30giorni: Als Sie noch ein Kind waren, hat Sie Ihr Vater Michail zum Kloster von Valaam, am Ladogasee, mitgenommen. Welchen Eindruck hat das damals auf Sie gemacht? Können Sie uns eine Kindheitserinnerung erzählen? Oder eine an Ihren geistlichen Vater, den späteren Bischof von Tallinn, Pater Ioann Bogojavlenskij?
ALEXEJ II.: Ende der dreißiger Jahre nahmen mich meine Eltern zweimal zum Christi-Verklärungs-Kloster von Valaam, am Ladoga-See, mit. Das hat sich nachhaltig auf mein geistliches Leben ausgewirkt. Ich war tief beeindruckt von diesen Reisen, wie auch dem Besuch im Maria-Himmelfahrts-Frauenkloster in Pjuchtitsa und in dem des männlichen Zweiges bei den Grotten von Pskov. In meiner jung gebliebenen Seele hat die Begegnung mit den Mönchen von Valaam unauslöschliche Spuren hinterlassen. Diese Männer hatten einen so lebendigen Glauben, legten so sichtlich Zeugnis ab für die Askese und die Traditionen des russischen Mönchstums. Ich danke Gott, dass ich diese Begegnungen machen durfte und werde sie mein Leben lang in lieber Erinnerung behalten.
Die Momente, die mit dem Beginn meines Dienstes für die Kirche zusammenhängen, sind meine schönsten Erinnerungen. Wie könnte ich je vergessen, dass es meine erste Aufgabe in der Kirche war, am Fest „Taufe des Herrn“ an die Pfarreimitglieder das Weihwasser auszugeben? Ich war damals sechs Jahre alt. Oder die Osterprozessionen vor vielen, vielen Jahren, als ich – damals noch ein kleiner Junge – den Sängern antwortete: „Deine Auferstehung, oh Christus, hat uns gerettet …“.
Ich habe mich während meiner ganzen Jugendzeit darauf vorbereitet, Gott als Priester zu dienen. Dieser Wunsch war schon in meiner Kindheit erwachsen. Ich hatte zahllose Beispiele für den großzügigen Dienst am Herrn und seiner Kirche vor Augen – die Mönche von Valaam, meine Eltern, meinen geistlichen Vater. So konnte der Entschluss in mir reifen, ihnen nachzueifern. Bestärkt wurde ich darin von meinem geistlichen Vater, dem Protoierej [Protopresbyter, ein orthodoxer Ehrentitel, der dem des Monsignore in der westlichen Kirche entspricht, Anm.d.Red.] Ioann Bogojavlenskij, und späterem ersten Rektor der wiedereröffneten Theologischen Akademie von Leningrad. Voller Dankbarkeit erinnere ich mich an seinen eifrigen pastoralen Dienst. Gerade dieses brennende Feuer des Glaubens an den Herrn war es, das auch mein Herz entflammte. Ich habe Protoierej Ioann viel zu verdanken. Er gab Katechismusunterricht an meiner Schule, war Pfarrer in der Kirche Sankt Aleksandr Nevskij in Tallinn. Hier versammelte sich auch die russische Gemeinschaft. Unter Pater Ioann diente ich in der Kirche als Ministrant, und nach seiner Bischofsweihe war ich sein erster Subdiakon. Ich denke auch heute noch gern an diesen außergewöhnlichen Mann zurück, dem Gott die Gabe der pastoralen Liebe geschenkt hatte. ...
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