Gelebte Armut

Klöster, Klerus, Laienschaft. Besondere Nachfolge.
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Alberic-Maria
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Gelebte Armut

Beitrag von Alberic-Maria »

Grüß Gott,

ich bin neu in diesem Forum und möglicherweise wurde das Thema bereits diskutiert. Wenn ja, bitte ich um entschuldigung.

Ich gehe davon aus, dass alle, die sich an diesem Forum beteiligen eine "Beziehung" zum Ordensleben haben. Sei es, weil sie selbst einer Ordens- oder sonstigen Gemeinschaft angehören oder weil sie möglicherweise sich mit diesem Gedanken getragen und sich dann aber nicht für das Ordensleben entschieden haben.
Zu letzteren gehöre ich. Ich habe längere Zeit mich mit dem Gedanken beschäftigt, ob ich zum Trappisten berufen bin.
Gott (oder möglicherweise ich) haben dann einen anderen Weg für mich gewählt und rückblickend kann ich sagen, dass es so gut ist.
Wichtig ist mir, dass ich die jetzige Lebensform (verheiratet, 3 Kinder) annehme und nicht als "Möchtegern-Mönch" lebe. Das ist eine Form, wie ich Gehorsam verstehe, dass ich nämlich das annehme, was Gott mir in meinem Alltag "schenkt" an schönen aber auch aus meiner Sicht weniger schönem.
Nun hat mir aber die 1 Stunde Heilige Messe nie ausgereicht für meine Beziehung mit Gott und ich versuche schon, diese Beziehung (u.a. über die Stundengebete) intensiver zu leben.
Ich gehe davon aus, dass auch diejenigen von euch, die nicht einer Ordensgemeinschaft leben in einer ähnlichen Situation sind. Nämlich für sich erkannt haben, dass vieles aus den Orden eben auch für weltliche Menschen gut tut - und auch "in der Welt" gelebt werden kann (wobei ich eh nicht davon ausgehe, dass Mönche oder Nonnen "aus der Welt" sind).

Meine Frage betrifft nun die Armut. Wie lebt ihr Armut in der Welt.
Kurzes Beispiel: Vor kurzem hat unser Sohn unseren Computer außer Gefecht gesetzt. Bei der Installation neuer Hardware hat er das Motherboard beschädigt. Alle Daten futsch. Da habe ich erst mal gemerkt, wie "abhängig" ich vom Computer bin und wie hilfreich er für uns ist. Beispiel ebay: Hier kann ich eben Schnäppchen machen. Andere, die keinen Computer haben, haben diese Möglichkeit nicht. Für mich bedeutet ein Computer und insbesondere das Internet schon "Reichtum".
Soll ich nun aber auf ihn verzichten. Nicht Geld beim Einkauf sparen, das ich dann für andere spenden kann?
Kauft ihr nur bei Aldi und Norma ein - was heute doch fast jeder tut - und unsere kleinen Läden müssen dicht machen?

Wie lebt ihr konkret für euch Armut?

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Reinhard Gonaus
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Re: Gelebte Armut

Beitrag von Reinhard Gonaus »

Alberic-Maria hat geschrieben:(...)
Wie lebt ihr konkret für euch Armut?
Was ist Armut?
Nach meiner provisorischen Meinung: Im Erhalten des grundlegend Lebensnotwendigen ganz und gar vom Wohlwollen anderer abhängig sein.

Wer von uns ist arm in diesem Sinne?
Ich hab mal eine Klosterschwester gefragt, die außerhalb des Klosters als Lehrerin an einer öffentlichen Schule arbeitete, und die selbstverständlich ihr Einkommen dem Kloster überlässt, wieviel ihr monatlich für persönliche und berufliche Erfordernisse zur Verfügung stehe. Sagte sie, etwa 150 Euro.
Ok. Soviel kann ich mir als Familienvater von meinem Einkommen nicht behalten. Bin ich jetzt ärmer als sie?

In Albanien, hör ich, beträgt das monatliche Durchschnittseinkommen rund 11 Euro. Wag ich, zusammen mit der obzitierten Schwester, dort von meinen Versuchen zu reden, Armut zu leben?

Armut leben ...
Ganz ehrlich: Ich weiß nicht, wie das gehen könnte. Ich bin's nun mal nicht, und wenn alle Stricke reißen, kann ich immer noch auf mein Erspartes zurückgreifen. Ein Armer kann das nicht.
Ich kann: Mit meinem "Reichtum" verantwortungsvoll umgehen: Weil ich haben will, dass Hühner im Freiland gehalten werden, auch deren Eier kaufen. Kaffee, Honig, Gewürze u. dgl. im EZA-Laden oder in der EZA-Abteilung im Supermarkt kaufen. Strom sparen, wo es geht. Das Auto möglichst oft stehen lassen, vielleicht auch keins haben, wenn's wirklich ohne geht. Im Kino oder im Theater einen billigeren Platz nehmen. Mit meinem Arzt reden, dass er mir, wo es möglich ist, Generika verschreibt. Hin und wieder: Eine Anschaffung hinauszögern oder drauf verzichten, um Geld für eine außertourliche Spende frei zu kriegen.

Aber Armut leben ist das alles nicht. Mein Sohn hat mal -als grüner Gemeinderat und aus Protest gegen behördliche Willkür gegen Bettler- sich selbst für ein paar Stunden zum Bettler gemacht. Er hat erzählt: Das Schlimmste war, sich mitten in der Stadt, in der ihn ja jeder kennt, hinzusetzen. Und das Zweitschlimmste: Sich am Ende der Aktion erheben, das Eingenommene vor aller Augen zusammenzuraffen und damit wegzugehen. Natürlich hat er's einem sozialen Zweck gewidmet, und um den Verleumdern den Wind aus den Segeln zu nehmen hat er's außerdem aus der eigenen Tasche versteuert.

Ok. Armut gelebt war das aber auch nicht.
Reinhard
--
Wir werden nie herausfinden, warum einer, der schnarcht,
sich selbst nicht schnarchen hören kann. (Mark Twain)

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

Hallo und Grüß Gott Alberic-Maria !

Herzlich willkommen auf dem Kreuzgang !
Hört sich nach großer Diskussion an. Wenn das Thema schon dran gewesen sein sollte , macht nix, ist schon die richtige Zeit dafür, sich dann mal wieder damit zu befassen .


Um zu deinem Eingangsstatesment zurückzukommen , bei Aldi ,Lidl,Norma, Penny, Netto usw. kaufe ich auch ein,aber nicht nur dort ,sondern auch gern beim Real. Der Aldi-PC gilt allgemein als gut und sehr brauchbar.

Nun bin ich keine allzu große PC-Expertin und , wenn mit minger PC-Maschine jet kaputt is, jon ich in einen kleinen PC-Laden, wo die Jungs de Maschin weder reparieren, und me sagen , wenn en neuer fällig ist, welcher die richtige Größe für mich hat, und net so viel Spielreien hat.
PCs halte ich grundsätzlich für etwas lebensnotwendiges.
Gelebte Armut mit Kindern, also ich weis net.
Und zum lernen auch by doing gerade für Kids ist so ein Teil schon notwendig.

Hab ich gerade erst wieder erlebt, in einem Email-Kontakt mit einem ehemaligen ghanischen Mitschüler, der jetzt wieder zuhause in Ghana lebt, wie wichtig auch dort in den so armen Ländern PCs sind.

Also kauf ruhig einen neuen PC und sei vor allem net bös mit deinem Sohnemann.

Herzliche Grüße,
Elisabeth

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Mir schmeckt dein Ansatz nicht, Alberic-Maria. Vielleicht hab ich dich aber auch nur missverstanden. Verstanden habe ich, dass du als Christ "mitten in der Welt" möglichst viel von dem leben willst, was auch die Ordensleute leben. Hier: die Armut. - Bestätigung für mein Verständnis deines Postings sehe ich darin, dass du es ins Ordens-Board setzt.

Das finde ich deswegen problematisch, weil die Ordensberufung ein Sonderfall der universalen Berufung zur Heiligkeit, zur Nachfolge Christi, ist. Der Normalfall findet mitten in der Welt statt. Und zum Streben nach Heiligkeit, zur Nachfolge Christi, gehören alle Tugenden dazu, auch die Armut. Aber natürlich auf eine Art und Weise, die mit den familiären, beruflichen, sozialen.... Verpflichtungen in Einklang steht, denn auch diese Verpflichtungen sind ja Elemente der christlichen Berufung. Das bedeutet im Regelfall auch, dass man einiges an Ersparnissen hat, an Versicherungen, an "materiellen Gütern" (inkl. Auto, PC etc.). Als "gewöhnlicher Christ mitten in der Welt" die Armut zu leben, kann daher nicht in einer für alle gültigen "Check-Liste" bestehen, in der man dann abhaken kann, ob oder wie man die Armut lebt, sondern darin, erstens zu versuchen, sich von nichts abhängig zu machen (auch nicht von TV und PC! und dafür ist eine Trainingszeit "ohne" manchmal ganz gesund), und zweitens immer wieder selbstkritisch zu überprüfen, wo man auf etwas verzichten kann. Ein wichtiges Kriterium ist für mich: wenn die Armut nicht ab und zu auch mal weh tut, lebe ich sie nicht...
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll.
(Adolph Kolping, Patron des XX. Weltjugendtags 2005)

Biggi
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Beitrag von Biggi »

(Nachtrag: Wo ist denn der Beitrag von Dirk geblieben, auf den sich mein Beitrag hier bezieht??? :kratz: Er sprach darin davon, dass die evangelischen Räte Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam nur für Ordensleute gelten und von Christen in der Welt nicht gelebt zu werden bräuchten. Für die Ehelosigkeit gilt das ohne Zweifel, zumindest für die große Mehrzahl der Christen in der Welt. Aber:)


Seh ich anders, Dirk. Natürlich ist die äußere Form der Armut bei einem Franziskaner eine andere als bei einem Familienvater. Sie ist auch eine andere, je nachdem, in welchem Land, welcher sozialen Schicht, welchem Jahrhundert man lebt. Aber ich denke nicht, dass man sagen kann, ein Christ in der Welt brauche die Armut nicht zu leben. Naturlich kann Armut dann nicht heißen, nichts zu besitzen. Aber "besitzen als besäße man nicht" kann u.U. sogar schwerer sein als nichts zu besitzen...
Zuletzt geändert von Biggi am Samstag 27. November 2004, 14:58, insgesamt 1-mal geändert.
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(Adolph Kolping, Patron des XX. Weltjugendtags 2005)

IngoB
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Re: Gelebte Armut

Beitrag von IngoB »

Alberic-Maria hat geschrieben: Ich gehe davon aus, dass alle, die sich an diesem Forum beteiligen eine "Beziehung" zum Ordensleben haben.
Nein, darum zitier ich mal lieber nur einen Dominikaner, statt meinen eigenen Senf dazuzugeben:
Meister Eckhart hat geschrieben: Von ungelassenen Leuten, die voll Eigenwillens sind

Die Leute sagen: »Ach, ja, Herr, ich möchte gern, daß ich auch so gut zu Gott stünde und daß ich ebensoviel Andacht hätte und Frieden mit Gott, wie andere Leute haben, und ich möchte, mir ginge es ebenso oder ich wäre ebenso arm«, oder: »Mit mir wird's niemals recht, wenn ich nicht da oder dort bin und so oder so tue, ich muß in der Fremde leben oder in einer Klause oder in einem Kloster.«

Wahrlich, darin steckt überall dein Ich und sonst ganz und gar nichts. Es ist der Eigenwille, wenn zwar du's auch nicht weißt oder es dich auch nicht dünkt: niemals steht ein Unfriede in dir auf, der nicht aus dem Eigenwillen kommt, ob man's nun merkt oder nicht. Was wir da meinen, der Mensch solle dieses fliehen und jenes suchen, etwa diese Stätten und diese Leute und diese Weisen oder diese Menge oder diese Bestätigung - nicht das ist schuld, daß dich die Weise oder die Dinge hindern: du bist es <vielmehr> selbst in den Dingen, was dich hindert, denn du verhälst dich verkehrt zu den Dingen.

Darum fang zuerst bei dir selbst an und laß dich! Wahrhaftig, fliehst du nicht zuerst dich selbst, wohin du sonst fliehen magst, da wirst du Hinderniss und Unfrieden finden, wo immer es auch sei. Die Leute, die da Frieden suchen in äußeren Dingen, sei's an Stätten oder in Weisen, bei Leuten oder in Werken, in der Fremde oder in Armut oder in Erniedrigung - wie eindrucksvoll oder was es auch sei, das ist dennoch alles nichts und gibt keinen Frieden. Sie suchen völlig verkehrt, die so suchen. Je weiter weg sie in die Ferne schweifen, umso weniger finden sie, was sie suchen. Sie gehen wie einer, der den Weg verfehlt: je weiter der geht, um so mehr geht er in die Irre. Aber, was soll er denn tun? Er soll zuerst sich selbst lassen, dann hat er alles gelassen. Fürwahr, ließe ein Mensch ein Königreich oder die ganze Welt, behielte aber sich selbst, so hätte er nichts gelassen. Läßt der Mensch aber von sich selbst ab, was er dann auch behält, sei's Reichtum oder Ehre oder was immer, so hat er alles gelassen.

Zu dem Worte, das Sankt Peter sprech: »Sieh, Herr, wie haben alle Dinge gelassen« <Matth. 19,27> - und er hatte doch nichts weiter gelassen als ein bloßes Netz und sein Schifflein -, dazu sagte ein Heiliger: Wer das Kleine willig läßt, der läßt nicht nur dies, sondern er läßt alles, was weltliche Leute gewinnen, ja selbst, was sie nur begehren können. Denn wer seinen Willen und sich selbst läßt, der hat alle Dinge so wirklich gelassen, als wenn sie sein freies Eigentum gewesen wären und er sie besessen hätte mit voller Verfügungsgewalt. Denn was du nicht begehren willst, das hast du alles hingegeben und gelassen um Gottes willen. Darum sprech unser Herr: »Selig sind die Armen im Geist« <Matth. 5,3>, das heißt: an Willen. Und hieran soll niemand zweifeln: Gäb's irgendeine bessere Weise, unser Herr hätte sie genannt, wie er ja auch sagte: »Wer mir nachfolgen will, der verleugne zuerst sich selbst« <Matth. 16,24>; daran ist alles gelegen. Richte dein Augenmerk auf dich selbst, und wo du dich findest, da laß von dir ab; das ist das Allerbeste.
in "Reden der Unterweisung", 3. Rede, z.B. zu finden in "Meister Eckehart - Deutsche Predigten und Traktate", Hrsg. Josef Quint, TB bei Diogenes. Betonung im Text durch mich, geklaut aus dem Netz wegen Tippfaulheit hier.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Alberich, was die Armut betrifft: Mach keinen Moralismus daraus. Es gibt keine sittliche Pflicht, arm zu sein. Es geht vielmehr darum, »geistig arm« zu sein. Nur dem einen Herrn zu dienen, nicht dem andern. Aber wie geht das? – Jesus Christus gibt dir eine Empfehlung – als „pastoralen“ Rat, wie man das heute nennen würde – und eine Verheißung.

Der Rat:
Jesus Christus (Mc 10,21 par) hat [u]gesagt[/u]; klar, daß er nicht hat geschrieben:»Eins fehlt dir! Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, nimm das Kreuz auf dich und folge mir nach!«
Die Verheißung:
Jesus Christus (Mc 10,29-30 par) hat [u]gesagt[/u]; klar, daß er nicht hat geschrieben:»Wahrlich, ich sage euch, es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker um meinetwillen und um des Evangeliums willen verlassen hat, der nicht hundertfältig empfinge, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker, unter Verfolgungen, und in der zukünftigen Weltzeit ewiges Leben.«
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Edith
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Beitrag von Edith »

Eine Äbtissin hat mir mal gesagt, Armut sei, wenn man sich nicht alles leistet, was man sich leisten könnte.
Ich denke,... das wäre mal ein Anfang.

Ich kenne kaum eine Auslegung... insbesondere bei den Orden... die nicht letztlich darauf hinausläuft, dass Armut eigentlich "Freiheit von" meint.
Freiheit vom Habenmüssen. Loslassenkönnen.

Denn... man kann auch unglaublich besitzend an etwas hängen... das man eben nicht hat.

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Ketzerin
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Beitrag von Ketzerin »

Wow, dieses Thema beschäftigt mich selbst auch schon eine Weile.

Ich sehe mich selbst als sehr reich an, alleine dadurch, dass ich in einem Land lebe, wo ich weder wegen meines Geschlechts, meiner Hautfarbe, meiner Religion, polit. Überzeugung und und und um mein Leben fürchten muss.
Desweiteren bin ich trotz relativ geringem Gehalt (momentan noch zumindest) glaube ich doch sehr reich, da ich Arbeit habe und Chancen auf Verbeamtung... Ist in heutiger Zeit doch sehr viel.

Was also tun mit meinem (auch noch anzusparendem) Geld?
Alles hergeben und dann- falls es nötig sein solte- selbst das - Gott sei Dank existierende- Sozialsystem in Anspruch nehmen?

Mein persönlicher Umgang damit ist, mir erstens immer wieder bewusst zu werden, wie gut es mir geht.
Mir desweiteren nicht unbedingt alles leisten, was ich mir u.U. leisten könnte. (Nein, ich fliege nicht 3 Wochen in die Karibik)
Irgendwo hier im Forum habe ich ja auch mal den Thread zu eth. Geldanlage aufgemacht. Mir ist es wichtig, mein Geld irgendwo auch bewusst auszugeben.
Ich versuche seit neuestem nicht mehr nur bei Aldi etc einzukaufen sondern auch mal im Bio- oder eine-Welt-laden, damit ich dort diejenigen Betriebe unterstütze, die meine Unterstützung auch brauchen.
Und wnn ich mir mal einen Luxus leiste, bin ich dankbar dafür.

So, hoffentlich klingt´s nicht allzu moralisch. Soll´s nömlich nicht sein, sondern einfach mal (m)ein Versuch, ein bescheidenes Leben zu führen. Wie gesagt, ich wage es nicht mal wirklich Armut zu nennen.
soli deo gloria

Marlene
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Beitrag von Marlene »

Edith hat geschrieben:Denn... man kann auch unglaublich besitzend an etwas hängen...
Zum Beispiel auch an einem bestimmten Gottesbild ...

Hier immer wieder loszulassen von den eigenen Bildern, Wünschen ... und sich immer wieder bedingungslos auf den einlassen, der zwar in meinem Herzen wohnt, aber dennoch absolut unverfügbar ist.

Das ist für mich auch eine Form von Armut.

Ein anderes Bild von Armut wird in der Gebetsbitte eines Mönchs, neulich bei der Anbetung laut gesprochen, deutlich: "Herr, lass uns niemals vergessen, welche Gefäße der Armut wird sind".

Oder bei Thomas von Aquin:
Gottheit tief verborgen ...
Sieh, mein ganzes Leben gebe ich dir hin,
weil vor so viel Wunder ich nur Armut bin

**********************************
Falls sich jemand wundert, da ich mich gestern schon verabschiedet habe - noch ist es nicht Advent. Ich dachte nur nicht, dass ich heute noch einmal online sein würde

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Edith hat geschrieben:»Eine Äbtissin hat mir mal gesagt, Armut sei, wenn man sich nicht alles leistet, was man sich leisten könnte.«
Das ist nicht Armut, sondern understatement.
Edith hat geschrieben:»Freiheit vom Habenmüssen. Loslassenkönnen.«
Loslassen können? – Nee, Edith, tatsächlich loslassen. Nein, nicht einmal das: vielmehr abwerfen und widersagen.

Es geht ums Tun. Bloßes Können ist ein leeres Wort und allzumeist Einbildung.
Edith hat geschrieben:»Denn... man kann auch unglaublich besitzend an etwas hängen... das man eben nicht hat«
Völlig richtig. Aber auch wer nichts zu haben meint, woran sein Herze hinge, der hat noch genug, es abzuwerfen und ihm zu widersagen.
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Ralf

Beitrag von Ralf »

Zustimmung, Robert. Würde man die Logik der Äbtissin bspw. auf den Evangelischen Rat der Ehelosigkeit anwenden, gäbe das reichlich skurrile Konstellationen (Details kann sich jeder denken..."Hauptsache man könnte es lassen wenn man wollte"....).

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Heike hat geschrieben:»Ich versuche seit neuestem nicht mehr nur bei Aldi etc einzukaufen sondern auch mal im Bio- oder eine-Welt-laden, damit ich dort diejenigen Betriebe unterstütze, die meine Unterstützung auch brauchen.«
Das ist Moralismus. Schlimmer als Völlerei und Habsucht.

Marlene hat geschrieben:»Zum Beispiel auch an einem bestimmten Gottesbild …

Hier immer wieder loszulassen von den eigenen Bildern, Wünschen … und sich immer wieder bedingungslos auf den einlassen, der zwar in meinem Herzen wohnt, aber dennoch absolut unverfügbar ist.

Das ist für mich auch eine Form von Armut.«
Das ist eine geradzu esoterische Sublimierung des Armutsbegriffs. Mensch, werd’ konkret.
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Marlene
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Beitrag von Marlene »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das ist eine geradzu esoterische Sublimierung des Armutsbegriffs. Mensch, werd’ konkret.
Ich werd es meinem Beichtvater weitergeben ...

Im Übrigen finde ich deine kurz-zackigen Aburteile nicht gerade weiterführend.

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Ketzerin
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Beitrag von Ketzerin »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Heike hat geschrieben:»Ich versuche seit neuestem nicht mehr nur bei Aldi etc einzukaufen sondern auch mal im Bio- oder eine-Welt-laden, damit ich dort diejenigen Betriebe unterstütze, die meine Unterstützung auch brauchen.«
Das ist Moralismus. Schlimmer als Völlerei und Habsucht.

Jetzt schieb mal der guten Heike nicht mein Geschwätz in die Schuhe.

Kann Dir nicht helfen, wenn Du meinst, dass es Moralismus sei. Versuchte eigentlich deutlich zu machen, dass ich euch bloss an meinen Versuchen, dies alles in den Alltag umzusetzten teilhaben lassen will- ohne jeglichen Anspruch, die Moral gepachtet zu haben.
Muss mir wohl nicht so ganz geglückt sein. :/
soli deo gloria

Ralf

Beitrag von Ralf »

Ich kann Robert verstehen, es wird mit kaum einem Begriff soviel Schindluder getrieben bei "Orden & Co." wie mit der Armut.

Immer sind es die auch-Formen der Armut, nie wirkliche materielle Armut selbst, die sich Ordensleute aufs Fähnchen schreiben. Nie wird es wirklich hart im Alltag, immer wird es bloß spiritualisiert.

Mir geht das schon jahrelang auf die Nerven.

Wer nicht arm lebt, soll auch keine Ausreden dafür suchen, ob es nicht doch ein wenig anders auch ein wenig arm sei.

Seid einfach ehrlich. Gott könnt Ihr eh nicht verarschen.

Anastasis

Beitrag von Anastasis »

Wozu überhaupt Armut? Macht die uns wirklich frei von Anhänglichkeiten?

(Ich muß zugeben: zur Armut habe ich mich noch nie auch nur ansatzweise berufen gefühlt.)

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ketzerin hat geschrieben:Jetzt schieb mal der guten Heike nicht mein Geschwätz in die Schuhe.
’tschuldigung! :pale:
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ketzerin hat geschrieben:»Kann Dir nicht helfen, wenn Du meinst, daß es Moralismus sei.«
Bewahre! Ich hatte ja dir helfen wollen. :) Aber du mißverstehst den Moralismusbegriff, den ich meinte. Mir ging es nicht darum, dir vorzuwerfen, du deuchtest dich moralisch über wen auch immer erhaben. Nein, der Punkt ist, daß du dir selber eine moralische Meßlatte legst, nach der du dich streckst.

Das wäre an sich ja noch nicht von vornherein verkehrt. Wenn du dir beispielshalber vornimmst, deinen Mann nicht mehr zu schlagen, dann ist das durchaus ein lobenswerter Vorsatz und des Kampfes wert. Aber diese Sache mit der Armut hat nichts mit der Moral zu tun. Arm zu sein empfiehlt keins der zehn Gebote und auch kein Kirchengebot.

Ebenso ist es mit dem Almosengeben. Das ist kein moralisches Gebot, sondern ein gutes Werk, das die Kirche empfiehlt. Wenn du aber Almosen geben willst, dann tu es direkt und laß die linke Hand nicht wissen, was die rechte tut. Wenn du nach vorgefaßtem Plan sozialer Nützlichkeit kaufst, dann gerätst du in die Rechnerei. Du berechnest deine guten Werke. Laß es.

Wenn du eine Empfehlung annehmen möchtest, dann gebe ich dir diese: Wenn du nächstens in einem „guten“ Laden – vermeintlich oder nicht, das stehe dahin, das ist nicht der Punkt – kaufen möchtest, dann gib statt dessen das Geld, das du üblicherweise da ausgibst, dem ersten Penner, den du triffst. Besser das Doppelte. Oder das Hundertfache. Keine Angst: Der Herr weiß, was du brauchst! :)
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Alberic-Maria
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Armut nur für Ordensleute oder für alle!

Beitrag von Alberic-Maria »

Hallo, da habe ich ja eine heftige Diskussion entfacht.

Nun bin ich kein Theologe und möglicherweise liege ich nun völlig falsch.
Aber als Anhänger von Franziskus und Klara von Assisi meine ich schon, dass insbesondere Franziskus die Armut nicht zu seiner "Herrin"gewählt hat, weil er eine Ordensgemeinschaft gegründet hat, sondern weil er die Forderung nach radikaler Armut aus den Evangelien entnommen hat.
Muss das nicht auch für mich als "Weltmenschen" bedeuten, dass ich mal so schaue, wie Jesus gelebt hat.
Gut damals gab es noch keine Autos, also kein Problem für ihn. Aber seine Apostel waren ja zum Teil Fischer und hatten vermutlich auch Boote. Sie haben alles zurückgelassen und sind ihm gefolgt. Ich habe nichts gelesen, dass er ein eigenes Haus, einen eigenen Weinberg hatte. Spontan fällt mir die Geschichte von dem jungen Mann ein, der nach der Empfehlung alles zu verkaufen traurig davon ging. Da steht irgendwie (zuminest in meiner Bibelausgabe) nichts von Orden oder ähnlichem.
Ich leite daraus ab, dass dieses alles zu verkaufen, weil man den Schatz im Acker gefunden hat für jeden, also auch für mich gilt.
Richtig ist, dass es auch bei den Orden große Unterschiede in der Armut gibt. Ich war mal in Amerika, habe dort u.a. in einem Trappistenkloster gelebt. Da hätte sich mancher aus "down-town" die Hände nach geleckt, so zu leben. Auch die Nachfolger des Franziskus sind da nicht immer so ganz Linientreu (waren es ja nicht mal zu Lebzeiten von Franziskus).
Anders zum Beispiel die Kleien Brüder oder Schwestern Jesu in der Nachfolge von Kleiner Bruder Karl (Charles de Foucauld).
Die leben, so wie ich es sehe schon in Armut, auch rechtlicher Armut, die sie mit ihrem Leben bezeugen (Brüder, die in Südamerika von Todesschwadronen ermordert wurden).
Wenn ich an Hartz IV denke, befürchte ich, dass demnächst in Deutschland die Armutsfrage für viele nicht nur eine "spirituelle", sondern eine existenzielle Frage wird.
Mir geht es auch nicht darum, eine Pseudo-Armut zu leben (ein Beitrag hat das ja gebracht mit Alterssicherung, soziales Netz usw.).
Aber ich bin der Meinung (siehe oben), dass Nachfolger Jesu in Armut leben sollten und da wollte ich einfach - ganz konkret wissen - wie ihr das handhabt.

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Edith hat geschrieben:»Eine Äbtissin hat mir mal gesagt, Armut sei, wenn man sich nicht alles leistet, was man sich leisten könnte.«
Das ist nicht Armut, sondern understatement.
Wer bist du, dass du die Motive eines Menschen, den du gar nicht kennst, meinst beurteilen zu können? Ist das nicht Hybris?
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Marlene hat geschrieben:»Ich werd es meinem Beichtvater weitergeben ...«
Liebe Marlene, was hat denn dein Beichtvater damit zu tun? – Nicht arm zu sein ist keine Sünde.
Marlene hat geschrieben:»Im übrigen finde ich deine kurz-zackigen Aburteile nicht gerade weiterführend.«
Von Aburteilung kann keine Rede sein, Marlene. Das war ein pastoraler Ratschlag, genau wie der an die Ketzerin. Da ist kurz und knackig immer besser als langes Geschwafel, das mehr verschleiert als enthüllt. Weshalb fühlt ihr euch von solchem Rat denn angegriffen? (Die Frage stellt euch wirklich mal.)

Was du oben geschrieben hattest, war durchaus ganz gut und richtig. Aber doch so unbestimmt, irgendwo über den Wolken … »Werde konkret!« Komm auf den Erdboden. So wie in dem Beispiel, das ich der Ketzerin gab: »Gib statt dessen das Geld, das du üblicherweise da ausgibst, dem ersten Penner, den du triffst. Besser das Doppelte. Oder das Hundertfache.« :ja:
Marlene hat geschrieben:»Oder bei Thomas von Aquin:
Gottheit tief verborgen ...
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weil vor so viel Wunder ich nur Armut bin«
Das ist nämlich noch so eine Sublimierung. Hier geht es gar nicht um eigentliche Armut, sondern um unsere Armseligkeit. Petronia Steiners Übersetzung (die du wohl aus dem Gedächtnis etwas ungenau wiedergibst) ist recht – nun ja, sublim. Wörtlich müßte es heißen: »Dir unterwirft sich ganz mein Herze, / Weil’s dich betrachtend gänzlich scheitert.« Das Armutsthema fragt dich nicht nach deiner Begrenztheit, sondern nach deinem Verhältnis zum Geld. Nichts anderes.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Alberich hat geschrieben:»Aber ich bin der Meinung (siehe oben), daß Nachfolger Jesu in Armut leben sollten«
Das ist aber falsch. Du sollst dem Mammon widersagen. Hast du oben meine Antwort an dich gelesen, mit den Zitaten aus Marcus (genau aus jenem Vorkommnis mit dem jungen Mann, das du nun auch ansprichst)?
Jesus Christus (Mc 10,29-30 par) hat geschrieben:»Wahrlich, ich sage euch, es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker um meinetwillen und um des Evangeliums willen verlassen hat, der nicht hundertfältig empfinge, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker, unter Verfolgungen, und in der zukünftigen Weltzeit ewiges Leben.«
Wenn du widersagt hast – und Jesus wagt es, dir trotzdem in dieser Zeit wieder Häuser und Äcker, Autos und Kohle zu schenken: Wer bist du, das Geschenk nicht annehmen zu wollen?
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Biggi hat geschrieben:»Wer bist du, daß du die Motive eines Menschen, den du gar nicht kennst, meinst beurteilen zu können? Ist das nicht Hybris?«
Sag, Biggi, über wessen Motive habe ich an der von dir zitierten Stelle geredet (von Urteil gar nicht zu reden)?
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Ralf

Beitrag von Ralf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Das Armutsthema fragt dich nicht nach deiner Begrenztheit, sondern nach deinem Verhältnis zum Geld. Nichts anderes.
Genau. Nur wird dieses Thema auch von klerikaler Seite immer wieder gekonnt umschifft und auf Nebenschauplätze ausgelagert.

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Biggi hat geschrieben:»Wer bist du, daß du die Motive eines Menschen, den du gar nicht kennst, meinst beurteilen zu können? Ist das nicht Hybris?«
Sag, Biggi, über wessen Motive habe ich an der von dir zitierten Stelle geredet (von Urteil gar nicht zu reden)?
Understatement zielt primär auf die Wirkung bei Anderen. Armut (im Sinne von Tugend, nicht im Sinne von unfreiwilliger wirtschaftlicher Not), zumal wenn sie christlich motiviert ist, zielt zunächst auf die eigene Person: auf das Beseitigen verkehrter Bindungen, auf das Raum-schaffen für Gott. Dies muss dann allerdings auch konkret werden (wie ja gerade du es immer wieder forderst!), z.B. im Verzicht auf etwas, was man sich durchaus leisten könnte. Wenn du letzteres unterscheidungslos als understatement bezeichnest, impliziert dies nach meinem Verständnis eine Aussage über die Motivation dessen, der da einen Verzicht leistet.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Weshalb fühlt ihr euch von solchem Rat den angegriffen? (Die Frage stellt euch wirklich mal.)
Hast du mal daran gedacht, dass die Reaktionen, die dich irritieren, auch was mit Inhalt und (vor allem!) Form deiner Beiträge zu tun haben könnten? Ratschläge sind (manchmal) auch Schläge!
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll.
(Adolph Kolping, Patron des XX. Weltjugendtags 2005)

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Es gibt, was die Armutsfrage betrifft, mehrere Traditionsstränge in der katholischen Kirche. Und das ist gut so.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Ralf hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Das Armutsthema fragt dich nicht nach deiner Begrenztheit, sondern nach deinem Verhältnis zum Geld. Nichts anderes.
Genau. Nur wird dieses Thema auch von klerikaler Seite immer wieder gekonnt umschifft und auf Nebenschauplätze ausgelagert.
Mir scheint, die Diskussion in diesem Strang krankt daran, dass wir unterschiedliche Begriffe von Armut haben. Deshalb reden wir aneinander vorbei.

Ich fang mal an damit, was ich unter Armut verstehe:
Armut kann sein
1.) unfreiwillige wirtschaftliche oder soziale Not. - Davon reden wir in diesem Strang hier nicht. Das könnte man ggf. in PGW verhandeln.
2.) eine persönliche Tugend. - Davon ist hier die Rede. - Als solche regelt sie primär das Verhältnis zu materiellen Gütern, sorgt für das Eindämmen unnötiger Bedürfnisse, für Freisein von Nachrangigem, um für Wichtigeres Raum zu schaffen etc. Wie alle anderen Tugenden ("Tüchtigkeiten") erwirbt man sie durch konkrete und wiederholte Übung, durch Verzicht (z.B. auf etwas, was man sich durchaus leisten könnte, Robert ;) ), durch bewusste Akte der Großzügigkeit etc. - Sekundär zielt aber Armut (nach meinem Verständnis) auch auf Freiwerden von anderen, nicht-materiellen unnötigen Bedürfnissen, z.B. darauf, die eigenen Wünsche und Interessen durchzusetzen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, zu reden (oder zu schweigen...) ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer, etc. Das mag, Robert, eine Sublimierung sein, kann und wird aber durchaus handfest und konkret: bei der Diskussion ums Fernsehprogramm, beim Verhalten am Mittagstisch, beim Anpacken im Haushalt....

In diesem primären und sekundären Sinn ist Armut m.E. eine Forderung an jeden Christen und nicht nur an solche mit einer "Sonderberufung". Auch Jesus Christus hatte zwar während der Jahre seines öffentlichen Lebens (und ziemlich sicher nur in dieser Zeit!) "keinen Platz, wo er sein Haupt niederlegen konnte", aber immerhin ein für damalige Verhältnisse recht wertvolles "aus einem Stück gewebtes Gewand", welches die Soldaten bei der Kreuzigung nicht zerteilen wollten. - Dass die gelebte Armut sich für einen Familienvater anders konkretisiert als für einen Franziskaner, schrieb ich schon weiter oben. Aber deshalb sollte man die Bemühungen eines Familienvaters um christliche Armut nicht als "Light-Version" diffamieren. Und ich frage mich auch, ob es wirklich "Nebenkriegsschauplätze" sind, die da debattiert werden. Es kommt eben ganz darauf an.... - und darüber sollten wir m.E. in diesem Thread reden. Ob der dann wirklich ins Ordens-Board gehört, sei dahingestellt.
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Reinhard Gonaus
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Re: Armut nur für Ordensleute oder für alle!

Beitrag von Reinhard Gonaus »

Alberic-Maria hat geschrieben:(...)
Gut damals gab es noch keine Autos, also kein Problem für ihn. Aber seine Apostel waren ja zum Teil Fischer und hatten vermutlich auch Boote. Sie haben alles zurückgelassen und sind ihm gefolgt. Ich habe nichts gelesen, dass er ein eigenes Haus, einen eigenen Weinberg hatte. (...)
Dann hast du nicht genau genug gelesen. War er nicht im Haus des Petrus zu Gast und hat seine Schwiegermutter geheilt? (Beim Kontrollesen bemerk ich, dass du offensichtlich Jesus gemeint hast, nicht die Apostel. Ich lass es aber jetzt trotzdem stehen.)
(...) Mir geht es auch nicht darum, eine Pseudo-Armut zu leben (ein Beitrag hat das ja gebracht mit Alterssicherung, soziales Netz usw.).
Aber ich bin der Meinung (siehe oben), dass Nachfolger Jesu in Armut leben sollten und da wollte ich einfach - ganz konkret wissen - wie ihr das handhabt.
Gut. Ich widersprech dir aus Herzenstiefe. :/
Du lebst in der Welt. Dort hast du Verantwortlichkeiten und Funktionen wahrzunehmen, eine -freiwillig oder aus Notwendigkeit- übernommene Rolle auszufüllen. Wenn du das nicht willst, musst du aus der Welt gehen. Kannst du das, ohne dich schuldig zu machen? Dann tu's. Wenn nicht, dann nicht.
Eine Möglichkeit, arm in der Welt zu sein, ohne sich und seine Angehörigen an den Bettelstab zu bringen, wäre, die eigenen Grenzen zu respektieren. Öfter mal nein sagen zu der Versuchung, außergewöhnlich sein zu wollen? :kratz:
Reinhard
--
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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Biggi hat geschrieben:Ich fang mal an damit, was ich unter Armut verstehe:
Armut kann sein
[...]
2.) eine persönliche Tugend.
Sicherlich nicht, denn eine Tugend ist jene gute Gewohnheit des Verstandes, durch die man rechtschaffen lebt, die niemand mißbrauchen kann, und die Gott in uns ohne uns wirkt. Armut ist aber keine Eigenschaft des Verstandes. Sie kann folglich keine Tugend sein. Vielmehr ist Armut nur insofern gut, als sie die Widerstände gegen tatsächliche Tugenden verringert.

Armut ist auch nicht universell empfehlenswert, wie etwa die Tugend der Mäßigung. Denn während der eine, befreit von der Besorgnis um materielle Güter, sich tatsächlich dem Spirituellen und der Kontemplation öffnet, verfällt der andere nur umso tiefer den Leidenschaften.

Wer also ohnehin von natürlicher Disposition aktiv, rastlos und tätig ist, der sollte lieber die Armut meiden und den ehrlichen Erwerb verfolgen, um mit seinem Besitz der Familie, den Nachbarn und dem Allgemeinwohl zu helfen.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Biggi hat geschrieben:»Wenn du letzteres unterscheidungslos als understatement bezeichnest, impliziert dies nach meinem Verständnis eine Aussage über die Motivation dessen, der da einen Verzicht leistet.«
Liebste Biggi, du hattest mir hochmütiges Urteilen über Menschen vorgeworfen, die ich nicht kennte. Ich hatte zurückgefragt, über wen ich denn geurteilt hätte. Jetzt lese ich als Antwort: über den, »der da einen Verzicht leistet«.

Es war aber von niemandem die Rede, »der da einen Verzicht leistet«. Es ging lediglich um einen sehr allgemeinen Rat, auf etwas zu verzichten, und diesen Rat hatte ich kritisiert. Vielleicht bist du doch vor dem nächsten Vorwurf etwas vorsichtiger.
Biggi hat geschrieben:»Understatement zielt primär auf die Wirkung bei Anderen.«
Na, die Wirkung aufs eigene Gemüt ist dabei auch nicht zu unterschätzen.
Biggi hat geschrieben:»Armut (im Sinne von Tugend, nicht im Sinne von unfreiwilliger wirtschaftlicher Not), zumal wenn sie christlich motiviert ist, zielt zunächst auf die eigene Person: auf das Beseitigen verkehrter Bindungen, auf das Raum-schaffen für Gott.«
Armut ist keine Tugend. Im übrigen stimme ich dir hierin zu.
Biggi hat geschrieben:»Dies muß dann allerdings auch konkret werden (wie ja gerade du es immer wieder forderst!), z.B. im Verzicht auf etwas, was man sich durchaus leisten könnte.«
Das ist der Knackpunkt. Solange ich mir das, worauf ich verzichtet habe, doch noch leisten könnte, habe ich nicht verzichtet. Die Sicherheit bleibt. Ich habe die Police in der Tasche.

Ich gebe dir ein Beispiel.

Du könntest dir einen Fernseher leisten, verzichtest aber. Das Radio tue es auch. Nun sage ich dir: Du hast ja das Geld noch auf der hohen Kante. Du betrügst dich selber. Auf nichts verzichtest du. Wie teuer käme dich der Flimmerkasten? 2.000 Mark? Also geh, hol das Geld – und gib es dem ersten Penner, denn du triffst. Und die linke Hand wisse nicht, was die rechte tat.

Dann hast du wirklich verzichtet, weil du dir den Fernseher nicht mehr leisten kannst

Wenn du es aber nicht über dich bringst, dem Penner die 2.000 Mark zu geben, dann hol den Zaster trotzdem von der Bank. Kauf dir den Fernseher. Besser, du verzichtest auf den Verzicht, als daß du dich selber betrügst.
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Biggi hat geschrieben:
Ketelhohn hat geschrieben:»Weshalb fühlt ihr euch von solchem Rat denn angegriffen? (Die Frage stellt euch wirklich mal.)«
»Hast du mal daran gedacht, daß die Reaktionen, die dich irritieren, auch was mit Inhalt und (vor allem!) Form deiner Beiträge zu tun haben könnten? Ratschläge sind (manchmal) auch Schläge!«
Diese Reaktionen haben mich keineswegs irritiert, Biggi. Sie sind ja völlig „normal“. Worum es mir geht, ist ja gerade, diese Normalität zu irritieren. ;)

Dem dient die Form ganz hervorragend. Ob der Inhalt am Ende auch rüberkommt, liegt nicht bei mir. Aber die alltägliche Gewohnheitspanzerung muß erst mal aufgebrochen werden.
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