus geschrieben:
„Der heilige Mensch bleibt in der Weisheit wie die Sonne, aber der Narr ist wechselhaft wie der Mond [weil er nicht in der Heiligkeit begründet ist], was die unmittelbare Voraussetzung für die Weisheit ist.
Also ist die Tür der Weisheit das Begehren und der heftige Wunsch. Deshalb steht geschrieben im Kapitel sieben des Buches der Weisheit: „Ich habe verlangt und es wurde mir gegeben zu verstehen: ich habe gebetet und der Geist der Weisheit ist auf mich herabgekommen. Ich habe das Königreichen und Zeptern vorgezogen und dabei habe ich sie betrachtet wie keine Reichtümer“, bis: „Ich habe mich erfreut an allen Sachen, weil diese Weisheit mir vorangegangen ist, aber ich wusste nicht, dass sie die Mutter war.“
Er sagt, dass er sie erreicht hat durch Bitten und Beten. Wenn sie nämlich das höchste Gut ist, ist sie allumfassend wünschenswert über alle Sachen.
Am Beispiel von Salomon erscheint auf dieselbe Weise: weil er kein Gold und kein Geld verlangte, sondern ein folgsames Herz, kam die Weisheit auf ihn. Deshalb schreibt Jakobus: „Wenn jemandem unter euch Weisheit fehlt, erbitte er sie von Gott, der alles im Überfluss gibt, ohne zu klagen, und er wird sie ihm geben. Aber er soll mit Vertrauen bitten, ohne zu zögern“. Wer nämlich zögert, hat nicht genug gelernt. So ist also die Tür der Weisheit.
Ein solcher Wunsch löscht die anderen Begierden und erhebt den Menschen über die Welt. Deshalb wird gesagt: „Ich habe sie seit meiner Jugend geliebt und gesucht; ich habe versucht sie zur Frau zu nehmen und ich bin der Geliebte ihrer Schönheit geworden“.

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overkott
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Beitrag von overkott »

7. Die Schönheit der Weisheit ist wunderbar und nichts sieht sie ohne Bewunderung, noch Extase, wie Esther und Salamon, „dessen Gesicht die ganze Welt sehen wollte“. Denn die Königin von Saba kam von den Enden der Erde um Salomos Weisheit zu hören; und nachdem sie sah „die Anordnungen seiner Minister, deren Kleider, die Mundschenke und die Brandopfer, die sie im Haus des Herrn darbrachten, hatte sie nicht mehr ihren Geist“.
Aber man muss fürchten, was der Herr im Evangelium sagt: „Die Königin der Mitte wird sich erheben nach dem Gericht mit dieser Generation und sie wird sie verurteilen. Denn sie kam von den Enden der Erde um die Weisheit Salomos zu hören und es gibt hier mehr als Salomo“. Die Juden wollten nicht die Weisheit aus dem Mund der Weisheit hören. Aber wir haben Christus und wollen seine Weisheit nicht hören. Die scheußlichste Sache ist, dass die schönste Tochter des Königs uns zur Frau angeboten wird und dass wir es vorziehen uns den hässlichsten Mägden anschließen, um Unzucht zu treiben. Wir wollen zurückkehren zu den niedrigsten Nahrungsmitteln Ägyptens, wir wollen nicht gestärkt werden durch die himmlische Nahrung.

8. Diese Schönheit der Weisheit ist wunderbar, weil sie bald einförmig, bald vielförmig, bald allesförmig, bald ohne Form ist. Sie bekleidet sich also des vierfachen Lichts. Sie scheint einförmig in den Wurzeln der göttlichen Gesetze, vielförmig in den Geheimnissen der göttlichen Schriften, allesförmig in den Spuren der göttlichen Werke und ohne Form in den Entzückungen der göttlichen Extasen.

9. Was den ersten Punkt betrifft, steht geschrieben im Kapitel sechs des Buches der Weisheit: „Die Weisheit ist glänzend und vertrocknet nie“ – denn bei ihr „gibt es weder Wechsel, noch den Schatten einer Änderung“ – „und sie ist leicht betrachtet durch die, die sie lieben, und gefunden von denen, die sie suchen. Sie kommt denen entgegen, die sie verlangen, damit sie sich diesen als erste zeigt“.
[Die Weisheit] scheint also unwandelbar in den Regeln der göttlichen Gesetze, die wir lesen. Diese Regeln, die in den rationalen Geistern leuchten sind all die Weisen durch die der Geist weiß und urteilt, das was nicht anders sein kann, zum Beispiel: das das oberste Prinzip am höchsten verehrt werden muss, dass die oberste Wahrheit am festesten geglaubt und bewundert werden muss und das das höchste Gut am meisten verlangt und geliebt werden muss.
Diese Regeln finden sich eingeschrieben auf die erste Tafel [des göttlichen Gesetzes] und in diesen erscheint die Weisheit, weil sie so sicher sind, dass sie nicht anders sein können.

10. Diese Regeln sind unfehlbar, unbezweifelbar und unanfechtbar, weil das Urteil sich durch sie bildet, aber nicht über sie. Und aus diesem Grund „ist diese Weisheit glänzend“. Sie sind also unveränderlich, unstillbar und unbegrenzt, und, aus diesem Grund, „vertrocknen sie nie“. Sie sind nämlich so sicher, dass es auf keine Art möglich ist ihnen zu widersprechen, wenn das nicht ein offener Widerspruch zur Vernunft der Philosophen ist, wie man im Ersten Buch der Zweiten Analytik [von Aristoteles] lesen kann.
Diese Regeln sind nämlich verwurzelt in dem ewigen Licht und münden in dieses, aber es selbst kann dadurch nicht geschaut werden. Man muss nicht mehr sagen, als dass sie gegründet sind in irgendwelchem geschaffenen Licht wie in irgendeiner Intelligenz, die die Geister erleuchten mag. Denn weil diese Regeln unstillbar sind und sich allen Geistern anbieten, würde also daraus folgen, dass das geschaffene Licht unstillbar wäre und ein reiner Akt wäre, was sich widerspricht. Wer sagt, dass sich die Quelle der Weisheit sich erschöpft, und mehr noch, wer einen Stein verehrt, formt einen Götzen, weil er aus einem Engel einen Gott macht. Diese Weisheit nämlich strahlt über der Seele, denn „sie setzte sich vor die Tore“, heißt es, „um sich diesen als erste zu zeigen“.

11. Außerdem erscheint die Weisheit als vielgestaltig in den Geheimnissen der göttlichen Schriften.
Der Apostel führt diese aus, die Vielförmigkeit der Geheimnisse im Brief an die Epheser: „Mir, dem geringsten von allen Heiligen, wurde diese Gnade zuteil, den Heiden die unerschöpflichen Reichtümer der Gnade Christi zu verkünden, und für alle ins Licht zu stellen, was die Enthüllung des seit Jahrhunderten verborgenen Geheimnisses von Gott ist, der alle Sachen gemacht hat, damit die vielgestaltige Weisheit von Gott durch die Kirche zur Kenntnis der Fürsten und Mächtigen unter dem Himmel gelangt“.
Man muss nicht verstehen, dass Paulus die Engel unterwies, aber es ist gesagt „zur Kenntnis gelangt“ , weil sie durch ihren Minister selbst zur Kenntnis gelangten, wie es heißt, dass „das Gesetz durch die Engel gegeben war“, also durch den Minister der Engel.

12. Diese Weisheit wurde vielgestaltig genannt, weil die Ausdrucksformen zahlreich sind. Aus diesem Grund, wurde es notwendig, dass die Weisheit präsent ist in zahlreichen Figuren, zahlreichen Sakramenten und zahlreichen Zeichen, und außerdem, dass sie verhüllt sei den Hochmütigen und zugänglich den Bescheidenen. Diese Schleier, die Christus umgeben, verbergen die Weisheit den Weisen [dieser Welt] und den Unreinen. Denn es steht geschrieben im Evangelium nach dem heiligen Matthäus: „Ich lobe dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, das den Weisen und Stolzen verborgen zu haben und den ganz Kleinen offenbart zu haben“. Aus diesem Grund, sagt der Apostel zurecht: „Mir dem Kleinsten aller Heiligen und so weiter“.

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overkott
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Beitrag von overkott »

13. Aber wie hat Paulus „die unerschöpflichen Reichtümer der Gnade Christi“ angekündigt? Auf diese Weise: „Für jetzt“, sagt er, „bleiben drei Sachen, der Glaube, die Hoffnung und die Liebe“.
In der Schrift leuchtet eine dreifache Klugheit auf, die lehrt, was man glauben muss, was man hoffen muss und was man tun muss. Was man Glauben muss hinsichtlich des Glaubens, was man hoffen muss hinsichtlich der Hoffnung und was man tun muss hinsichtlich der Barmherzigkeit, die in den Werken besteht und nicht nur im Gefühl, wie es geschrieben steht im Kapitel vierzehn nach dem heiligen Johannes: „Wenn mich jemand liebt, wird er mein Wort befolgen“.
Jedes davon hat zwei Aspekte.

14. Der Glaube ist nämlich am Gelenk von Kopf und Körper. Der Glanz im Hinblick auf den Glauben ist die Allegorie und die ist zweifach: die eine betrifft den Kopf, die andere den Körper, die eine bezieht sich auf das Haupt, das gekreuzigt ist, geboren usw., die andere bezieht sich auf den Körper auf die erste, mittlere und letzte Kirche, was Salomo im Gesang der Gesänge auf diese dreifache Weise lobt: „Wer ist er“, sagt er, „der sich zeigt wie angehende Morgenröte, schön wie der Mond, glänzend wie die Sonne“, usw. – „Wer ist er, der sich in der Wüste zeigt wie eine Säule aus Rauch und Dampf von Myrrhe und Weihrauch“, usw. – „Wer ist er, der über die Wüste steigt voll Entzücken und gestützt auf seine Geliebte?“.

15. Von der Allegorie vom Kopf sagt Paulus: „Ich will nicht, dass ihr das nicht wisst, Brüder: unsere Väter sind alle unter dem Schwarm gewesen, alle sind darüber hinweggezogen zum Meer, alle sind getauft worden auf Mose im Schwarm und im Meer, alle haben dieselbe geistliche Nahrung gegessen und alle haben denselben geistlichen Trank getrunken. Nun aber tranken sie an einem geistlichen Felsen, der sie begleitete, und dieser Felsen war Christus“.
Und von der Allegorie des Körpers: „Es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne gehabt hat, den einen von der Dienerin, den anderen von der freien Frau; aber der von der Dienerin ist geboren gemäß dem Fleisch, der von der freien Frau in der Tugend des Versprechens. Das ist eine Allegorie: diese Frauen sind die beiden Testamente“. Es war nicht notwendig mehr zu entwickeln, weil durch diese beide Völker umfasst sind.

16. Gemäß der Klugheit, die von der Hoffnung kommt, also was man erwarten muss, gibt es eine doppelte Anagogie.
Die eine himmlische wie hier: Abraham, „schau den Himmel und zähl die Sterne über dir“, also die himmlischen Klugheiten, und im Buch Job: „Kennst du die Anordnung des Himmels oder wendest du ihr Gesetz auf die Erde an?“.
Die andere, überhimmlisch, wie Abraham „drei sieht und den Einen anbetet“, weil die Dreifaltigkeit in ihnen erschienen ist und von den zwei Engeln, geschickt nach Sodom der Sohn und der heilige Geist geschickt durch den Vater.
Der Vater erscheint nicht aus dem Grund, dass er niemals geschickt wurde, aber er ist bei den dreien, weil der Vater erscheint, aber niemals geschickt wurde.
Hugo beschäftigt die folgende Namensgebung: himmlische Hierarchie, überhimmlische Hierarchie und unterhimmlische Hierarchie. Einige sagen, dass diese Weise zu reden ungeeignet ist, aber das ist falsch, denn das heilige Prinzipat existiert von beiden Seiten.

17. Entsprechend der dreifachen Klugheit, zeigt die Lehre von den Sinnfiguren (Tropologie), was man tun muss. Das ist ein Doppeltes: Das eine gilt für das aktive Leben, wo gezeigt wird, was man tun muss, und das andere für das kontemplative Leben, wo gezeigt wird, wie man betrachten muss und wie die Seele zu Gott getragen wird; das ist jedoch nicht von der Analogie, weil es sich dabei um die Vorbereitung der Seele handelt, die so vom Niedrigsten bis zum Höchsten führt.
Diese Weisheit ist verborgen und daher den Hochmütigen, die unfähig bleiben die Schriften zu verstehen, verdeckt. Die Schriften und die Geheimnisse können nicht verstanden werden ohne den Lauf der Welt zu kennen und die hierarchische Voraussetzung.

18. Die Weisheit von Gott erscheint in diesen Geheimnissen wunderbarer noch als auf die erste Weise.
Wenn ich zum Beispiel die Ehefrau in ihrer Schönheit und ihrer Aufrichtigkeit loben will und einfach sage: sie ist schön, sie ist ehrlich, ist mein Herz nicht sonderlich gerührt. Aber wenn ich sage: „Deine Wangen sind schön wie die Turteltauben und dein Hals wie Ketten“, begreife ich darin alles und erschließe sie bewundernd. Ich rühme sie nämlich nicht nur wie keusch und anständig, sondern als verliebt und keusch durch die Liebe des Ehemannes. Die Turteltaube ist nämlich ein keuscher und verliebter Vogel, der durch die Liebe ihres Freundes, solange er lebt und sogar nach seinem Tod, sich keinem anderen anschließen kann. Die Ehefrau ist also nicht anständig vom Keuschsein, sondern vom Keuschsein durch die Liebe des Ehemannes.
„Schön sind also die Wangen“ vorspringend, wo die Schönheit erscheint. „Dein Hals wie Ketten“: der Hals, von dem die Stimme ausgeht, bedeutet die Wahrheit; die Ketten, die den Busen schmücken und einschnüren, bedeuten die Verschwiegenheit, denn wenn jemand die Wahrheit sagt entweder, wenn er nicht darf, oder auf die Weise, wie er nicht darf, oder, wo er nicht darf, oder, zu wem er nicht darf, bleibt die Wahrheit ohne Schönheit –

19. Diese Weisheit folgt aus zahlreichen Geheimnissen der Schrift, ebenso wie durch zahlreiche Spiegel sich die Strahlen vervielfältigen und die Feuer. Diese sind „die Spiegel der Frauen“, aus denen „das Bronzebecken“ gebildet ist. Diese Weisheit ist jene der Schrift, „damit das enthüllte Gesicht, widerspiegelnd die Glorie des Herrn, uns umformen soll in dasselbe Bild von der Klarheit zur Klarheit, von der Klarheit der Allegorie zur Klarheit der Anagogie, dann zu jener der Tropologie. Diese Weisheit ist gegeben gemäß dem Maß des Glaubens, „jedem gemäß des von Gott anvertrauten Glaubens“, denn der Mensch wird weiser in dem Maß, indem er die Klugheit beherrscht und stärker unterwirft und zum Glauben durch Bescheidenheit kommt. Paulus nannte sich Professor dieser Weisheit. Mose erstellte die Regeln und die Gesetze und hatte aus diesem Grund das verdeckte Gesicht, aber der Apostel hat es enthüllt.

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overkott
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Beitrag von overkott »

20. Außerdem ist das dritte Gesicht der Weisheit allesförmig in den Spuren der göttlichen Werke. Daher steht im Ecclesiasticus geschrieben: „Die Wurzel der Weisheit, wem wurde sie offenbart und wer kannte ihre Quellen? Die Lehre der Weisheit, wem wurde sie offenbart und bekundet und wer hat die Vielfalt ihrer Werke verstanden?“. Einer allein, der allerhöchste und allmächtige Schöpfer aller Sachen“. Und dann: „Er hat sie im heiligen Geist geschaffen, geschaut, gezählt und gemessen und hat sie über all seine Werke verbreitet“.
Diese Weisheit wurde bekundet, weil geschrieben steht: „Die Weisheit ruft hinaus, über die Plätze erhebt sie die Stimme“. Trotzdem, wie ein leseunkundiger Laienbruder, der ein Buch hält, mit dem er nichts anfangen kann, suchen wir sie nicht, auch weil für uns diese Schrift wie das Griechische geworden ist, das Unbekannte oder das Hebräische und ihre Quelle völlig unbekannt.

21. Diese Weisheit ist verbreitet in allen Sachen, weil in dem, was sie sein soll und welche Eigenschaft sie haben soll, trägt sie die Regel der Weisheit und zeigt die göttliche Weisheit. Wer alle Eigenschaften kennte, erfreute sich klar dieser Weisheit. Die Philosophen widmeten sich dem Betrachten dieser Weisheit und Salomo machte sich das selbst zum Vorwurf, indem er sagte: „Ich habe gesagt: Ich werde weise; aber sie entfernt sich von mir immer mehr“. Tatsächlich, wenn sich jemand daran macht, diese Weisheit zu suchen durch eine neugierige Untersuchung der Geschöpfe, wird sie sich weiter entfernen.

22. Das Werk Gottes zeigt sich auf dreifache Weise: bei der ersten Weise handelt es sich um das Wesen, was das Werk sei und in welcher Art es sei Substanz oder Zufall; bei der zweiten Weise handelt es sich um das vollständige Wesen, also um die Substanz allein, bei der dritten Weise handelt es sich um das nach dem Bild Gottes gemachte Wesen, also das spirituelle Geschöpf. Die Weisheit Gottes wurde über diese verbreitet wie „über seine Werke“.

23. Aber in diesen herrscht eine Ordnung vor. Tatsächlich schafft Gott jedes Wesen „mit Maß, Zahl und Gewicht“. Indem er diese gibt, gibt er die Art, die Gattung und die Ordnung: die Art, die sie begründet, die Gattung, die sie unterscheidet und die Ordnung, die sie ordnet. Denn kein Geschöpf ist ohne Maß, Zahl und ohne Neigung; und auf diese Weise geben sich die Spuren zu erkennen und offenbart sich die Weisheit wie ein Fuß sich durch seine Spur zu erkennen gibt. Die Spur führt zu dieser Weisheit, in der eine Art ohne Art ist, eine Zahl ohne Zahl und eine Ordnung ohne Ordnung.
In der Substanz findet sich eine erhabenere Spur, die das göttliche Wesen repräsentiert. Denn alle geschaffene Substanz hat Stoff, Form und Zusammensetzung, also ein grundlegendes oder ursprüngliches Prinzip, einen formellen Zusatz und einen Zusammenhang; sie hat Substanz, Tugend und Vorgehen.
Das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist in den Sachen repräsentiert: Der Vater als Ursprung, der Sohn als Bild und der Geist als Band.

24. Im Geschöpf unterscheidet sich das ursprüngliche Prinzip vom formellen Zusatz, aber nicht in losgelöster Unterscheidung wie bei Gott, noch in einer zufälligen Unterscheidung, sondern nur durch eine Unterscheidung der Prinzipien, von denen das eine aktiv und das andere passiv ist. Das dem Geschöpf abzusprechen, indem man sagt, dass es nur ein reiner Akt und keine Schöpfung hat, bedeutet ihm die Ebenbildlichkeit der Dreifaltigkeit zu nehmen.

25. Ebenso kann man nicht sagen, dass das Geschöpf aus dem Grund geschaffen ist, dass es für einen anderen ist. Denn für einen anderen da zu sein, ruft keine Schöpfung hervor, weil dann der Sohn für den Vater geschaffen wäre und der heilige Geist für die anderen beiden. Nur das göttliche Sein ist einfach. In ihm unterscheiden sich das Sein, die Art zu Sein und die Vollkommenheit zu sein nicht. Und aus diesem Grund wird es Name Gottes genannt, weil das Sein in Gott Gott ist. Aber im Geschöpf unterscheiden sich das Sein, das Gutsein und das Sosein.

26. Die andere Spur dieser Weisheit besteht in: Substanz, Tugend und Vorgehen. Die Tugend ruft die Substanz hervor, das Vorgehen die Substanz und die Tugend. Und die Sache enthält das Sein der Substanz, die Macht der Tugend, das Handeln des Vorgehens. Außerdem gehört die Tugend nicht zufällig zur Substanz, obwohl der Philosoph sagt, dass die natürliche Macht eine Qualität ist. Er bestätigt das tatsächlich in dem Maß, in dem er sagt, dass die Art die Substanz verursacht, wie es sich durch das Beispiel von hart und weich zeigt.

27. Schließlich ist das Geschöpf nach dem Bild Gottes geschaffen entweder nach dem natürlichen Bild oder nach dem freien Bild. Das natürliche Bild ist: Erinnerung, Intelligenz und Wille, worin die Dreifaltigkeit sich widerspiegelt. Durch das freie Bild ist die Seele mit einem Siegel bezeichnet und in diesem Aufdruck empfängt sie die Unsterblichkeit und die Freude: die Unsterblichkeit, nach der sich die Ewigkeit in der Erinnerung befindet, die Weisheit, nach der die Wahrheit in der Intelligenz aufstrahlt, und die Freude, nach der die Güte Gefallen findet am Willen. Diese schmücken in Wahrheit die Intelligenzen oder die neu gebildeten Substanzen.
Es scheint also, dass die ganze Welt wie ein Spiegel ist, der die Strahlen der göttlichen Weisheit empfängt, und wie eine Kohle, die das Licht verbreitet.

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overkott
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Beitrag von overkott »

28. Das vierte Gesicht der Weisheit ist das schwierigste, weil ohne Form, und, weil sie so die vorhergehenden zu zerstören scheint. Aber es ist nicht so. Der Apostel sagt nämlich im zweiten Kapitel des Ersten Briefes an die Korinther zu seinem Thema: „Wir sprechen von Weisheit unter den Vollkommenen, von einer Weisheit, die nicht von dieser Welt ist. Wir sprechen von einer Weisheit, vorborgen im Geheimnis, die kein Auge geschaut und kein Ohr gehört hat, die nicht ins Herz der Menschen gedrungen ist, aber die Gott uns durch seinen Geist offenbart hat. Der Geist nämlich erforscht alle Sachen bis auf die Tiefen Gottes“. Paulus vermittelt diese Weisheit Dionysius, Timotheus und anderen Vollkommenen, aber verbirgt sie anderen. Wir müssen also vollkommen sein um zu dieser Weisheit zu gelangen: „Vergessend, was gewesen ist“, sagt er, „ausgerichtet auf die Zukunft, um zu versuchen zu verstehen“.

29. Diese Weisheit ist „verborgen im Geheimnis“. Aber wie? Wenn „sie nicht ins Herz des Menschen gelangt“, wie sie verstehen, weil sie ohne Form ist?
Bemerke, dass sich hier die Vollkommenheit der christlichen Weisheit zeigt. Daher vollendete Dionysius, nachdem er zahlreiche Briefe geschrieben hatte, dort sein Werk, also die Mystische Theologie. Auch musste der Mensch in zahlreichen Sachen unterrichtet werden und über alles vorhergehende. Dionysius schrieb in der Mystischen Theologie: „Du aber“, sagt er, „mein Freund Timotheus, was die mystischen Visionen betrifft, durch eine Handlung und eine heftige Reue, verlasse die Sinne“, usw. Denn er will sagen, dass es notwendig ist, frei zu sein von allen Sachen, die er dann aufzählt, und sie alle zu verlassen. Das ist, wie wenn er sagen würde: Über aller Substanz und Kenntnis befindet sich das, was ich verstehen will. Dort vollzieht sich das geheimste Geschehen, das den Intellekt übersteigt, das keiner kennt außer der, der es erfahren hat. In der Seele nämlich befinden sich zahlreiche Mächte des Erfassens: das Gefühl, die Vorstellungskraft, die Einschätzung und das Verstehen, die man alle aufgeben muss. Auf dem Gipfel ist die Vereinigung der Liebe, die sie alle übersteigt. So scheint es, dass die Seligkeit nicht ganz in der intellektuellen Macht ist.

30. Diese Kontemplation vollzieht sich durch Gnade, aber die Askese ist dennoch nötig, um sich von allem zu trennen, was nicht Gott ist, und wenn möglich von sich selbst. Das ist die höchste Vereinigung durch die Liebe [amor] und weil sie sich verwirklicht durch die Liebe selbst, sagt der Apostel: „Verwurzelt und gegründet auf die Liebe [caritas], um mit allen Heiligen verstehen zu können, was die Länge, die Breite, die Höhe und die Tiefe ist“.
Diese Liebe übersteigt allen Intellekt und alles Wissen. Aber, wenn sie Wissen übersteigt, wie kann diese Weisheit geschaut werden? Aus diesem Grund fügt der Apostel hinzu: „Dem, der fähig ist, gut zu machen über alles, was wir verlangen und verstehen können“ usw. Denn diese Weisheit ist nicht in der Macht des Menschen, außer wenn Gott sie ihm offenbart“.
Daher schläft der Geist, gebunden an Gott in dieser Vereinigung, auf eine bestimmte Weise und wacht auf eine bestimmte Weise, wie es geschrieben steht: „Ich schlafe und mein Herz wacht“. Nur die gefühlsmäßige Macht wacht und bringt alle anderen zum Schweigen. In diesem Zustand ist der Mensch von seinen Sinnen gelöst und in Extase versetzt und „hört geheime Worte, die kein Mensch wiederholen kann“, weil sie nur in seiner gefühlsmäßigen Macht stehen. Weil nicht ausgedrückt werden kann, was durchdacht wurde, und durchdacht, was verstanden wurde, und der Intellekt sich im Schlaf befindet, folgt daraus, dass man es weder sagen, noch erklären kann. Und so ist das also.
Weil man zu dieser Weisheit nur durch Gnade gelangen kann, weist der weise Autor die Offenbarung von „allen verborgenen und nicht geschauten Sachen“ dem Heiligen Geist zu und dem Wort selbst, und sagt aus diesem Grund: „Ich habe alle verborgenen und (noch) nicht gesehen Sachen gelernt. Denn die Weisheit, Meister aller Sachen, hat sie mich gelehrt“. Und er sagt, das das dem vergleichbar ist, was Paulus sagt, dass „in ihr nämlich ein Geist der Erkenntnis liegt, heilig, einzig, vielfach, subtil“ usw. Dieser Geist erhebt die Seele und zeigt ihr „(noch) nicht gesehene Sachen“. Das ist der Finger Gottes, an den der Magier des Pharao, sozusagen unser Intellekt, nicht heranreichen kann. Es gibt viele Weise der ersten [Formen der Weisheit], aber wenige der letzten.

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overkott
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Beitrag von overkott »

31. Diese Liebe trennt, entschläft und erhöht. Sie trennt nämlich von allen anderen Gefühlen wegen der einzigen Liebe der Gattin. Sie entschläft, entspannt alle Mächte und lässt sie schweigen. Sie erhöht, weil sie zu Gott führt.
Der Mensch ist also wie tot. Aus diesem Grund, sagt er: „die Liebe ist stark wie er“, weil sie von allen Sachen trennt. Es ist nämlich notwendig, dass der Mensch durch diese Liebe stirbt, um überstiegen erhöht zu sein. Daher steht geschrieben: „Der Mensch wird mich nicht schauen ohne zu sterben“. In der Verwirklichung einer solchen Vereinigung, sammelt sich die Tugend der Seele in der Einheit und sie dringt in ihre Geliebte ein und besteigt in der Folge den Gipfel, weil nach Augustinus die Geliebte und der Gipfel identisch sind. Von diesem Gipfel wird im Gesang der Gesänge gesagt: „Ich beschwöre euch, Töchter von Jerusalem, weckt sie nicht, weckt sie nicht, meine Geliebte, bevor sie ihn will“.

32. Um diesen Schlaf zu erreichen, hilft es uns, über alle Sinne und alle intellektuellen Tätigkeiten, die an Träumereien gebunden sind, erhaben zu sein und auch die engelhaften Intelligenzen zu verlassen, um zu sagen: „Die Wächter, die die Stadt behüten, haben mich getroffen, kaum bin ich an ihnen vorbeigegangen, habe ich ihn getroffen, den meine Seele liebt“. So lehrt Dionysius die gefühlsmäßigen und intellektuellen Sachen zu verlassen, die seienden und die nichtseienden – er nennt die Sachen vorübergehend nichtseiende, weil sie sich ständig verändern – und so einzutreten in den Strahl der Dunkelheiten. Man sagt dunkel, weil der Intellekt nicht durchschaut und dennoch die Seele aufs Höchste erleuchtet ist.
Und weil man das nur durch das Gebet erreichen kann, beginnt Dionysius mit einem Gebet, indem er spricht: „Übersubstantielle, übergöttliche, übergute Dreifaltigkeit“. Verstehe, dass das, was er sich sagt, sich nicht auf Gott bezieht, sondern auf unseren Intellekt, weil die Dreifaltigkeit mehr Substanz und mehr Gott ist, als unser Intellekt verstehen kann, und das gilt ebenso für das Übrige. Und weiter: „Abwendend die Augen vom Geist, weil der Geist nicht schauen kann mit den intelektuellen Augen und weil diese sich abwenden müssen. Aus diesem Grund wird im Gesang der Gesänge gesagt: „Wende deine Augen von mir ab, sie haben mich veranlasst, davon zufliegen“. Wenn der Geist sich zwingt, diese Weisheit mit den intelektuellen Augen zu sehen, dann entfernt sich Christus, weil der Intelekt nicht hier sein kann, aber die gefühlsmäßige Macht. Deshalb steht geschrieben im Gesang der Gesänge: „Du hast mein Herz verletzt, mein Herz, mein Geliebter; du hast mein Herz verletzt, mit einem deiner Augen“, weil die gefühlsmäßige Macht bis in die Tiefen Christi dringt „und mit einem der Haare deines Halses“, weil das Haar die Erhöhung der spirituellen Betrachtungen bedeutet.
Und Dionysius fährt fort: „Aber du, mein Freund Timotheus, bei dem was die mystischen Visionen betrifft durch eine heftige Handlung und Reue, verlass die Sinne und die intelektuellen Vorgänge“ usw., und zeigt, dass dieser Aufstieg sich vollzieht durch die Kraft und das heftige Zittern des heiligen Geistes, wie es gesagt wird von Elias: „Hier stürzt der Wind die Berge um und zerbricht die Steine" usw. Es steht nicht in unserer Macht, dieses Feuer zu haben, aber wenn es Gott von oben schickt, dann gebührt es dem Priester, es zu pflegen und mit dem Holz des Gebetes zu nähren.

33. Dieser Aufstieg vollzieht sich durch Bekräftigung und durch Zurücknahme. Durch Bekräftigung vom Höchsten zum Tiefsten und durch Zurücknahme vom Tiefsten zum Höchsten. Diese letzte Weise gilt mehr als: dies ist nicht und das ist nicht, denn ich nehme nicht von Gott, was ihm gehört, oder, was in ihm selbst ist, sondern ich füge ihm hinzu auf eine bessere und vorzüglichere Weise, als ich verstehen kann. Die Liebe [amor] folgt immer der Zurücknahme nach dem Beispiel Mose, der sich zuerst von den Ältesten trennt, dann den Gipfel besteigt und dann den Nebel (die Wolke) betritt.
Hier ein anderes Beispiel: Wer eine Figur meißelt, fügt nichts hinzu, sondern schneidet im Gegenteil ab und hinterlässt im Stein selbst die noble und schöne Form. So hinterlässt die Kenntnis der Dreifaltigkeit durch Zurücknahme in uns die nobelste Neigung.

34. Der Schlaf ist gekennzeichnet durch den Tod Christi und durch die Grablegung Christi, durch den Durchzug durch das Rote Meer und den Einzug ins gelobte Land.
Die Tatsache, dass der heilige Geist fortfährt dorthin zu drängen, aufgeschrieben von Mose, dass das Feuer führte „in die Mitte der Wüste“, wo es die Erleuchtungen empfing.
So sind die spirituellen Extasen.
So ist die Form der Weisheit.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Dritte Sitzung: Die Fülle der Intelligenz als Schlüssel der Kontemplation durch die Intelligenz des ungeschaffenen, menschgewordenen und eingehauchten Wortes

1. „In der Mitte der Kirche wird ihm der Herr den Mund öffnen, ihn erfüllen mit dem Geist der Weisheit und der Intelligenz und ihn mit einem Mantel des Ruhmes bekleiden“. Während wir so von der Weisheit gesprochen haben, müssen wir noch von der Intelligenz sprechen, von der man in der Konferenz über die Gaben des Heiligen Geistes sage, dass sie die Regel der moralischen Forderungen ist, die Tür der wissenschaftlichen Erwägungen und der Schlüssel der himmlischen Betrachtungen. Und diese Intelligenz ist eigentlich eine Gabe.
Man muss bei der Intelligenz anfangen, um zur Weisheit zu gelangen. „Der Herr nährt sie mit dem Brot des Lebens und der Intelligenz und erfrischt mit dem heilsamen Wasser der Weisheit“. Man muss bei der Nahrung anfangen und nicht beim Getränk. Denn ohne die Übung der Gabe der Intelligenz kann der Mensch nicht vom Getränk der Weisheit profitieren, die in die Seele ein Wasser fließen lässt, an dem sie sich erfrischt und „sie lässt ein Wasser entspringen, das im ewigen Leben sprudelt“.
Die Gabe der Intelligenz ist eine feste Nahrung, vergleichbar mit Brot, das, wie der selige Franziskus es sagte, zahlreiche Arbeiten erfordert: zuerst wird die Saat gesät, dann wächst sie; dann wird sie geerntet und zur Mühle gebracht, dann wird sie gebacken und anderes mehr. Das gilt auch für die Gabe der Intelligenz. Denn die Vorbereitung der Intelligenz ist eine schwierige Sache in sich selbst.

2. Der Schlüssel der Kontemplation besteht aus einer dreifachen Intelligenz: die Intelligenz des ungeschaffenen Wortes, durch das alle Sachen hervorgebracht wurden, die Intelligenz des inkarnierten Wortes, durch das alle Sache wiederhergestellt wurden, die Intelligenz des inspirierten Wortes, durch das alle Sachen offenbart worden sind. Denn ohne die Möglichkeit auf welche Weise die Sachen im Ursprung begründet wurden, auf welche Weise sie zurückgeführt wurden und auf welche Weise Gott in ihren aufleuchtet, kann man darin keine Intelligenz haben.

3. Zum Thema der ersten Intelligenz steht im Brief an die Römer geschrieben: „Was Gott an Unsichtbarem hat seit der Erschaffung der Welt, zeigt sich der Intelligenz über seine Werke, seine ewige Macht und seine Gottheit“. Die ewige Macht und die Gottheit werden verstanden durch ihre Wirkungen. Denn Gott hat alle Sachen verursacht und durch seine Macht „sind alle Sachen geworden“.
Das widerspricht den Philosophen, die leugnen, dass vom einen und selben Sein, das immer dasselbe bleibt, die vielfältigen Sachen sein sollen, vom Ewigen die zeitlichen und dass vom Aktuellsten die möglichen abhängen sollen, vom Stabilsten die veränderlichsten, vom Einfachsten die zusammengesetzten, vom Erhabensten die niedrigsten, weil die Wirkung dem Grund ähnelt und dieser Grund den hervorgerufenen Wirkungen widerspricht.

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overkott
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Beitrag von overkott »

4. Die Tür dieser Sachen ist die Kenntnis des ungeschaffenen Wortes, die die Wurzel der Intelligenz aller Sachen ist. Daher kann der, der diese Tür nicht hat, nicht eintreten. Weil aber die Tür ihnen verschlossen ist, halten die Philosophen diese grundlegend wahren Sachen für unmöglich.
Aber im Brief an die Hebräer wird gesagt, wie man diese Sachen verstehen kann: „Wir verstehen also durch den Glauben, seit Jahrhunderten gebildet, durch das Wort Gottes, dass die sichtbaren Sachen von den unsichtbaren herkommen“. Nun ist es aber dem hervorragenden Geist unmöglich, sich nicht selbst zu verstehen und als Intellekt dem gleich, der versteht, versteht er alles, was er ist und was er kann: also ist der Grund zu verstehen gleich dem Intellekt, der sein Ebenbild ist. Und diese Ähnlichkeit ist das Wort, weil nach Augustin und Anselm die Ähnlichkeit, die die Pointe des sich selbst reflektierenden Geistes das Wort ist. Wenn diese Ähnlichkeit gleich ist, ist sie also Gott und, hervorgebracht von Gott, repräsentiert sie Ursprung und alles, was der Vater kann: sie repäsentiert also die Vielfalt.
Weil sie außerdem die Macht des Vater repräsentiert, repräsentiert sie die Macht am stärksten vereint. Aber „je mehr die Macht vereint ist, desto unbegrenzter ist sie“ und daher repräsentiert die Ähnlichkeit der Macht unzählige Sachen und daher kommt notwendigerweise aus dem Einen die Vielzahl hervor. Wenn du also das Wort verstehst, verstehst du alles, was verstanden werden kann. Der Jude kann das nicht verstehen. Daher sagt die Schrift: „Gott hat gesagt: Es werde Licht“ und noch einmal: „Gott hat gesagt“, also hat der alle Sachen angeordnet, der das Wort vorgebracht hat, und indem er angeordnet hat, hat er alle Sachen gemacht. Daher schreibt Augustin in seinen Bekenntnissen: „Durch dein gleichewiges Wort machst du alles, was du machst, und du machst das nicht anders als durch dein Sprechen. Dennoch machst du nicht ewig, was du ewig sagst“.

5. Wenn nämlich der Einer seine Macht erkennen würde, würde er alle Zahlen sehen und kennen und wenn der Punkt alle seine Macht erkennen würde, würde er alle Linien in der Mitte kennen. Aber der Einer ist mehr Prinzip als der Punkt, weil der Einer ein wesentlicher Teil der Zahl ist. Also ist der Punkt Prinzip ohne ein Teil zu sein. Aber keiner von beiden ist ein aktives Prinzip. Weil also der erste Intellekt ein aktives Prinzip ist, ist es notwendig, dass er alle Sachen anordnet und alle Sachen durch seine Ähnlichkeit ausdrückt.

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overkott
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Beitrag von overkott »

6. Ebenso gehen aus dem Ewigen alle zeitlichen Sachen hervor. Daher gehen sie aus dem Vater hervor und zwar geordnet. Das eine ist die Ursache des anderen gemäß der natürlichen Ordnung und der zeitlichen Reihenfolge. Und folglich repräsentiert das Wort die Sachen, wie sie aus dem Sein hervorgehen. Außerdem: Weil sich nämlich in meiner Voraussicht oder in meiner Erinnerung mehrere Zukunftsvorstellungen befinden können, von denen die eine weiter als die andere reicht, ergibt sich daraus nicht, dass wenn sie eintreffen, es eine Änderung in meiner Erinnerung gäbe. Ebenso gibt es keine Veränderung im Wort. Wenn es nämlich diese Seele erschafft, verändert es sich dadurch nicht. Denn es hat ewig gesagt: Jetzt ist diese Seele zu erschaffen. Daher erschafft es jetzt ewig, indem es einmal spricht. Wenn mein Wille meine Macht wäre und wenn ich auf der Stelle wollte, dass morgen eine Sache einträte, würde sich in mir nichts ändern, wenn diese Sache einträfe. Aber das würde geschehen, wenn ich vom Nichtwollen zum Wollen überginge.

7. Ebenso kommen vom Aktuellsten die möglichen oder materiellen Wesen her. Denn der Vater versteht sich als ein Prinzip, das aus sich selbst hervorgeht wie ein Prinzip, das aus dem Nichts hervorgeht und wie ein Prinzip, das aus irgendetwas Materiellem hervorgeht.
Das Wort drückt den Vater aus wie ein Prinzip, das aus sich heraus Ursprung ist. Und so erklärt und repräsentiert es das Hervorbringen des heiligen Geistes und sein eigenes oder das, was ewig ist. Es drückt auch den Vater aus als Prinzip, das eine Sache aus dem Nichts hervorbringt. Und so repräsentiert es das Hervorbringen dessen, was ewig lebt, wie das der Engel und das der Seelen. Es repräsentiert auch [den Vater] als Prinzip, das eine Sache durch eine andere Sache verursacht wie [die Sachen, die] aus Materie [zusammengesetzt sind]. Was aber aus einer Sache hervorgeht, ist in der Macht vor dem Eintreffen. Und daraus ergibt sich, dass [das Wort] die Möglichkeiten repräsentiert.
Also gehen notwendigerweise aus dem Aktuellesten die Möglichkeiten hervor.

8. Diese Ähnlichkeit oder dieses Wort ist die Wahrheit. Was ist die Wahrheit der Definition nach? Die Entsprechung von Intellekt und der durch den Intellekt erfassten Sachen. Ich spreche von dem Intellekt, der die Ursache der Sache ist, nicht von meinem Intellekt, der die Sache nicht hervorbringen kann.
Die Entsprechung ist wahr, wenn die Sache den Unterscheidungen entspricht der Kategorien Quantität, Qualität, Beziehung, Handlung, Leidenschaft, Zeit, Ort, Stellung. Daher sind die Sachen wahr, wenn sie in der Wirklichkeit oder im Universum sind wie in der ewigen Kunst (den ewigen Bildern) oder darin ausgedrückt. Nun ist eine Sache wahr gemäß ihrer Entsprechung dem Intellekt-Grund. Weil sie aber nur unvollkommen dem Grund ähnelt, der sie ausdrückt und repräsentiert, ist jedes Geschöpf unwahr laut Augustin. Außerdem ist die entsprechende Sache nicht ihre Entsprechung: Daher ist das Wort oder die Ähnlichkeit oder der Grund notwendigerweise die Wahrheit.
So verhält sich die Wahrheit des Geschöpfes. Und das niedrigste Geschöpf ebenso wie das höchste Geschöpf werden durch das Wort repräsentiert. Obwohl der Engel mehr als das Würmchen an den vornehmen Umständen mit dem Wort gemein hat, am Wissen, wie sehr er Bild Gottes ist, ist die Begründung des Engels nicht edler als die des Würmchens in der Begründung der Beispielhaftigkeit. Die Begründung des Würmchens drückt das Würmchen aus oder repräsentiert es wie die Begründung des Engels den Engel ausdrückt oder repräsentiert. Und der Engel ist in dieser Hinsicht nicht edler als das Würmchen. Doch jedes Geschöpf ist ein Schatten im Hinblick auf den Schöpfer.

9. So scheint es, dass die möglichen Sachen durch den Aktuellsten sind, die veränderlichen durch den Stabilsten und die niedrigsten durch den Höchsten. Und ebenso wie die Sonne durch ihr Leuchten das Spektrum und die Vielfalt der Farben hervorbringt, wird das Spektrum der Sachen hervorgebracht durch das Wort. Daher ist die Intelligenz nur durch das Wort gegeben.
Dieser sehr vornehme Schlüssel ist der der Seele, die gereinigt ist durch den Glauben, der notwendig ist, weil „die Pointe unseres Geistes sich nicht festmachen kann an einem so hervorragenden Licht, ohne gereinigt zu sein durch die Gerechtigkeit des Glaubens“. Alle, die diesen Glauben nicht haben, haben eine amputierte Hand.
So steht es geschrieben im Psalm: „Weil er gesprochen hat, wurden sie gemacht; er hat angeordnet und sie wurden geschaffen“ usw.

10. Der zweite Schlüssel ist die Intelligenz des menschgewordenen Wortes, durch das alle Sachen wiederhergestellt wurden. Daher steht geschrieben im letzten Kapitel des Evangeliums nach dem heiligen Lukas: „So sind die Worte, die ich gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss sich alles erfüllen, was von mir im Gesetz, den Propheten und Psalmen geschrieben steht.

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overkott
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Beitrag von overkott »

11. Das wurde von den zwei Cheruben mitgeteilt, die, „das Gesicht zum Opfer gedreht, sich gegenseitig anschauen“. Die zwei Cheruben sind die zwei Testamente, deren Blicke sich auf Christus richten. Also eröffnete ihnen der Geist, wann sie die Schriften verstehen sollten, das heißt, dass das Buch der Schrift durch diesen Schlüssel des menschgewordenen Wortes verständlich wird, weil es hauptsächlich von Werken der Wiederherstellung handelt. Denn ohne die Kenntnis der Ordnung und des Ursprungs der Wiederherstellung, kannst du die Schrift nicht verstehen. Der Name des Wiederherstellers ist das Wort Gottes, wie es in der Apokalypse geschrieben steht: „Er war mit einem Blut getränkten Mantel umhüllt und sein Name war das Wort Gottes“. Aber ich will wissen, auf welche Weise das Wort Gottes der Wiederhersteller ist. Jesaja sagt es uns: „Ein Sohn wird uns geboren, ein Sohn wird uns gegeben, die Herrschaft ruht auf seinen Schultern und er nennt sich: Wunderbarer, Berater, Gott, Starker, Vater des künftigen Zeitalters, Prinz des Friedens“.

12. Er ist es, der die Ordnung im Himmel und auf Erden wiederherstellen wird, die völlig verfallen war. Es wurde also notwendig, dass er den Himmel und die Erde berührte. Diese Ordnung musste hervorragend sein, vernünftig, akzeptiert von Gott, siegreich, gutherzig, gerecht.

13. Er musste zuerst hervorragend sein durch Macht, er, der allein retten konnte. Daher steht im Brief an die Hebräer geschrieben: „Nachdem er an vielen Orten und in vielerlei Formen früher zu den Vätern und den Propheten gesprochen hat, hat uns Gott, in diesen letzten Tagen, durch den Sohn gesagt, dass er dem Erben alle Sachen zugeteilt hat, durch die er auch die Zeitalter gemacht hat“, bis: „Größer geworden als die Engel, wird er einen Namen erben über dem ihren“.
Der Glaube findet seine Kräfte in diesem Wunder. Daher steht geschrieben, dass Moses, nachdem er seine Herde in die Mitte der Wüste“ geführt hat, einen Busch sah, der brannte ohne sich zu verzehren. „Ich gehe dorthin“, sagt er, „und ich werde diese große Vision haben“ usw. Dort wurde er erleuchtet. Der Dornbusch ist die Leidensfähigkeit des Körpers, die Flamme ist die Seele Christi, voll der Lichter und des Feuers der Barmherzigkeit. Das Licht ist die Gottheit; das Licht vereint mit dem Busch durch das Mittel der Flamme, die Gottheit vereint den Körper durch den Geist oder die Seele. Weil er also die Macht hatte aus Toten Lebende zu machen und aus Menschen Söhne Gottes, ist er notwendigerweise hervorragend. Und das bedeutet „Wunderbarer“.

14. Außerdem ist unsere Ordnung notwendigerweise vernünftig, entsprechend der dreifachen Weisheit, die in ihm wohnt: die angeborene Weisheit wie bei den Engeln und dem ersten Menschen, die einflößte Weisheit und die ewige Weisheit. Durch die erste weiß er alle Sachen, die wir erwerben können durch einen Habitus, durch die zweite versteht er gloreich und unbegrenzt – denn „seine Weisheit ist ohne Grenze“ –, durch die dritte weiß er alle Sachen.
Es war nämlich für ihn, der die ganze Welt herstellen musste, notwendig, den Zustand der ganzen Welt zu kennen. Daher steht im Kapitel vier des Briefes an Hebräer geschrieben: „Lebendig und wirksam ist das Wort Gottes“, und dann: „Alles ist zu entblößen und zu entdecken seinen Augen, vor denen wir antworten müssen“. Auch müsste er, der nicht nur mächtig ist, auch vernünftig sein.

15. Aber wenn du fragst: „Warum war eine andere Weisheit als die göttliche notwendig? Dann antworte ich: damit er geprüft werden konnte, wie es geschrieben steht im Brief an die Hebräer: „Wir haben keinen schwachen Bischof, vergleichbar unseren Schwächen, er, der in allen Sachen geprüft worden ist wie ein Mensch außer der Sünde.“ Dieser Antwalt ist für uns, aber er richtet gegen uns. Er wurde der größte und weiseste Berater. Außerdem waren die Weisen nichts als Figuren und Schemen dieses Weisen.
Von ihm gehen die sichersten und bedeutensten Lehren aus, über die wir unterrichtet sein müssen. Aus diesem Grund wir er „Berater“ genannt.

16. Alle diese Worte der Weisheit der Schrift, wie die von Salamo und anderen, beziehen sich auf ihn. Zwar beziehen die Juden auf Salomo, was über Christus ist Psalm gesagt ist: „Du bist der schönste der Menschenkinder, die Gnade wird verbreitet über deine Lippen“, aber Salomo war nicht so; und: „Dass sein Name gesegnet sei über die Jahrhunderte“.

17. Außerdem ist die Ordnung von Gott akzeptiert, weil wir einen heiligeren Versöhner nötig haben.
Es steht geschrieben im Brief an die Hebräer: „So ist der Bischof, der uns gefällt, heilig, unschuldig, makellos, getrennt von den Sündern und erhöht über die Himmel“, völlig Gott gleich. Daher steht im Evangelium nach Johannes geschrieben: „Wir haben seine Gloire gesehen, die Glorie des einzigen Sohnes des Vaters, voll Gnade und Wahrheit wegen der Vielfalt der Gnaden. Er hatte nämlich die Gnade einer einzigartigen Person, die Gnade des Hauptes, durch das er die Glieder beeinflusst, die Gnade der Einheit, die für einen unbegrenzten Teil ist. Daher wurde er von Gott akzeptiert, nicht nur weil er Gott gleich ist, sondern weil er Gott ist. Indem er Gott ist, kann er nur akzeptiert werden. Aus diesem Grund wird er „Gott“ genannt und von ihm gehen also die heiligsten Beispiele aus. Daher bezieht sich immer auf ihn, wenn in den Schriften von Emanationen, Paradiesflüssen und Quellen des Wassers gesprochen wird.

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overkott
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Beitrag von overkott »

18. Außerdem muss die Ordnung schließlich siegreich sein durch das Ausmaß des Triumpfes und des Sieges.
Daher steht geschrieben im Brief an die Kolosser: „Und ihr seid wie Tote in euren Fehlern und der Unbeschnittenheit eures Fleisches“, und dann: „Er hat die Fürstentümer und Mächte entwaffnet, sie durch und durch zur Schau gestellt, indem er sie in seinen Triumpfzug gezogen hat“. Er besiegte nämlich die Welt, entwaffnete die Hölle und stellte das Paradies wieder her. Daher steht im Psalm geschrieben: „Prinzen, hebt eure Tore, hebt euch, ihr ewigen Tore, und der König des Ruhms wird eintreten. Wer ist dieser König des Ruhms? Der Herr stark und mächtig“.
Heute noch wünschen wir zu hören: „Prinzen, erhebt eure Tore. Wer ist der König des Ruhms? Der Herr der Mächte“. Dieser ist also „der Starke“. Außerdem ist es notwendig, dass „im Namen Jesu, jedes Knie sich beugt, im Himmel, auf der Erde und in der Unterwelt“. Jesaja sagt: „Wer ist es, der von Edom kommt, von Bosra, die Kleider rotaufleuchtend? Ich bin es, ich verkündige die Gerechtigkeit und ich kämpfe für das Wohlergehen“.
Aus diesem Grund, nennt man ihn stark. Und weil von ihm mächtige Hilfen ausgehen, steht geschrieben: „Die Berge werden ihn einfrieden“. Daher beziehen sich in der Schrift alle Kriege auf den Sieg Christi.

19. Außerdem ist es nötig, dass unsere Ordnung großzügig ist wegen der Fülle des Zuflusses, den er ausgibt.
Es steht geschrieben im Brief an die Epheser: „Jedem von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi“. Daher sagt man: „In die Höhen steigend, ließ er die Eroberung erobern und hat den Menschen Geschenke gemacht“. Wie die Wolke in die Höhe steigt, um von dort auszuregnen, hat es Christus getan, um seine Gaben zu verbreiten, wenn „die Sonne aufgegangen ist und der Mond sich an seine Ordnung hält“.
Zuerst hat er nämlich den heiligen Geist in einer verborgenen Weise gegeben, aber nach der Himmelfahrt, hat er ihn offensichtlich gegeben. Denn der heilige Geist selbst war eine Ordnungsmacht, die reinigt, erleuchtet und vollkommen macht, die zur Ordnung im Himmel und unter dem Himmel herabgestiegen ist. Daher steht geschrieben: „Auf einmal gab es vom Himmel einen Lärm wie der vom Kommen des Geistes“. Der heilige Geist kam herab als reinigend. Daher steht geschrieben: „vom Geist kommend“. Als unterrichtend. Daher ist gesagt: „Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten“. Als Vervollkommner in der Tugend. Daher ist gesagt: „Er ruhte auf jedem von ihnen“. Von ihm gehen also die unentgeltlichen Gaben aus.
Daher bezieht sich alles, was sich in der Schrift findet, auf die Verbreitung, im Hinblick auf die Sonne und anderem und die Festgelage beziehen sich auf die Großzügigkeit. Daher steht im Psalm geschrieben: „Die Schöne des Hauses verteilt die Habschaften“ und bei Jesaja: „Sie erfreuen sich vor dir, wie um die Sieger zu feiern, wenn sie nach der Eroberung die Habschaften verteilen“. Das sind die Gaben der Großzügigkeit Christi.
Daher nennt man ihn „Vater des künftigen Zeitalters“. Denn er ist das Prinzip der Einflüsse, durch die wir im künftigen Zeitalter leben werden. Jakobus schreibt: „Alles Gute kommt von oben, vom Vater der Lichter“; und dann: „Er wollte uns durch ein Wort der Wahrheit hervorbringen, damit wir wie der Entwurf seines Geschöpfes seien“. Wir sind jetzt schon ein Entwurf des Geschöpfes, aber wir ein vollendetes Geschöpf sein.

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overkott
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Beitrag von overkott »

20. Er ist sehr großzügig, weil er uns alles gibt, was wir brauchen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater in meinem Namen um etwas bittet“ usw. Er schwört und bekräftigt in der Wahrheit. Daher steht geschrieben in den Psalmen: „Du öffnest deine Hand und du segnest jedes lebende Sein“, und: „Du wirst die Menschen und die Tiere retten, Herr. Sie werden sich sättigen am Überfluss deines Hauses“.

21. Außerdem muss der Herrscher unübertrefflich sein durch die Vielfalt der Gerechtigkeit: unfehlbar suchend, tadellos prüfend, sich unwiderruflich äußernd, „um jedem das Seine zuzuweisen“. Jesaja sagt: „Er wird aus dem Spross Isais hervorgehen und Gerechtigkeit wird der Gürtel seiner Hüften sein; er wird nicht nach dem Augenschein urteilen, noch sich äußern nach dem, was er hört“. Daher ist ein solcher Herrscher Gott. Denn wäre er nur ein Mensch, könnte er nur mit Hilfe von Zeugen urteilen.
Bei diesem Urteil beziehen sich alle Urteile auf die Schrift und aus diesem Grund wird er „Prinz des Friedens“ genannt. Von ihm gehen alle gerechten Belohnungen aus. Wer „den Schlüssel Davids besitzt: Wenn er öffnet, wird niemand schließen, wenn er schließt, niemand“. Dieser Schlüssel ist das Geheimnis der Vereinigung.

22. Der dritte Schlüssel ist das Verständnis des inspirierten Wortes, durch das alle Sachen offenbart werden. Denn es gibt keine Offenbarung außer durch das inspirierte Wort. Daniel versteht das Wort. Für eine Vision ist nämlich das Verständnis notwendig. Wenn das Wort nicht dem Ohr des Herzens erklingt, wenn der Glanz nicht dem Auge erscheint, wenn der Duft und der Dunst des Allmächtigen sich nicht im Geruch verbreiten, noch die Sanftheit im Geschmack und wenn die Ewigkeit nicht die Seele erfüllt, kann der Mensch die Visionen nicht verstehen. Aber „Gott wird Daniel das Verständnis aller Visionen und aller Träume geben“. Durch wen? Durch das inspirierte Wort.

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Beitrag von overkott »

23. Nun existiert aber eine dreifache Vision, gemeinsam herbeigerufen: die körperliche Vision, die Vision im Bild und die intelektuelle Vision. Die zwei ersten haben keinen Wert ohne die dritte. Daher war die körperliche Vision dem Balthasar (König von Babylon im Buch Daniel) fast nur in der Vision der Hand von Wert oder dem Nebukadnezer die Vision des Bildes der goldenen Statue und dem Pharao die Vision der Ähren und der Rinder dem Daniel und dem Joseph. Joseph entspricht Johannes und Daniel dem Paulus.

24. Außer diesen existiert eine sechsfache Vision, die dem Werk der sechs Tage entspricht und durch die der Mikrokosmos sich vollendet wie der Makrokosmos in sechs Tagen. Es ist gibt die Vision der angeborenen Intelligenz und die Vision der durch den Glauben erzogenen Intelligenz, unterrichtet vom heiligen Geist, in die Schwebe versetzt durch die Kontemplation, erleuchtet durch die Prophetie, aufgesogen in Gott durch die Entführung. Ihr folgt eine siebte Vision, die der glorifizierten Seele. Und Paulus hatte sie alle. Die ersten beiden kommen häufig vor, die beiden folgenden wenig und die beiden letzten sehr wenig.

25. Durch die erste Vison versteht man ganz den Bereich, wo sich unsere Intelligenz selbst entfalten kann. Sie ist durch den ersten Tag symbolisiert, an dem das Licht wurde. Daher wird in den Psalmen gesagt: „Herr, das Licht deines Angesichts ist uns aufgebrannt“.
Ohne dieses angeborene Licht, hat der Mensch nichts, weder den Glauben, noch die Gnade, noch das Licht der Weisheit. Und aus diesem Grund wurde also das Licht von den Dunkelheiten getrennt.

26. Die zweite Vision wird symbolisiert durch die beiden Tage, an denen „das Firmament in der Mitte gemacht wurde“. Dieses Firmament ist der Glaube und teilt „die Wasser der Wasser“. Der Glaube entsprang aus der Weisheit und die dem Wissen, sowohl der ewigen Sachen als auch der zeitlichen, Wissen oder Weisheit, die dem Glauben nicht widersprechen.

27. Die dritte Vision wird symbolisiert durch den dritten Tag, an dem sich die Wasser versammelten und an dem „das Trockene erschien“. Die Erde ist die Schrift, in der sich die spirituellen Intelligenzen finden, die engelhaften und göttlichen Ordnungen, wunderbar fruchtbar gemacht in den Darstellungen der Heiligen. In diesen entwickeln sich „das grüne Gras“ und „die Bäume des Paradieses“. Dennoch sollte jeder auf den Baum von der Neugier nach Erkenntnis achtgeben.

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Beitrag von overkott »

28. Die vierte Vision ist symbolisiert im Werk des vierten Tages, in dem gesagt ist: „Es seien die Lichter“, das sind Sonne, Mond und Sterne. Wer die Kontemplation ignoriert, hat noch nicht den Schmuck von Sonne, Mond und Sternen. Aber „die Frau, bekleidet mit der Sonne, den Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen“ muss erscheinen, damit es eine Betrachtung der überhimmlischen Ordnung in der Sonne gibt, eine Betrachtung der unterhimmlischen Ordnung im Mond und eine Betrachtung der himmlischen Ordnung in den Sternen. „Also, du wirst schauen und du wirst voll sein, du wirst staunen und dein Herz wird sich weiten“, weil sich in der Kontemplation die Bewunderung findet, die Weitung, das Entschwinden, die Stärkung. Daher steht geschrieben: „Sie aßen und sie sahen den Gott Israels.“

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Das doppelte Geheimnis des Anfangs

Beitrag von overkott »

Bonaventura schreibt im 15. Kapitel seines Sechstagewerks über das doppelte Geheimnis des Anfangs:

Dictum est, quod in duodecim mysteriis principalibus ostenditur Christus; et per oppositum ostenditur antichristus, quod sic manifestatur.

Der erste Blick in diesen Text mag erschrecken. Doch wie in einem Beichtspiegel scheinen wir hier an eine Wende gekommen zu sein.

Schließlich findet das Buch im 23. Kapitel ein doppeltes [und schließlich glückliches] Ende:

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Hae signationes consistunt ex duplici perfectione, scilicet duodenarii, qui numerus abundam est, et ex mille, qui consurgit ex denario in se replicato replicatione perfecta; decies enim decem sunt centum, et decies centum sunt mille. Hanc signationem nemo accipit, nisi ille qui habet calculum, in quo est nomen, quod nemo scit, nisi qui accipit (Apc 2,17; 2,7; 22,14); hoc est lignum vitae, hic fruitur homo vita. Unde: Beati qui lavant vestimenta sua et intrant per portas civitatis, ut sit potestas eorum in ligno vitae. - Et dicebat: Ad hoc lignum vitae volui vos adducere. Ferculum fecit Salomon de lignis Libani; columnas fecit argenteas, reclinatorium aureum, ascensum purpureum media caritate constravit (Cant 3,9; 2 Cor 5,13s.). Reclinatorium aureum est sapientia contemplativa. Hanc nullus habet, nisi qui habet columnas argenteas, quae sunt virtutes stabilientes animam; ascensus purpureus est caritas, quae facit ascendere ad superiora et descendere ad inferiora. [Unde sive mente excedamus in Deum, sive descendamus ad proximum, caritas Dei urget nos, et tandem perveniemus ad locum pacis, solatii et quietis. Quod nobis praestare dignetur, qui cum Patre et Spiritu sancto vivit et regnat Christus, Filius Patris, in saecula saeculorum. Amen.]

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Bonaventura geht auch von der Zwölfzahl der Sakramente aus …Was sind denn für ihn die „Gegensakramente“ des Antichrists?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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overkott
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Das A und das O

Beitrag von overkott »

[Mod][Dieser Beitrag stand als eigenständiger Thread da - hier ist der Bezug zur "Vision". In jedem Fall aber geht es ums Sechstagewerk. Bitte nicht noch mehr einzelne B-Threads. Darum ist der Beitrag auch jetzt hier.[/Mod]]

Vielen Dank, incarnata, für deine Vision, die noch einmal das Sechstagewerk aufgreift.

Ähnlich wie im Itinerarium nimmt im Hexaemeron Bonaventura Anleihen bei der Bibel, was den Strukturaufbau anbelangt.

So gipfelt er in der Christus-Offenbarung des Johannes, die ich hier noch einmal in drei Punkten näher darstellen will:

1,8 Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung.
21,6 Er sagte zu mir: Sie sind in Erfüllung gegangen. Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Wer durstig ist, den werde ich umsonst aus der Quelle trinken lassen, aus der das Wasser des Lebens strömt.
22,13 Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.

Diese drei Stellen, die wir auch im Zusammenhang lesen sollten, sind in Wirklichkeit eine einzige. Sie verbinden das Thema der Schöpfung in sechs Tagen mit dem Ausblick auf das Jüngste Gericht, das unsere Hoffnung auf Gerechtigkeit und Freiheit zum Ausdruck bringt.

Die Faszination für diesen Weitblick der Bibel und ihre Universalität hat Bonaventura schon in seinem Breviloquium beleuchtet.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Führ bitte mal die Zwölfzahl der Sakramente näher aus.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich hatte dieses im angeführten Sinne verstanden: quod in duodecim
mysteriis principalibus ostenditur Christus
.

Manche Theologen schlugen ja eine Zwölfzahl von Sakramenten vor,
als man daranging, die Sakramentenlehre zu schärfen; so etwa Petrus
Damiani. Allerdings hat sich seit Petrus Lombardus doch die Sieben-
zahl durchgesetzt. Darum könnte ich Bonaventuras Satz wohl mißver-
standen haben, zumal der Mann ja auch einen Sentenzenkommentar
geschrieben hat. Bei aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen sollte
man vorsichtiger sein. Allerdings interessiert mich der Kontext doch.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Kleiner Exkurs: Was wären denn die "12 Sakramente" gewesen?
???

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overkott
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Beitrag von overkott »

Da müsste uns Robert tatsächlich mal in der Auslegung von Kapitel XIV ein bisschen auf die Sprünge helfen.

Wir haben ja heute auf jeden Fall zehn Sakramente:

Christus als das Ursakrament, die Heilige Schrift als das Sakrament des Wortes, die Kirche als das Sakrament der Einheit und die sieben weiteren Sakramente des Amtspriestertums.

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