"Titelspielchen" - "Weaner Spleen" ;)

Sonstiges und drumherum.
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Pit
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Beitrag von Pit »

Aber wie sieht das bei den Wienern aus?
Im Ernst! Ich war einmal in Wien, und was ich da in Sachen Titel mitbekommen habe, war schon interessant, da war der "Herr Hofrat" noch harmlos. ;-)
Kann es wohl sein, daß die Wiener einen kleinen Spleen haben, was die Titel betrifft?
Nichtsdestotrotz liebe ich Wien.

Gruß,Pit
Linus hat geschrieben:
Pit hat geschrieben:Wenn ich ihn persönlich antreffen würde, würde ich nach dem üblichen Tagesgruß (Guten Tag, Abend etc.) entweder "Herr Abtprimas Wolff" oder "Herr Abtprimas" verwenden, wobei ich glaube, daß er nicht viel Wert auf Titel legt.
:roll:

Titel benutzt man, unabhängig von der (eingeschätzten) Selbstbewertung des Trägers. Sie sind Zeichen der Ehrfurcht und des Respekts. (und auch hervorragend geeignet um Fraternisierungen vorzubeugen, das nur nebenbei).

(Mir fiele es im Traum nicht ein, etwa meinen Kardinal (Schönborn) zu duzen - selbst wenn ich dürfte [und ich darf] - ich kenne aber Leute, die coram publico "Du, Eminenz" sagen (die dürfen; unter männlichen Angehörigen des katholischen Adels ist das "du" üblich (nein ich bin nicht adelig, ich dürfte, weil er mirs angeboten hat))
carpe diem - Nutze den Tag !

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Linus
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Beitrag von Linus »

Pit hat geschrieben:Aber wie sieht das bei den Wienern aus?
Im Ernst! Ich war einmal in Wien, und was ich da in Sachen Titel mitbekommen habe, war schon interessant, da war der "Herr Hofrat" noch harmlos. ;-)
Kann es wohl sein, daß die Wiener einen kleinen Spleen haben, was die Titel betrifft?
Nichtsdestotrotz liebe ich Wien.
Das hat nichts mit Wien eher schon mit Österreich zu tun. Bei Geistlichen (vor allem im Osten) ist es am Besten "Herr Pfarrer" zu sagen. In St. Pankraz in der Schlucht mag der Hochwürden noch so tituliert werden. Wir sind hier etwas liberal.
Das Thema allgemein hat Ephraim Kishon in seinem "Titelwalzer" und in der "Mantelhexe" recht umfangreich und erschöpfend (und durchaus richtig) erörtert. Ich glaub auch Altenberg, Kraus und Fridell u.a. haben sich dazu geäußert.

PS. Hofräte gibts derer mehrere Klassen
1.) Hofrat (Akademiker, Bundesbeamte mit Voraussetzungen entspricht Ministerialrat oder Parlamentsrat)
2.) "Grabstein"hofrat (B-Beamte zu Pensionsantritt)
3.) wirklicher Hofrat (in Niederösterreich: vortragender HR) Landebeamte, mit eigenem Wirkungsbereich
4.)Hofrat h.c. wird verliehen durch den Bundespräsidenten. (ebenso wie der Prof.h.c. (Udo Jürgens)) auf veranlassung der Regierung, oä.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Den "Titelwalzer" kenn ich auch. Und da hat man ja auch schon das Problem: Wenn der Liftboy schon Herr Professor Liftboy ist, wie redet man dann einen richtigen Professor an?
Ich war (bis auf einen Kurzaufenthalt) noch nie in Österreich, aber es ist mir bereits aufgefallen, daß Titel dort offenbar eine Rolle spielen. Grundsätzlich finde ich Titel doof. Wenn ich polnisch spreche, sage ich allerdings "prosze ksiedza" — ksiadz bedeutet etymologisch soviel wie: Fürst, Prinz. Ist doof, aber einfach tief verwurzelt.

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Linus
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Beitrag von Linus »

anneke6 hat geschrieben:Den "Titelwalzer" kenn ich auch. Und da hat man ja auch schon das Problem: Wenn der Liftboy schon Herr Professor Liftboy ist, wie redet man dann einen richtigen Professor an?
Ich war (bis auf einen Kurzaufenthalt) noch nie in Österreich, aber es ist mir bereits aufgefallen, daß Titel dort offenbar eine Rolle spielen. Grundsätzlich finde ich Titel doof. Wenn ich polnisch spreche, sage ich allerdings "prosze ksiedza" — ksiadz bedeutet etymologisch soviel wie: Fürst, Prinz. Ist doof, aber einfach tief verwurzelt.
Und prosze heißt..... "Servus"? :hmm:

Der Liftboy, das Hauspersonal, der Concierge, die Empfangsdame etc. Wird gar nicht angesprochen. Einfach sein Begehr vorbringen und Siezen, evtl. Erzen (ist aber veraltet, und die Reaktion ist meist ein perplex-doofes Geschaue). Die Kellner (bes. im Kaffeehaus) heißen sowieso Ober. Und wenn ich - weil ich schon lebendes Inventar einer solchen Institution (egal ob Firma oder Wohnzi.... äh Kaffeehaus) bin, und die Namen der Ober, Mantelhexen und Vorzimmerfräulein kenne, bleibe man beim "Herr Ober" oder der jeweiligen Funktionsbezeichnung, auch wenn man deren (Vor-)Namen kennt. (Gegebenenfalls wenn etwas wirklich dringend ist, spreche man sie mit "Herr Konrad! Helfen'S ma a Wöduntagang! I hab mei Feuerzeug vergessen! Ham'S net bitteschö an Fidibus fia mein Rauchkolben?" (für unsere Freunde nördlich von St. Weißwurst am Aequator: "Herr Ober! Bitte helfen Sie mir umgehend. Ich habe meine Zündhölzer für die Virginier [Kaiser Franz Josephs Lieblingszigarre, darum auch ehemals "Kaiserliche" genannt] vergessen. Bitte geben Sie mir Feuer.")´worauf diese dann (auf ihren Eigennamen reagieren sie im Allgemeinen höchst sensibel und prompt) das gewünschte darreichen. Allgemein: Dienstpersonal "Herr/Frau/Fräulein (für unter 25jährige) + Funktionsbezeichnung + Sie"

Im Umgang mit Gleich oder Höhergestellten einfach Herr/Frau/ Fräulein (gegebenfalls nur Frau, hier kommts nicht aufs alter an, sondern auf Takt) + Nachname + Sie. Wenn man den Titel kennt kann der Nachname auch entfallen (allerdings nicht dauernd, dann meint das Gegenüber man hätte den Namen vergessen.)

So grüßt und hofft zur Aufklärung wienerischer Verhältnisse beigetragen zu haben

amtlich, Dr. Oels
(das ist ein Anagramm meines RL Namens :mrgreen: )
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

:mrgreen: Selten so gelacht!
Also, um das "prosze" zu erklären: Die normale Höflichkeitsform funktioniert so ähnlich wie "erzen", auch in der dritten Person, nur nicht mit "er" sondern mit "pan" (der Herr) oder "pani" (die Dame). Zum Beispiel: "Niech pan powie", wörtlich: "möge der Herr sagen" entspricht unserem: "Sagen Sie…" Siezen tun sich auf Polnisch nur Sozialisten: "Towarzyszu, czy tez pochodzicie z Warszawy?" = "Genosse, kommen Sie auch aus Warschau?"
Einen Priester als Herrn zu bezeichnen, gilt als grober fauxpas. Statt "pan" fügt man "ksiadz" ein, oder wenn es sich um einen Bischof handelt: "ksiadz biskup". Bei einem Ordensgeistlichen kann man auch "ojciec" (Vater) einfügen, aber viele Patres lassen sich auch als "ksiadz" anreden. Bei einem Ordensbruder sagt man "brat" (Bruder) und bei einer Ordensschwester "siostra" (Schwester).
Und nun zur Anrede. Einen Ordensbruder und eine Ordensschwester kann man ganz normal im Vokativ anreden: "Bracie!" ("Bruder!") oder "Siostrzyczko!" ("Schwesterchen!") Einen Priester direkt im Vokativ anzureden, ist unüblich. Um das zu umgehen, begrüßt man ihn entweder mit: "Niech bedzie pochwalony, Jezus Chrystus" (Gelobt sei…), mit "Szczesc Boze" (entspricht: "Gott zum Gruße"), oder man sagt: "prosze ksiedza", wörtlich: "ich bitte den Priester", sinngemäß etwa: "Verzeihen Sie, Hochwürden…"
Ach ja, und Servus heißt: Czesc! (ausgesprochen etwa: Tschäschtsch!)

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Linus
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Beitrag von Linus »

anneke6 hat geschrieben: Ach ja, und Servus heißt: Czesc! (ausgesprochen etwa: Tschäschtsch!)
Das kenn ich aus dem böhmischen (aber in der Sozialisten-Version "Czest praze Tovarisch" [gut die Schreibung ist jetzt arg vermurkst, ich weiß nicht wo die Hatschek hingehören] ist aber Standardgruß zwischen einem guten Freund (private Visitenkarte: "Dr. phil.hist.bohem. Pfarrgemeindesoviet i.R. und oenologischer Erntehelfer in der Kolchose Katzelsdorf") und mir.

Lord Alchemist (ebenfalls ein Anagramm)

PS. So unernst war das obige garnicht. Es entspricht durchaus der Wahrheit. Bin ja auch Direktor - zumindest im (nicht:vom) Café Schwarzenberg.
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Ester R. G. Kanne, PhD, Professorin für Capniologie und Oenophilie wäre daran interessiert, im Café Schwarzenberg ein Symposion abzuhalten. Direktoren vom und im Café werden gebeten, ihr eventuelles Interesse anzumelden.
Gez. Sieth, Prokurator.

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