Das ist wahrlich keine leichte Frage. Das Merkmal der Liebe Gottes ist, dass sie bedingungslos ist. Die bedingungslose Liebe Gottes stellt keine Erwartungen. Das Erbe anzutreten, würde bedeuteten, die bedingungslose Liebe in menschlichen Beziehungen erst einmal zu lernen. Dazu müsste man den Blick gewöhnlichen Beziehungskonstellationen zuwenden. Beziehungen scheitern oft, weil sich die Beziehungspartner selten einig über das „Ziel“ ihrer Liebe sind. In der Tat haben die wenigsten den Mut, ihre erlernten Beziehungsmuster zu hinterfragen.Pilgerer hat geschrieben:Die Frage ist: warum haben in der Kirchengeschichte so selten und so wenige Christen den Mut gehabt, das Erbe der Liebe Christi anzutreten? Klar, Diakonie, Armenfürsorge etc. gab es immer, aber oft geschah/geschieht das aus "normaler" Nächstenliebe statt aus der Liebe Christi heraus. Dies ist zwar gut, aber fördert nicht die Ausbreitung des Evangeliums.
Denn es geht dabei nicht in erster Linie um mich und meine Bedürfnisse, die der andere befriedigen soll, sondern um das frei werden von dem Gedanken, dass am anderen mein Glück hängt. Und in diesem Punkt fangen in der Regel Beziehungsprobleme an. Da heißt es, ich liebe dich, wenn du meinen Vorstellungen entsprichst. Ich liebe dich, wenn du nur schön, jung und intelligent bist. Wenn du reich, gepflegt und wichtig bist. Ich liebe dich, wenn du mir kochst und du mir die Socken wäschst. Da wird manipuliert, erpresst, kontrolliert und gestritten, um die entsprechenden Vorstellungen erfüllt zu bekommen. Das ist keine Liebe, weil diese an Bedingungen geknüpft ist.
Gottes Liebe hat dagegen nur eine Chance, wenn sie „erwachsen“ wird. Wenn allein die Liebe zum Maßstab wird und nicht, ob meine Vorstellungen zum Liebespartner passen. Durchschnittliche Beziehungen kennzeichnet zumeist eine gegenseitige Abhängigkeit, die etwas Entscheidendes kompensiert: Vertrauen. Das tiefe Vertrauen in den anderen, so sein zu dürfen und geliebt zu werden, trotz der Schwächen, Fehler und der Leichen im Keller. Weiterhin die Bereitschaft, an der Beziehung zu arbeiten. Das heißt, die jeweils richtige Balance aus Nähe und Distanz, aus Freiraum und Gemeinsamkeiten, Selbst- und Nächstenliebe auszuloten. Die Bereitschaft, das alles auszuhalten, ohne sich innerlich schon vom Partner verabschiedet zu haben.
Soweit mein kleiner Exkurs. Wenn in der Kirchengeschichte so wenige Christen, das Erbe Christi antreten, liegt das einfach daran, dass es nur wenige Menschen gibt, die bedingungslos lieben können. Das wiederum liegt an den grundlegenden Beziehungen die jeder hat, Mutter/Sohn, Vater/Tochter, Vater/Sohn, Mutter/Tochter, die oft ein Leben lang Problem beladen sind. Mit diesen Beziehungsmustern sind wir in der Regel nicht für die Liebe Gottes gerüstet, die eine andere „Qualität“ meint.