Nachdem die von Pit angeregten Threads über Nacktheit alle gesperrt wurden, ich das Thema aber weiterhin diskutierenswert finde, möchte ich als gelegentlicher Saunabesucher, eher seltener FKK-Bader, aber überzeugter katholischer Christ ein wohlüberlegtes Statement abgeben:
1) An sich (siehe Adam und Eva) ist Nacktheit ja etwas ganz Natürliches. Die Nacktheit ist der Urzustand des unschuldigen Menschen. Die Nacktheit, mit der auch Engel dargestellt werden, ist in der christlichen Kunst Symbol der Unschuld. Durch die Erbschuld ist allerdings die menschliche Natur verdorben und anfällig für Sündhaftes geworden (Konkupiszenz). So kann der nackte Körper zur Versuchung, ja zum Symbol für Schuld werden.
2) Einerseits gibt es in der Bibel Stellen, die vor Entblößung warnen (der betrunkene Noah, die Gebote, auf die Robert Ketelhohn verweist etc.), oder auf die Versuchbarkeit durch Nacktheit verweisen, denken wir an die nackte Batseba, die für König David zur Versuchung wird (2 Sam 11), oder die keusche Susanna (Dan 13), deren Nacktheit die 3 Alten betört. So gesehen sollte man immer auch und gerade in der Pubertät eher vorsichtig mit der Nacktheit sein. Andererseits gilt für Jesaja Nacktheit als ein prophetisches Zeichen, er ging drei Jahre lang nackt und barfuß umher. (Jes 20,1ff) und auch für Petrus war es normal, nackt zu fischen (Joh 21,7)
3) Christus möchte uns von der Erbsünde und ihren Folgen befreien. Daher ist es dem Christen möglich, sich von der Erbschuld loszusagen (siehe Taufe!) und nicht mehr anfällig für diese Versuchungen zu sein. Der vollkommen erlöste Mensch braucht sich nicht mehr schämen! Auch Jesus schämte sich nicht, als er nackt am Kreuz hing, und Franz von Asissi entledigte sich all seiner Kleider vor dem versammelten Volk und ging völllig frei davon.
4) Aus diesem Gedanken heraus hat kürzlich ein Quäker in Amerika einen christlichen FKK-Strand aufgemacht. Auch in der christlichen Kunst ist Nacktheit keine Seltenheit, gerade in Rom, speziell in der Sixtinischen Kapelle.
5) Da wir als Menschen immer zwischen Erlöstheit und Unerlöstheit hin.- und hergerissen sind, und solange die Erbsünde noch unter uns wirksam ist, hat Scham auf der anderen Seite durchaus einen gewissen Sinn, wobei ich einschränken möchte, dass manche Kleidung aufreizender ist als völlige Nacktheit!
6) Die Geschichte zeigt, dass Nacktheit in begrenzter Form etwa im familiären Bereich oder beim Baden meist als ganz normal galt, erst ab dem 17. Jahrhundert gibt es eine Prüderie-Bewegung, die hier sehr strenge Korsette forderte. Dass das auf Dauer nicht durchzuhalten war, zeigt der Aufbruch der FKK-Bewegung um 1900 und vor allem die gesellschaftliche Revolution des Jahres 1968. Freilich provozieren Extreme immer auch Gegen-Extreme und wir dürfen hoffen, dass sich bald eine gesunde Mitte einpendelt.
7) Der Besuch von Saunen oder FKK-Bädern ist als Entspannung und Erholung keine Sünde an sich (intrinsice malum), kann natürlich aber eine Versuchung zur Sünde werden. Ähnlich wie eine Disco an sich keine Sünde ist, aber es ihr Versuchungen gibt: Zigaretten, Alkohol, Drogen, Sex, laute Musik, zu wenig Schlaf. Meiner Erfahrung nach hält der Besuch solcher Anstalten in Gemeinschaft eher vor sündigen Gedanken ab, als wenn man sich allein unter Unbekannten dort aufhält. Wer spürt, dass er dieser Versuchung nicht gewachsen ist, sollte diesen Orten fernbleiben. Es sollte auf keinen Fall gesellschaftlichen Druck in Richtung „alle müssen Nudisten werden!“ geben!
Die Massagedüsen in den Whirlpools halte ich für viel gefährlicher als die nackten Menschen, dort kommt es bei bestimmten Positionen sowohl für Männer als auch für Frauen schnell und unvermittelt zu sexuellen Gefühlen bis hin zum Orgasmus. (Ich hoffe, ich habe jetzt niemandem einen Tipp gegeben?) Das ist bisweilen, unterstelle ich jetzt mal, auch Absicht der Erbauer und User, aber aus christlicher Sicht doch in dieser Intention abzulehnen.
9) Nacktheit ist nichts für die Öffentlichkeit, auf der Straße, in Behörden oder gar im Fernsehen lehne ich sie ab. Erst recht wenn sie in Form des Striptease theatralisch zur Schau gestellt wird. Aber es ist gut, wenn es Refugien gibt, wo man einmal auch mit anderen so sein kann, wie Gott uns schuf. Ich genieße dieses Gefühl sehr gerne.
10) Ich hoffe, ich konnte die Zwiespältigkeit der menschlichen Nacktheit etwas skizzieren. Nackheit hat etwas Schönes, Paradiesisches, aber auch Verführerisches, man kann aber auch in der Nacktheit keusch bleiben. In der Realität stehen wir alle irgendwo dazwischen: Zwischen Versuchbarkeit und dem Pauluswort „Den Reinen ist alles Rein“.
Wo der geneigte Leser steht, möge er für sich selbst entscheiden!
P.S.: Bin gespannt, wie lange es dauert, bis dieser Thread wieder gesperrt wird!