Gamaliel hat geschrieben:Irmgard hat geschrieben:Wobei der Geburtenrückgang ja nicht ausschließlich auf die Pille zurückgeführt werden kann, da muss man auch die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen mitberücksichtigen.
Das ist richtig, es gibt noch zahlreiche andere Verhütungsmethoden. Daß hingegen der Geburtenrückgang auf größere Enthaltsamkeit zurückgeführt werden könnte, das kann ich auch bei bestem Willen nicht glauben.
Dazu darf ich auf eine Beobachtung hinweisen, die ich im Laufe von Jahrzehnten bei der Ahnenforschung immer wieder gemacht habe, und zwar ausgerechnet in Gebieten, die früher zu praktisch 100% katholisch waren:
Auch schon im 18. und 19. Jahrhundert, als noch keine modernen Verhütungsmittel bekannt waren, gab es gar nicht so wenige Familien, die auffällig wenige Kinder bekamen, die aber in regelmäßigen Abständen. "Normal" war es, daß diese Abstände ca. 2 Jahre betrugen - das ist die übliche Zeit, wenn man die teilweise empfängsniserschwerende Wirkung des Stillens mit berücksichtigt. Gerade bei sehr armen Leuten war das die Regel, die hatten dann oft acht, zehn oder mehr Kinder (wobei selten alle groß wurden, aber geboren wurden sie).
Doch daneben gab es auch etliche Fälle, in denen entweder nur zwei, drei Kinder zur Welt kamen und dann plötzlich Schluß war, obwohl die Mutter durchaus noch im fruchtbaren Alter war, oder in denen die Kinder nur alle drei bis fünf Jahre geboren wurden, was natürlich die Gesamtzahl entsprechend drückte. Sicher gab es darunter Einzelfälle, in denen Krankheiten die Ursache waren, aber sehr oft scheint dahinter doch eine ganz gezielte Familienplanung gestanden zu haben, die keineswegs nur durch Enthaltsamkeit zu erreichen war. Wenn man dann den sozialen Hintergrund dieser Familien betrachtet, so waren es oft die mäßig bis deutlich begüterten Leute, die darauf schauten, ihr Erbe nicht durch zuviele Kinder zu zersplittern.
Es ist also beileibe keine neue Erscheinung des 20. Jahrhunderts, daß die Kinderzahl sinkt. Ich glaube, das hängt eher mit dem zunehmenden Wohlstand zusammen als nur mit der Verfügbarkeit der Pille. Je mehr ein Ehepaar auch ohne die Arbeitskraft zahlreicher Kinder an Einkommen erzielen kann, desto wahrscheinlicher wird es, daß es die Zahl seiner Kinder bewußt begrenzt, um den angestrebten Wohlstand nicht durch zuviele Mäuler am Tisch wieder zu gefährden.
Die Pille hat das natürlich wesentlich erleichtert, aber ich glaube nicht, daß sie es unmittelbar bewirkt hat. Das war nur ein zeitliches Zusammentreffen des Wirtschaftswunders nach dem Krieg mit der Erfindung der hormonellen Verhütung.