Der Staat und die Sünde

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Florianklaus
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Florianklaus »

Der männlich-kollektive Vollrausch beim Schützenfest ist in ländlichen Gegenden fester Bestandteil der Volksfrömmigkeit.

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Peti
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Peti »

Was für ein Glück für uns, dass wir wissen können, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich ist.
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Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Florianklaus hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 06:17
Der männlich-kollektive Vollrausch beim Schützenfest ist in ländlichen Gegenden fester Bestandteil der Volksfrömmigkeit.
Daß da so ist, weiß ich auch. Deswegen ist ja das katholische Engagement bspw. gegen die Ehe für Homosexuelle so selektiv und für mich nicht kohärent.

Romanus
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Romanus »

Ralf hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 08:31
Florianklaus hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 06:17
Der männlich-kollektive Vollrausch beim Schützenfest ist in ländlichen Gegenden fester Bestandteil der Volksfrömmigkeit.
Daß da so ist, weiß ich auch. Deswegen ist ja das katholische Engagement bspw. gegen die Ehe für Homosexuelle so selektiv und für mich nicht kohärent.
Ja, wie konnte sich dieses Gebaren nur derart in die Frömmigkeit einbrennen? Da hat es nichts zu suchen. Die neurotoxischen und psychoaktiven Wirkungen werden vollkommen unterschätzt, den jesuanischen und paulinischen Aussagen widerspricht es. Das Kreuz auf sich nehmen, heißt, es nüchtern zu tun; so wie der Herr im gestrigen Evangelium auch.
„Die Kirche ist ein Kind der Zeit, Gott aber nicht, und der Bischof von Rom, sein Stellvertreter, kann zeitlichen Mächten nicht dienlich sein.“ (Andreas Kilb)

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Lycobates
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Lycobates »

Ralf hat geschrieben:
Sonntag 9. April 2017, 19:52
Wenn es wirklich so sein sollte, dass salus animarum suprema lex ist, dann spielt es aus erzieherischen Gründen (siehe Exkommunikation, die genau dem dient) keine Rolle, um welche der Hauptsünden es sich handelt. Alle gefährden deutlich das Heil. Provokant gesagt ein Vollrausch genauso wie Ehebruch.
Doch, das spielt eine Rolle, da nicht alle Sünden gleich schwer sind, und sie somit das Heil nicht in gleichem Maße gefährden.
So ist Luxuria (in sich gewollte) immer ein peccatum mortale ex toto genere suo, ohne daß parvitas materiae gegeben wäre.
Bei Gula ist das nicht der Fall, einmal ist sie ex genere suo nur ein peccatum veniale (obwohl sie u.U. zu einem mortale werden kann, so bei ebrietas perfecta quae omnino privet usu rationis), und ist u.U. parvitas materiae gegeben.
Man vergleiche https://books.google.be/books?id=lWqH7b ... &q&f=false
Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt (Arnold Schönberg)
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Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Gibt es dazu lehramtliche Äußerungen?

Und "ebrietas perfecta quae omnino privet usu rationis" ist ja bspw. der Vollrausch "mit Filmriß". Während dieser selbst im weltlichen Recht nicht verboten ist, müßte die Kirche aus Sorge um das Seelenheil eigentlich danach drängen.

Oder aber sie behandelt politisch die Schwulenehe wie den Vollrausch.

Beides Todsünde, wird aber weltlich akzeptiert, da der Staat nicht der Vollzugsgehilfe der Kirche ist, wenn es um die Vermeidung von heilsbedrohenden Taten geht.

Romanus
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Romanus »

Lycobates hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 12:39
Ralf hat geschrieben:
Sonntag 9. April 2017, 19:52
Wenn es wirklich so sein sollte, dass salus animarum suprema lex ist, dann spielt es aus erzieherischen Gründen (siehe Exkommunikation, die genau dem dient) keine Rolle, um welche der Hauptsünden es sich handelt. Alle gefährden deutlich das Heil. Provokant gesagt ein Vollrausch genauso wie Ehebruch.
Doch, das spielt eine Rolle, da nicht alle Sünden gleich schwer sind, und sie somit das Heil nicht in gleichem Maße gefährden.
Es ist unstrittig, dass nicht alle Sünden gleich schwer wiegen. Das Dilemma bei moralischen Aushandlungsprozessen ist jedoch, dass diese sich immer in ihrer jeweiligen Zeit ereigneten und antiquierte Quellen, wie sie S. Alphonsi de Ligorio eine darstellt, heute als Maßstab nur begrenzt aussagekräftig sind. Der Autor konnte, Gott hab ihn selig, um beim Beispiel Alkoholrausch zu bleiben, nicht wissen, dass einst durch die Industrialisierung verursacht, Rauschtrinken zu einem Massenphänomen werden würde, das viel Leid verursacht; zumal Moral diesbezüglich den Fehler begeht, das Heil insofern absolut zu setzen, als seien Menschen keine Individuen mit eigenen Schicksalen, Konstitutionen und Sozialisierungen und benötigten keine individuelle, seelsorgerische Zuwendung. Entsprechend ist es schwierig, die Gefährdungspotenziale von Sünden für das Heil auf alle Menschen herunterzubrechen. Alkohol wirkt nun auch unterschiedlich auf Menschen ein. Die körperlichen, psychoaktiven und neurotoxischen Schäden sind teils subtil, teils offensichtlich. Bei andauerndem Konsum tritt auf alle Fälle die eine oder andere Chronifizierung ein.

Traditionen hin oder her: Intelligente Menschen, die sich Rauschtrinken schönreden müssen, die über die Folgen mehr oder minder sogar Bescheid wissen, Alkohol missbrauchen, ja vielleicht auch süchtig sind und dennoch nicht umkehren, obwohl sich Jesus und Paulus gegen das Rauschtrinken äußerten, ist m. E. für solche Menschen eine schwerwiegendere Sünde und dem eigenen Heil entgegenstehender als bei Mitläufern, die zu Hause nix anderes gesehen und gelernt haben.

Zwar nur die Schweiz betreffend, aber immerhin wird die Rolle des Staates beleuchtet:
Alkohol: Kulturgut, Konsumgut, psychoaktive Droge
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overkott
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von overkott »

Romanus hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 14:15
Alkohol wirkt nun auch unterschiedlich auf Menschen ein. Die körperlichen, psychoaktiven und neurotoxischen Schäden sind teils subtil, teils offensichtlich. Bei andauerndem Konsum tritt auf alle Fälle die eine oder andere Chronifizierung ein.

Traditionen hin oder her: Intelligente Menschen, die sich Rauschtrinken schönreden müssen, die über die Folgen mehr oder minder sogar Bescheid wissen, Alkohol missbrauchen, ja vielleicht auch süchtig sind und dennoch nicht umkehren, obwohl sich Jesus und Paulus gegen das Rauschtrinken äußerten, ist m. E. für solche Menschen eine schwerwiegendere Sünde und dem eigenen Heil entgegenstehender als bei Mitläufern, die zu Hause nix anderes gesehen und gelernt haben.

Zwar nur die Schweiz betreffend, aber immerhin wird die Rolle des Staates beleuchtet:
Alkohol: Kulturgut, Konsumgut, psychoaktive Droge
Der Staat sorgt sich heute idealerweise um die öffentliche Gesundheit, die Kirche tut das idealerweise seit je her. Dass es weder mit dem Staat, noch mit der Kirche praktisch stets zum Besten bestellt ist, steht auf einem anderen Blatt. Während der Staat eher am körperlichen Wohl interessiert ist, geht es der Kirche stärker um die Seele.

Die Seele ist krank, wenn ein Mensch sich selbst mehr liebt als Gott und seinen Nächsten. Jesus hat diese Morallehre nicht mit Bezug auf Alfonso oder Adorno begründet, sondern mit der dem Logos innewohnenden Logik und dem sich daraus ergebenden Sittengesetz:

Das Denken ist krank, wenn es vom Wunsch beseelt wird, sich in einen Zustand der Hilflosigkeit und Not zu begeben und dem Nächsten zur Last zu fallen.

Die Sünde beginnt entsprechend der Bibel und dem Schuldbekenntnis mit dem sündhaften Gedanken. Sie wirkt in der Tat um so schwerer, je stärker die Sünde zur Abhängigkeit führt.

Die Erlösung von der Sucht erfolgt durch Bekehrung: Seid nüchtern und wachsam. Ohne den festen Willen, den Weg der Sünde zu verlassen, gelingt die Erlösung nicht. Aufs Kreuz zu schauen, sich für erlöst zu halten und weiter zu saufen, führt nicht zur Befreiung vom Übel. Die Gnade des Herrn wird erst wirksam im Beginn eines bußfertigen Lebens. Jesus formuliert noch heute sehr treffend: Pœnitentiam agite. Der feste Wille ist der erste Schritt zur Umkehr. Vom Alkoholismus wird der Säufer erst frei, indem er aktiv Nein sagt zu dem, was um Gottes Willen dem Nächsten wie ihm selbst schadet.

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Können wir zum Threadthema zurückkehren anstatt Allgemeinplätze zu verbreiten?

Romanus
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Romanus »

Ralf hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 16:01
Können wir zum Threadthema zurückkehren anstatt Allgemeinplätze zu verbreiten?
Ich fürchte, die Kohärenz, die du suchst, gibt es schlicht nicht. Das könnte realiter daran liegen, dass unterschiedliche Sünden ohne die Betrachtung der Lebenssituation schwerlich zu beurteilen und deswegen lehramtliche Äußerungen Mangelware sind; zumal es auch Sünden gibt, die nach biblischen Vorstellungen noch nicht unter den Menschen waren und von der Moraltheologie noch nicht kategorisiert sind. Dass da das Antiquariat heute weiterhelfen kann, habe ich bereits bezweifelt. Hier wird zumindest der Allgemeinplatz Kirche an einem Einzelfall beleuchtet:

Alkoholsucht bei Priestern
„Die Kirche ist ein Kind der Zeit, Gott aber nicht, und der Bischof von Rom, sein Stellvertreter, kann zeitlichen Mächten nicht dienlich sein.“ (Andreas Kilb)

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Romanus hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 16:35
Ich fürchte, die Kohärenz, die du suchst, gibt es schlicht nicht.
Das befürchte ich auch. Im Feld der politischen Lobbyarbeit finde ich das nicht schlimm. Nur gut für die Kirche, daß viele noch nicht gemerkt haben, daß da die Logik Pausen macht.

Da ich als Freund von Fides et Ratio aber Inkohärentes schlecht unterstützen kann, halte ich klassischen Liberalismus für kompatibler mit dem Katholischsein als gedacht.

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overkott
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von overkott »

Ralf hat geschrieben:
Freitag 7. April 2017, 15:14
Tach zusammen,

da es eine theologische Frage ist bzw. eine staatspilosophische, habe ich sie in dieser Abteilung eröffnet.

Also, sie lautet:

Ist der Staat aus katholischer Sicht (mit reichlich Quellenangaben natürlich) verpflichtet, die Sünde zu verbieten bzw. zu bestrafen?

Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit
- vor dem Hintergrund der von Gott gewährten menschlichen Freiheit (darf die Kirche was einschränken versuchen, was Gott gewährt?)
- vor dem Hintergrund der Konzentration kirchlicher politischer Bemühungen auf nur einen Bruchteil des "Kataloges" der Ursünden und
- vor dem Hintergrund der in meinen Augen bislang - möglicherweise aufgrund fehlenden Wissens - mangelhaften Klärung dieser essentiellen Frage und ganz anderer Praxis der Ostkirchen

Was sagen die Kenner dazu?
Da Jesus der oberste katholische Staatsrechtslehrer ist, muss man feststellen, dass er zwischen Kaiser und Gott unterscheidet. Weil es ihm um Gottes Gebot und dessen Zentralanliegen der Nächstenliebe geht, muss man ihm eine gewisse Staatsferne oder Überstaatlichkeit attestieren. Das Bild des grenzübergreifenden und verbindenden Himmels symbolisiert die Supranationalität des Christentums.

Abweichend vom säkularen Mainstream seiner Zeit, den Jesus wie viele Propheten vor ihm als heuchlerisch empfand durch eine bloß äußerliche Pflichterfüllung, ging und geht es ihm um die individuelle Umkehr durch persönliche Überzeugung. Diese soll wie Sauerteig das Brot die Gesellschaft durchmischen und das Böse durch Gutes überwinden. Im Hinblick auf die Religionsfreiheit und den Pluralismus ist das Richtverbot zu verstehen, nicht etwa als starre Regel, sondern vielmehr als Ausdruck göttlicher Langmut und Geduld.

Kirchengeschichtlich stand der Glaube auf einer harten Probe, als immer mehr Christen staatliche Stellen besetzten und als Herrscher selbst das Schwert in die Hand nahmen. Damit wandelte sich auch die katholische Staatslehre, die als Doktrin etwa der Spanischen Inquisition in der Gefahr stand, zu einer totalitären Ideologie zu werden. Gemessen an der Religions- und Gesellschaftskritik Jesu zu seiner Zeit muss die Ideologisierung als Säkularisierung und Sinnentlehrung von Gottes Gebot verstanden werden.

Als ecclesia semper reformanda ist die Kirche durch ihren Herrn zu ständiger Bußfertigkeit aufgerufen und damit zu einer Selbstkritik, die einer heuchlerischen Anpassung an einen korrupten Zeitgeist entgegen stehen soll. Der Staat ist daher nach katholischer Staatslehre weder der gewalttätige Arm gegen den Ungeist der Zeitgenossen, noch ist die Kirche der ideologische Büttel einer sich selbst bereichernden Oberschicht.

Tinius
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Tinius »

Lycobates hat geschrieben:
Samstag 8. April 2017, 23:13

Die so genannten sieben "Hauptsünden" (Sankt Thomas spricht korrekter auch von vitia capitalia S.Th. I-IIae 84-4) sind an sich bloß böse Neigungen, durch die natura lapsa bedingt, die Ursache von Sünden sein können, und zwar schwerer und weniger schwerer. Hauptsünden werden sie nur genannt wegen der Weite ihres möglichen Einflusses. Nur wenn die den betreffenden Neigungen entsprechenden Akte (innerlich oder äußerlich) auch gesetzt werden, wird die eigentliche Sünde realisiert.
"Sankt Thomas" war selbst einer der "Hauptsünden" derart verfallen, dass es bekanntlich massive Probleme beim Abtransport seines Leichnams zum Auskochen gab. Auch musste er am Tisch eine Ausbuchtung haben....

Für weitere Infos zu diesem Verfechter der Sklaverei und Anhänger der Todesstrafe siehe hier in einem sehr guten Forum:

http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?f=10&t=1894

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Lycobates
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Lycobates »

Tinius hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 22:56

"Sankt Thomas" war selbst einer der "Hauptsünden" derart verfallen, dass es bekanntlich massive Probleme beim Abtransport seines Leichnams zum Auskochen gab. Auch musste er am Tisch eine Ausbuchtung haben....
Und?
Gesetzt den Fall, das stimmt, und der Tatbestand sei einer sündhaften Neigung und nicht einer natürlichen Veranlagung zu verschulden, was ist damit zur Wahrheit oder Unwahrheit der Lehre ausgesagt?
Gar nichts.
Kein Katholik kann je sine magno detrimento (St. Pius X.) von den Prinzipien und der Methode des Aquinaten abweichen. Damit wäre ein Heterodoxie-Verdacht begründet. Denn ein Katholik weiß nullum Ecclesiae Doctorem modernistis ceterisque fidei catholicae hostibus ita esse terrori ac formidini, ut Aquinatem (Papst Pius XI.).
Tinius hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 22:56
Für weitere Infos zu diesem Verfechter der Sklaverei ...
Ich vermag leider das Problem nicht zu erkennen (wieder unter der Voraussetzung, die gehässige Wortwahl stimmt). Stichwort Onesimus.
Ich weise beiläufig darauf hin, daß in unserem Kirchenrecht von 1917 der unfreie Stand ein einfaches Weihehindernis (can. 987-4º) und unter gewissen Umständen auch ein Ehehindernis ist (can. 1083-2-2º) und bleibt.
Wozu bitte die Aufregung?
Zuletzt geändert von Lycobates am Dienstag 11. April 2017, 00:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Niels
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Niels »

Wie bringt man das mit Gal 3,28 in Einklang?
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Lycobates
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Lycobates »

Niels hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 23:42
Wie bringt man das mit Gal 3,28 in Einklang?
Kirchliches Recht (wir sind bei diesen Hindernissen im Bereich des ius ecclesiasticum) berücksichtigt auch den engeren Raum des Irdischen, muß dies, aus diversen Rücksichten, auch tun.
Eine Dispens ist hier aber immer möglich. Änderungen von autoritativer Seite auch.

Aber Vorsicht.
Es steht ja Gal. 3,28 nicht nur Non est Judaeus, neque Graecus: non est servus, neque liber, sondern auch noch "non est masculus, neque femina".
Bedeutete das denn auch, daß etwa im Hinblick auf Ehe oder Weihe auch dieser Unterschied ganz hinfällig würde?
Keineswegs.

Man muß die Ebenen auseinander halten.
Die absolute übernatürliche Würde durch die alle Unterschiede grundsätzlich übersteigende Taufe ist eine Sache, die rein natürlichen Gegebenheiten, die bleiben (müssen), wenn sie unter Christen auch an Schärfe einbüßen (müssen), eine andere.
Stichwort Onesimus.
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overkott
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von overkott »

Lycobates hat geschrieben:
Dienstag 11. April 2017, 00:27
Niels hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 23:42
Wie bringt man das mit Gal 3,28 in Einklang?
Kirchliches Recht (wir sind bei diesen Hindernissen im Bereich des ius ecclesiasticum) berücksichtigt auch den engeren Raum des Irdischen, muß dies, aus diversen Rücksichten, auch tun.
Eine Dispens ist hier aber immer möglich. Änderungen von autoritativer Seite auch.

Aber Vorsicht.
Es steht ja Gal. 3,28 nicht nur Non est Judaeus, neque Graecus: non est servus, neque liber, sondern auch noch "non est masculus, neque femina".
Bedeutete das denn auch, daß etwa im Hinblick auf Ehe oder Weihe auch dieser Unterschied ganz hinfällig würde?
Keineswegs.

Man muß die Ebenen auseinander halten.
Die absolute übernatürliche Würde durch die alle Unterschiede grundsätzlich übersteigende Taufe ist eine Sache, die rein natürlichen Gegebenheiten, die bleiben (müssen), wenn sie unter Christen auch an Schärfe einbüßen (müssen), eine andere.
Stichwort Onesimus.
Man darf servus hier und in Synonymen nicht in einem allzu engen Sinn verstehen. Natürlich ist kein Mensch als Sklave geboren, wenn auch die rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich ein Hineingeboren-Werden in umfassende Abhängigkeit bedeuten können.

Die schreckliche Einheitsübersetzung kennt leider kein anderes Wort für servus und ähnliche Wörter. Man sieht daran, wes Geistes Kind in der Kirche herrscht. Titus 3,3 Eramus enim aliquando et nos insipientes, increduli, errantes, servientes desideriis, et voluptatibus variis, in malitia et invidia agentes, odibiles, odientes invicem. deutet einen umfassenden Sinn der Erlösung von Abhängigkeit an.

Die Lesungen am Karsamstag machen deutlich, dass es im Gründungsmythos Israels zunächst um Befreiung aus Sklaverei geht. Noch heute wird er dazu missbraucht, arabische Nachbarn zu unterdrücken und ihnen das Land wegzunehmen. Aber der Missbrauch widerlegt nicht die Wahrheit der Sehnsucht aller Menschen nach Erlösung aus ungerechter Abhängigkeit. Für den Suchtkranken stellt sich dieses Problem in sehr spezifischer Weise. Wer dem Dämon des Alkohols ( siehe Schweizer Beispiel ) verfallen ist und raus möchte aus dem Teufelskreis, muss nur die helfende Hand Gottes ergreifen und Ja sagen zur Nüchternheit.

Romanus
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Romanus »

Lycobates hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 23:34
Tinius hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 22:56

"Sankt Thomas" war selbst einer der "Hauptsünden" derart verfallen, dass es bekanntlich massive Probleme beim Abtransport seines Leichnams zum Auskochen gab. Auch musste er am Tisch eine Ausbuchtung haben....
Und?
Gesetzt den Fall, das stimmt, und der Tatbestand sei einer sündhaften Neigung und nicht einer natürlichen Veranlagung zu verschulden, was ist damit zur Wahrheit oder Unwahrheit der Lehre ausgesagt?
Gar nichts.
Es geht ja nicht um die Differenz Wahrheit/Unwahrheit, sondern um die Differenz Kenntnis/Erkenntnis.

Abgesehen davon, dass natürliche Veranlagungen zumeist eine Erfindung sind, um sündhafte Neigungen vor sich selbst zu rechtfertigen, ist es ein Unterschied, ob nun die Lehre als ein in sich geschlossenes System, oder aber, ob die Lehre in Beziehung zu neuen Erkenntnissen gesetzt und infolgedessen als ein System betrachtet wird, welches sich auch erneuert.

Vorsicht, mir geht es jetzt weniger darum, in die Systemtheorie oder in den Zeitgeist abzugleiten, als vielmehr darzustellen, dass die Lehre eigentlich nur dann wahr ist, wenn sie in der Beziehung mit dem Menschen als wahr erkannt wird! Ansonsten bleibt die Lehre (unerkannte) Theorie. Offensichtlich ist, dass es vielen, selbst Geistlichen, Mühe bereitet, die Wahrheit zu erkennen. Sie haben als Theologen vielleicht noch die Kenntnis von der Lehre, sie bleibt allerdings bei vielen eine Kopfgeburt.

Entsprechend geht es nicht um die Differenz Wahrheit/Unwahrheit der Lehre, sondern um die Frage, was in Sünde lebende Menschen zur Erkenntnis verhilft: zu tiefen Einsichten, zu verwandenden Durchbrüchen, so dass letztlich die Lehre als eine innere, nicht eine von der Kirche oktroyierte Wahrheit erkannt wird. Denn in dem Maße wie innere Wahrheit erkannt wird, lockert die ,äußere‘ Sünde ihren Griff.

Um auf den Aquinaten zu kommen: An seiner Leibesfülle ist abzulesen, dass er die Wahrheit gekannt (in der Beschäftigung mit der Theorie), aber wohl nicht er-kannt hat (in Beziehung zu sich selbst). Aber so weit in die Geschichte zurückgehen ist gar nicht nötig: An der eingestandenen Alkoholsucht des Würzburger Priesters Norbert Stroh ist abzulesen, dass er in der Umkehr, in der Betrachtung seiner Sünden und infolgedessen in seiner Weiterentwicklung, die Wahrheit gefunden hat, so dass er heute alkoholkranken Priestern und Diakonen in Münsterschwarzach zu neuen Einsichten verhilft.

Es ist wie Jesus sagte, die Wahrheit macht euch frei! Nicht abhängig.
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Lycobates »

Romanus hat geschrieben:
Dienstag 11. April 2017, 09:49
Entsprechend geht es nicht um die Differenz Wahrheit/Unwahrheit der Lehre, sondern um die Frage, was in Sünde lebende Menschen zur Erkenntnis verhilft: zu tiefen Einsichten, zu verwandenden Durchbrüchen, so dass letztlich die Lehre als eine innere, nicht eine von der Kirche oktroyierte Wahrheit erkannt wird.
Es gibt da keinen Gegensatz.
Aber Vorsicht. Hier lauert die Gefahr des subjektivistischen Schiffbruchs, des Immanentismus.
Das ist nicht katholisch.

Die Wahrheit tritt von außen an uns an.
Unser Verstand, mit Hilfe der Gnade und nicht ohne sie, erkennt sie als solche und unser Wille, ebenso mit Hilfe der Gnade, nimmt sie als verbindlich an. Erst dann wird sie uns verinnerlicht, wird unser Leben durch sie verwandelt, und kann unsere Erkenntnis derselben, mit Hilfe der Gnade, immer weiter wachsen.
Bis wir zur Vollendung kommen und Gott, die Wahrheit selbst, sehen.

Consummatio autem hominis est in adeptione ultimi finis, qui est perfecta beatitudo sive felicitas, quae consistit in divina visione ...
Visionem autem divinam consequitur immutabilitas intellectus et voluntatis. Intellectus quidem: quia cum perventum fuerit ad primam causam in qua omnia cognosci possunt, inquisitio intellectus cessat. Mobilitas autem voluntatis cessat, quia adepto fine ultimo, in quo est plenitudo totius bonitatis, nihil est quod desiderandum restet. Ex hoc autem voluntas mutatur quia desiderat aliquid quod nondum habet. Manifestum est igitur quod ultima consummatio hominis in perfecta quietatione vel immobilitate consistit et quantum ad intellectum, et quantum ad voluntatem.
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Romanus »

Lycobates hat geschrieben:
Dienstag 11. April 2017, 12:44
Romanus hat geschrieben:
Dienstag 11. April 2017, 09:49
Entsprechend geht es nicht um die Differenz Wahrheit/Unwahrheit der Lehre, sondern um die Frage, was in Sünde lebende Menschen zur Erkenntnis verhilft: zu tiefen Einsichten, zu verwandenden Durchbrüchen, so dass letztlich die Lehre als eine innere, nicht eine von der Kirche oktroyierte Wahrheit erkannt wird.
Es gibt da keinen Gegensatz.
Aber Vorsicht. Hier lauert die Gefahr des subjektivistischen Schiffbruchs, des Immanentismus.
Das ist nicht katholisch.

Die Wahrheit tritt von außen an uns an.
Unser Verstand, mit Hilfe der Gnade und nicht ohne sie, erkennt sie als solche und unser Wille, ebenso mit Hilfe der Gnade, nimmt sie als verbindlich an. Erst dann wird sie uns verinnerlicht, wird unser Leben durch sie verwandelt, und kann unsere Erkenntnis derselben, mit Hilfe der Gnade, immer weiter wachsen.
Bis wir zur Vollendung kommen und Gott, die Wahrheit selbst, sehen.
Ich habe keinen Gegensatz konstruiert, sondern aus dem Kontext heraus eine Prämisse formuliert und zur Erklärung die Differenz Kenntnis/Erkenntnis aufgemacht. (Keinen Ismus!)

Die Wahrheit, die von außen – von Jesus bzw. von der Kirche – an jemanden herangetragen wird, wird ihm erst im Erkennen bzw. in der Erkenntnis zur inneren Wahrheit, die ihm dazu gereicht, sein Leben zu verwandeln. Die Wahrheit kennen, nur weil sie von der Kirche verkündet wird, reicht allein nicht aus. Das benötigt Hingabe. Im Letzten Gnade.

Allerdings muss auch Gnade in Beziehung zum konkreten Menschen, zur konkreten Lebenssituation gesetzt werden, ohne diese Gnade ein abstractum bleibt, über die sich seitenweise fabulieren lässt. Eine Gnadenerfahrung hat beispielsweise Priester Norbert Stroh gemacht: Erst indem er umgekehrt ist, hat sich Gnade ereignet, die ihm dann zur inneren Wahrheit gereicht ist.

Umkehr ist jederzeit möglich. (Dazu muss allerdings die Ebene der Theorie verlassen werden.)
„Die Kirche ist ein Kind der Zeit, Gott aber nicht, und der Bischof von Rom, sein Stellvertreter, kann zeitlichen Mächten nicht dienlich sein.“ (Andreas Kilb)

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Das ist zwar auch eine sehr interessante Diskussion, aber gehe ich Recht in der Annahme, daß zu meiner Frage nichts substantiell Neues an Antworten dazu kommt?

Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:
Dienstag 11. April 2017, 16:35
Das ist zwar auch eine sehr interessante Diskussion, aber gehe ich Recht in der Annahme, daß zu meiner Frage nichts substantiell Neues an Antworten dazu kommt?
Was erwartest Du auch bei einer höchst komplexen Frage, die 2000 Jahre Kirchengschichte umfaßt, und dessen mögliche Antwort(en) in unterschiedlicher Intensivität gelebt worden ist? :hmm:

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Ehrlich gesagt eine substantielle Antwort, was sonst? Zumindest ein Antwortversuch.

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Marion
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Marion »

Ralf hat geschrieben:
Dienstag 11. April 2017, 16:35
Das ist zwar auch eine sehr interessante Diskussion, aber gehe ich Recht in der Annahme, daß zu meiner Frage nichts substantiell Neues an Antworten dazu kommt?
Also falls du nun von jedem wissen willst ob da noch was kommt. Dann fang ich mal an, von mir kommt voraussichtlich nichts Neues in diesem Strang :)
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Tinius
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Tinius »

Lycobates hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 23:34

Kein Katholik kann je sine magno detrimento (St. Pius X.) von den Prinzipien und der Methode des Aquinaten abweichen. Damit wäre ein Heterodoxie-Verdacht begründet. Denn ein Katholik weiß nullum Ecclesiae Doctorem modernistis ceterisque fidei catholicae hostibus ita esse terrori ac formidini, ut Aquinatem (Papst Pius XI.).
Meines Wissens kommen die Altkatholiken sehr gut ohne die Theologie des Thomas von Aquin aus, oder?

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Florianklaus
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Florianklaus »

Tinius hat geschrieben:
Dienstag 11. April 2017, 22:40
Lycobates hat geschrieben:
Montag 10. April 2017, 23:34

Kein Katholik kann je sine magno detrimento (St. Pius X.) von den Prinzipien und der Methode des Aquinaten abweichen. Damit wäre ein Heterodoxie-Verdacht begründet. Denn ein Katholik weiß nullum Ecclesiae Doctorem modernistis ceterisque fidei catholicae hostibus ita esse terrori ac formidini, ut Aquinatem (Papst Pius XI.).
Meines Wissens kommen die Altkatholiken sehr gut ohne die Theologie des Thomas von Aquin aus, oder?
Die sind weder alt noch katholisch und daher insoweit untauglich als Referenz.

Tinius
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Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Tinius »

Ich hatte das über die altkatholischen Kirche gelesen, daß die sich auf die Theologie des 1.Jahrtausends stützen. Und da lebte Thomas von A. noch nicht.

Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:
Dienstag 11. April 2017, 21:34
Ehrlich gesagt eine substantielle Antwort, was sonst? Zumindest ein Antwortversuch.
Nun, vielleicht sind hier im Forum nicht diejenigen versammelt, die über genügend Kenntnisse zu diesem speziellen Themenfeld verfügen, um eine substantielle Antwort geben zu können.
Vielleicht ist aber auch die Meßlatte (= "substantielle Antwort") von Dir so hoch gelegt worden, daß selbst kenntnisreiche Gläubige keine Dir genügende Antwort geben können.

Auf jeden Fall zielt Deine Frage auf eine Art theokratisches Herrschaftsmodell ab, in dem die Kirche massiv in die Gesetzgebung des Staates eingreift. Dies tut sie selbstverständlich nur, um Gutes zu erreichen, denn - wie Du richtig ausführst - ist das Heil des Seelen das oberste Ziel für die Kirche.
Die Frage ist dann nur noch, ob tatsächlich staatliche Gesetzesvorgaben die Menschen zu dem Sinneswandel bewegen würden, der Dir offenbar vorschwebt. Oder anders ausgedrückt: Würden die Menschen tatsächlich weniger sündigen, wenn die staatlichen Gesetze das Sündigen ganz generell strikt verbieten würden?
Mir persönlich kommen da Zweifel, weil auch die klaren und eindeutigen Kirchengebote das Sündigen bislang nicht umfänglich verhindert haben. Eine wirkliche Verhinderung der Sünde erfolgt IMHO also auf einer völlig anderen Ebene als der, die durch irgendwelche Vorgaben (Gesetze oder Gebote) geschaffen wird. In der Rechtfertigungslehre der Kirche wird dieser Umstand auch meines Erachtens ersichtlich.

Darüber hinaus ist IMHO in Deiner Frage der Vorwurf enthalten, die Kirche würde nicht alle Einflußmöglichkeiten, die ihr zur Verfügung stehen, nutzen, um das Heil der Seelen zu erreichen. Ein sehr schwerwiegender Vorwurf! :hae?:

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Nein, prinzipiell werfe ich der Kirche gar nichts vor - außer daß sie mit Überzeugung inkohärent agiert.

Ich bin ja eben nicht dafür, daß sie - außer wenn es um die Rechte anderer geht und da gibt es genug zu tun - versucht, in gesetzgeberische Prozesse einzugreifen. Das Thema Seelenheil ist kein staatliches.

Nun versucht die Kirche aber beim Thema Ehe und Sexualverhalten aufgrund der eigenen Überzeugung der Sündhaftigkeit von Fehlverhalten ihre Überzeugungen durchzusetzen. Die Sündhaftigkeit sehe ich ja auch so, aber das StGB oder das BGB ist da die falsche Spielwiese.

Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:
Mittwoch 12. April 2017, 08:40
Nein, prinzipiell werfe ich der Kirche gar nichts vor - außer daß sie mit Überzeugung inkohärent agiert.
Natürlich wirfst du der Kirche implizit genau das vor, was ich oben geschrieben habe! :roll:
Du kannst das meinetwegen "inkohärentes Agieren" nennen, es bleibt nichtsdestoweniger ein Vorwurf.
Ralf hat geschrieben:
Mittwoch 12. April 2017, 08:40
Ich bin ja eben nicht dafür, daß sie - außer wenn es um die Rechte anderer geht und da gibt es genug zu tun - versucht, in gesetzgeberische Prozesse einzugreifen. Das Thema Seelenheil ist kein staatliches.
Die geschichtlich herausgebildete Aufgabenteilung ist derzeit die, daß der Staat sich um den äußeren Menschen kümmert, während sich die Kirche um den inneren Menschen zu kümmern habe. Diese Aufgabenteilung ist fest in den Köpfen des modernen Menschen enthalten und vermutlich nur sehr schwer zu entfernen.

Deine Frage geht nun in die Richtung, daß diese geschichtlich herausgebildete Aufgabenteilung auch akzeptabel sei; man ist ja schießlich katholischer Liberaler oder liberaler Katholik. Kirchlich betrachtet ist eine solche Aufgabenteilung jedoch ein Zeitgeistphänomen.
Warum sollte die Kirche denn nicht auch für den äußeren Menschen Sorge tragen? :detektiv:
Ralf hat geschrieben:
Mittwoch 12. April 2017, 08:40
Nun versucht die Kirche aber beim Thema Ehe und Sexualverhalten aufgrund der eigenen Überzeugung der Sündhaftigkeit von Fehlverhalten ihre Überzeugungen durchzusetzen. Die Sündhaftigkeit sehe ich ja auch so, aber das StGB oder das BGB ist da die falsche Spielwiese.
Du wirst wenige Menschen in einer Gesellschaft finden, die Mord gut finden. Auch finden die Menschen durchweg, daß Lügen, Raub, Erpressung oder Diebstahl Scheiße ist. In diesen Bereichen scheint also die gesellschaftliche Moral noch intakter zu sein als im Bereich der Sexualmoral, bei der man heute eher die antike Permissivität zu überteffen sucht. :angewidert:

Ralf

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Ralf »

Hmm, kannst Du mir sagen, wo ich geschrieben habe, daß sich die Kirche nicht um den "äußeren Menschen" kümmern solle? Da ich diese Stelle nicht finde, kannst Du davon ausgehen, daß ich das nicht meine.

Ich habe geschrieben, daß es einerseits darum geht, die Rechte der Menschen zu verteidigen und da sehe ich die Kirche genuin am richtigen Platz, weil sie verkündigt, daß die Menschen das Leben "in Fülle" haben sollen. Wem Grundrechte vorenthalten werden (Bildung, Basismedizin, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit etc.), kann das Leben nicht "in Fülle" haben.

Wenn es darum geht, Rechte der Menschen zu beschneiden, sehe ich die Kirche dort aber nicht.

Natürlich gibt es immer Bereiche, wo sich beides überschneiden kann, wie bspw. bei dem Thema Suizidbeihilfe oder Suizid generell. Da sehe ich es dann - das ist immer bei jedem Thema individuell zu betrachten - eventuell(!) als vertretbar an, das Recht auf individuelle Freiheit zu beschränken, damit andere nicht zu Taten gedrängt werden, die sie eigentlich nicht wollen.

Aber bspw. beim Thema Schwulenehe erschließt sich mir das nicht.

Raphael

Re: Der Staat und die Sünde

Beitrag von Raphael »

Ralf hat geschrieben:
Mittwoch 12. April 2017, 11:03
Hmm, kannst Du mir sagen, wo ich geschrieben habe, daß sich die Kirche nicht um den "äußeren Menschen" kümmern solle? Da ich diese Stelle nicht finde, kannst Du davon ausgehen, daß ich das nicht meine.
Du mußt solche Dinge nicht explizit schreiben, weil Du auf dem Abstraktiosniveau, welches von Dir hier aufgrund der Fragestellung verlangt wird, manche Dinge auch impliziert haben kannst.
Ralf hat geschrieben:
Mittwoch 12. April 2017, 11:03
Ich habe geschrieben, daß es einerseits darum geht, die Rechte der Menschen zu verteidigen und da sehe ich die Kirche genuin am richtigen Platz, weil sie verkündigt, daß die Menschen das Leben "in Fülle" haben sollen. Wem Grundrechte vorenthalten werden (Bildung, Basismedizin, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit etc.), kann das Leben nicht "in Fülle" haben.
Dein Ansatz erscheint schon falsch zu sein, weil die Kirche zuvörderst nicht die Rechte des Menschen im Blick hat, was die meisten modernen Menschen ganz fürchterlich aufregt, sondern zu allererst die Pflichten des Menschen gegenüber Gott. Daher ist der von Dir gedachte Ansatz imkompatibel mit einer kirchlichen Sichtweise auf die Dinge der Schöpfung.

Interessanterweise, und das wird durch eine Vielzahl von Glaubenszeugen bestätigt, stellt sich die Fülle des Lebens aber dann sehr zuverlässig ein, wenn der Gläubige seine Pflichten gegenüber Gott bestmöglichst erledigt.
Ralf hat geschrieben:
Mittwoch 12. April 2017, 11:03
Wenn es darum geht, Rechte der Menschen zu beschneiden, sehe ich die Kirche dort aber nicht.

Natürlich gibt es immer Bereiche, wo sich beides überschneiden kann, wie bspw. bei dem Thema Suizidbeihilfe oder Suizid generell. Da sehe ich es dann - das ist immer bei jedem Thema individuell zu betrachten - eventuell(!) als vertretbar an, das Recht auf individuelle Freiheit zu beschränken, damit andere nicht zu Taten gedrängt werden, die sie eigentlich nicht wollen.

Aber bspw. beim Thema Schwulenehe erschließt sich mir das nicht.
Mir erschließt sich nicht worauf Du hinaus willst. :achselzuck:
Ist das Gewissensurteil des Individuums nach Deinen Vorstellungen das alleingültige Urteil?

Als Möglichkeit würde ich 'mal in Betracht ziehen, daß eine der wirklich schlimmen Krankheiten der Moderne ein übersteigerter Subjektivismus ist .................

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