Selbstdienliche Verzerrung

Sonstiges und drumherum.
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anneke6
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Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von anneke6 »

Bis letztes Jahr wußte ich nicht einmal, daß es so ein Wort gibt. Aber mittlerweile ist es mir klar, daß ich bei Versagen oft anderen die Schuld gegeben habe.
Ich habe einen Studiengang gewählt, der nicht zu mir paßt, weil ich von einem Priester gedrängt wurde, mich so schnell wie möglich zu immatrikulieren. An der Slawistik haben mich die Russen (oder besser: Russinnen) gemobbt und die Dozenten verspottet — zumindest einer. Deshalb bin ich nicht rechtzeitig zur Zwischenprüfung angetreten. Als ich Germanistik studierte, haben die Dozenten mich gemobbt, weil ich kein deutsches Abitur und nur unzureichende Kenntnisse der deutschen Klassiker hatte. Und selbstverständlich war indirekt die ganze Uni daran schuld, daß ich mein Stipendium verlor und demütigende Arbeiten verrichten mußte.
Die Erkenntnis, daß ich immer anderen die Schuld für eigenes Versagen gegeben habe, hat wiederum zu übelsten Komplexen geführt.
Was meint ihr, gibt es einen richtigen Weg, eigenes Versagen anzuerkennen und sich trotzdem nicht für unterbelichtet zu halten?
???

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ifugao
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von ifugao »

Was meint ihr, gibt es einen richtigen Weg, eigenes Versagen anzuerkennen und sich trotzdem nicht für unterbelichtet zu halten?
Kennst du das Spiel "Mensch ärgere dich nicht" ?
Nein? Spiele es mindestens 1000 Mal und du hast den Trick raus. Kinder sind dabei die besten Partner.
Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken.
Mahatma Gandhi

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Niels
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Niels »

Wenn Du unterbelichtet bist, bin ich der Kaiser von China. :chinese:
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anneke6
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von anneke6 »

Muß mal bei Wikipedia gucken, wie man den anredet…
???

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Niels
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Niels »

anneke6 hat geschrieben:Muß mal bei Wikipedia gucken, wie man den anredet…
Ich schlage vor: Ni hao, Euer Gnaden? - Aber wieso interessiert's Dich? :achselzuck:
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anneke6
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von anneke6 »

Du kannst chinesisch? Cool.
Ich meinte, für den Fall, daß ich wieder in Depressionen verfalle, dann kann ich Dich so nennen.
???

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Niels
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Niels »

anneke6 hat geschrieben:Du kannst chinesisch? Cool.
Naja, "können" ist wohl - gelinde gesagt - einigermaßen übertrieben - 1989/90 habe ich in meiner Schule eine Chinesisch-AG besucht... :chinese:
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anneke6
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von anneke6 »

Vielleicht könnte ich ja bei denen als Koch anfangen? Kreativ sind die ja. Ich hatte mal gelernt: In China wird alles gegessen, was vier Beine hat und kein Tisch ist, alles was im Wasser schwimmt und kein Schiff ist, und alles was fliegt, und kein Flugzeug ist.
???

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PaceVeritas
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von PaceVeritas »

@anneke: Einspruch Euer Ehren, aber deine Beiträge zeichnen eindeutig das Bild eines intelligenten und gebildeten Menschen. Unterbelichtet? No way, baby.
Zum Thema Misserfolgserfahrungen: Ich halte mich in dem Zusammenhang immer an das Sprichwort "No humility without humiliation" (auch wenn es schwer fällt)
Gute Nacht! :schnarch:
» Sic enim dilexit Deus mundum ... «
(Joh. 3,16)
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Niels
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Niels »

anneke6 hat geschrieben:Vielleicht könnte ich ja bei denen als Koch anfangen? Kreativ sind die ja. Ich hatte mal gelernt: In China wird alles gegessen, was vier Beine hat und kein Tisch ist, alles was im Wasser schwimmt und kein Schiff ist, und alles was fliegt, und kein Flugzeug ist.
Du meinst, auch bzw. gerade der Hl. Stuhl - als "vierbeiniger Heiliger" - ist nicht sicher?
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Niels
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Niels »

PaceVeritas hat geschrieben:@anneke: Einspruch Euer Ehren, aber deine Beiträge zeichnen eindeutig das Bild eines intelligenten und gebildeten Menschen. Unterbelichtet? No way, baby.
:daumen-rauf:
@anneke
Siehst Du. Sag ich doch.
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anneke6
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von anneke6 »

PaceVeritas hat geschrieben: Zum Thema Misserfolgserfahrungen: Ich halte mich in dem Zusammenhang immer an das Sprichwort "No humility without humiliation" (auch wenn es schwer fällt)
Gute Nacht! :schnarch:
Eine interessante Einstellung, werde ich mir merken!
Ansonsten…wenn die Chinesen wissen, daß der Papst als Stuhl aufzufassen ist, auch wenn er, wie alle Menschen, manchmal alle viere von sich streckt…dann steht einem Papstbesuch in China ja nicht mehr viel im Weg.
Ansonsten ist mir gerade der Gedanke gekommen, ich könnte auf einem kantonesischen Piratenschiff als Schiffskoch anheuern…
???

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Niels
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Niels »

anneke6 hat geschrieben:Ansonsten ist mir gerade der Gedanke gekommen, ich könnte auf einem kantonesischen Piratenschiff als Schiffskoch anheuern…
Eieiei. Was Du für die Besatzung kochst, wirst Du selbst nicht so gern verspeisen...
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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anneke6
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von anneke6 »

Gut möglich…ehrlich gesagt, ich habe Hemmungen, mir so etwas zu machen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Yuanyang_%28drink%29
Tee und Kaffee zusammen? :vogel:
???

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cantus planus
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von cantus planus »

Ach, Anneke, ich würde sagen, du bist einfach ein klassisches Opfer des deutschen Bildungssystems, dass sowohl oben als auch unten vollkommen versagt und nur das Mittelmaß halbwegs durchbringt.

Zu diesem Thema kann ich mich stundenlang auslassen, wenn mich niemand davon abhält. Wer nicht 100% in den Studienplan passt, muss sich eben tummeln, um durchzukommen. Eine Stärkung persönlicher Kompetenzen und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, was eigentlich Ziel aller universitärer Ausbildung ist, wird nicht berücksichtigt. Leider muss ich sagen, dass das mit der Umstellung auf die B.A.- und Masterstudiengänge noch schlimmer geworden ist.

In der Tat sollte man immer fragen, was man selbst hätte besser machen können - aber gleich auszuschließen, dass es auch am "System" liegen könnte, würde ich für verfehlt halten.

Ansonsten kann ich mich PaceVeritas anschließen: auch gedemütigt zu werden, kann eine Gnade sein. Man bemerkt das nur viel später. Mich selbst haben einige Rückschläge wesentlich gelassener werden lassen. Und ich habe bemerkt, dass man sich seinen Platz in der Welt suchen muss. Es wird einem nämlich keiner reserviert.
Nutzer seit dem 13. September 2015 nicht mehr im Forum aktiv.

‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

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Flamme
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Flamme »

Was meint ihr, gibt es einen richtigen Weg, eigenes Versagen anzuerkennen und sich trotzdem nicht für unterbelichtet zu halten?
Es gibt die nüchterne Anerkennung von: "Damals wusste ich es einfach nicht besser." Wenn du jetzt begonnen hast, Verantwortung für deine Handlungen zu übernehmen, stehst du schon nicht mehr dort, wo du damals gestanden bist. Was mehr kannst du tun als es jetzt besser zu machen?
lg
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taddeo
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von taddeo »

anneke6 hat geschrieben:Was meint ihr, gibt es einen richtigen Weg, eigenes Versagen anzuerkennen und sich trotzdem nicht für unterbelichtet zu halten?
In Anlehnung an ein Zitat von so einem antiken jüdischen Wanderprediger würde ich Dir empfehlen "geh hin und versuche, es fortan besser zu machen". Völlig egal, was früher war - lebe ab heute so, wie Du meinst, daß es richtig(er) wäre, und laß "die Toten ihre Toten begraben". Unterbelichtet sind nur die, die in der Vergangenheit steckenbleiben oder alles auf die Zukunft verschieben.

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PaceVeritas
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von PaceVeritas »

cantus planus hat geschrieben:Eine Stärkung persönlicher Kompetenzen und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, was eigentlich Ziel aller universitärer Ausbildung ist, wird nicht berücksichtigt. Leider muss ich sagen, dass das mit der Umstellung auf die B.A.- und Masterstudiengänge noch schlimmer geworden ist.
Verbum! Mit dem Humboldtschen Bildungsideal ist es nicht mehr weit her. Interessant ist der Fall von Prof. Marius Reiser, der aus Protest gegen den Bologna-Prozess seinen Lehrstuhl aufgegeben hat. (Artikel)
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Lioba
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Lioba »

Anneke: ein Denken ist erfahrungsgemäss absolut unfruchtbar und depressionsfördernd: was wäre gewesen wenn ich...[damals alles besser gemacht hätte, doch xy geheiratet hätte, nicht die Kellertreppe runtergesegelt wäre etc.]
Wir wissen nicht, was wäre wenn, nur was ist und das ist gut so. Eigenverantwortung zu übernehmen, nüchterne Selbsterkenntnis, das sind Sachen, die wir immer mal wieder neu lernen müssen. Damit bist du nicht alleine.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

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Joseph
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Re: Selbstdienliche Verzerrung

Beitrag von Joseph »

anneke6 hat geschrieben:Was meint ihr, gibt es einen richtigen Weg, eigenes Versagen anzuerkennen und sich trotzdem nicht für unterbelichtet zu halten?
Anneke, ein heiliger Elder wurde einmal gefragt: "Was macht ihr Mönche eigentlich den ganzen lieben langen Tag im Kloster?" - "Wir fallen und stehen auf" war die Antwort....

Gruß
Joseph
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