Der jüdische Antizionismus

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Epiklese
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Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Epiklese »

Salüte,

Wie ihr sicher wisst, gibt es Strömungen im orthodoxen Judentum (Satmar, Toldos Aharon, Neturei Karta etc.), die den Zionismus strikt ablehnen. Zum einen natürlich, weil man davon ausgeht, daß erst der kommende "Meschiach" das Heilige Land in die Hände der Juden zurückgeben dürfe, und diejenigen, die den von Menschenhand errichteten Staat Israel akzeptieren, insofern Gotteslästerer seien: http://chassidischegruppen.blogspot.com ... /Zionismus

Dagegen wird argumentiert, daß der zionistische Staat ein Vorläufer für das messianische Zeitalter sei. Die Antizionisten erwidern:
(Sehr freie und spontane Übersetzung von mir.)

Die Erlösung (Redemption) muss immer zusammen mit Tora und Mitzwa einhergehen. ... Unglücklicherweise können wir im heutigen Israel keine Abnahme der Sünde feststellen. Im Gegenteil: es gab viele Juden, die vor 1947 die Tora befolgt haben und dies nach 1947 leider nicht mehr getan haben. ... Überhaupt nimmt die Rücksicht auf Tora und Mitzwa im heutigen Israel nicht zu, sondern nimmt im Gegenteil immer weiter ab. Die Gründung des Staates Israel kann folglich nicht als Beginn der Erlösung bezeichnet werden.
http://chassidicstories.blogspot.com/se ... izionismus

Weiterhin heißt es von Neturei Karta:
Was ist "Das Volk Israel"?
...
Das Volk Israel hat einen spezifischen und eigenständigen Charakter.
Ursprung und "Gewährsmann" dieses Charakters ist die Thora. (source of their essential nature)
Ohne Thora und Glauben gibt es kein Volk Israel.
Wer Thora und Glauben von sich weist, gehört nicht mehr zum Volk Israel.
Die Bestimmung des Volkes Israel in der jetzigen Welt ist der Gottesdienst.
...
http://www.nkusa.org/AboutUs/Zionism/opposition.cfm

Der Zionismus hingegen habe -ganz Kind seiner Zeit- eine unjüdische Umdefinition des "Volkes Israel" vorgenommen, und verstehe es nun weltlich und materialistisch. Auch die Rettung des Volkes Israel erhofft man sich durch weltliche und materialistische Mittel (Staat, Armee etc.) und nicht mehr durch religiöse.

Allerdings sei es auch falsch, einen "koscheren Zionismus" zu predigen. Denn:
Because of all of this and other reasons the Torah forbids us to end the exile and establish a state and army until the Holy One, blessed He, in His Glory and Essence will redeem us. This is forbidden even if the state is conducted according to the law of the Torah because arising from the exile itself is forbidden, and we are required to remain under the rule of the nations of the world, as is explained in the book VAYOEL MOSHE. If we transgress this injunction, He will bring upon us (may we be spared) terrible punishment.
Sö. Jetzt glaube ich, ungefähr diejenigen Kernaussagen zusammengestellt zu haben, die man auf den Websites antizionistischer Juden in der Regel so findet. Aber dürft mich natürlich gerne korrigieren oder ergänzen.

Nun lautet meine Frage: Glaubt ihr, daß diese Juden insofern recht haben, als dass ein gläubiger Jude konsequenterweise auch den zionistischen Staat eigentlich ablehnen müsste?
Ich selber tendiere dazu, diese Frage zu bejahen, bin da aber noch sehr unsicher.
Orabo spiritu, orabo et mente; psallam spiritu, psallam et mente.

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Christiane
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Christiane »

Meine Antwort lautet Ja. Ohne wenn und aber.
"Die Demokratie feiert den Kult der Menschheit auf einer Pyramide von Schädeln." - Nicolás Gómez Dávila

"Gott kann machen, dass eine Communio entsteht zwischen dem Idiot und dem Arschloch." (Ausspruch auf einem NK-Gemeinschaftstag)

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Sempre
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Sempre »

Epiklese hat geschrieben:Nun lautet meine Frage: Glaubt ihr, daß diese Juden insofern recht haben, als dass ein gläubiger Jude konsequenterweise auch den zionistischen Staat eigentlich ablehnen müsste?
Die Idee eines "gläubigen Juden" ist verfehlt. Auch einen "thoratreuen Juden" gibt es nicht. Ein gläubiger Jude müsste konsequenterweise Glied der Kirche werden.

Dass der zionistische Staat nicht dem Auftrag Gottes folgt, sieht ein Blinder mit Krückstock, ganz egal welcher Religion er anhängt.

Worauf zielt Deine Frage ab? Eine Unterscheidung zwischen guten und bösen Juden? Sie alle irren in ihrer Ignoranz des Herrn. Auch wir irren am laufenden Meter, nicht aber, indem wir den Herrn bekennen.

Worauf willst Du hinaus?

Gruß
Sempre
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Epiklese
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Epiklese »

Sempre hat geschrieben: Worauf willst Du hinaus?
Morgen, Sempre

Es geht mir um die - sagen wir: "jüdische Innenperspektive". Erwartungsgemäß glaube auch ich, daß diese Perspektive eine falsche, eine "verblendete" ist. Nun ist meine Frage, ob es aus dieser "Innenperspektive" betrachtet noch konsequent, noch "in sich logisch" ist, die Idee eines solchen zionistischen Staates zu unterstützen.

(Für Juden ist ja nicht nur der Tanach von Bedeutung, sondern auch der Talmud. Obgleich es von ihm natürlich zwei Ausgaben gibt: http://karmelblume.wordpress.com/29/ ... en-bruder/ *
Dieser Ausgabe des Talmud zu Folge wäre es für Juden auch nicht konsquent, Glied der Kirche zu werden.)

*
Hätte es noch eines Nachweises für die Unvereinbarkeit von Christentum und Judentum, von Christenglaube und Judenglaube bedurft, so hat ihn der renommierte Judaist und Direktor für jüdische Studien an der berühmten Princeton-Universität (USA), Peter Schäfer, mit seinem Buch „Jesus in The Talmud“ (27), das jetzt auch auf Deutsch erschienen ist, in einer an Gelehrsamkeit und Deutlichkeit kaum zu übertreffender Weise erbracht.
(...)
Wo sich selbst vatikanische Autoritäten bemühen, die Juden vom Mord an Christus freizusprechen, klopfen die ihres Glaubens sicheren Rabbinen sich selbstbewußt an die Brust, Jesus, diesen Gotteslästerer und Götzendiener, seiner gerechten Strafe zugeführt zu haben.
(...)
Orabo spiritu, orabo et mente; psallam spiritu, psallam et mente.

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Robert Ketelhohn
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Hierher scheint auch zu passen, was ich neulich in einem Nachbarstrang auf eine kurze Frage antwortete:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
lutherbeck hat geschrieben:Ich meine vor Jahren einmal gehört zu haben, daß die erneute Ankunft des HERRN erst dann stattfindet, wenn sich alle Juden zum Christentum bekehrt hätten - gibt es tatsächlich derartige Meinungen?
Das geht von Rm 11,26 aus. Dort redet Paulus allerdings von der „Rettung ganz Israels“ (πᾶς ᾽Ισραὴλ σωϑήσεται), nicht von einer „Bekehrung aller Juden“. Rettung setzt freilich Bekehrung voraus. Eine Bekehrung aller Israeliten am Ende vor der Parusie aber ist mit dem, was uns über das Ende und insbesondere über die Herrschaft des Antichrists gesagt ist, schwerlich zu vereinbaren. Ich würde das Wort so interpretieren, daß dann Söhne aller zwölf Stämme Israels (das ist dann „ganz Israel“), die bis dahin noch, mit Blindheit geschlagen, das Gesetz zu erfüllen versuchen; die von jenen Juden, die an der Heraufkunft des Antichrists arbeiten, ohnehin bereits geschieden sind; die in Erwartung des Messias verharren (wie die „antizionistischen“ Chassidim) und nicht durch Machtpolitik das Reich eines Pseudomessias vorbereiten (wie die Lubawitscher): daß solche Söhne Israels dann, vom Antichrist ebenso verfolgt wie die verbliebenen Gläubigen der Kirche, sich zum Herrn und Heiland Jesu Christo bekehren und gerettet werden.
Davon hat sich offenbar kreuz.net heute zu einem Bericht inspirieren lassen: http://www.kreuz.net/article.1787.html ;D
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rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Melody
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Melody »

Ich überlege schon länger, in welchem Thread ich das mal fragen kann, hatte erst an kurze Fragen zu weltlichen Themen gedacht, aber hier passt es wohl auch hin (warum ist der Thread eigentlich im Gemüse?).

Könnte mir vielleicht mal bitte jemand möglichst kurz und knapp die ganze Sache mit Israel usw. erklären?

Ich war letztens auf der Piusseite über diesen Artikel gestolpert: http://pius.info/streitende-kirche/978- ... iusschelte

Und die verlinken dann auch auf den ganzen Artikel von diesem Reuven Cabelman: http://www.derisraelit.org/212/2/zum- ... .html#more

Da steht z. B.:
Wir wissen wahrlich nicht, wen er meinte, als er fortwährend von "uns" sprach! Redete er von sich in der 3. Person? Meinte er damit sich plus das "Direktorium" der Einheitsorganisation des selbsterklärten deutschen "Judentums" in Form des Zentralrats? Oder dachte er dabei auch an jenes Dutzend selbsternannter und von deutschen Steuergeldern ausgehaltener Rabbinerdarsteller, die in Deutschland unter dem falschen Etikett "orthodox" ihr zionistisches Unwesen treiben und vor allem deshalb da sind, um Gemeindemitgliedern nationalzionistisches Gedankengut einzuimpfen, um sie früher oder später als "Menschenmaterial" dazu zu animieren ins zionistische "Paradies" auszuwandern?
(...)
Tatsache ist jedenfalls, dass er nicht im Auftrag des Weltjudentums, der jüdischen Religion und somit nicht im Namen praktizierender Juden gesprochen hat, sondern bestenfalls für seine eigene kleine Bürokratenkaste.
Ich habe mich mit all diesen Dingen bislang nie so befasst, hatte das auch nicht in der Schule.
Verstehe ich das richtig, dass - wie es auch schon zu Beginn dieses Threads anklingt - ein orthodoxer Jude, also einer, der wirklich seine Religion gläubig praktiziert, den Staat Israel und unseren "Zentralrat der Juden" ablehnt/ablehnen müsste?!

Ich bin etwas verwirrt.

Gehe ich recht davon aus, dass es aber in Deutschland politisch nicht korrekt wäre, so etwas laut zu sagen bzw. sich offen gegen den geschaffenen Staat Israel auszusprechen?! Gilt das bereits als "antisemitisch"? :hae?:

Wie groß ist denn das Verhältnis von orthodoxen Juden und solchen, die eigentlich nicht wirklich glauben? Wobei... die gehen doch aber hier in ihre Synagogen, die praktizieren doch... wäre das dann vergleichbar mit z. B. WiSiKi-Katholiken? :achselzuck:
Ewa Kopacz: «Für mich ist Demokratie die Herrschaft der Mehrheit bei Achtung der Minderheitenrechte, aber nicht die Diktatur der Minderheit»

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Linus
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Linus »

Die orthodoxen Juden (es gibt auch andere orthodoxe Juden), die den Staat Israel, in seiner momentan bestehenden Form ablehnen, tun das, weil sie sagen, daß Israel vom Messias errichtet werden muß. Herzls Idee des Zionismus war aber die, eine Heimstatt für alle Juden - unabhängig von der Religiösen Praxis/Schule zu schaffen. (Man muß als mW einziges Kriterium für die israelische Staatsbürgerschaft jüdische Vorfahren in der matrilinearen Reihe nachweisen). Das wo dieses Staates war zunächst egal, es gab anfänglich auch Überlegungen das in Osteuropa oder Südamerika zu verwirklichen. ( Die UdSSR hatte mW kurzzeitig eine "jüdische SSR" in Fernost). Erst später setzte sich der Gedanke durch, das ganze auch in historischem Gebiet zu machen.

Da der Staat Israel also kein in erster Linie "religiöser Staat" sondern ein "Abstammungs-Prinzips-Staat" ist, ist derzeit das Verhältnis sekulärer zu religiösen Juden ca. 80:20 wobei die religiösen Juden viele Privilegien geniessen (keine Militärpflicht (3 Jahre), weniger oder keine Abgaben, ...) Insegsamt dreht sich das Verhältnis aber langsam, da die Religiösen mehr Kinder bekommen als die Sekularisierten...
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

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lutherbeck
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von lutherbeck »

psst: es muß heißen "säkular"...

:doktor:
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

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Protasius
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Protasius »

Linus hat geschrieben:( Die UdSSR hatte mW kurzzeitig eine "jüdische SSR" in Fernost).
Das gibt es immer noch und heißt Autonome Jüdische Oblast' Birobidschan.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Robert Ketelhohn
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Re: Der jüdische Antizionismus

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Melody, gugel mal nach Neturei Karta.
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