Dichterrätsel

Gespräche über ausgewählte litterarische Texte.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Petra hat geschrieben:Ein Dichter deutscher Sprache, bereits verstorben .... und katholisch?
Katholisch und verstorben ja,
deutscher Zung’ indessen nicht.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Ecce Homo
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Beitrag von Ecce Homo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Petra hat geschrieben:Ein Dichter deutscher Sprache, bereits verstorben .... und katholisch?
Katholisch und verstorben ja,
deutscher Zung’ indessen nicht.
Also ist das eine Übersetzung? Oder ist Deutsch nur nicht seine Muttersprache? ;)
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Ihr seid im Gebet ... mal schauen, ob/wann ich hier wieder reinsehe ...

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das ist eine Übersetzung.

Bitte um Nachsicht, daß ich sie auf die Schnelle
nur anfertigen konnte, ohne allen poetischen
Ansprüchen zu genügen.

Ein Hinweis noch, in Frageform: Von wie vielen
Personen ist in dem Sonett eigentlich die Rede?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Inabikari
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Beitrag von Inabikari »

Ist der Dichter Michelangelo?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nein, aber du liegst schon mal gar nicht so ferne ... ;)

Zu meiner vorigen Frage wäre noch die nach dem Geschlecht des Autors zu ergänzen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Petra
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Beitrag von Petra »

Caterina?
Zuletzt geändert von Petra am Samstag 2. Dezember 2006, 22:35, insgesamt 1-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nöööö ...
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Petra
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Beitrag von Petra »

Santa Chiara auch nich?

Inabikari
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Beitrag von Inabikari »

Vittoria Colonna?

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Vielleicht Christina Rossetti? Ich finde zwar kein passendes Sonett, aber immerhin hat sie laut Bio zwei Verehrer aus religiösen Gründen abblitzen lassen, was ja irgendwie das Thema dieses Gedichts zu sein scheint.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Inabikari mit Vittoria Colonna ist am dichtesten dran.
Nächstes Mal hast du’s ... ;D

Peregrin: Das Thema hast du noch nicht ganz erwischt,
aber ich gebe zu, daß man zum besseren Verständnis
auch noch etwas mehr aus dem Zyklus lesen müßte.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Peregrin: Das Thema hast du noch nicht ganz erwischt,
aber ich gebe zu, daß man zum besseren Verständnis
auch noch etwas mehr aus dem Zyklus lesen müßte.
Veronica Gambara?
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Auch noch nicht ... aber jetzt biste schon genauso dicht dran wie Inabikari! ;)

(Und nu bleibt eigentlich wirklich bloß noch eine ...)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Auch noch nicht ... aber jetzt biste schon genauso dicht dran wie Inabikari! ;)

(Und nu bleibt eigentlich wirklich bloß noch eine ...)
Gaspara Stampa? Ich bin mir nicht sicher, worum es eigentlich geht, aber für mich klingt das immer noch nach irgendeinem Liebesproblem.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Gaspara Stampa hat geschrieben:Era vicino il dì che ’l Creatore,
che ne l’altezza sua potea restarsi,
in forma umana venne a dimostrarsi,
dal ventre virginal uscendo fore,

Quando degnò l’illustre mio signore,
per cui ho tanti poi lamenti sparsi,
potendo in luogo più alto annidarsi,
farsi nido e ricetto del mio core.

Ond’io sì rara e sì alta ventura
accolsi lieta; e duolmi sol che tardi
mi fe’ degna di lei l’eterna cura.

Da indi in qua pensieri e speme e sguardi
volsi a lui tutti, fuor d’ogni misura
chiaro e gentil, quanto ’l sol giri e guardi.
Richtig! – „Liebesproblem“ stimmt auch. Es geht um ihre
unerfüllte Liebe zum Grafen Collalto, deren Beginn sie hier
im zweiten Gedicht ihres Zyklus von etwa dreihundert So-
netten
kurz vor Weihnachten datiert.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Ecce Homo
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Beitrag von Ecce Homo »

Na bitte! Gratuuliere, Peregrin!

*Wir warten auf das nächste Rätsel....*

:freude:
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Ihr seid im Gebet ... mal schauen, ob/wann ich hier wieder reinsehe ...

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

:ikb_w00t: :ikb_w00t: :ikb_w00t:

Meine Rätsel sind leider immer klein und albern, aber dafür geht es vielleicht schneller:
Die Sonne schien über das Meer,
Sie schien mit aller Macht.
Sie tat ihr Bestes, daß die Wogen
würden klar und sacht.
Und das war wunderlich, denn es war
Mitten in der Nacht.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Da tut sich nichts? Ich wollte mit dem "klein und albern" niemanden abschrecken. Es handelt sich natürlich schon um ein Stück Weltliteratur, das, oder besser gesagt eigentlich dessen Zwilling, es auch schon zu einer oscarnominierten Hollywood-Adaption gebracht hat. Das Gedicht hat sogar eine ausgezeichnete Moral - zumindest, wenn man eine Auster ist.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Radulf
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Beitrag von Radulf »

Der Mond sah dieses gar nicht gern:
Die Sonne, wie ihm deuchte,
Die habe sich hinwegzuscher'n,
Wenn man sie nicht mehr bräuchte.
"Das ist doch keine Art!" sprach er,
"Wo ich doch hier schon leuchte!"

Radulf
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Beitrag von Radulf »

Lewis Caroll, Alice hintern den Spiegeln.

(Ohne den Tip mit der Auster wäre ich nicht darauf gekommen.)

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Richtig! :jump:

Es handelt sich in der Tat um den Anfang des Gedichts "The Walrus and The Carpenter" aus Lewis Carrolls "Through the Looking Glass And What Alice Found There" von 1872. Der bekanntere Zwilling ist "Alice in Wonderland", verfilmt von Disney in 1951. Die beiden Aliceabenteuer im Wunderland findet man heutzutage oft gemeinsam in einem Band.
Lewis Carroll hat geschrieben: The Walrus and The Carpenter

The sun was shining on the sea,
Shining with all his might:
He did his very best to make
The billows smooth and bright--
And this was odd, because it was
The middle of the night.

The moon was shining sulkily,
Because she thought the sun
Had got no business to be there
After the day was done--
"It's very rude of him," she said,
"To come and spoil the fun!"

The sea was wet as wet could be,
The sands were dry as dry.
You could not see a cloud, because
No cloud was in the sky:
No birds were flying overhead--
There were no birds to fly.

The Walrus and the Carpenter
Were walking close at hand;
They wept like anything to see
Such quantities of sand:
"If this were only cleared away,"
They said, "it would be grand!"

"If seven maids with seven mops
Swept it for half a year.
Do you suppose," the Walrus said,
"That they could get it clear?"
"I doubt it," said the Carpenter,
And shed a bitter tear.

"O Oysters, come and walk with us!"
The Walrus did beseech.
"A pleasant walk, a pleasant talk,
Along the briny beach:
We cannot do with more than four,
To give a hand to each."

The eldest Oyster looked at him,
But never a word he said:
The eldest Oyster winked his eye,
And shook his heavy head--
Meaning to say he did not choose
To leave the oyster-bed.

But four young Oysters hurried up,
All eager for the treat:
Their coats were brushed, their faces washed,
Their shoes were clean and neat--
And this was odd, because, you know,
They hadn't any feet.

Four other Oysters followed them,
And yet another four;
And thick and fast they came at last,
And more, and more, and more--
All hopping through the frothy waves,
And scrambling to the shore.

The Walrus and the Carpenter
Walked on a mile or so,
And then they rested on a rock
Conveniently low:
And all the little Oysters stood
And waited in a row.

"The time has come," the Walrus said,
"To talk of many things:
Of shoes--and ships--and sealing-wax--
Of cabbages--and kings--
And why the sea is boiling hot--
And whether pigs have wings."

"But wait a bit," the Oysters cried,
"Before we have our chat;
For some of us are out of breath,
And all of us are fat!"
"No hurry!" said the Carpenter.
They thanked him much for that.

"A loaf of bread," the Walrus said,
"Is what we chiefly need:
Pepper and vinegar besides
Are very good indeed--
Now if you're ready, Oysters dear,
We can begin to feed."

"But not on us!" the Oysters cried,
Turning a little blue.
"After such kindness, that would be
A dismal thing to do!"
"The night is fine," the Walrus said.
"Do you admire the view?

"It was so kind of you to come!
And you are very nice!"
The Carpenter said nothing but
"Cut us another slice:
I wish you were not quite so deaf--
I've had to ask you twice!"

"It seems a shame," the Walrus said,
"To play them such a trick,
After we've brought them out so far,
And made them trot so quick!"
The Carpenter said nothing but
"The butter's spread too thick!"

"I weep for you," the Walrus said:
"I deeply sympathize."
With sobs and tears he sorted out
Those of the largest size,
Holding his pocket-handkerchief
Before his streaming eyes.

"O Oysters," said the Carpenter,
"You've had a pleasant run!
Shall we be trotting home again?'
But answer came there none--
And this was scarcely odd, because
They'd eaten every one.
Dsa naechste Raetsel, bitte. ;)
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Radulf
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Beitrag von Radulf »

1.
Ach, helft mir alle greinen,
ja, Rotz und Wasser weinen,
mein Schlafgesell ist tot.
Wer will sich nun bequemen,
mich in den Schoß zu nehmen?
O gar zu große Not!

2.
Wie artig kunnt ich liegen,
wie kunnt ich mich doch schmiegen
an der Frau Mutter Bauch.
Nun liegt sie in dem Sarge.
Wie wird das Glück zu Quarke
und alle Lust zu Rauch.

...

Dieses setzte in Eil höchst mitleidend bei seiner großen Unpäßlichkeit und Bestürzung über den unverhofften Tod seiner lieben Mama.
Däfftle.

(Die dritte Strophe habe ich ausgelassen, weil sie einen allzu deutlichen Hinweis auf den Autor enthält.)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Christian Reuter?
If only closed minds came with closed mouths.

Radulf
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Beitrag von Radulf »

Das habe ich wirklich nicht erwartet: So rasch!

Ja, es ist Christian Reuter. Sein bekannter "Schelmuffsky" wird in der dritten Strophe erwähnt:

3.
Schelmuffsky, Hund und Raben,
die sollen dich noch haben,
weil du ein Mörder bist.
Ihr Schwestern, euer Zanken
soll euch der Henker danken;
ade zu dieser Frist.

Dieses kurze Gedicht entstammt einem kurzen Werk Reuters:
"Wohlgemeinte Gedanken bei dem Grabe der weiland hoch-, ehr- und tugendbegabten Frau Schlampampe."

Reuter hat hier den fünf Kindern sowie dem Schwiegersohn seiner Wirtin (Schlampampe) Gedichte in den Mund gelegt und - als angeblicher Sohn Schelmuffsky noch ein weiteres dazu verfaßt, das die Einleitung der Sammlung bildet:

O Sapperment, o Tod! du dürres Rabenaas,
du hast ja wie ein Dieb an unserm Haus gehandelt.
Ach, die Frau Mutter stirb und beißet in das Gras,
nun ist die ehrliche Frau in Nobis Krug gewandelt.
Nun ist es auch mit mir, der Tebel hol mer, aus.
Ach, wär ich Hundsf... nur dort zu Sankt Malo blieben,
dann meiner Schwestern Zorn verjagt mich aus dem Haus.
Ach, ging ich armer Schelm nicht in besch... Hemde,
gewiß, ich machte mich gleich wieder in die Fremde.

Hiermit wolle seine gransende Schuldigkeit,welche, der Tebel hol mer, nicht zu beschreiben, bezeugen
Signor schelmuffsky.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Wundervoll! Gibt es von dem eigentlich noch was im Druck??

Das zweite Gedicht erinnert mich an die unsterblichen Verse aus den Buddenbrooks:

Ich bin ein rechtes Rabenaas,
Ein wahrer Sündenkrüppel,
Der seine Sünden in sich fraß
als wie der Rost den Zwippel...

(oder: als wie der Ruß die Zwibbel??)

Hier streiten sich ja die Gelehrten... :D
If only closed minds came with closed mouths.

Radulf
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Beitrag von Radulf »

Der "Schelmuffsky" wird bei amazon sowohl neu als auch gebraucht angeboten. Die übrigen Werke gibt es wohl z.Z. nur gebraucht. Ich habe heute eine Ausgabe des Aufbau-Verlages Berlin und Weimar von 1980 verwendet.

Korrigenda:
Ach, die Frau Mutter stirbt und beißet in das Gras,
...
Signor Schelmuffsky.

Die Rede des Schwiegersohnes will ich abschließend noch zum Besten geben:

Man gab mir immer Schuld, ich machte Schlösser offen
und lese mir nach Lust die nassen Waren aus.
Doch dieses war zu viel; ist in Schlampampen Haus
schon manchesmal vordem dergleichen eingetroffen,
jetzt wär es gut vor sie, wann ich die ehrl'che Frau
mit einem Dieterich aus ihrem Loch befreite.
Doch weil sie mir sonst stets des Schlüssels wegen dräute,
so denk ich: liege nun, du alte Gerbersau!

Mit diesem wollte seine Gratulationskondulenz eiligst entwerfen
Herr Gerge.

Radulf
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Beitrag von Radulf »

Friedrich Engels schrieb:

"...Nach Breslau zurückgekehrt, erlangte er (sc. Wilhelm Wolff) endlich nach vielem Tribulieren und Querulieren die Erlaubnis einer hochpreislichen königlichen Regierung, Privatstunden geben zu dürfen, und konnte sich nun wenigstens eine bescheidene Existenz gründen. Mehr verlangte der fast bedürfnislose Mann nicht. Zugleich nahm er den Kampf gegen die bestehende Unterdrückung wieder auf, soweit dies unter den damaligen jammervollen Verhältnissen möglich war. Er mußte sich darauf beschränken, einzelne Tat-Sachen von Beamten-, Gutsherren- oder Fabrikantenwillkür an die Öffentlichkeit zu bringen, und fand auch da noch Hindernisse an der Zensur. Aber er ließ sich nicht irremachen. Das damals neueingesetzte Oberzensurgericht hatte keinen hartnäckigeren, immer wiederkehrenden Stammgast als den Privatlehrer Wolff in Breslau. Nichts machte ihm mehr Spaß, als die Zensur zu prellen, was bei der Dummheit der meisten Zensoren nicht sehr schwer war, sobald man ihre schwachen Seiten einigermaßen kannte. So war er es, der die frommen Gemüter aufs äußerste skandalisierte, indem er in einem alten Kirchengesangbuch, das noch in einigen Orten in Gebrauch war, das folgende "Kernlied" des bußfertigen Sünders entdeckte und in den schlesischen Provinzialblättern zur Öffentlichkeit brachte:

Ich bin ein rechtes Rabenaas,
Ein wahrer Sündenkrüppel,
Der seine Sünden in sich fraß,
Als wie der Russ' die Zwippel.
Herr Jesu, nimm mich Hund beim Ohr,
Wirf mir den Gnadenknochen vor,
Und schmeiß mich Sündenlümmel
In deinen Gnadenhimmel.

... Der Zensor bezog einen derben Rüffel, und die Regierung begann mit der Zeit wieder ein wachsames Auge auf diesen Privatlehrer Wolff, diesen unruhigen Schwindelkopf, zu werfen, den fünf Jahre Festung nicht hatten zähmen können. ..."

Dieses (von Wolff selbst verfaßte?) Gedicht hat Thomas Mann in seinen Roman aufgenommen, wobei offenbar der "Rost" entstand.
(Anm.: Denn daß dies aus einem Erbauungsbuch des Bergischen Landes mit dem Titel "Geistliches Klistiersprützlein für alle in Christo verstopften Seelen" stamme, würde die unfreiwillige Komik doch zu weit treiben.)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Aus ungeheuren Räumen,
darin das Grauen webt,
schreckt, gleich verworrnen Träumen,
der Tod, der vor Dir bebt.
Ich seh' Dein Antlitz strahlen,
kein Wort gleicht Deinem Wort,
und über Zweifelsqualen
reißt mich die Liebe fort.
If only closed minds came with closed mouths.

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incarnata
Beiträge: 2047
Registriert: Mittwoch 8. November 2006, 01:11

Beitrag von incarnata »

Das zweite Gedicht ist von Gottfried Benn,meinem
ach so geliebten Fachkollegen,der sich Zeit seines Lebens
dagegen aufgelehnt hat,daß er eigentlich eine mystisch-gläubige
Seele hatte-was sein sezierender geist aber nicht zugeben wollte.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

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Peregrin
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Registriert: Donnerstag 12. Oktober 2006, 16:49

Beitrag von Peregrin »

War das jetzt eine Lösung oder was?
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Stephen Dedalus
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Registriert: Dienstag 7. September 2004, 15:28

Beitrag von Stephen Dedalus »

Nein.
If only closed minds came with closed mouths.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Hier noch ein paar Zeilen aus dem Gedicht:
Ich will mein selbst vergessen
Am Saum der Erdennacht,
Und an das Kreuz mich pressen
Mit meiner Seele Macht.
If only closed minds came with closed mouths.

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