Siard hat geschrieben:Das ist doch wieder nur die alte Leier: Wir haben alles richtig gemacht, die Welt ist böse.
Stimmt aber nicht. Natürlich hat die Regierung Einfluß auf die Tarifabschlüsse und die Lohnentwicklung genommen. Das System in D ist systematisch untergraben worden.
Der Exporterfolg beruht gerade darauf, daß man anderen Ländern – mit denen man eine Währung teilt – die Märkte genommen hat. Natürlich sind manche Länder daran mitschuld, aber eben auch D (und in geringerem Maße auch A).
Nein, das ist genau das, was ich hier immer schreibe:
Andere Länder haben eine andere Wirtschaftskultur: Starke Lohnerhöhungen und Herstellung der intern. Wettbewerbsfähigkeit durch lfde Abwertungen der eigenen Währung. In D. will man einen stabilen Geldwert haben. Das hat nichts mit "gut" und "böse" zu tun - es sind durch die Geschichte geprägte wirtschaftliche Werte der europäischen Völker.
Es war doch nicht D., das den Euro mit aller Macht wollte, um hieraus Vorteile zu ziehen. Warum haben sich die Südländer denn so "angestrengt", um in den Club aufgenommen zu werden und dies tlw. sogar mit gefälschten Zahlen? In D. überwog doch die Skepsis, nicht nur bei der Bevölkerung, die den Euro ablehnte, sondern auch z.B. bei der Bundesbank. Auch die Franzosen, die im Gegensatz zu den Deutschen in einem Plebiszit zur Euro-Einführung befragt wurden, stimmten nur mit denkbar
knapper Mehrheit von 51,1% zu. Der Gegensatz zur sog. "politischen Elite" (hier: Kongress), der dem Maastrichtvertrag mit 89% zustimmte, zeigt doch deutlich, daß der Euro keineswegs von den "Völkern Europas" unbedingt gewünscht wurde (wobei die Länder mit Schwachwährungen eine Ausnahme waren).
Das war doch alles bekannt - und genauso war klar, daß der sog. "Wettbewerbsvorteil durch Abwertungen" verloren gehen würde.
Einflußnahme der Politik auf die Tarifverhandlungen?
Wann und wo soll die denn stattgefunden haben? Könnte es nicht auch sein, daß die Gewerkschaften in D. verantwortungsbewußter handeln? Schließlich ist ihnen die betriebliche Situation durch die Betriebsräte und ggfs. die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten nicht unbekannt.
Wer die Zahlen kennt und an den Entscheidungen über evtl. Produktionsverlagerungen bzw. -einstellungen beteiligt ist, tut sich eben mit (zu) hohen Lohnforderungen schwerer als die Gewerkschaften des Südens.
Siard hat geschrieben:
D verhält sich als eine unangenehme Hegemonialmacht und wundert sich dann, daß es nicht mehr von allen geliebt wird: DIE sind alle böse.
Die Bundesrepublik hat eben nicht vernünftig gewirtschaftet, sondern eine Gelegenheit genutzt sich auf Kosten anderer zu bereichern. Das ist nicht illegal, aber innerhalb einer selbst gewollten Währung auch sicher kein feiner Zug.
Hoffen wir für (uns) alle, daß die Folgen der Veranstaltung nicht allzu schrecklich werden.
D. hat - einigermaßen - vernünftig gewirtschaftet, im Vergleich zu den Südstaaten, die seit Jahren über ihre Verhältnisse leben. Man hat sich hier zwar auch nicht an die Maastricht-Kriterien gehalten, aber zumindest im Augenblick scheint ein Umdenken einzusetzen. Darauf wartet man bei den südlichen Eurostaaten allerdings vergeblich. PT hat inzwischen eine Schuldenquote von 130% und will trotzdem die Sparmaßnahmen wieder rückgängig machen. Für Spanien gilt ähnliches, die früheren Haushaltsüberschüsse sind Vergangenheit. GR scheint überhaupt kein Interesse zu haben, seine Lage in den Griff zu bekommen und fordert nur "Solidaritätszahlungen". Italien macht keine Anstrengungen, von seinem hohen Schuldenberg herunterzukommen und verliert an Wettbewerbsfähigkeit.
Was soll D. denn machen? Gegen die Stimmung in der Bevölkerung eine hohe Inflation herbeiführen? Wie soll das denn gehen? Mittelfristig könnte genau das Gegenteil eintreten:
Mehr Roboter bedeuten tiefere Zinsen
Da die Maschinen immer fortschrittlicher werden, dürften viele Arbeitnehmer ihre Jobs verlieren und bei anderen dürften die Gehälter sinken. Neue Technologien werden auch die Chancen für einen Technologiesprung wie in den 1990er Jahren erhöhen. Diese Kräfte werden zusammenwirken und die Preise überall in der Weltwirtschaft drosseln. Das bedeutet, dass die Ära der niedrigen Inflation, die derzeit den Zentralbanken Probleme bereitet, nur der Anfang dessen ist, was noch kommen dürfte.
"Der technologische Fortschritt wird eine Wiederbelebung der Inflation deckeln", sagte Axel Weber, Verwaltungsratsvorsitzender der UBS und früherer Präsident der Deutschen Bundesbank, in Davos.
Die Sorge ist, dass die sogenannte vierte industrielle Revolution zu Lasten eines zunehmenden Teils der Arbeitskräfte gehen wird. Das heisst, es wird zu Arbeitslosigkeit kommen, ebenso zu Druck auf die Gehälter und damit auf den Konsum, insbesondere bei Arbeitnehmern mit geringer Qualifikation.
(...)
"Wenn die Substituierbarkeit zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital höher ist als in der Vergangenheit, dürfte die Verhandlungsposition des Faktors Arbeit und dessen Anteil am Einkommen unvergleichbar niedriger werden", sagte er. "Das Ergebnis ist eine deutlich niedrigere Inflation."
Preisfrage:
In welchen Ländern der EU wird diese Entwicklung wohl zuerst stattfinden und welche Auswirkung hat das auf die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen?
Wenn aber die Löhne in D. nur gering steigen (können), weil es sonst zu Betriebsverlagerungen bzw. noch weitergehenden Automatisierungen usw. kommt, wie wollen bzw. können dann die anderen Länder trotz der Euroschwäche gegen D. im Wettbewerb bestehen?