Provokative Bilder

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Petra
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Beitrag von Petra »

Sr. Franziska OP hat geschrieben:Die eigentliche Frage ist hier doch: Hat ein Künstler das Recht, sich auf seine eigene Art mit Jesus Christus auseinanderzusetzen? Besonders wenn diese seine Art (zumindest auf den ersten Blick) nicht gerade "fromm" wirkt. Dieser Frage gehe ich (allerdings mit Blick auf die Literatur) für meine Diplomarbeit nach.

[schild=10 fontcolor=A52A2A shadowcolor=C0C0C0 shieldshadow=1]Was ist Kunst?[/schild]
Interessante Frage. Habe sie mal ge-upt, damit's nicht untergeht.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Sr. Franziska OP hat geschrieben:Hat ein Künstler das Recht, sich auf seine eigene Art mit Jesus Christus auseinanderzusetzen?
Ja.

uli
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Beitrag von uli »

Ich selbst gehöre zu einer Kölner Gemeinde (Jesuitenemeinde/Kunststation St. Peter), in der versucht wird, einen Dialog zwischen Kirche und moderner Kunst zu ermöglichen. Hier ein Ausschnitt aus „DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT“ vom 14. April 2000:
Geheimnisse auf der Leinwand – Der Kölner Pfarrer und Jesuit Friedhelm Mennekes bringt moderne Kunstwerke in die Gemeinden und zeigt: Kirche und Kunst gehören zusammen
Nichts Menschliches ist ihnen fremd, den Künstlern von heute - auch nicht Glaubenszweifel, Ekstasen, Brüche im Leben. Selbst wenn sie nicht »fromm« sind, gehören sie in die Kirche. Warum?
Ein fahles Blatt im bunten Urwald. Zwischen Ankündigungen schräger Vernissagen, schrillen Fotos und seltsamen Skulpturen hängt ein blass kopierter Zettel: "Seminar Pater Mennekes, Raum 205". Ein Pfeil weist die Richtung, über den Hof, die Betontreppe hinunter, zweimal rechts. Dort folgen Studenten aufmerksam den Ausführungen des Dozenten.
Vorgestern noch war Mennekes nicht in Braunschweig an der Hochschule für bildende Künste, sondern in Köln bei seiner Gemeinde Sankt Peter. Mehrere Messen an einem Tag, Christi Blut im glänzenden Kelch: „Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes ...“
An vorgestern erinnert wenig. Francis Bacon war kein religiöser Maler, und der Jesuit am Katheder versucht auch nicht, einen aus ihm zu machen. Mennekes zeigt Dias von seltsamen Wesen, die schreien oder die Arme zu einem Kreuz emporrecken. Manche tragen sogar den Titel „Kreuzigung“. „Aber niemals“, sagt Mennekes und hebt warnend den Finger, „niemals wollte Bacon seine Werke religiös verstanden wissen. Es ging um die Gewalt, nicht um Christus.“
Mennekes wechselt die Fronten fast täglich, um neue Verbindungen zwischen moderner Kunst und Religion zu knüpfen. Dabei begegnet er immer wieder fast unüberwindlichem Misstrauen, auf beiden Seiten. Viele Künstler sehen in der Kirche nur eine verstaubte und dogmatische Institution, und die Kirche wittert häufig hinter zeitgenössischer Kunst eine Selbstverliebtheit und Verdorbenheit der Moderne.
Dabei ist für Mennekes offensichtlich, wie viele Künstler fasziniert vor der Religion stehen oder sogar um Glauben ringen. „Da entfaltet sich eine Mystik, die verschlägt Ihnen die Sprache. Ein ungehobener Schatz.“ Dem Pater wird es zu warm, er zieht das Sakko aus und zählt fast atemlos religiös interessierte Künstler auf: früher Nolde, Corinth, heute Arnulf Rainer, Georg Baselitz, Rosemarie Trockel, Antonio Tàpies, Eduardo Chillida.
Die meisten dieser Künstler sehen sich nicht als Christen, aber sie versuchen, in ihren Werken etwas Unaussprechliches, ein Geheimnis zu berühren. Das war für Mennekes Grund genug, seine Gemeinde Sankt Peter zu einer Kunststation zu machen, Ausstellungen in der Kirche zu organisieren und Ateliers für junge Künstler einzurichten. ... Es sei immer dasselbe, sagt er und sieht dabei aus, als habe er einen Löffel voll Essig auf der Zunge. Die Pfarrer vereinnahmten die Kunst, versuchten sie, wo immer es geht, ans Gängelband der Kirchenlehre zu nehmen: Kunst als Illustration des theologischen Wortes.
Mennekes machte es von Anfang an anders, und das brachte ihm Kritik von den unterschiedlichsten Seiten ein. Die einen bemängelten, die ausgestellten Werke hätten nichts mit dem Glauben zu tun, die anderen sagten, er wolle sich mit der Kunst nur schmücken und seine Kirche füllen.
Wenig Probleme hatte Mennekes dagegen mit seinen Vorgesetzten, den Kirchenoberen. Der konservative Kölner Kardinal Joachim Meisner etwa hat ihm nie Steine in den Weg gelegt, sondern kommt sogar zu Ausstellungseröffnungen oder schreibt Vorworte zu Veröffentlichungen. Und Kurienkardinal Joseph Ratzinger teilt Mennekes´ Ansicht, dass auch Zweifel zu einem lebendigen Glauben gehören. Die Kirchenoberen halten Mennekes vielleicht für einen verrückten, originellen Kopf, aber sie sind sich offenbar sicher, dass er im Sinne der Kirche handelt. ... Auch an der Kunstakademie in Braunschweig staunte er über die Studenten in seinem Seminar über Beuys. Er wollte über dessen Performance „Manresa“ sprechen, da hörte er: "Nein, Pater, jetzt hören Sie mal auf. Nun sprechen Sie mal über die Spiritualität des Ignatius von Loyola, über sein Gottesbild.“ Solche Erlebnisse ermutigen ihn, weiter als Friedensvermittler zwischen den Fronten zu arbeiten."


Hier noch ein Link zu einem „protestantischen“ Statement im Zusammenhang Kirche-Kunst:
www.amertin.de/aufsatz/autonom.htm

Als Nachtrag füge ich noch einen weiteren Link an, ein interessantes Statement aus mennonitischen Kreisen an (die Mennoniten sind eine aus der reformatorischen Täuferbewegung hervorgegangene Freikirche); hier wird auch auf den Vorwurf der "Blasphemie" eingegangen:
http://www.jungegemeinde.de/texte/jgakt401.htm

Uli

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Jojo
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Beitrag von Jojo »

Dazu muss man vielleicht noch anmerken, dass der Mennekes schon ein recht schräges Original ist. :mrgreen: Hat aber einiges auf dem Kasten.

uli
Beiträge: 299
Registriert: Mittwoch 19. Mai 2004, 23:23

Beitrag von uli »

Sr. Franziska OP hat geschrieben:Die eigentliche Frage ist hier doch: Hat ein Künstler das Recht, sich auf seine eigene Art mit Jesus Christus auseinanderzusetzen?
Na logo hat er das – die Frage ist insofern rein rhetorisch, weil es gar keine andere Antwort als „Ja, klar!“ geben kann. So klar, wie jeder Mensch das Recht hat, zu atmen. Allerdings: Im letzteren Fall gilt das ohne Wenn und Aber; im ersten Fall hingegen gilt da, wo das persönlich-private künstlerische Sich-Auseinandersetzen „öffentlich“ wird, in Deutschland eine Einschränkung, aufgezeigt durch den § 166 (lief früher unter der Überschrift „Gotteslästerung“) im Strafgesetzbuch:

§ 166 [Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen]
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs.3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs.3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.


Apropos „Gotteslästerung“: Weil Robert den Begriff „Blasphemie“, „Gotteslästerung“, im Zusammenhang mit der Grosz-Zeichnung reingebracht hat: Ich würde da zweierlei unterscheiden:
1.) In Anlehnung an den Katechismus der Katholischen Kirche (KKK), Unterpunkt 2148, würde ich als „eigentliche“ Gotteslästerung (die „schwere Sünde“ der Gotteslästerung) Folgendes bezeichnen: Über einen Gott, an den man selbst glaubt (!), lästernd-fluchend herziehen – in der direkten Ansprache an Gott oder indirekt, ob ohne Worte oder per Worte – bzw. „Ehrfurcht fehlen lassen“ bzw. „Gottes Namen missbrauchen“ (ohne damit freilich zu verbinden, Gott sei dann wie ein Mensch sauer-beleidigt und verletzt - Gott ist Gott und kein Mensch!). Übrigens: Gotteslästerlich ist es laut KKK 2148 auch, den Namen Gottes zu missbrauchen, um verbrecherische Handlungen zu decken, Völker zu versklaven etc. Von daher habe ich ja weiter oben auch angemerkt, dass nicht George Grosz mit seiner Zeichnung gotteslästerlich ist (und es auch gar nicht sein wollte), sondern die Waffen segnende Kirche („Mit Gott in den Krieg!“) gotteslästerlich war im Missbrauch des Namens Gottes. Die Grosz-Zeichnung prangert solches Verhalten korrekt und angemessen drastisch an.
2.) Eine andere, „abgeschwächte“ Form der Gotteslästerung ist Folgendes: Über einen Gott, an den man selbst nicht (!) glaubt, an den aber andere glauben, lästernd vor den anderen herziehen und auf diese Weise die anderen bewusst oder fahrlässig in ihren religiösen Gefühlen verletzen. Ich denke da z. B. an die Kritzelzeichnung eines Kreuzes mit daran befindlichem Esel, mit dem im antiken Rom die frühen Christen getroffen werden sollten. Das Thema ist aber auch heute – wenn ich an manche „Comedians“ denke, die Christus als Volltrottel dargestellen – höchst aktuell. Und weil das so ist, hänge ich – auch wenn´s ein paar längere Ausführungen sind – einige Auszüge aus dem Referat „Gotteslästerung – keine Folgen?“ an, das der Jurist Friedrich v. Westphalen 1997 vor der Vollversammlung des Kölner Diözesanrats gehalten hat:
3.) „Strenggenommen kennt § 166 StGB nicht mehr den Tatbestand der „Gotteslästerung“. Rechtsgut ist nunmehr der Schutz des öffentlichen Friedens in seiner religiösen und weltanschaulichen Ausprägung durch den Toleranzgedanken; geschützt werden sollen Fairneß und Anstand in der religiösen und weltanschaulichen Auseinandersetzung, die als solche durchaus erwünscht ist, aber nicht in der Form friedenstörender Beschimpfungen geführt werden darf.
Angriffsobjekt im Sinn des § 166 StGB ist der Inhalt des Bekenntnisses, d.h. die Zusammenfassung der Werte, an die der einzelne als etwas absolut Gültiges und ihn Verpflichtendes glaubt. Bekenntnis sind demnach die formulierten Grundlehren und Glaubensregeln einer religiösen bzw. weltanschaulichen Gemeinschaft; aber auch die individuellen Glaubensvorstellungen eines einzelnen werden als Inhalt des „Bekenntnisses“ anerkannt. Zum wesentlichen Inhalt eines religiösen Bekenntnisses gehört daher – wie selbstverständlich – das Bekenntnis an den jeweils geglaubten Gott. ... Es ist bei einem Beschimpfen einer Weltanschauung oder eines Bekenntnisses auf das objektive Urteil eines auf religiöse Toleranz bedachten Beurteilers abzustellen. Diese – gedachte – Person muß darüber entscheiden, ob in der Äußerung eine so erhebliche Herabsetzung des Bekenntnisses anderer zu finden ist, daß sie als eine Gefährdung des öffentlichen Friedens gelten kann. ...
Jede Gotteslästerung vollzieht sich im Bereich des Öffentlichen. Denn nur hier ist der öffentliche Friede das von § 166 StGB eingeforderte Schutzgut. Dabei aber kommen zwei ganz wesentliche Gesichtspunkte hinzu: der grundgesetzlich verbürgte Schutz der Meinungsfreiheit und der der Kunstfreiheit.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert jedermann das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen frei zu informieren.
Art. 5 Abs. 2 GG: „Diese Rechte (also: auch das Recht auf Meinungsfreiheit) finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schütze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“
Es findet eine Güterabwägung zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und dem von dem jeweils einschränkenden Gesetz geschützten Rechtsgut statt Also der Schutz des weltanschaulichen Bekenntnisses, der öffentliche Friede, die Toleranz, aber auch der Grundsatz der Meinungsfreiheit und der dadurch bewirkte und zu bewirkende Schutz der Grundrechte stehen in einem sich gegenseitig bedingenden Verhältnis.
Die verfassungsrechtliche Dimension des mir gestellten Themas wird noch wesentlich komplexer, wenn man bedenkt, daß auch noch das Konkurrenzverhältnis zwischen § 166 StGB einerseits und der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG andererseits im Auge behalten werden muß: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Art. 5 Abs. 3 GG garantiert die Kunstfreiheit als eine umfassende Freiheit, und zwar sowohl für den sog. „Werkbereich“, d.h. die künstlerische Betätigung als solche, sowie für den sog. „Wirkbereich“, d. h. für Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks.
Nimmt man auch in diesem Punkt die Judikatur des höchsten deutschen Gerichts zum Maßstab, so folgt daraus erneut der gleiche Gedanke der notwendigen Güterabwägung, die alle Umstände des Einzelfalls im einzelnen bewerten muß. ... Es gibt verfassungsrechtlich keinen Vorrang zugunsten der durch eine Gotteslästerung im Sinn von § 166 StGB betroffenen Bürger gegenüber dem Meinungsfreiheits- und Kunstfreiheitsrecht des jeweils Handelnden. Konkret und im Rahmen des Tatbestandes formuliert: Auch ein „Beschimpfen“ im Sinn von § 166 StGB kann durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit von Art. 5 Abs. l GG gedeckt sein, so daß es nicht mehr tatbestandsmäßig ist; gleiches gilt erst recht in den Fällen, in denen ein „Beschimpfen“ sich auf die Freiheit der Kunst des An. 5 Abs. 3 GG beruft. Die Kollision im Sinn einer Güterabwägung ist also vorgegeben; sie entspricht auch uneingeschränkt den Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.“


Uli

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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Nun, die Frage nach der Kunst ist aber eine andere Ebene als die die Frage: sollen solche Kunstwerke in Reli-Büchern in der Schule oder im Firmunterricht verwendet und was erhofft man sich davon?

Die erste Frage: darf ein Künstler etc.....ist natürlich mit Ja zu beantworten. Anders kann es auch nicht gehen.

Die zweite Frage ist aber: was erhofft man sich im Unterricht? Provokation? Einsichten? Neue Impulse?

Und da ist halt die Frage, ob dieses Bild, um das es hier geht, beim heutigen Stand noch die Provokation für Schüler darstellt wie es zu meinen Zeiten gewesen ist. Diese Altersgruppe, um die es hier geht, ist bei weitem nicht mehr so engagiert wie vor ein paar Jahrzehnten. Es würde mich wirklich nicht wundern, wenn da nur ein Gähnen käme ... oder nicht mal das.
Um das Bild im gesellschaftlichen und religiösen Kontext zu begreifen, gehört eine gewisse...aufmüpfige Weltsicht unter Jugendlichen.

Die ist weitgehend versumpft. Kommt mir also ein bißchen überholt vor, das ganze.

Geronimo

Jojo
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Beitrag von Jojo »

Geronimo hat geschrieben:Kommt mir also ein bißchen überholt vor, das ganze.

Geronimo
Wahrscheinlich brauchen die Verfasser von Religionsbüchern etwas lange, bis sie das merken.

Petra
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Beitrag von Petra »

Mich wundert euer “ ja, ein Künstler hat das Recht sich auf eigene Art mit Jesus Christus auseinanderzusetzen“ schon sehr. Wenn’s zumindest ein „Leider, ja“ gewesen wäre.

In einem Land, wo man nicht mal behaupten darf, dass sich der Kanzler die Haare färbt, weil das nicht korrekt ist ...... also bezogen auf Herrn Schröder nicht korrekt ist, nicht das Haarfärben generell versteht sich .... also in diesem Land darf man alles über den Herrn von sich geben, aber über Herrn Schröder nur Korrektes? Solange es einem früh genug einfällt, sich als Künstler auszugeben? Habe ich euch da richtig verstanden? :kratz:

Zum Glück denkt da der Gesetzgeber anders.

(Das „noch“ im letzten Satz habe ich mal weggelassen.)

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Geronimo hat geschrieben:Und da ist halt die Frage, ob dieses Bild, um das es hier geht, beim heutigen Stand noch die Provokation für Schüler darstellt wie es zu meinen Zeiten gewesen ist. Diese Altersgruppe, um die es hier geht, ist bei weitem nicht mehr so engagiert wie vor ein paar Jahrzehnten. Es würde mich wirklich nicht wundern, wenn da nur ein Gähnen käme ... oder nicht mal das. Um das Bild im gesellschaftlichen und religiösen Kontext zu begreifen, gehört eine gewisse...aufmüpfige Weltsicht unter Jugendlichen. Die ist weitgehend versumpft. Kommt mir also ein bißchen überholt vor, das ganze.
Soll man denn in dem Falle überhaupt noch irgendwas in ein Religionsbuch tun? Soll man nicht den Religionsunterricht oder den Unterricht überhaupt abschaffen? Die Jugend von heute ist doch nicht mehr engagiert genug...
:kratz:
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

uli
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Beitrag von uli »

Geronimo hat geschrieben:Um das Bild im gesellschaftlichen und religiösen Kontext zu begreifen, gehört eine gewisse...aufmüpfige Weltsicht unter Jugendlichen.
Bist du dir da sicher, Geronimo? Dazu gehört doch nur die Bereitschaft zu einer stinknormalen (und fördernswerten) kritischen bzw. selbstkritischen Welt- bzw. Kirchen-Sicht ... aber doch keine aufmüpfige Weltsicht ... Ich gehe mal davon aus, dass zumindest diese stinknormale kritische Sicht bzw. die Bereitschaft dazu noch vorhanden ist.

Uli

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Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

kritisch zu sein ist doch die einfachste und bequemste Grundhaltung überhaupt. Wer heute kritisch ist, kann sich schön im Strom treiben lassen.

Aufmüpfig wäre es dagegen heute, sich für etwas zu entscheiden, anstatt immer den einfachsten Weg zu wählen, allem kritisch gegenüberstehen - wie alle anderen.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

uli hat geschrieben:
Geronimo hat geschrieben:Um das Bild im gesellschaftlichen und religiösen Kontext zu begreifen, gehört eine gewisse...aufmüpfige Weltsicht unter Jugendlichen.
Bist du dir da sicher, Geronimo? Dazu gehört doch nur die Bereitschaft zu einer stinknormalen (und fördernswerten) kritischen bzw. selbstkritischen Welt- bzw. Kirchen-Sicht ... aber doch keine aufmüpfige Weltsicht ... Ich gehe mal davon aus, dass zumindest diese stinknormale kritische Sicht bzw. die Bereitschaft dazu noch vorhanden ist.

Uli

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Nun, ich gehe da von dem aus, was ich so aus den Gymmasien und aus dem Freundeskreis meiner Kinder mitkriege und da stelle ich fest, dass meine Auffassung von Kritischsein oder Hinterfragen oder einfach pubertärer Aufmüpfigkeit, wie ich sie aus meinen Jugendtagen kenne, weitgehendst nicht mehr vorhanden ist. Die Zeit ist halt anders und die Kinder wachsen in einer ganz anderen Welt auf ...
Deshalb ist es sicher falsch, die eigene Jugendzeit mit der ihr eigenen Kritik und dem ihr eigenen Mißfallen an Gesellschaft und Kirche auf die jetzige Schülergeneration zu übertragen ...

Damit will ich nicht sagen, dass die Jugendlichen heute nichts mehr kritisieren oder keine Einwände mehr gegen dies oder das haben; bloß ist die Stoßrichtung eine andere.

Hinzu kommt, dass die Tabu-Grenze insgesamt gesunken ist; dieses Bild hier ist nur ein kleiner Reiz unter vielen.

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eule
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Beitrag von eule »

Sr. Franziska OP hat geschrieben:Die eigentliche Frage ist hier doch: Hat ein Künstler das Recht, sich auf seine eigene Art mit Jesus Christus auseinanderzusetzen?
Ja - und nicht leider, sondern unbedingt!

Dazu eine Passage aus dem Urteil der 2. Strafkammer des Landgerichts III Berlin vom 4. Dezember 1930, in dem George Grosz vom Vorwurf der Gotteslästerung freigesprochen wurde:

"Wenn das Bild einer falschen Deutung Raum gibt, so beruht diese Wirkung nicht auf künstlerischen Mängeln, zumal die Bildersprache selten oder nie die Eindeutigkeit des Wortes erreichen wird, sondern sie ergibt sich aus der Verschiedenheit der Menschen, die das Bild anschauen. Der eine erlebt den Sinn des Bildes unmittelbar in seinem Herzen, der andere versucht, auf gedanklichem Wege einen Zugang zu gewinnen. Ein jeder kann sich irren [...] Es ist ausgeschlossen, daß ein Schaffender in der Geburtsstunde seines Werkes, da er sich noch ganz seinem Erleben hingibt, nun die unzähligen Möglichkeiten menschlichen Irrens in Betracht zieht [...] Der Künstler sieht sein Werk nicht mit den Augen eines Fremden, er lebt und leidet mit ihm und versteht nicht, wie es Menschen gibt, für die das gleiche Zeichen einen so andersartigen Sinn annimmt."

Verfaßt hat diese Urteilsbegründung Adolf Arndt, ein gläubiger Christ, später Verfolgter des Nationalsozialismus und noch später einer der führenden Köpfe der deutschen Nachkriegsdemokratie.

Den "Christus mit der Gasmaske", von dem ja die Diskussion hier ausgeht, deutet Arndt im Gesamtzusammenhang der Mappe, einer Darstellung der "leidenden Kreatur, wie sie von den überlegenen Kriegshetzern verfolgt und überwältigt wird":

"Immer und immer wieder ist der Sinn der Bilder, der wie ein siebzehnstimmiger Schrei aus allen Zeichnungen gellt: Seht die Gepeinigten, sie wollen es nicht, sie können es nicht, und dennoch werden sie in Qualen und Tod des Krieges hineingestoßen. So ist auch Christus hier ein Dulder. Ein leidender, kein streitender Christus ist ans Kreuz geschlagen."
Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück. (Karl Kraus)

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Dirk hat geschrieben:kritisch zu sein ist doch die einfachste und bequemste Grundhaltung überhaupt. Wer heute kritisch ist, kann sich schön im Strom treiben lassen.
Kritisch sein heisst - von der Etymologie her - das Gute herauswählen. Was soll dan dieser Haltung schlecht sein??
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

ich meinte nicht die Theorie, sondern die Praxis.

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