Dialog mit Juden im Pontifikat PBXVI geht weiter voran

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Ragnar
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Re: dialog mit juden

Beitrag von Ragnar »

Juergen hat geschrieben:
Lukas 5 hat geschrieben:16 Und er kam gen Nazareth, da er erzogen war, und ging in die Schule nach seiner Gewohnheit am Sabbattage und stund auf und wollte lesen.
17 Da ward ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Und da er das Buch herumwarf, fand er den Ort, da geschrieben stehet:
18 Der Geist des Herrn ist bei mir, derhalben er mich gesalbet hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, daß sie los sein sollen, und den Blinden das Gesicht und den Zerschlagenen, daß sie frei und ledig sein sollen,
19 und zu predigen das angenehme Jahr des Herrn.
20 Und als er das Buch zutat, gab er’s dem Diener und setzte sich. Und aller Augen, die in der Schule waren, sahen auf ihn.
21 Und er fing an, zu sagen zu ihnen: Heute ist diese Schrift erfüllet vor euren Ohren.
Und was sagt das?
Kapitel 5
16Er aber zog sich zurück in die Wüste und betete.

Die Heilung eines Gelähmten («Der Gichtbrüchige»)
17Und es begab sich eines Tages, als er lehrte, daß auch Pharisäer und Schriftgelehrte dasaßen, die gekommen waren aus allen Orten in Galiläa und Judäa und aus Jerusalem. Und die Kraft des Herrn war mit ihm, daß er heilen konnte. 18Und siehe, einige Männer brachten einen Menschen auf einem Bett; der war gelähmt. Und sie versuchten, ihn hineinzubringen und vor ihn zu legen. 19Und weil sie wegen der Menge keinen Zugang fanden, ihn hineinzubringen, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn durch die Ziegel hinunter mit dem Bett mitten unter sie vor Jesus. 20Und als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben. 21Und die Schriftgelehrten und Pharisäer fingen an zu überlegen und sprachen: Wer ist der, daß er Gotteslästerungen redet? aWer kann Sünden vergeben als allein Gott?
Habe ich ein anderes Buch erwischt?

sicherlich meinst du Lukas 4...
Zuletzt geändert von Ragnar am Dienstag 23. August 2005, 10:34, insgesamt 1-mal geändert.

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Juergen
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Re: dialog mit juden

Beitrag von Juergen »

Ragnar hat geschrieben:Habe ich ein anderes Buch erwischt?
:pale:
Ne, ich habe mich vertippt: Gemeint war Kapitel 4.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Ragnar
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Re: dialog mit juden

Beitrag von Ragnar »

Juergen hat geschrieben:
Ragnar hat geschrieben:Habe ich ein anderes Buch erwischt?
Ne, ich habe mich vertippt: Gemeint war Kapitel 4.
Wie war das noch mit wollen und können :joker:

beth
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Beitrag von beth »

Für alle jene die das bewegende historische Ereignis in der Synagoge zu Köln über TV nicht mitverfolgen konnten hier:

Die Begrüßung von Papst Benedikt XVI. durch Abraham Lehrer
Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, am 19.08.2005 in der Synagoge

Im Namen der Synagogen-Gemeinde Köln ist es mir eine große Ehre, Sie, hochverehrter Papst Benedikt XVI., herzlichst willkommen zu heißen; oder wie es im Hebräischen heißt: Baruch haba. Ihr Besuch in unserer Synagoge stellt ein außergewöhnliches Ereignis dar, welches von enormer religiöser als auch politischer Bedeutung ist.

Die Juden sind in römischer Zeit ins Rheinland gekommen. Die erste verbürgte Datierung der Juden in Köln beläuft sich auf das Jahr 321 nach der gregorianischen Zeitrechnung, dokumentiert in einer kaiserlichen Urkunde, die sich heute im Vatikanarchiv befindet. Anfangs wurden die Juden in Köln lediglich geduldet, sie durchlebten sowohl positive, als auch negative epochale Abschnitte, wie beispielsweise das Leiden während der Kreuzzüge oder die Gleichstellung durch die preußische Judenemanzipation.
Bis zum Jahre 1933 war die jüdische Bevölkerung in Köln auf ca. 20.000 Menschen angewachsen. In der sich nebenan befindlichen Gedenkhalle, die wir alle gerade passiert haben, wird der 11.000 deportierten und in den Konzentrationslagern des Nazi-Regimes ermordeten Kölner Juden, sowie der weltweit 6.000.000 Opfer der Shoa gedacht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich wider aller Erwartungen einige Heimatlose und alte Kölner in dieser Stadt zusammen, um eine jüdische Gemeinde zu gründen. Die Gemeinde wuchs auf etwa 1.300 Mitglieder an. Viele kritische Geister befürchteten ein Aussterben der Gemeinde in den nächsten Jahrzehnten. Ab dem Jahr 1989 begann der Zuzug von Juden aus den GUS-Staaten, der bis heute zu einem Mitgliederstand von etwa 5.000 geführt hat.

Ich habe Sie, hochverehrter Papst Benedikt, mit Pontifex Maximus, zu deutsch: der größte Brückenbauer, angesprochen. In den Biographien über Ihre Person werden Sie immer wieder als ein Brückenbauer zwischen den Religionen beschrieben. Mit diesem Titel möchte ich die Tatsache unterstreichen, dass Sie auf Ihrer ersten Auslandsreise eine Synagoge besuchen. Sie setzen den Bau einer Brücke zwischen dem Katholizismus und dem Judentum, die Ihr Vorgänger Papst Johannes Paul II. mit seinem Besuch der römischen Synagoge und des Staates Israel begonnen hat, fort. Es ist ein Zeichen für die hohe Wertigkeit, ja Wertschätzung, die das Verhältnis zum Judentum für Sie besitzt. Die Akzeptanz und Toleranz gegenüber unserer Religion ist Ihnen sehr wichtig.

In der Kirche gab es einen Prozess des Auseinandersetzens mit der christlichjüdischen Geschichte wie z.B. den Kreuzzügen oder dem Verhalten der Kirche im Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf es zu einem Eingestehen von Fehlern kam. Diese Entwicklung mündete 1965 am Ende des 2. Vatikanischen Konzils in die Erklärung „Nostra Aetate“, die erstmals schriftlich festlegte, dass Juden nicht generell für den Tod von Jesus Christus verantwortlich sind. Sie waren bereits in jenen Tagen als Theologieprofessor und Berater vom damaligen Kölner Kardinal Frings, der häufig in unserer Synagoge zu Gast war, an der Entwicklung dieser Erklärung beteiligt. Dies war ein erster Meilenstein auf dem Weg einer grundlegenden Veränderung und Verbesserung des Verhältnisses zwischen Juden und Katholiken und stellt eine Abkehr von der jahrhundertealten Kirchenlehre bzw. dem Bild des Gottesmordes dar. Zunächst blieb es bei diesem wichtigen Dokument, und es dauerte weitere 20 Jahre, bis es zu einem ersten aktiven Signal von Papst Johannes Paul II. kam, nämlich dem Besuch der römischen Synagoge. Weitere Zeichen waren im Jahr 1993 der Grundlagenvertrag und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Vatikanstaat und dem Staat Israel, im Jahr 2000 das Schuldbekenntnis von Papst Johannes Paul II., schließlich sein Israelbesuch im Jahr 2003. Wenn die Abstände zwischen solch bedeutungsvollen Ereignissen kleiner werden und somit die Aura des Besonderen verlieren, können wir in Zukunft eine Normalisierung des Verhältnisses erhoffen.

Sie, als Oberhaupt der katholischen Kirche, tragen eine spezielle Verantwortung auch gegenüber uns Juden. Papst Benedikt, Ihr Verhalten und Ihre Taten sind ein Vorbild für die Kirche. Ich hoffe, dass Ihr Besuch heute in dieser Synagoge dazu beiträgt, den gesamten Kirchenkörper zu erfassen und Ihre Einstellung die Kirche von der Spitze bis zur Basis durchdringt. Leider immer noch vorhandener kirchlicher Antisemitismus kann somit wirksam bekämpft werden.

Sie sind zu einer schlimmen Zeit in Deutschland aufgewachsen. Wir sehen in Ihnen heute nicht nur das Oberhaupt aller Katholiken, sondern auch den gebürtigen Deutschen, der sich seiner geschichtlichen Verantwortung stellt. Sie haben 1998 die Unterlagen der Glaubenskongregation der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Für uns wäre ein vollständiges Öffnen des vatikanstaatlichen Archivs über den Zeitraum des Zweiten Weltkrieges, 60 Jahre nach der Shoa, ein weiterer Hinweis für geschichtsbewusstes Agieren, auch um Kritiker auf allen Seiten zufrieden zu stellen.

Es bedarf einer Fortsetzung der bereits erwähnten Prozesse; sowohl außerhalb als auch innerhalb der Kirche, um allen Katholiken zu verdeutlichen, dass das Judentum einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Menschheit und des Christentums geleistet hat und immer noch leistet. Die Kirche hat lange Zeit nicht akzeptiert, dass beide Religionen ihre eigene Wahrheit vertreten und somit an der Entwicklung der Menschheit teilhaben. Die noachitischen Gesetze sind die sieben Grundgesetze, die Noach nach Ende der Sintflut und nach Verlassen der Arche von Gott erhielt und welche im Talmud, Traktat Sanhedrin, erläutert werden. Diese Gesetze sind ein Beispiel für gutes menschliches Zusammenleben. Das Judentum respektiert besonders Nichtjuden, die nach diesen Gesetzen leben und handeln. Diese Gebote haben im Christentum auch Gültigkeit und bilden eine Basis für das gedeihliche Fortbestehen der Menschheit. Beide Religionen haben, bei allen nicht zu vergessenden Unterschieden, große Gemeinsamkeiten und nicht umsonst sprechen Sie, Papst Benedikt, von „Fratres Maiores“, den älteren Brüdern. Wir Juden gehen davon aus, dass das Christentum uns als gute Menschen akzeptiert und toleriert. Als Abschluss zitiere ich den Ehrenvorsitzenden unseres Gemeinderates, Herrn Ernst Simons, der auf die Frage, was Juden von Christen erwarten würden, zu antworten pflegt: „Seien Sie gute Christen und lassen Sie uns gute Juden sein!“

Hochverehrter Papst Benedikt, Ihren Beitrag zur Verbesserung des Verhältnisses erkennen wir an und wissen ihn zu würdigen. Der christlich-jüdischen Zukunft sehen wir positiv entgegen. Wir freuen uns, dass Sie unsere Synagoge besuchen. Sie erweisen unserer Gemeinde eine große Ehre. Noch einmal herzlich Willkommen!
Baruch haba!


Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln

beth
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Beitrag von beth »

Und zweitens, die bewegend zugewandte Rede des Gemeinderabbiners Natanel Teitelbaum:

Rede des Gemeinderabbiners Rabbiner Natanel Teitelbaum in der Synagoge zu Köln, anlässlich des Besuches von Papst Benedikt XVI. am 19. August 2005

Kwod Harabanim
Hochverehrter Papst Benedikt!
Sehr geehrte Festgäste!

soeben haben wir hier in der Synagoge den Psalm 23 gelesen und gehört. Er hat eine große Bedeutung im Glauben eines jeden Menschen. Dieser Psalm gibt dem Menschen in allen schweren Zeiten Kraft. Er hat uns, dem jüdischen Volk, seit dem Auszug aus Ägypten bis zur Shoah und auch in der Zeit danach die Kraft zum Überleben gegeben.
Und diese Kraft, das ist der Glauben des jüdischen Volkes, der Glauben eines jeden Einzelnen, der Glaube an den Ewigen, Hakadosch Baruch Hu, so wie es in dem Psalm 23 heißt: „fürcht’ ich kein Leid, denn Du bist mit mir“.

Das Volk Israel als Volk, als Gruppe, und auch jeder Einzelne hatte immer wieder schwere Zeiten zu bestehen. Gerade fünf Tage ist es her, dass wir den Trauertag Tischa Be Aw begangen haben. Einen Tag, der uns an viel Unglück in der jüdischen Geschichte erinnert. Es ist der Tag der Zerstörung des ersten und auch des zweiten Tempels in Jerusalem und zudem der Tag der Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto.

Das jüdische Volk hat niemals aufgehört zu glauben, auch dann, wenn es allein gelassen worden ist.

Und aus diesem Glauben schöpfen wir zu jeder Zeit Kraft, auch in den Zeiten, in denen das jüdische Volk verfolgt worden ist. Ihr Besuch heute, hochverehrter Papst Benedikt, ist ein Zeichen hin zur Öffnung des Friedens in der ganzen Welt und ein Schritt auf dem Weg zum geistigen Aufbau des dritten Tempels in Jerusalem, der nur gebaut werden kann, wenn es Frieden unter allen Völkern gibt.
Ihr Besuch heute ist ein Schritt zum Frieden zwischen den Völkern der Welt.

Ihr Besuch ist auch ein aktives Zeichen gegen den früheren christlichen Antisemitismus. Ihr Besuch hat darin größte Symbolkraft. Er zeigt allen, dass und wo Sie die katholische Kirche im Verhältnis zu den Juden in aller Welt sehen.

Lassen Sie mich aus dem Allgemeinen zur Einzelperson kommen.
Ihr Besuch hat größte Bedeutung für Frau Lehrer. Fela Lehrer ist die Mutter von Abraham Lehrer, der eben die Begrüßung vorgenommen hat. Sie sitzt hier heute in der Synagoge. Auf ihrem Unterarm kann man die Nummer lesen, die ihr im KZ eintätowiert wurde. 1944 in Auschwitz hatte sie weder die Kraft noch die Vorstellung, dass eines Tages in 2005 ihr Sohn den Papst offiziell in der Synagoge zu Köln begrüßen würde.

Außer Ihr sitzen hier noch manche andere, die diese Zeit überlebt haben.

Von wo haben wir diese Kraft erhalten: die Kraft zu glauben, die Kraft zum Überleben. Diese Kraft können wir in den Texten finden, die wir heute hier gemeinsam gelesen haben. Denn es heißt im Kapitel 1 im 1. Buch Moses „Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn…“

Der Mensch ist ein Teil Gottes. Und der Mensch trägt einen Teil von Gott in sich. Und dieser Teil, den der Mensch von Gott in sich trägt, das ist die Seele.

Die Seele unterscheidet den Menschen von den anderen Lebewesen, die sich auf dieser Welt befinden. Die Seele gibt dem Menschen die Möglichkeit nachzudenken, bevor er eine bestimmte Tat vollbringt.

Es liegt in den Händen des Menschen, Gutes zu tun und nicht zu zerstören, zu beleidigen oder zu vernichten. Der Ewige, Ha Kadosch Baruch Hu, hat dem Menschen eine, seine Seele gegeben.
Der Mensch ist damit dafür geschaffen, Gutes zu tun.

Und aus dieser Seele hat der Mensch die Kraft und die Aufgabe, Menschen zusammen zu bringen und nicht auseinander zu treiben.
Das bedeutet praktisch, dass der Mensch Frieden haben und schaffen muss.

Im Judentum steht die Grundlage für den Frieden auf fünf Säulen:

Die erste der fünf Säulen ist der Glaube an den Einzigen und Allmächtigen, Ha Kadosch Baruch Hu.

Die Erinnerung an die Vergangenheit und darauf der Aufbau der Zukunft, das ist die zweite der fünf Säulen.
Als Napoleon in die Stadt Akko kam, es war der Abend des 9. Aw, Tischa Be’Aw, und als er sah, dass das Volk Israel weinte, da fragte Napoleon: „Aus welchem Grunde weinen die Juden?“ Die Antwort, die man ihm gab, lautete: „Wir weinen über die Zerstörung des Tempels von Jerusalem.“ Da fragte Napoleon: „Wann ist das passiert?“ Die Anwesenden antworteten ihm: „Es geschah vor etwa 2000 Jahren.“ Da sagte Napoleon: „Vor 2000 Jahren ist es geschehen und noch heute weint ihr. Wenn dieses so der Fall ist und wenn ein Volk sich noch heute so an seine Vergangenheit erinnert, dann ist das ein Volk, das auch Zukunft hat.“

Die Dritte der drei Säulen ist die Säule der Guten Taten.

Das Gebet ist die vierte Säule. Und heute am Ende der Feierstunde werden wir gemeinsam aus dem Gebet hören, das „Sim Schalom“ = „Gebt Frieden“ heißt.

Die Stimme des Schofar ist die fünfte der fünf Säulen. Der Klang des Schofar steht für Frieden. Dieser Klang symbolisiert auch die Freiheit, die Freiheit des Einzelnen zu entscheiden.
Der wirkliche Frieden auf der Welt ist der Frieden, der keinen Terror kennt. Es ist der Frieden, der von allen Seiten gleichberechtigt angenommen wird. Und das ist der Grund, aus dem wir heute das Schofar haben erklingen lassen; denn Ihr Besuch heute ist ein Zeichen, ein Symbol für den Frieden, der auf der Welt herrschen muss. Ein Frieden ohne Terror.

Wenn wir diese fünf Säulen jetzt zusammenfassen, so bildet sich hieraus eine Hand. Und obwohl sie fünf Finger hat, ist sie doch eins. Sie ist eine Hand, die Hand des jüdischen Volkes. Und diese Hand gebe ich Ihnen als ein Symbol des Friedens des jüdischen Volkes für alle Völker auf dieser Welt.

Erlauben Sie mir abzuschließen mit dem letzten Satz aus dem Kaddisch-Gebet in hebräisch und Deutsch:
„Osseh shalom bimromaw hu ja’asseh shalom aleinu we al kol israel. We’imru Amen“
„Der Frieden stiftet in Seinen Höhen, Er stifte Frieden für uns und für ganz Israel, sprecht Amen“.


Rabbiner Netanel Teitelbaum anlässlich des Besuches von Papst Benedikt XVI.
Zuletzt geändert von beth am Mittwoch 24. August 2005, 18:49, insgesamt 1-mal geändert.

beth
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Beitrag von beth »

Drittens, die vollständige kompetente und bewegende Rede Papst Benedikt XVI.

„Gnade und Berufung sind unwiderruflich“
Papst Benedikt XVI. bewegte bei seinem Besuch in der Synagoge alle Herzen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Brüder und Schwestern!
Schalom alechem!
Es war mir ein tiefes Anliegen, anlässlich meines ersten Besuches in Deutschland nach der Wahl zum Nachfolger Petri der jüdischen Gemeinde von Köln und den Vertretern des deutschen Judentums zu begegnen. Mit diesem Besuch möchte ich an das Ereignis des 17. Novembers 1980 anknüpfen, als mein verehrter Vorgänger, Papst Johannes Paul II., auf seiner ersten Deutschland-Reise in Mainz dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Rabbinerkonferenz begegnete. Auch bei dieser Gelegenheit möchte ich versichern, dass ich beabsichtige, den Weg der Verbesserung der Beziehungen und der Freundschaft mit dem jüdischen Volk, auf dem Papst Johannes Paul II. entscheidende Schritte getan hat, mit voller Kraft weiterzuführen.

Die jüdische Gemeinde von Köln darf sich in dieser Stadt wirklich „zu Hause“ fühlen.
Tatsächlich ist dies der älteste Sitz einer jüdischen Gemeinde auf deutschem Boden: Sie reicht zurück bis in das Köln der Römerzeit. Die Geschichte der Beziehungen zwischen jüdischer und christlicher Gemeinde ist komplex und oft schmerzlich. Es gab Perioden guter Nachbarschaft, doch es gab auch die Vertreibung der Juden aus Köln im Jahr 1424.

Im 20. Jahrhundert hat dann in der dunkelsten Zeit deutscher und europäischer Geschichte eine wahnwitzige neuheidnische Rassenideologie zu dem staatlich geplanten und systematisch ins Werk gesetzten Versuch der Auslöschung des europäischen Judentums geführt, zu dem, was als die Shoa in die Geschichte eingegangen ist. Diesem unerhörten und bis dahin auch unvorstellbaren Verbrechen sind allein in Köln 11.000 Juden namentlich bekannt, in Wirklichkeit sicher mehr Juden zum Opfer gefallen. Weil man die Heiligkeit Gottes nicht mehr anerkannte, wurde auch die Heiligkeit menschlichen Lebens mit Füßen getreten.

In diesem Jahr gedenken wir des 60. Jahrestags der Befreiung aus den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, in deren Gaskammern Millionen von Juden - Männer, Frauen und Kinder -umgebracht und in den Krematorien verbrannt worden sind. Ich mache mir zu eigen, was mein verehrter Vorgänger zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz geschrieben hat und sage ebenfalls: „Ich neige mein Haupt vor all denen, die diese Manifestation des mysterium iniquitatis erfahren haben.“ Die fürchterlichen Geschehnisse von damals müssen unablässig die Gewissen wecken, Konflikte beenden and zum Frieden ermahnen“. Gemeinsam müssen wir uns auf Gott und seinen weisen Plan für die von ihm erschaffene Welt besinnen: Er ist - wie das Buch der Weisheit mahnt - „ein Freund des Lebens“.

Ebenfalls in diesem Jahr sind es vierzig Jahre her, dass das Zweite Vatikanische Konzil die Erklärung Nostra aetate promulgiert und damit neue Perspektiven in den jüdisch-christlichen Beziehungen eröffnet hat, die durch Dialog und Partnerschaft gekennzeichnet sind. Im vierten Kapitel erinnert diese Erklärung an unsere gemeinsamen Wurzeln und an das äußerst reiche geistliche Erbe, das Juden und Christen miteinander teilen. Sowohl die Juden als auch die Christen erkennen in Abraham ihren Vater im Glauben und berufen sich auf die Lehren Moses und der Propheten. Die Spiritualität der Juden wird wie die der Christen aus den Psalmen gespeist. Mit dem Apostel Paulus sind die Christen überzeugt, dass Gnade und Berufung, die Gott gewährt, unwiderruflich sind. In Anbetracht der jüdischen Wurzeln des Christentums hat mein verehrter Vorgänger in Bestätigung eines Urteils der deutschen Bischöfe gesagt: „Wer Jesus Christus begegnet, begegnet dem Judentum“.
Deshalb beklagt die Konzilserklärung Nostra aetate „alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemand gegen das Judentum gerichtet haben“. Gott hat uns alle als sein Abbild geschaffen und uns dadurch mit einer transzendenten Würde ausgezeichnet. Vor Gott besitzen alle Menschen die gleiche Würde, unabhängig davon, welchem Volk, welcher Kultur oder Religion sie angehören. Aus diesem Grund spricht die Erklärung Nostra aetate auch mit großer Hochachtung von den Muslimen und den Angehörigen anderer Religionen. Aufgrund der allen gemeinsamen Menschenwürde verwirft die Kirche jede Diskriminierung eines Menschen oder jeden Gewaltakt gegen ihn um seiner Rasse oder Farbe, seines Standes oder seiner Religion willen als einen Akt, der im Widersprach zu dem Willen Christi steht. Die Kirche weiß sich verpflichtet, diese Lehre in der Katechese und in jedem Aspekt ihres Lehens an die nachwachsenden Generationen, die selbst nicht mehr Zeugen der schrecklichen Ereignisse vor und während des Zweiten Weltkriegs waren, weiterzugehen. Das ist insofern eine Aufgabe von besonderer Bedeutung, als heute leider erneut Zeichen des Antisemitismus und Formen allgemeiner Fremdenfeindlichkeit auftauchen. Sie sind Grund zur Sorge und zur Wachsamkeit. Die katholische Kirche - das möchte ich auch bei dieser Gelegenheit wieder betonen - tritt ein für Toleranz, Respekt, Freundschaft und Frieden unter allen Völkern, Kulturen und Religionen.

In den vierzig Jahren seit der Erklärung Nostra aetate ist in Deutschland und auf internationaler Ebene Vieles zur Verbesserung und Vertiefung des Verhältnisses zwischen Juden und Christen getan worden. Neben den offiziellen Beziehungen sind besonders dank der Zusammenarbeit unter den Bibelwissenschaftlern viele Freundschaften entstanden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die verschiedenen Erklärungen der Deutschen Bischofskonferenz und an die segensreiche Tätigkeit der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die dazu beigetragen hat, dass sich die jüdische Gemeinde seit 1945 hier in Köln wieder zu Hause fühlen kann und zu einem guten nachbarschaftlichen Zusammenleben mit den christlichen Gemeinden gefunden hat.

Vieles bleibt freilich noch zu tun. Wir müssen uns noch viel mehr und viel besser gegenseitig kennen lernen. Deshalb ermutige ich zu einem aufrichtigen und vertrauensvollen Dialog zwischen Juden und Christen. Nur so wird es möglich sein, zu einer beiderseits akzeptierten Interpretation noch strittiger historischer Fragen zu gelangen und vor allem Fortschritte in der theologischen Einschätzung der Beziehung zwischen Judentum und Christentum zu machen. In diesem Dialog kann es ehrlicherweise nicht darum gehen, die bestehenden Unterschiede zu übergehen oder zu verharmlosen: Auch und gerade in dem, was uns aufgrund unserer tiefsten Glaubensüberzeugung voneinander unterscheidet, müssen wir uns gegenseitig respektieren und lieben.

Schließlich sollte unser Blick nicht nur zurück in die Geschichte gehen, er sollte ebenso vorwärts auf die heutigen und morgigen Aufgaben gerichtet sein. Unser reiches gemeinsames Erbe und unsere an wachsendem Vertrauen orientierten geschwisterlichen Beziehungen verpflichten uns, gemeinsam ein noch einhelligeres Zeugnis zu geben und praktisch zusammenzuarbeiten in der Verteidigung und Förderung der Menschenrechte und der Heiligkeit des menschlichen Lebens, für die Werte der Familie, für soziale Gerechtigkeit und für den Frieden in der Welt. Der Dekalog ist für uns gemeinsames Erbe und gemeinsame Verpflichtung, Die Zehn Gebote sind nicht Last, sondern Wegweiser zu einem geglückten Leben. Sie sind es besonders für die Jugendlichen, die ich in diesen Tagen treffe und die mir so sehr am Herzen liegen. Ich wünsche mir, dass sie den Dekalog als die Leuchte für ihre Schritte und als Licht für ihre Pfade erkennen, wie es im Psalm 119 heißt. Die Erwachsenen tragen die Verantwortung, den jungen Menschen die Fackel der Hoffnung weiterzureichen, die Juden wie Christen von Gott geschenkt worden ist, damit die Mächte des Bösen nie wieder die Herrschaft erlangen und die künftigen Generationen mit Gottes Hilfe eine gerechtere und friedvollere Welt errichten können, in der alle Menschen das gleiche Burgerrecht besitzen.

Ich schließe mit den Worten aus Psalm 29, die ein Glückwunsch und zugleich ein Gebet sind: „Der Herr gebe Kraft seinem Volk. Der Herr segne sein Volk mit Frieden.“

Möge er uns erhören!


Papst Benedikt XVI. in der Synagoge zu Köln, am 19. August 2005
Zuletzt geändert von beth am Mittwoch 24. August 2005, 19:30, insgesamt 2-mal geändert.

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Angelika
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Beitrag von Angelika »

Hallo beth,

bitte beachte die Regeln zu Zitation und Urheberrecht und editiere deine drei Postings entsprechend.

Gruß
Angelika (als Moderatorin)

beth
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Beitrag von beth »

Die drei Reden sind Abschriften nach den über das öffentliche TV übertragenen Begegnung in der Synagoge in Köln, am 19. August 2005.

beth
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Beitrag von beth »

Die Krise Vatika-Israel beendet.
Zuletzt geändert von beth am Freitag 26. August 2005, 22:10, insgesamt 2-mal geändert.

beth
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Beitrag von beth »

Aus der Rückschau des Papstes zum WJT:

. . . Eine weitere wichtige Etappe beim Papstbesuch in Köln war die Visite in der Synagoge. „Gemeinsam mit den jüdischen Brüdern habe ich der Shoah und des 60. Jahrestags der Befreiung der Konzentrationslager gedacht.“
Vierzig Jahre nach der Konzilserklärung „Nostra aetate“ lebe die Kirche heute in einer neuen Epoche des Dialogs und der Solidarität mit den Juden. „Nostra aetate“ habe auch zu mehr Achtung vor anderen Religionen geführt. „Darunter kommt dem Islam ein besonderer Platz zu, deren Anhänger den einzigen Gott verehren und sich gern auf den Patriarchen Abraham zurückführen.“
Deshalb habe er sich in Köln auch mit islamischen Vertretern getroffen und sie zur Ausrottung von Fanatismus und Gewalt aufgefordert.


Radio Vatikan 24/08/2005 13.23.4

beth
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Beitrag von beth »

Europäisch Jüdischer Kongress würdigt Papstbesuch in Synagoge

… hat den Besuch von Papst Benedikt XVI. in der Kölner Synagoge anlässlich des Weltjugendtages ausdrücklich begrüßt. In einer Presseerklärung zum jüngsten Köln-Besuch Benedikts XVI. würdigte der EJC "die bedeutsame Geste" des deutschen Papstes kurz nach Beginn seines Pontifikats. Der Papst habe bewiesen, dass er die starken Bemühungen seines Vorgängers für die jüdisch-katholischen Beziehungen fortsetzen wolle.
(kp 23.08.05 bg)

* * *

Sharon lädt Sodano nach Israel ein

Premierminister Ariel Sharon hat den vatikanischen Staatssekretär Angelo Sodano zu einem offiziellen Besuch nach Israel eingeladen. Das sagte Israles Botschafter am Heiligen Stuhl, Oded Ben hur, am Rande des Rimini-Meetings der Vereinigung "Comunione e liberazione". Der Diplomat hat darüber hinaus auch das offizielle Ende der Verstimmungen zwischen Heiligen Stuhl und Israel bestätigt.
(adnkronos 27.08.05 gs)

beth
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Beitrag von beth »

Kardinal Kasper lobt christlich-jüdischen Dialog
Lyon (DT/KNA) Der vor vierzig Jahren vom Zweiten Vatikanischen Konzil eingeleitete christlich-jüdische Dialog ist nach Worten des deutschen Kurienkardinals Walter Kasper „der wohl fruchtbarste und weit reichendste aller Dialoge, die wir seither führen". Er sei „geradezu das Muster und das Vorbild aller anderen Dialoge", sagte der vatikanische „Ökumene-Minister" am Dienstag bei dem interreligiösen Weltfriedenstreffen in Lyon. Zugleich mahnte Kasper, bei allen Dialog- und Friedensbemühungen die christliche Identität nicht aufzugeben oder zu relativieren. „Wir erwarten eine solche Selbstaufgabe auch nicht von unseren Dialogpartnern, und wir dürfen dies auch gar nicht von ihnen erwarten".
DT/15. Sept. 2005/Nr. 110

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Papst Benedikt XVI. hat den jüdischen Rabbiner David Rosen zum Ritter des Gregoriusordens ernannt. Damit ehre das Kirchenoberhaupt Rosens Beitrag zur Versöhnung zwischen Christen und Juden, berichtete gestern die israelische Botschaft in Berlin. Rosen ist demnach der erste orthodoxe Rabbiner, der diesen päpstlichen Ritterorden erhalte. Bis heute sei ein ähnlicher Titel nur an sechs Juden in der ganzen Welt gegangen. Der 54-jährige Rosen ist Präsident des Internationalen Jüdischen Komitees für interreligiöse Gespräche (IJCIC). Der Rabbiner ist zudem Mitglied der Delegation des israelischen Oberrabbinats beim Heiligen Stuhl. (rv)
http://www.vaticanradio.org/tedesco/newsted.htm
Können auch Katholiken Ritter werden?

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Pit
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Beitrag von Pit »

Hallo Knecht Ruprecht,

ja, auch Katholiken können den Gregoriusorden verliehen bekommen, selbsredend. Das ist auch schon mehr als einmal vorgekommen - schau mal bei wikipedia unter dem Stichwort Gregoriusorden nach. ;-)
Aber meines Wissens nach ist der Ordensempfang nicht auf Katholiken beschränkt, also darf er auch z.B. ein einen Juden verliehen werden.

Gruß, Pit
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ad-fontes
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Re:

Beitrag von ad-fontes »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Auszunehmen ist nur der Militärbischof Franz Justus Rarkowski, auch wenn man ihm zugutehalten mag, das alles andere als seine deutschnationale Rhetorik die katholische Militärseelsorge ganz in Frage gestellt hätte.
Artikel 27 des "Reichskonkordats" bestimmt:
Der Deutschen Reichswehr wird für die zu ihr gehörenden katholischen Offizieren, Beamten und Mannschaften sowie deren Familien eine exempte Seelsorge zugestanden.
Gab es davor einen oberhirtlichen Militärseelsorger, einen sog. "Militärbischof"?
Waren die katholischen Angehörigen der Reichswehr auch schon im "Kaiserreich" vom Pfarrzwang befreit?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Re:

Beitrag von ad-fontes »

:hae?:
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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