Gegen schnelle Erklärungen, für die Durchleuchtung ihrer Muster
(0) Gilbert Keith Ch. meint:
1) Theodizee, das Dauerbrennerthema schlechthin. Hierzu gäbe es viel zu sagen, aus Platzgründen bliebe aber nur eine formelhafte Antwort, die der Tiefe der Frage nicht angemessen wäre. Nur so viel: Wenn Gott nicht existiert, ist das Leiden der Menschheit definitiv und für alle Zeiten sinnlos.
2) Wie "wahrscheinlich" ist es denn im Augenblick des Urknalls gewesen, dass wir einmal auf diesem Planeten als menschliche Wesen miteinander kommunizieren können? Zufall? Verdammt
großer Zufall? Sorry, wer an solchen Zufall glaubt, kann auch an
3) Hexen und Feen glauben.
4) Ich glaube nach wie vor, dass der Atheismus von Leuten wie Dawkins nix mit den Argumenten zu tun hat, die sie dann hinterher dafür vorbringen. Es ist ja auch absurd anzunehmen, dass beispielsweise ein Biologieprofessor bis zum Alter von, sagen wir mal, 45 Jahren überhaupt keine Meinung hat zum Thema Gott, dann eine biologische Entdeckung macht und daraufhin nun endlich zu einer Antwort kommt auf die Frage, ob Gott existiert oder nicht - er hat diese Frage für sich natürlich schon weit vorher beantwortet.
(2) Disputatio
Ad 1)
Und wenn es sinnlos ist? Was ist dann verloren?
Eventuell die kränkende Vorstellung, dass Leid Strafe für persönliche oder Stammelternsünden ist?
Oder anders herum gesagt: Gibt es also ein ewiges, "glückseeliges Paradies", damit wir die Sinnlosigkeit des Diesseits (Endlichkeit, Leid, Freude) austarieren?
Und wenn die letzten zwei Argumente zutreffen oder auch nicht: Warum sollte es nicht möglich sein, gefasst das Leid zu akzeptieren und das Glück zu suchen. Auf Erden.
Ad2)
Das Finetuning-Argument ist z.b. bei Dawkins (155ff) durchaus überzeugend geschwächt (vgl Tippler):
Und was ist denn nun unwahrscheinlicher: Eine Welt, die seit ewigen Zeiten existiert und sich entwickelt? Oder ein Schöpfer und dann "später" seine Welt?
Ist es plausibel zu sagen: Weil kein Topf so komplex ist wie der Töpfer, muss es einen hochkomplexen Schöpfer der Welt geben?
Und die Welt kann gar nicht ohne Schöpfer existieren? Weil nichts, was existiert, ohne Anfang ist. Und weil das, was vor dem Anfang ist, keinen Anfang haben darf. Sonst gebe es - horribile dictu - einen unendlichen Regress?
Ad 3)
Warum sollte jemand, der an einen evolutionären Trial-and-error-Modus glaubt, der recht wenig mit "Zufall" (165-68) zu tun hat, nun an Geister und Hexen glauben?
Muss deren Existenz nicht eher der einräumen, der an die Existenz übernatürlicher Wesen glaubt?
Ad 4)
Nehmen wir an, Dawkins hatte schon immer das "Gefühl", Gott im theistischen und deistischen Sinne sei sehr unwahrscheinlich. Und nun schreibt er den "blinden Uhrmacher" und dann den "Gotteswahn".
Was ändert das an der Plausibilität seiner zentralen These?Oder anders ausgedrückt: Begibt er sich nicht mit größerem Risiko auf ein Falsifikationsfeld und ist daher ernster zu nehmen (soziobologische Ethik usw) als ein Theologe, der da sagt:
a) das naturwissenschaftliche Feld und das theologische Feld sind Überlappungsbereiche (NOMA).
b) Die prinzipielle Funktionalität der beobachtbaren Welt deutet allerdings auf einen mächtigen, persönlichen Schöpfer hin. Genauso wie der Urknall auf eine zeitlose "Ebene" "vor" der der Welt?
c) Soweit das beobachtbare Feld Dysteleologien aufweist, sind diese keine echten Argumente gegen die deistische und die theistische These. Denn: Siehe a. und dann auch das jetzt folgende d.
d) Man weiß eben schon apriorisch um die Existenz Gottes. Ein angeborenes Wissen. Es wird bestätigt durch b (die funktionale Schöpfung) und keinesfalls widerlegt durch Dysteleologie (c).
e) Denn würde es widerlegt, wäre alles Leid sinnlos.
(3) Vorläufiges Fazit:
Falls Du Dawkins einen hermeneutischen Zirkel vorwerfen solltest: Das Falsifikationsrisiko geht er ein. Insofern liegt kein Zirkel vor.
Falls die theologische Argumentation a bis e plausibel scheint, so gibt es Einspruch:
Eine echte "petitio principii". Echter geht es nicht.
Cordialimente
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