Einsamkeit - geistlicher Notfall

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Edith
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Einsamkeit - geistlicher Notfall

Beitrag von Edith »

Hatte da neulich einen Menschen da,... der sich ausweinte. Plötzlich (anlässlich einer Beerdigung) wurde dem Menschen klar, daß er allein sein würde, wenn die Mutter stirbt. Keine Geschwister, keine wirklichen Freunde, keine Kinder, keinen Partner.
Und dann kam der Weinkrampf.

Dieser Mensch sucht zwar nach Gott... und befindet sich sogar in einer kirchlichen Mediationsgruppe - erzählt mir aber Dinge wie "Meditation auf das 3. Auge" und so (???).... ein persönlicher Gott ist dem Menschen nicht vorstellbar, daher bin ich sehr unsicher, was ich sagen/raten soll.

Hat da jemand von Euch Erfahrung ?

Meine These ist, daß der Mensch erst mal lernen muß, mit sich selber allein zu sein und sich auszuhalten. Ich rate ab von einer Flucht ins Klammern an einen Menschen. Oder an sonst eine Ersatzbefriedigung.

Ich persönlich kenne da nur das Sich-Verankern in Gott - aber wie bringe ich einen Menschen dahin, der mit Gott so seine Probleme hat? Der aber auch bemerkt, daß ich offensichtlich "voll die Ruhe weg habe", weil ich so verankert bin, und mich de sehr beneidet drum.

Ideen?

Ratlos,
Edith

Steffi
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Beitrag von Steffi »

Liebe Edith,

hm, ich würde sage, einfach da sein, zuhören und das leben und bezeugen, was Dich trägt - dazu sicher noch beten und vertrauen!-
klingt wohl alles sehr einfach und ich weiß, wie hilflos man manches mal ist, wenn da jemand verzweifelt ist und man nicht recht helfen kann. Mir fällt immer wieder auf, das menschlicher Trost eben nur bis zu einem gewissen Punkt reicht, im letzten kann aber wohl nur mein Hinweisen auf und Leben aus Christus wirklich helfen, Heilung bringen. Es war erst vor kurzem im Sonntagsevangelium glaube ich, die Erzählung von Bartimäus -ich hoffe peinlicherweise ich verwechsele grad nichts- der ruft, und Jesus um seine Hilfe, sein Erbarmen bittet. Dann, als Jesus ihn ruft, zögert er wohl und die Umstehenden sprechen ihm Mut zu mit den Worten:
Steh auf, hab Mut, er ruft dich!
Der Satz ging mir durch und durch, ich dachte sagen wir, sage ich das den Menschen? Und muss ich nicht das und gerade das immer wieder jedem Verzweifelten aus ganzem Herzen sagen können? Steh auf, hab Mut, er ruft dich!
Der eigentliche Trost den wir geben können, der riesen Mut den wir zusprechen können, kommt eben von Ihm, von Christus. Mag das gegenüber das nicht immer glauben können, dann ist es um so wichtiger, dass Du es glaubst - glaubhaft machst eben durch Deine Worte, Dein Leben, Dein Da-Sein

lieben Gruß Steffi

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

Hallo Edith

Zuhören ist sehr wichtig.
Doch das Alleinsein mit sich selber ist fast noch wichtiger,das aushalten seiner selbst,ohne TV,Radio,ohne CD,PC,Internet ist noch wichtiger.
Denn das ist ein großes Problem in unsere heutigen Gesellschaft.Wer kann schon allein sein,Einsamkeit ertragen aushalten.
Kaum einer.Jeder will Zuwendung um jeden Preis.Ob man sich deswegen verbiegen muß,was man heute so schön unter den Begriffen Anpassung und Unterordnung versteckt,ist jedem persönlich überlassen.Von daher ist Alleinsein manchmal wesentlich angenehmer,als sich zum Sklavern seiner
Mitmenschen zu machen.Nur um Zuwendung,Liebe,Geborgenheit oder was auch immer zu bekommen.

Doch Zuhören ist nicht Alles.Man muß einem Menschen auch glauben,sonst hat nichts einen Sinn.


Gruß,
Elisabeth

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otto
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Beitrag von otto »

Hallo Elisabeth

Im Prinzip geht deine Intuition schon in die richtige Richtung.

Es fällt auf das die "Spaßgesellschaft" ein Problem mit dem „Allein“ sein hat, aber „Allein“ sein kann man aus meiner Sicht nicht mit "Einsam" sein gleich setzen.

"Einsame" Menschen sind immer "Allein" und das kann nicht gut sein.
Das „Einsam“ sein kann auch nicht gelernt werden, es sollten doch Wege gefunden werden, das gerade ältere Menschen aber auch jüngere nicht in ihrer "Einsamkeit" alleine sind.

Gruß Otto
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

@OTTO

Doch einsam sein kann man schon lernen.Wenn man es gezwungenermaßen in jungern Jahren lernen mußte,dann gewöhnt man sich dran,die Menschen werden einem sehr schwer erträglich,man mag nicht mehr so viel unter Menschen sein.Man wird gezwungener maßen zum Eremit.Man kann damit zurecht kommen und sich darangewöhnen.
Das ist immer noch besser,als sich den Zwängen des gewöhnlichen Alltags auszuliefern.

Gruß,
Elisabeth

Edith
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Beitrag von Edith »

man kann auch einsam sein, inmitten vieler Menschen.
"Freunde" sind nicht immer wirklich Freunde.

Sich selber aushalten lernen, ok.
Und danach?

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

@Edith
Sich eine Beschäftigung,Hobby suchen,das man auch ohne andere ausüben kann.Wo man auf Menschen nicht angewiesen ist.
Am besten etwas,wo man ohne Internet auskommt.

Künstlerisches,Werkeln,lesen.Was einem halt Spass bereitet.

Gruß,
Elisabeth

Edith
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Beitrag von Edith »

Fichtel-Wichtel hat geschrieben:@Edith
Sich eine Beschäftigung,Hobby suchen,das man auch ohne andere ausüben kann.
Elisabeth
Also Beschäftigungstherapie, Verdrängung? :/

Meine These wäre eher: eine echte Beziehung mit Gott leben.

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otto
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Beitrag von otto »

Edith hat geschrieben:
Fichtel-Wichtel hat geschrieben:@Edith
Sich eine Beschäftigung,Hobby suchen,das man auch ohne andere ausüben kann.
Elisabeth
Also Beschäftigungstherapie, Verdrängung? :/

Meine These wäre eher: eine echte Beziehung mit Gott leben.
Oder vielleicht sollten wir, doch niemand vergessen oder ausschließen?

Die Vereinzelung wird uns in der Zukunft noch hart treffen, wer sorgt für die ganzen Singles, wenn sie alt und gebrechlich werden.
(Auch wenn so mancher meint er/sie haben die ewige Jugend)

Gruß otto
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

Edith
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Beitrag von Edith »

Natürlich sollten wir niemanden vergessen oder ausschließen. Aber ich rede davon, was dieser Mensch in sich selber erst mal auf die reihe bekommen muß - natürlich will ich dabei helfen, drum frag ich ja.

Ich dachte, hier gäbe es evtl einige Seelsorger, geistl. begleiter, die hier erfahrener sind als ich - obgleich mir klar ist, daß sowas im Internet sehr schwer zu besprechen ist....... ich benutze es ja auch lediglich als Hilfestellung für ein persönliches Gespräch mit der Person, das demnächst sein wird.


Benebei gesagt.... Euer Gebet wäre mir lieb 8)

Ralf

Beitrag von Ralf »

Edith, vielleicht kannst Du diesem Menschen das Jesusgebet nahebringen, das man unkompliziert überall und jederzeit ganz einfach beten kann. Auch wenn dieser Mensch sich bis dato Gott nicht als personales DU vorstellen kann, das muss ja nicht unabänderlich sein.
Das Jesusgebet ist in seiner strukturellen Einfachheit ein sehr bewährter Weg, Halt, Stärke und Beziehung von und zu Ihm zu finden.

Jojo
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Beitrag von Jojo »

Hans Conrad Zander hat mal in einem Aufsatz "So ist das mit der Einsamkeit" (in: Im Anfang war das Krokodil, Fünfzehn Reportagen mit Sinn. Patmos - leider vergriffen) das Lob der Einsamkeit als religiösen und literarischen Schwindel entlarvt.

Einem Mensch, der einsam ist, hilft der Rat, sich mit der Einsamkeit abzufinden, wenig, weil es das denkbar Ungünstigste ist, um aus der Krise herauszukommen. Und wer keinen Bezug zu einem personalem Gott im Gebet hat, dem hilft das auch nicht weiter.
Die einzige Frage, die in einer solchen Situation wichtig ist, lautet: Wie komme ich aus meiner Einsamkeit wieder heraus?
Womit natürlich nicht ein sinnloses Stürzen ins Getümmel gemeint ist.

"Je größer die Menschenmasse um ihn herum, desto trostloser erfährt der Einsame selbst die Objektlosigkeit seines Bedürfnisses nach Freundschaft und Liebe. Umgekehrt fühlt sich, wer einen Freund hat, auch dann nicht einsam, wenn er allein ist. Das Wissen, daß der Freund auf jeden Fall zu mir stehen wird, wenn ich ihn brauche, genügt". Den englischen Begriff 'attachment' kann man als Gegenbegriff zur Einsamkeit sehen, der "Freundschaft und Liebe einschließt, jedoch nicht unbedingt Sexualität. In zahllosen Fällen..halten Menschen ohne Sexualität in tiefer Freundschaft zusammen"

Edith
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Beitrag von Edith »

Ralf hat geschrieben:Edith, vielleicht kannst Du diesem Menschen das Jesusgebet nahebringen,
hm... und wenn dieser Mensch mit Jesus nicht nur nichts anfangen kann,...? ich bin nicht sicher, ob der Mensch sich darauf einlässt. Aber ich kanns ja mal ansprechen.

Jojo
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Beitrag von Jojo »

Alles schön und gut, nur löst das das Problem nicht.
Plötzlich (anlässlich einer Beerdigung) wurde dem Menschen klar, daß er allein sein würde, wenn die Mutter stirbt. Keine Geschwister, keine wirklichen Freunde, keine Kinder, keinen Partner.
Und dann kam der Weinkrampf.
Das ist das schlimme an frommen Menschen, dass sie immer gleich mit der religiösen Keule kommen. Glaub an Gott und alles ist gut.
Aber so einfach ist es nicht. Vergessen wird dabei, dass eine gesunde Gottesbeziehung nur auf dem Boden einer gesunden Menschenbeziehung wachsen kann.

Gehört man nicht gerade zu der Handvoll Menschen auf dem Globus, die zum Kartäuserleben berufen sind, braucht jeder dieses Einbezogensein in menschliche Geflechte. Glaube gibt es nicht ohne andere Menschen, ebensowenig wie Liebe.
Diesem Mensch fehlt dieses Eingeflochtensein und das ist das Problem!

Mit sich allein sein können, eine gute Gottesbeziehung pflegen, alles erstrebenswerte Eigenschaften. Aber das ist der zweite Schritt, nicht der erste.

Das Glaube nur "mit Beziehung" geht, machen uns alle klassischen großen Glaubensgestalten vor. Antonius der Einsiedler saß nicht allein in der Wüste. Man schätzt die Zahl seiner Jünger auf einige Tausend. Der große deutsche Einsamkeitsmystiker Eckhardt war der Lieblingspater in allen rheinischen Frauenklöstern. Benedikt, Franziskus, Dominikus, Ignatius, sie alle veranstalten Glauben nicht als Privatprojekt, sondern als Gemeinschaftsprojekt. Zusammen mit Gefährten, Freunden, Vertrauten!

Petra
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Beitrag von Petra »

@Jojo

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Übrigens, das letzte was man in solchen Gesprächen machen sollte ist lediglich zu sagen: "ich werde für Sie beten" oder "beten Sie zu ...".
Es ist sehr oft so, dass es bei Todesfällen im Familien- oder Bekanntenkreis zu solchen Tiefs kommt. Da hilft meistens am besten, wenn jemand sich bereit erklärt einfach nur zuzuhören und und während dieser schweren Wegstrecke mitzugehen.
@Edith, sicherlich beten hier einige für euch zwei. :)

Edith
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Beitrag von Edith »

Danke (fürs Gebet :P ).

Damit ich nicht falsch verstanden werde: ich wollte hier nicht sagen, daß man sich mit fehlender Einbezogenheit in "soziale Kontakte" abfinden soll und sich ins Religiöse verkriecht!! So funktioniert Gottesbeziehung ja auch nicht, schon klar.

Natürlich gehört das zusammen.
Ich bin nur eben der Meinung, daß es ZUSAMMEN gehört. Meist wird jemand der so einen Notstand hat irgendwo eingebunden, irgendwie beschäftigt, abgelenkt (kirchliche Häkelgruppe, oder so :/ ) aber die eigentliche Wunde oder Sehnsucht im Herzen wird nicht angesprochen.

Das eine tun, das andere nicht lassen.
Gesellschaftliche Einbindung in irgendwas ist viel leichter "machbar" und leichter zu raten, als das andere.

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umusungu
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Beitrag von umusungu »

otto hat geschrieben:"Einsame" Menschen sind immer "Allein" und das kann nicht gut sein.
Das „Einsam“ sein kann auch nicht gelernt werden, es sollten doch Wege gefunden werden, das gerade ältere Menschen aber auch jüngere nicht in ihrer "Einsamkeit" alleine sind.
Da muss ich Dir aber widersprechen. "Alleinsein" heißt, ich bin "allein" in der Wohung, ich gehe "allein" durch die Fußgängerzone etc.
"Einsame" Menschen müssen überhaupt nicht allein sein. Sie können "einsam" sein bei einem großen Fest, im Büro, mitten zwischen vielen Menschen.
"Einsam" heißt: ich habe keinen Vertrauten ... ich habe niemanden, mit dem ich vertrauensvoll reden kann ..... niemanden, an den ich mich wenden kann, wenn ich ein wirkliches Gespräch brauche .... niemanden der mich eigentlich kennt, meine Wünsche, meine Bedürfnisse, meine Freuden und Leiden.
Es gibt leider viele "Einsame" in einer Ehe, viele "Einsame", obwohl sie Party-Löwen sind.
Alleinsein kann zur Einsamkeit führen, muss aber nicht.
"Einsamsein" ist keine christliche Tugend ........ "Alleinsein können" ist oftmals angeraten, um auf sich zu hören, auf Gott zu horchen .... Alleinsein kann sehr ausgefüllt sein ... Einsamkeit ist unmenschlich und kann tödlich sein.

Edith
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Beitrag von Edith »

umusungu hat geschrieben:
"Einsame" Menschen müssen überhaupt nicht allein sein. Sie können "einsam" sein bei einem großen Fest, im Büro, mitten zwischen vielen Menschen.
.... Es gibt leider viele "Einsame" in einer Ehe, viele "Einsame", obwohl sie Party-Löwen sind.
Alleinsein kann zur Einsamkeit führen, muss aber nicht.
"Einsamsein" ist keine christliche Tugend ........ "Alleinsein können" ist oftmals angeraten, um auf sich zu hören, auf Gott zu horchen .... Alleinsein kann sehr ausgefüllt sein ... Einsamkeit ist unmenschlich und kann tödlich sein.
Ein wahres Wort Umusungu....
im vorliegenden "Notfall" von dem dieser Thread ausging trifft zwar beides zu (Allein und Einsam) und verstärkt sich natürlich gegenseitig, das eigentliche Problem ist aber sicherlich der Eindruck der Person, nirgends zugehörig, nirgends angenommen zu sein.

Ein subjektiver Eindruck!

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