1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

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Juergen
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1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Juergen »

Ich lese gerade in dem Buch Ein Tag ruft es dem andern zu. 100 Jahre Kirchenmusik in der St.-Blasius-Pfarrei Balve von Theodor Pröpper.
Das Buch ist 1968 (!) erschienen; da Nachwort des Autors ist datiert auf "Allerheiligen 1967".

Darin ist gegen Ende des Buches zu lesen (S. 191):
Das Leben unserer Pfarrgemeinde zeigt nicht nur starke Strukturveränderungen, sondern auch bedrohlich zunehmende Verfallserscheinungen.
...
Wir dürfen uns nicht täuschen in satter und sorgloser Selbstgenügsamketi und unter Berufung auf die Leistungen der Ahnen! - Wenn auch viele noch in der Prozession mitgehen oder gelegentlich zum brausenden klang der Orgel singen: "Großer Gott, wir loben Dich!", so vermag das nicht über die wirkliche Situation unseres pfarrgemeindlichen Lebens in seiner Gesamtheit hinwegzutäuschen. Das alles widerlegt doch nicht, daß in vielen ein zu verantwortendes, wirklich konsequentes Glaubensleben verkümmert ist, daß viele geworden sind wie das Salz, das seine Kraft verlor und schal geworden ist. Je mehr Religion und Leben auseinanderfallen, um so mehr wird nicht nur die seelische Landschaft des einzelnen zerstört und verwüstet, sondern auch das pfarrgemeindliche Zusammenleben der Gesamtheit. -
Die dunklen Stunden religiöser Krisen, in der die Altäre veröden, bedrohen auch uns. Unsere Sorge darf nicht erst dann erwachen, wenn im Gefüge der Treppenstufen, die emporführen zum "Dom des Honnetals", bereits schon das Gras wächst. - -
Aus Unruhe, Drangsal und dem Dunkel unserer beklemmenden, rätselvollen Zeit erhebt sich fragend der sorgende Ruf, der auf einen neuen Morgen wartet: "Wächter, wie weit ist es in der Nacht?" -
Wohlgemerkt: geschrieben 1967 in einer kleinen Stadt mit ca. 3000 Einwohnern im ("katholischen") Sauerland...

:bedrippelt:
Gruß Jürgen

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Gamaliel
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Gamaliel »

Eine absolut treffende Analyse :(

Die Kirchenkrise hat schon lange vor dem II. Vatikanum begonnen! Leider lügen sich viele Menschen/Pfarrer selbst in die Tasche, wenn sie glauben, daß ein reges Volksbrauchtum automatisch ein Indikator für echte Religiosität, oder besser gesagt, für echten Katholizismus ist.

Die Identifizierung von Mobilisierungskraft und Katholizismus ist nicht zu halten; das beweisen die wenig fruchtbaren Großveranstaltungen der Katholischen Aktion in früheren Jahrzehnten und das beweisen die Weltjugendtage,... der Gegenwart.

Es bedurfte/bedarf offenbar damals wie heute, des nüchternen Blicks des Laien, um derartiges zu erkennen.

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Bernado
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Bernado »

Juergen hat geschrieben:Wohlgemerkt: geschrieben 1967 in einer kleinen Stadt mit ca. 3000 Einwohnern im ("katholischen") Sauerland...
Ich verstehe nicht so ganz, was du uns mit dieser Stimmungsschilderung zu diesem Zeitpunkt sagen willst - außer, daß im Sauerland die Uhren 5 oder 10 Jahre nachgingen. Die dort beschriebene Stimmung war unter den Leuten, die Bücher und Artikel schreiben (ich betone das, weil bei den Leuten in den Kirchenbänken möglicherweise anders aussah) also diese Stimmung war Ende der 50er Anfang der 60er Jahre in Mitteleuropa weit verbreitet und gehörte zu den Motiven, die Papst Johannes XXIII. zur Einberufung des Konzils veranlassten. Man sah: die Welt ist nicht mehr so, wie sie mal war, und suchte nach Mitteln, den Wandel (dessen Natur und Richtung unklar war) zu bewältigen.

Anderswo hat man 1967 - also zwei Jahre nach dem Abschluß des 2. Vatikanums - bereits begeisterte Freudengesänge über den endlich ausgebrochenen neuen Frühling angestimmt.

Ich zitiere dazu mal einen Mann, den ich ansonsten als nüchternen und genauen Wissenschaftler schätze, der aber in den Jahren unmittelbar nach dem Konzil so viel vom starken Konzilsgeist zu sich genommen hat, daß man seinen Zustand nur noch mit dem von Frau Kässmann am Steuer vergleichen kann:
Klaus Gamber 1966 hat geschrieben:Wir sind in der Zeit eines gewaltigen Umbruchs auf liturgischem Gebiet, wie ihn die Kirche seit den Zeiten Konstantins nicht mehr erlebt hat. Das Bisherige wird als veraltet abgetan. (...) Vielleicht haben die recht, die glauben, daß erst jetzt, nach fast zweitausend Jahren Kirchengeschichte, die eigentliche Blütezeit der Kirche beginnt. Das 2. Vatikanische Konzil und insonderheitPapst Johannes XXIII., der es einberufen hat, haben jedenfalls die Türen zu einer neuen Entwicklung weit geöffnet. Die kommende Kirche wird nicht so sehr, wie vielfach in früherer Zeit, nach außen hin machtvoll in Erscheinung treten; sie wird vielmehr versuchen, nach manchen Irrwegen in den vergangenen jahrhunderten wieder zur vollkommenen Einheit und immer mehr zu einem inneren Wachstum, "zur Vollreife des Mannesalters Christi" (Eph. 4,13) zu gelangen.
Aus Klaus Gamber, Liturgie Übermorgen, Freiburg 1966, S. 17 u. S. 20.

Bei allem Überschwang bleibt Gamber übrigens da, wo er er wirklich kompetent ist - also in der Liturgie - besonnener und empfiehlt bei allem Reformeifer doch ein Vorgehen, das sich gerade noch mit den Prinzipien der organischen Enwicklung vereinbaren läßt. Später ist er dann wieder sehr viel nüchterner geworden.

Ich führe Gamber nicht an, um Deinen weniger bekannten Autor zu dementieren oder gar zu demontieren. Beide zusammen geben ziemlich gut ein Bild von der Verwirrung und Orientierungslosigkeit dieser Jahre - und erklären damit vielleicht auch ein wenig, warum das Konzil sich in vielem übernommen hat, als es versuchte, weitreichende Zielvorgaben zu formulieren.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Juergen
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Juergen »

Bernado hat geschrieben:Ich verstehe nicht so ganz, was du uns mit dieser Stimmungsschilderung zu diesem Zeitpunkt sagen willst - außer, daß im Sauerland die Uhren 5 oder 10 Jahre nachgingen.
Klar gingen und gehen die Uhren im Sauerland nach...


Man hört aus bestimmten Kreisen häufiger, daß das II. Vatikanum Schuld sei, am Niedergang des kirchlichen Lebens. Wenn die oben zu lesenden Ausführungen richtig sind, und das bestätigst Du ja, ist diese These in der Form nicht zu halten. Dann muß man eher sagen: trotz des II. Vatikanums gibt es diesen Niedergang, oder: das II. Vatikanum hat es nicht geschafft den schon grundgelegten Niedergang aufzuhalten.

Wenn es stimmt, daß sich schon damals das kirchliche Leben in der Form veräußerlicht hat, daß zwar noch kirchl. Brauchtum (im weiteren Sinne) gepflegt wurde, aber kein inneres Glaubensleben mehr vorhanden war oder zumindest im Schwinden war, dann ist es nicht verwunderlich, daß in der nunmehr zweiten Generation nach diesem Text noch weniger vorhanden ist.
Gruß Jürgen

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lifestylekatholik
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von lifestylekatholik »

Juergen hat geschrieben:Man hört aus bestimmten Kreisen häufiger, daß das II. Vatikanum Schuld sei, am Niedergang des kirchlichen Lebens. Wenn die oben zu lesenden Ausführungen richtig sind, und das bestätigst Du ja, ist diese These in der Form nicht zu halten. Dann muß man eher sagen: trotz des II. Vatikanums gibt es diesen Niedergang, oder: das II. Vatikanum hat es nicht geschafft den schon grundgelegten Niedergang aufzuhalten.
Vielleicht so: Um einige Risse im Damm, der das Wasser des Glaubens zusammenhielt, zu reparieren, hat man in der Folge des Zweiten Vatikanums den Damm eingerissen.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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Gamaliel
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Gamaliel »

Juergen hat geschrieben:Dann muß man eher sagen: trotz des II. Vatikanums gibt es diesen Niedergang, oder: das II. Vatikanum hat es nicht geschafft den schon grundgelegten Niedergang aufzuhalten.
...oder, daß es auf echte Probleme die vielfach falschen Antworten gegeben und damit den Niedergang noch weiter beschleunigt und vertieft hat. :(

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cantus planus
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von cantus planus »

Gamaliel hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Dann muß man eher sagen: trotz des II. Vatikanums gibt es diesen Niedergang, oder: das II. Vatikanum hat es nicht geschafft den schon grundgelegten Niedergang aufzuhalten.
...oder, daß es auf echte Probleme die vielfach falschen Antworten gegeben und damit den Niedergang noch weiter beschleunigt und vertieft hat. :(
So würde ich es vielleicht auch formulieren. :ja:
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Bernado
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Bernado »

cantus planus hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Dann muß man eher sagen: trotz des II. Vatikanums gibt es diesen Niedergang, oder: das II. Vatikanum hat es nicht geschafft den schon grundgelegten Niedergang aufzuhalten.
...oder, daß es auf echte Probleme die vielfach falschen Antworten gegeben und damit den Niedergang noch weiter beschleunigt und vertieft hat. :(
So würde ich es vielleicht auch formulieren. :ja:
Meinerseits mit allem einverstanden - und gerade deshalb ist es so verhängnisvoll, daß das Konzil selbst schon den Eindruck von Gewissheiten verbreitete, der sachlich nicht berechtigt war; und noch viel verhängnisvoller, daß die Konzilsgeister auch jetzt, nachdem man die Entwicklung deutlicher sehen kann, stur und steif dabei bleiben, von der Medizin, die nichts geholfen hat, müsse man halt noch mehr geben.

@Jürgen: Ich denke, die Behauptung, es sei vor dem Konzil alles gut gewesen, und das Konzil habe eine blühende Kirche ruiniert, wird man auch in Tradikreisen nur selten hören. Die Tendenz geht eher dahin: Die Krise, die spätestens nach den Erschütterungen des 2. Weltkriegs allgemein zum Ausbruch kam, bestand und besteht ihrem Wesen nach in einem Vordringen säkularer Vorstellungen in der Gesellschaft. Und das Konzil hat sich - anstatt sich diesem Vordringen mit Macht entgen zu stemmen - auf den Weg des Kompromisslertums begeben und damit die Sache für die Kirche nur noch schlimmer gemacht.

Ich bin geneigt, dieser generellen Einschätzung zuzustimmen, muß aber gleichzeitig zugeben, daß ich - selbst in der historischen Rückschau - nicht die geringste Ahnung habe, wie ein solches "Mit Macht Entgegenstemmen" denn hätte aussehen sollen. Den von Erzbischof Lefebvre eingeschlagenen Weg halte ich zwar für ehrenwert und als eine von einer kleinen Gruppe verfolgte Strategie auch sinnvoll und vielleicht sogar unentbehrlich - als generelles Konzept für die ganze Kirche kann ich mir diesen Weg aber beim besten Willen nicht vorstellen.
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Juergen
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Juergen »

cantus planus hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Dann muß man eher sagen: trotz des II. Vatikanums gibt es diesen Niedergang, oder: das II. Vatikanum hat es nicht geschafft den schon grundgelegten Niedergang aufzuhalten.
...oder, daß es auf echte Probleme die vielfach falschen Antworten gegeben und damit den Niedergang noch weiter beschleunigt und vertieft hat. :(
So würde ich es vielleicht auch formulieren. :ja:
Das Problem dabei ist allerdings der Zeitverlauf, der bekanntlich immer nur in eine Richtung geht (Zukunft) und von dem wir leider nur die andere (Vergangenheit) überschauen.

Rückblickend mag man an manchen Stellen vielleicht sagen können: diese oder jene Entscheidung war falsch
Vorausschauend wird aber keiner sagen können: folgende Entscheidung führt zwangsläufig zu dieser oder jener Entwicklung

Wer heute das "Patentrezept" hat, mit dem es mit absoluter Sicherheit gelingt, einen "kirchlichen Aufschwung" zu erzeugen, soll es frei heraus sagen. - Aber wehe dem, der dabei falsch liegt.

:hmm:


Übrigens lag der o.g. Autor mit einigen Einschätzungen leider auch gründlich daneben (Hervorhebung von mir) - Man kann eben nur schwerlich in die Zukunft gucken:
Es dürfte sich hier erübrigen, über jene sehr fragwürdigen Versuche und Experimente der letzten Jahre, wie sie an manchen Orten stattfanden zu sprechen, bei denen eine "Kirchenmusik"(?), exotisch beeinflußt und stark vom Rhytmischen her bestimmt, praktiziert wurde. Es ist nicht verwunderlich, wenn Klangprodukte, die auf der Stufe von Unterhaltungsmusik stehen oder mit ihrem Instrumentarium und ihrer stereotypen Rhythmik mehr an den Tanzboden als an die Kirche erinnern, von der Mehrzahl der Gläubigen für den Gottesdienst abgelehnt werden und verständnislosem Kopfschütteln begegnen. - Doch scheint, aufs Ganze gesehen, für solche Musik bereits eine rückläufige Bewegung eingetreten zu sein, so daß sich vermutlich die Prognose jener bestätigen wird, die immer schon von der Kurzlebigkeit gewisser modischer Experimente überzeugt waren. -
Eine Musik, die beansprucht, als Kirchenmusik ernst genommen zu werden, muß in überzeugender Weise auch den Durchbruch ins Geistige gelingen.
Gruß Jürgen

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Gamaliel
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Gamaliel »

Juergen hat geschrieben:Vorausschauend wird aber keiner sagen können: folgende Entscheidung führt zwangsläufig zu dieser oder jener Entwicklung
Vorausgesetzt, daß Du hier nicht eine Selbstverständlichkeit ansprichst, nämlich, daß keiner von uns die Zukunft in concreto kennt, so weise ich betreffs des vorliegenden Themas z.B. auf den Coetus internationalis patrum hin, in dessen Reihen gab es doch sehr vorausschauende Einschätzungen der kirchlichen Lage und Zukunft, die sich nun im nachhinein auch bestätigen. - Völlig ahnungslos oder nur im nachhinein klüger, war "man" also auch am Konzil nicht.
Juergen hat geschrieben:Wer heute das "Patentrezept" hat, mit dem es mit absoluter Sicherheit gelingt, einen "kirchlichen Aufschwung" zu erzeugen, soll es frei heraus sagen. - Aber wehe dem, der dabei falsch liegt.

:hmm:
Hier müßte man zuerst einmal klären, was mit "kirchlichem Aufschwung" gemeint ist. Geht es um Breitenwirkung, Massenphänomene bzw. Quantitatives? Wäre auch eine "Gesundschrumpfung" ein Aufschwung? ...

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Gamaliel
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Gamaliel »

Bernado hat geschrieben:Ich bin geneigt, dieser generellen Einschätzung zuzustimmen, muß aber gleichzeitig zugeben, daß ich - selbst in der historischen Rückschau - nicht die geringste Ahnung habe, wie ein solches "Mit Macht Entgegenstemmen" denn hätte aussehen sollen.
Ich glaube, hier muß man sich vor zwei Dingen hüten:

a) unsere ingenieurwissenschaftliche Präzision und den entsprechenden Kontrollwahn auf die Kirchenreform zu übertragen. Letztere läßt sich nicht so planen wie ein Hochhaus, wo schon vor Baubeginn eingeplant ist, wer abschließend die Glühbirnen, Handtücher,... liefert. Insofern hat auch Juergen mit seiner Unvorhersehbarkeit der Zukunft ganz Recht.

b) die Kirchenreform ist zuerst und hauptsächlich ein Werk der Gnade und somit weder berechen- noch einforderbar.

Daraus ergeben sich für mich zwei Folgerungen: Eine Kirchenreform muß sich hauptsächlich auf den guten und eifrigen Gebrauch der Gnadenmittel stützen und sie muß sich auf den Bereich konzentrieren, der dem Einfluß des einzelnen Katholiken unterliegt, nämlich das eigene Leben und das nähere Umfeld.

Wie man leicht sieht, ist das kein Geheimrezept, sondern geradezu "banal" und doch hat sich Erzbischof Lefebvre gerade darauf gestützt, weil dies die Kirche immer so gemacht hat. Ich sehe keinen durchschlagenden Grund, warum dies im 21. Jahrhundert nicht auch im großen Stil so gemacht werden könnte.

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lifestylekatholik
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von lifestylekatholik »

Gamaliel hat geschrieben:Eine Kirchenreform muß sich hauptsächlich auf den guten und eifrigen Gebrauch der Gnadenmittel stützen und sie muß sich auf den Bereich konzentrieren, der dem Einfluß des einzelnen Katholiken unterliegt, nämlich das eigene Leben und das nähere Umfeld.
:daumen-rauf:
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Peregrin
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Peregrin »

Juergen hat geschrieben: Wer heute das "Patentrezept" hat, mit dem es mit absoluter Sicherheit gelingt, einen "kirchlichen Aufschwung" zu erzeugen, soll es frei heraus sagen. - Aber wehe dem, der dabei falsch liegt.
Diese Aufgabe ist ja falsch gestellt. Die Kirche muß die Apostellehre bewahren und das Evangelium in Wort und Tat verkünden - der Rest findet sich schon. Ob das einen wie immer gearteten "Aufschwung" bewirken wird, oder wem auch immer "vermittelbar" ist, ist dabei nur marginal interessant.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Juergen
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Juergen »

Gamaliel hat geschrieben:a) unsere ingenieurwissenschaftliche Präzision und den entsprechenden Kontrollwahn auf die Kirchenreform zu übertragen.
Ich plädiere bei einer "Kirchenreform" schon für eine "ingenieurwissenschaftliche Präzision". An erster Stelle sollte da die Anpassung der Kirchenräume an die tatsächlichen Begebenheiten des Kirchenvolkes stehen. - Will sagen: Wenn wir derzeit Kirchenräume in einem Umfang haben, der der nominellen Zahl der Katholiken entspricht, aber nur 15% in die Kirche gehen, sollte man 80% der Kirchen abreißen. Damit schafft man eine Wahrheit, nämlich die, daß die Kirche nach außen nur noch so groß ist, wie sie auch innerlich ist.
Es nützt keine als-ob-Pastoral, in der man so tut, als gebe es noch kirchliches Leben, wo in Wirklichkeit nur Wüste ist.
Ja, es ist eine Form des Gesundschrumpfens.
Die Kirche hat über die Jahrhunderte gelernt zu expandieren: baute hier eine Kirche, dort eine Kapelle und stattete sie mit Personal aus. Mit dem Schrumpfen hat sie bis heute nicht gelernt umzugehen.
Wer nach so einer Abrißorgie noch was mit der Kirche zu tun haben will, muß dann auch was für seinen Glauben tun und Wege und Mühen auf sich nehmen. Das wäre auch ein Zeichen nach außen. Die sebstgenügsame Rundumversorgung, wo keiner was für seinen Glauben selbst tun muß, muß ein Ende haben.
Freilich besteht für die Kirche die Gefahr in die Bedeutungslosigkeit einer Sekte abzurutschen, aber das ist nun auch nicht weiter schlimm. - Ist ja heute sowieso schon so.
Gruß Jürgen

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Bernado
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Bernado »

Juergen hat geschrieben:Wer nach so einer Abrißorgie noch was mit der Kirche zu tun haben will, muß dann auch was für seinen Glauben tun und Wege und Mühen auf sich nehmen. Das wäre auch ein Zeichen nach außen. Die sebstgenügsame Rundumversorgung, wo keiner was für seinen Glauben selbst tun muß, muß ein Ende haben.
Ja. Ich kriege immer zuviel, wenn ich höre: Dies oder jenes (folgt was ganz harmloses, nicht so was Umstürzlerisches wie keine Messdienerinnen) kann ich bei uns nicht machen - dan bleiben die Leute zuhause. Diese Leute sind schon längst nicht mehr da.

@Gamaliel: Ja aber.In Deiner Antwort, würde man sich auf sie beschränken, liegt eine gewisse Tendenz zur Selbstgenügsamkeit. Aber die Kirche muß auch legitimen Anforderungen und Anfragen begegnen, die sie nicht mit dem Verweis auf einen schon vorhandenen Glauben übergehen kann. Sie muß sich als Kirche, aber auch in jedem einzelnen ihrer Mitglieder, der Welt stellen.

Damit meine ich nicht, daß sie unbedingt etwas zu Afghanistan und Harz4 sagen muß, weil die Politik halt auch gerade darüber spricht, wie jetzt gerade wieder ad nauseam zu vernehmen. Aber sie muß über ihr Eigenes reden: Über die 10 Gebote - auch wenn der "liberale" Staat des "Recht der Frau auf ihren Körper" verkündet. Über das, was in der Eucharistie geschieht - und daß man sich ihm nur im Stand der Gnade nähern kann, und daher die Beichte nicht mit dem Mittelalter untergegangen ist. Darüber, daß es Sünde gibt.

Und darüber muß man schon in einer Weise sprechen, daß die Menschen es auch verstehen, und diese Weise ist auch zeitabhängig. Aber in den letzten 50 Jahren hat sich die Vorstellung eingebürgert, daß man glaubt, die Menschen verstehen, wenn sie zustimmend nicken - also ist alles, wozu sie nicht nicken, falsch oder falsch gesagt. Und das heißt natürlich nicht sich der Welt stellen, sondern sich ihr angleichen. Ansprechen ohne anzugleichen - dazu müssen wir uns schon selbst ins Zeug legen.
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Gamaliel
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Re: 1967 war die Welt noch in Ordnung - oder auch nicht.

Beitrag von Gamaliel »

Bernado hat geschrieben:@Gamaliel: Ja aber.In Deiner Antwort, würde man sich auf sie beschränken, liegt eine gewisse Tendenz zur Selbstgenügsamkeit.
"...läge eine gewisse Tendenz..." => Da hättest Du ganz Recht, aber dem Beschränken rede ich ja nicht das Wort. Mir geht´s ganz grundsätzlich darum, daß Abhilfe möglich und zunächst einmal nicht kompliziert ist.
Bernado hat geschrieben:Aber sie muß über ihr Eigenes reden:
[...]
Ansprechen ohne anzugleichen - ...
Ganz genau so. :ja:

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