Simonie

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cantus planus
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Simonie

Beitrag von cantus planus »

Papst Franziskus beklagt einen Tausch von Sakramenten gegen Geld, sprich klare Simonie - zumindest in Italien. http://www.spiegel.de/panorama/gesellsc ... 7784.html

[quote=""SPIEGEL""]"Widerlich" findet Franziskus den Tausch "Sakramente gegen Geld", der in vielen Gemeinden Italiens gängige Praxis ist, auch in Rom. Das sei nicht seine Kirche, sagt der Papst, er wolle eine ganz andere, "eine arme und demütige Kirche". An der will er 215 eifrig weiter bauen.
[/quote]

Ist dieser hanebüchene und illegale Missbrauch tatsächlich so verbreitet, oder ist das ein Übersetzungsmissverständnis? Die Einleitung des Artikels klingt nach Empörungsjournalismus, tatsächlich ist ein Richtwert für eine Spende oder ein Mess-Stipendium ja üblich, ohne zwingend zu sein. Die in diesem Beispiel genannten Richtwerte empfinde ich persönlich schon als relativ hoch. Aber wir kennen wir Umstände nicht:
Für 9 Euro gibt es die Taufe oder, je nach Bedarf, die Sterbesakramente. Pro Trauung verlangt der Pfarrer der Gemeinde Villa di Baggio - einem toskanischen Dorf bei Pistoia - 19 Euro. Damit seine Schäfchen nicht länger verdruckst fragen müssen, was sie ihm für dieses oder jenes Sakrament in die Hand drücken sollen, hat er in seiner Kirche eine Preisliste ausgehängt. "Nur als Richtwert", sagt er, "ohne Verpflichtung". Aber die Gemeinde müsse schließlich begreifen, dass sie die Kirche "unterstützen muss".
Ist Simonie ein grassierendes Ärgernis in der Kirche, oder wird hier - passend zum Fest - ein Fass aufgemacht, dass eigentlich keines ist?
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‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

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taddeo
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Re: Simonie

Beitrag von taddeo »

Überall, wo es keine Kirchensteuer nach deutschem Muster gibt, ist das ein Problem. Der Papst scheint da vor allem auf die Verhältnisse in seiner lateinamerikanischen Heimat oder auch in Italien zu schauen, ohne Rücksicht darauf, daß es zB in Deutschland völlig anders ist. Ich würde das, was da in Italien passiert, auch nicht "Simonie" nennen (es werden ja keine Kirchenämter gekauft), sondern schlicht eine kirchliche Erscheinungsform der dort geläufigen Korruption. Wenn der Papst das "widerlich" findet, hat er absolut recht.

In Italien verdient ein normaler Dorfpfarrer keine 1000 Euro brutto im Monat, davon kann er praktisch nicht leben. Da kann einer leicht auf die Idee kommen, die Stolarien so zu "empfehlen", daß dann die von Dir zitierten Beträge rauskommen. - Kürzlich hat der Papst auch mal wo erzählt, in Argentinien habe ein Anwalt von einem Scheidungswilligen 10.000 Dollar verlangt, dann würde er ihm nicht nur die zivile Scheidung, sondern auch die kanonische Eheannullierung erledigen. Solche Fälle scheint Franziskus da im Hinterkopf zu haben. In Deutschland wäre das völlig undenkbar, eine Annullierung kostet in erster Instanz ca. 200 Euro, in zweiter 100 Euro an reinen Gerichtskosten; dazu kommen allenfalls noch Fremdkosten für Gutachter etc. Hierzulande sind auch die Stolarien für Taufen, Trauungen und Beerdigungen klar geregelt, und daran hält sich ausnahmslos jede Pfarrei, denke ich. Taufen kosten sowieso nichts, das Katholischwerden ist zwar nicht umsonst, aber grundsätzlich gratis.

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Siard
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Re: Simonie

Beitrag von Siard »

Tatsächlich leben wir im deutschen Sprachraum auf einer Insel der Seligen, was Simonie angeht. Ganz in der Nähe sind Stolgebühren für nicht wenige Priester überlebensnotwendig. Der Kauf von Ämtern bzw. besser dotierten Gemeinden mittels Zuwendungen an zuständige Personen ist in manchen Regionen der Welt auch nicht so selten.

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taddeo
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Re: Simonie

Beitrag von taddeo »

Siard hat geschrieben:Tatsächlich leben wir im deutschen Sprachraum auf einer Insel der Seligen, was Simonie angeht.
Zweifellos. Und man muß ganz ehrlich zugeben, daß das in allererster Linie am Kirchensteuersystem in diesen Ländern liegt. Unser kirchlichen Amtsträger sind dadurch so gut bezahlt und die Pfarreien (bei allen Einschränkungen, die man örtlich machen kann) im Grundsatz so gut ausgestattet, daß es niemand nötig hat, durch solch "zweifelhaftes" (bzw. unmoralisches und kriminelles) Verhalten sein Salär aufzubessern, damit es entweder zum Überleben oder für gewisse Annehmlichkeiten ausreicht.

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ar26
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Re: Simonie

Beitrag von ar26 »

Gesegnetes Weihnachtsfest allen werten Nutzern des lateinischen Kulturkreises.

In Polen sind "Stolgebühren" mangels Kirchensteuer o.ä. absolut verbreitet, wobei sie vielerorts tatsächlich eher Richtwerte sind, die zugleich häufig stringent eingehalten werden. Es geht allerdings auch extremer. Ich war vor ca. 9 Jahren in Schlesien auf der Hochzeit einer Schulfreundin meiner Frau. Dort hat der Pfarrer direkt geäußert, er möchte für die Hochzeit soviel wie die Kapelle (auf der Feier) kostet, also ca. € 500.

In eigener Sache habe ich das nicht erlebt, gleichwohl natürlich ordentlich zugewendet. Allerdings kam man mir dort stets liturgisch stark entgegen, so daß das angemessen war.
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

Benedikt

Re: Simonie

Beitrag von Benedikt »

taddeo hat geschrieben:
Siard hat geschrieben:Tatsächlich leben wir im deutschen Sprachraum auf einer Insel der Seligen, was Simonie angeht.
Zweifellos. Und man muß ganz ehrlich zugeben, daß das in allererster Linie am Kirchensteuersystem in diesen Ländern liegt. Unser kirchlichen Amtsträger sind dadurch so gut bezahlt und die Pfarreien (bei allen Einschränkungen, die man örtlich machen kann) im Grundsatz so gut ausgestattet, daß es niemand nötig hat, durch solch "zweifelhaftes" (bzw. unmoralisches und kriminelles) Verhalten sein Salär aufzubessern, damit es entweder zum Überleben oder für gewisse Annehmlichkeiten ausreicht.
Auf der anderen Seite ist das Kirchensteuersystem wiederum ein Verstoß gegen das Simonieverbot.

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Siard
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Re: Simonie

Beitrag von Siard »

Benedikt hat geschrieben:Auf der anderen Seite ist das Kirchensteuersystem wiederum ein Verstoß gegen das Simonieverbot.
Nein, es ist eine Form des Beitrags zum Unterhalt der Kirche, auch wenn es nicht ganz unproblematisch ist. Die extreme Simonie – den Ämterkauf – gibt es dadurch praktisch nicht.
(Wobei die Systeme ja auch noch unterschiedlich sind.)

gc-148
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Re: Simonie

Beitrag von gc-148 »

ar26 hat geschrieben:In eigener Sache habe ich das nicht erlebt, gleichwohl natürlich ordentlich zugewendet. Allerdings kam man mir dort stets liturgisch stark entgegen, so daß das angemessen war.
Mit welcher Summe hast Du Dir welche Liturgie erkauft?

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ar26
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Re: Simonie

Beitrag von ar26 »

@ gc-148
Möge der Friede des Christfestes auch in Dein Herz gelangen. Dann wirst Du meinen Beitrag vielleicht noch einmal genau lesen können. Da steht, daß von mir niemand etwas verlangt hat, ich gleichwohl mehr als usus gegeben habe, nicht zuletzt, weil man meine berechtigten Wünsche stets akzeptiert hat.
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Athanasius0570
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Re: Simonie

Beitrag von Athanasius0570 »

Siard hat geschrieben:
Benedikt hat geschrieben:Auf der anderen Seite ist das Kirchensteuersystem wiederum ein Verstoß gegen das Simonieverbot.
Nein, es ist eine Form des Beitrags zum Unterhalt der Kirche, auch wenn es nicht ganz unproblematisch ist. Die extreme Simonie – den Ämterkauf – gibt es dadurch praktisch nicht.
(Wobei die Systeme ja auch noch unterschiedlich sind.)
Ist der Kirchenbeitrag in Österreich letztlich nicht die Entschädigung oder der Ersatz für den aufgelösten Religionsfond, der von Joseph II. aus den enteigneten Kirchengütern geschaffen worden war?
Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus. (1 Thess 5, 16-18)

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Siard
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Re: Simonie

Beitrag von Siard »

Athanasius0570 hat geschrieben:Ist der Kirchenbeitrag in Österreich letztlich nicht die Entschädigung oder der Ersatz für den aufgelösten Religionsfond, der von Joseph II. aus den enteigneten Kirchengütern geschaffen worden war?
Entschädigung: Nein; Ersatz: Ja.
Das Großdeutsche Reich zog den Religionsfond (und alle staatlichen Leistungen) ein – das Reichskonkordat galt für das ehemalige Österreich ebenso wenig, wie das alte Österreichkonkordat. Zur Kirchenfinanzierung wurde dann der Kirchenbeitrag eingeführt, der aber von den Mitgliedern bezahlt wird. Dies war eine leichte Angleichung an die Zustände im "Altreich", es gab aber weiterhin Unterschiede. Nachdem Österreich frei war, gab es keine Restitution des Religionsfonds, es gibt aber gewisse Ausgleichszahlungen. Die Situation ist aber – auch verfassungsrechtlich – nicht unproblematisch.

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Siard
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Re: Simonie

Beitrag von Siard »

Siard hat geschrieben:
Benedikt hat geschrieben:Auf der anderen Seite ist das Kirchensteuersystem wiederum ein Verstoß gegen das Simonieverbot.
Nein, es ist eine Form des Beitrags zum Unterhalt der Kirche, auch wenn es nicht ganz unproblematisch ist.
Inzwischen neige ich zunehmend dazu Dir recht zu geben, nicht der Theorie, sondern der Praxis im deutschsprachigen Raum wegen.

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Athanasius0570
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Re: Simonie

Beitrag von Athanasius0570 »

Siard hat geschrieben:Nachdem Österreich frei war, gab es keine Restitution des Religionsfonds, es gibt aber gewisse Ausgleichszahlungen. Die Situation ist aber – auch verfassungsrechtlich – nicht unproblematisch.
Unter diesem Aspekt fällt es vielleicht nicht unter Simonie aber unter Korruption: Die Kirche bekommt Geld, damit sie nicht auf die Restitution des Religionsfonds besteht ...
Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus. (1 Thess 5, 16-18)

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Siard
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Re: Simonie

Beitrag von Siard »

Athanasius0570 hat geschrieben:Unter diesem Aspekt fällt es vielleicht nicht unter Simonie aber unter Korruption: Die Kirche bekommt Geld, damit sie nicht auf die Restitution des Religionsfonds besteht ...
Das ist doch etwas weit hergeholt. Wie kommst Du darauf, daß da ein Zusammenhang besteht?
Weiters betrifft das alle anerkannten Religionen, nicht nur die christlichen Konfessionen. "Der Kirche" kann das ganze ziemlich egal sein, ihren Unterhalt könnte sie, wenn auch nicht so komfortabel wie in Deutschland, sicher auch ohne das Konstrukt Kirchenbeitrag regeln. Die Abgeltung staatskirchenrechtlicher Verpflichtungen sind sicher auch keine Bestechung. Von einer Vielzahl technischer Probleme bei einer solchen Restitution einmal abgesehen.

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Pit
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Re: Simonie

Beitrag von Pit »

taddeo hat geschrieben:Überall, wo es keine Kirchensteuer nach deutschem Muster gibt, ist das ein Problem.... Ich würde das, was da in Italien passiert, auch nicht "Simonie" nennen (es werden ja keine Kirchenämter gekauft), sondern schlicht eine kirchliche Erscheinungsform der dort geläufigen Korruption. Wenn der Papst das "widerlich" findet, hat er absolut recht.

In Italien verdient ein normaler Dorfpfarrer keine 1000 Euro brutto im Monat, davon kann er praktisch nicht leben. Da kann einer leicht auf die Idee kommen, die Stolarien so zu "empfehlen", daß dann die von Dir zitierten Beträge rauskommen.
...
Wobei es z.B. in den Niederlanden so ist,dass die Gemeinde den Pfarrer bezahlen muss,denn eine Kirchensteuer existiert nicht,ähnlich in Frankreich.
Hierzulande- also in Deutschland - gab es vor der Kirchensteuereinführung den normalen Fall,dass man Messstipendien bezahlte,nicht weil die Messe gekauft wurde (das wäre Simonie gewesen),sondern weil der Pfarrer von dem Geld lebte.
Heute wird in vielen kath. Gemeinden in den Niederlanden sonntags noch zwei mal die Kollekte gesammelt-einmal für einen sozialen Zweck und das zweite Mal für den Pfarrer.
carpe diem - Nutze den Tag !

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Siard
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Re: Simonie

Beitrag von Siard »

Pit hat geschrieben:Wobei es z.B. in den Niederlanden so ist,dass die Gemeinde den Pfarrer bezahlen muss,denn eine Kirchensteuer existiert nicht,ähnlich in Frankreich.

Heute wird in vielen kath. Gemeinden in den Niederlanden sonntags noch zwei mal die Kollekte gesammelt-einmal für einen sozialen Zweck und das zweite Mal für den Pfarrer.
Aber da liegt wieder ein Problem – in reichen Pfarren bekommen die Pfarrer mehr Geld. Durch einheitliche Besoldung und Umverteilung wird größere Gerechtigkeit geschaffen und die Gefahr des Ämterkaufs verringert. Andererseits: Je weniger verweltlicht eine Gemeinschaft ist, desto geringer auch die Gefahr von Simonie.

Benedikt

Re: Simonie

Beitrag von Benedikt »

Siard hat geschrieben:
Siard hat geschrieben:
Benedikt hat geschrieben:Auf der anderen Seite ist das Kirchensteuersystem wiederum ein Verstoß gegen das Simonieverbot.
Nein, es ist eine Form des Beitrags zum Unterhalt der Kirche, auch wenn es nicht ganz unproblematisch ist.
Inzwischen neige ich zunehmend dazu Dir recht zu geben, nicht der Theorie, sondern der Praxis im deutschsprachigen Raum wegen.
Nicht nur die Praxis verstößt gegen das Simonieverbot, sondern auch die Theorie. Denn Simonie wird nicht nur definiert als Ämterkauf:
Morallexikon hat geschrieben: Unter S. verstehen wir das Bestreben, eine rein geistl. Sache od. eine mit einer geistl. Sache verbundene weltl. Sache um Geld od. Geldeswert zu kaufen od. zu verkaufen
https://stjosef.at/morallexikon/simonie.htm

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Siard
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Re: Simonie

Beitrag von Siard »

Benedikt hat geschrieben:Denn Simonie wird nicht nur definiert als Ämterkauf:
Das habe ich auch nicht behauptet, meine Äußerungen legen dies nicht einmal nahe.
Benedikt hat geschrieben:
Morallexikon hat geschrieben: Unter S. verstehen wir das Bestreben, eine rein geistl. Sache od. eine mit einer geistl. Sache verbundene weltl. Sache um Geld od. Geldeswert zu kaufen od. zu verkaufen
Kirchensteuer bzw. Kirchenbeitrag entspringen der Unterhaltspflicht der Gläubigen der Kirche gegenüber, sie sind nicht die Bezahlung für Sakramentenspendung.

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